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Elemente und Aspekte des Nachbergbaus

Der subventionierte deutsche Steinkohlenbergbau wird am 31.12.2018 endgültig beendet. Die Zeit des Nachbergbaus wird dann nicht nur in den Kohlerevieren in Nordrhein-Westfalen und im Saarland beginnen – in vielen anderen deutschen Bergbaurevieren ist sie längst Realität. Die Elemente und Aspekte des Nachbergbaus erfordern ein permanentes Abwägen von Chancen und Risiken. Dies ist eine Aufgabe auch für kommende Generationen. Der Nachbergbau umfasst die Bereiche Gefahrenabwehr, Sanierung und Nachnutzung der aufgegebenen Bergwerksareale. Besondere Aspekte stellen die Sicherheit der Tagesoberfläche und der Umgang mit den anfallenden Grubenwässern dar. In diesem Zusammenhang haben geeignete Monitoringmaßnahmen eine große Bedeutung. Im Rahmen des Flächenrecyclings und der Konversion gilt es, Konzepte für die Ansiedlung von Unternehmen, die Gewinnung von regenerativen Energien, die ökologische Aufwertung sowie für kulturelle und touristische Nutzungen zu entwickeln.

Autoren: Prof. Dr. rer. nat. Christian Melchers und Prof. Dr.-Ing. Peter Goerke-Mallet, Forschungszentrum Nachbergbau der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA), Dipl.-Ing. Karl Kleineberg, DMT Gesellschaft für Lehre und Bildung mbH, Bochum

1   Einleitung

Der deutsche Bergbau wurde in den vergangenen Jahrzehnten durch eine Vielzahl von Bergwerksschließungen geprägt. Davon ist neben dem Metallerzbergbau auch der Steinkohlenbergbau betroffen, wodurch sich ein erheblicher Bedarf an umweltgerechten und nachhaltigen Stilllegungsverfahren ergibt. Nachdem bereits im Jahr 2012 der über 200 Jahre währende Steinkohlenbergbau im Saarland sein Ende fand, werden im Jahr 2018 das letzte noch aktive Bergwerk im Ruhrgebiet und das Bergwerk Ibbenbüren ihre Produktion einstellen (Bild 1).

Fig. 1. Map showing the coalfields of the Ruhr, Saar and Ibbenbüren. // Bild 1. Karte der Steinkohlenreviere Ruhr, Saar und Ibbenbüren. Source/Quelle: GVST

Fig. 1. Map showing the coalfields of the Ruhr, Saar and Ibbenbüren. // Bild 1. Karte der Steinkohlenreviere Ruhr, Saar und Ibbenbüren. Source/Quelle: GVST

Im größten deutschen Steinkohlenrevier, dem Ruhrgebiet, gilt es in besonderer Weise, die Konflikte zwischen dem (Alt-)Bergbau, der hohen Bevölkerungsdichte und der intensiven Oberflächennutzung zu lösen. Die Infrastruktur in diesem Raum an Verkehrswegen, Bebauung und Entwässerungssystemen ist umfangreich und empfindlich gegen störende Eingriffe. Mit einer Bevölkerungsdichte von rund 2.800 Menschen/km2 und einer Gesamtbevölkerung von etwa 5 Mio. Menschen bildet das Ruhrgebiet die größte urbane Region Deutschlands. Diese -Region ist weltweit gesehen wohl auch das am dichtesten besiedelte Kohlerevier.

Hier wurde seit dem 12. Jahrhundert Kohle abgebaut. Bis heute sind rund 10 Mrd. t Steinkohle gefördert worden. Der Abbau hat eine Teufe von über 1.500 m unter Tage erreicht und in den vergangenen 120 Jahren Senkungen der Tagesoberfläche an einzelnen Orten von bis zu 25 m hervorgerufen. In der Phase der intensivsten bergbaulichen Aktivität, also zwischen den Jahren 1930 und 1960, haben rd. 500.000 Bergleute bis zu 130 Mio. t Steinkohle pro Jahr gefördert. Dies war die Basis für das größte europäische Industriegebiet mit Bergbau, Eisen und Stahl, Maschinenbau und Dienstleistungen (1).

Die infrastrukturelle Basis der Region wurde durch den Bergbau gelegt. Wesentliche Verkehrswege wie Straßen, Eisenbahnlinien und Kanäle sind aus den Notwendigkeiten des Bergbaus zum An- und Abtransport von Menschen, Material und Kohle entstanden. Aus Siedlungen, die um die Bergwerke entstanden, haben sich zum Teil große Städte entwickelt. Gemeinsam bilden sie heute einen europaweit einzigartigen Metropolraum. Die sozialen Strukturen sind aus der Kameradschaft der Bergleute erwachsen.

Jeder bergbauliche Gewinnungsprozess findet zwangsläufig sein Ende. Die Gründe liegen in der Erschöpfung der Lagerstätte oder in ökonomischen Zwängen. Damit beginnt die Nachbergbauphase, die eine neue zentrale Herausforderung darstellt.

Sie wirft u. a. folgende zentrale Fragen und Probleme auf:

  • Wie wird der Bergbau beendet, dass er zukünftig für die nachfolgenden Generationen keine Gefahr oder Einschränkung darstellt?
  • Können aus der Bergbauzeit wichtige und zukunftsfähige Einrichtungen, Errungenschaften oder Prinzipien für eine Zukunft erhalten, neu genutzt oder in Wert gesetzt werden?
  • Wie wird eine Bergbauregion nach dem Bergbau verändert und dient zukünftigen Generationen als Lebensgrundlage?

Die nachbergbaulichen Aspekte sollten auch die eines jeden aktiven Bergbaus sein. Getreu dem alten Grundsatz “quidquid agis, prudenter ages et respice finem” (Was du auch tust, handele klug und bedenke das Ende) wird ein moderner, nachhaltiger und umweltgerechter Bergbau schon in der Produktionsphase nachbergbauliche Notwendigkeiten berücksichtigen.

2  Anforderungen an die Maßnahmen zur Stilllegung von Bergwerken unter und über Tage

Mit dem Eintritt in die Nachbergbauphase verliert eine Bergbauregion ihre ökonomische, technische und soziale Grundlage. Die ehemaligen Bergbauareale haben keine konkrete Nutzung mehr. Flächen, Gebäude und Einrichtungen verfallen und bilden zunehmend eine Gefahr. Nicht zuletzt können gewohnte soziale Formen und Traditionen, also die Bergbaukultur, verloren gehen. Die sich daraus ergebenden Risiken sind umfangreich. Aber der Nachbergbau ist auch der Beginn einer Zukunft. Es gilt, die Risiken zu minimieren und die Chancen zu nutzen.

2.1  Themen des Nachbergbaus

In der Tabelle 1 sind die zentralen Themen des Nachbergbaus in die Hauptaspekte aufgegliedert:

Tabelle 1. Themen des Nachbergbaus.

Tabelle 1. Themen des Nachbergbaus.

2.2 Wasser und Gas

Die Beherrschung der anfallenden Wässer ist auch nach Beendigung des Bergbaus von herausragender Bedeutung (2). Um die übertägigen Flächen, insbesondere aber die bebauten Flächen vor Überflutungen oder Belastungen durch ansteigendes Grubenwasser zu schützen, ist es erforderlich, die möglichen wasserbedingten Auswirkungen gesondert zu betrachten. Vor dem Hintergrund einer langfristigen Finanzierbarkeit der mit dem Pumpen verbundenen Kosten, ist das verbleibende Wasserregime besonders effektiv zu gestalten (3, 4, 5). Bei Erfordernis müssen die Maßnahmen zur Wasserhaltung aber langfristig weiterbetrieben werden, bilden somit sogenannte Ewigkeitsaufgaben (6). Für das Ruhrrevier sieht die langfristige Wasserhaltung vor, jährlich etwa 70 Mio. m3 Grubenwasser zu heben (7).

Eine besondere Herausforderung stellt im Ruhrgebiet der Schutz wichtiger Trinkwasserreservoire dar (8). Es ist daher seitens der den Bergbau betreibenden RAG Aktiengesellschaft, Herne, geplant, das Grubenwasser auf einem Niveau zu halten, mit dem ein hinreichender Sicherheitsabstand zu den Trinkwasserhorizonten gewährleistet wird.

Die Beherrschung des unter Tage anfallenden und bei Aufgabe der bergbaulichen Wasserhaltung ansteigenden Grubenwassers ist zu trennen von der übertägigen Wasserwirtschaft. Hierbei spielen die Oberflächengewässer, das Regenwasser- und Grundwassermanagement sowie die Vorfluter eine wesentliche Rolle. Letztere haben durch die Absenkung der Tagesoberfläche nach dem untertägigen Abbau vielfach ihre natürlichen Fließfähigkeiten verloren und waren schon zu den Zeiten des aktiven Bergbaus nur mit künstlichen Systemen über Pumpen und Polder beherrschbar.

Fig. 2. Polder meadow in the Ruhr Basin (10). // Bild 2. Poldergebiet im Ruhrrevier (10).

Fig. 2. Polder meadow in the Ruhr Basin (10). // Bild 2. Poldergebiet im Ruhrrevier (10).

Im Laufe der Jahrhunderte hat der Bergbau die Morphologie der Landschaft nachhaltig beeinflusst. In Teilen des Ruhrreviers haben sich in den letzten 120 Jahren Senkungen der Tagesoberfläche bis zu 25 m ergeben (9). Die durch Bergsenkungen geprägte, ursprünglich flache Landschaft zwischen den Flüssen Emscher und Lippe weist bis zu 30 % abflusslose Polderflächen in den entstandenen Senkungsmulden auf (Bild 2). Daher mussten die dem Rhein zufließenden Gewässer eingedeicht werden und es entwickelte sich ein sehr stark anthropogen überprägtes Hydrosystem. Als Ersatz für den Verlust der natürlichen Vorflut und zur Trockenhaltung der Tagesoberfläche werden aktuell über 300 Pumpwerke betrieben (10, 11). Mit ihrer Hilfe werden jährlich etwa 850 Mio. m3 Regen- und Grundwasser aus Poldergebieten gepumpt.

Der Anstieg des Grubenwassers in der Lagerstätte wird durch die Auftriebskraft des Wassers sowie natürliche Quellvorgänge des Gebirges Hebungen der Tagesoberfläche bewirken. Die Erfahrungen aus bereits abgelaufenen Grubenwasseranstiegsprozessen in verschiedenen Bergbaurevieren zeigen, dass Hebungen in Größenordnungen bis zu 30 cm auftraten. Diese sind jedoch überwiegend beherrschbar. Nur in Ausnahmefällen bewirkten die Hebungen Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen an der Tagesoberfläche. In diesen Fällen besteht ein eindeutiger Zusammenhang zu tektonischen Großelementen der Lagerstätte (Bild 3).

Fig. 3. Damage caused by surface uplift following mine-water flooding (12). // Bild 3. Schadensbilder bei Bodenhebungen nach einer Grubenwasserflutung (12).

Fig. 3. Damage caused by surface uplift following mine-water flooding (12). // Bild 3. Schadensbilder bei Bodenhebungen nach einer Grubenwasserflutung (12).

Mit dem Anstieg des Grubenwassers kann freies Methan in der Lagerstätte mobilisiert werden. Dieses kann zu Gasaustritten an der Tagesoberfläche führen. Die Nutzung des Grubengases durch Absaugung wirkt diesem Risiko entgegen.

2.3 Boden und Schächte

Zahlreiche Schächte, tiefe Bergwerke und tagesnahe Hohlräume bedürfen einer dauerhaft sicheren Verwahrung, um Schäden an der Tagesoberfläche zu vermeiden, Folgenutzungen zu ermöglichen oder die früheren morphologischen Verhältnisse so gut als möglich wiederherzustellen. Aus diesen Gründen ist vor einigen Jahren sowohl bei den Bergwerksbetreibern, als auch bei den Behörden ein Risikomanagement eingeführt worden (13).

Die Sicherung der Schächte und der oberflächennahen Grubenbaue durch eine standsichere Verfüllung mit Beton oder anderen Materialien findet heute mit einer weitentwickelten Technik und gesicherten statischen Berechnungen statt. Trotz allem ist die Vielzahl der zu sichernden und zu verfüllenden Schächte und Grubenbaue für ein Bergbaurevier von der Größe des Ruhrgebiets eine enorme, vor allen Dingen finanzielle Herausforderung (14). Für Nordrhein-Westfalen ergeben sich nach jetzigem Kenntnisstand etwa 70.000 Tagesöffnungen.

Die Dekontamination der im Zuge früherer bergbaulicher Tätigkeiten verunreinigten Flächen wird aufgrund der Gesetzgebungen, z. B. dem Bundesbodenschutzgesetz, in Deutschland zwingend eingefordert. Hier ist eine Vielzahl von einzelfallbezogenen Alternativen denkbar. Vom Bodenaustausch und der Verbrennung der dekontaminierten Massen in speziellen Anlagen, über die Reinigung am Ort des Auftretens bis zur sicheren Verwahrung der Böden in speziellen Erdbauwerken reicht die Bandbreite.

Nach der fachgerechten Sanierung der Flächen und dem Abriss nicht weiter nutzbarer Bergwerksgebäude sind die ehemaligen Bergbauareale wertvolle Flächenressourcen für eine zukünftige Verwendung.

2.4 Fläche und Entwicklung

Neben den bebauten und intensiv genutzten Bergwerksflächen sind die ehemaligen Bergehalden in besonderer Weise nachhaltig zu behandeln. Wenn die Bergehalden nicht schon während der Schüttphase teilrekultiviert wurden, sind die Rekultivierung und der sichere Abschluss der Halden nach Beendigung des Bergbaus vorzunehmen. Besonders steile Haldenflanken sind flacher zu gestalten, ein geordnetes Entwässerungssystem für den ganzen Haldenkörper zur Vermeidung von Auswaschungen und Hangrutschungen ist herzustellen und eine möglichst dichte Bepflanzung der Haldenoberflächen zum Schutz vor Staub und zur Stabilisierung der oberflächennahen Schichten ist anzustreben (Bild 4).

Fig. 4. Disused colliery spoil tip before and after recultivation. // Bild 4. Bergehalde des Steinkohlenbergbaus vor und nach der Rekultivierung. Photo/Foto: Karl Kleineberg

Fig. 4. Disused colliery spoil tip before and after recultivation. // Bild 4. Bergehalde des Steinkohlenbergbaus vor und nach der Rekultivierung. Photo/Foto: Karl Kleineberg

Nach diesen „Pflichtaufgaben“ können die Halden durch entsprechende Ausgestaltung den Freizeitinteressen der Menschen, einer besonderen ökologischen Entwicklung oder städtebaulichen, ästhetischen und künstlerischen Gesichtspunkten dienen. Eine alte Bergehalde wird neue Natur, die von den Pflanzen und Tieren bevölkert und von den Menschen für Erholung und Sport genutzt wird.

3  Analyse der Risiken und Chancen im Nachbergbau

Der nachhaltigen Beherrschung und Vermeidung von Gefahren und Risiken aus dem Bergbau stehen jedoch auch Chancen für die Zukunft gegenüber. Zunehmend stellen sich Fragen nach der Nutzung der enorm großen Bergbauflächen für die Gewinnung regenerativer Energie, dem Aufbau neuer Ansiedlungen für Arbeitsplätze und ökonomischer Strukturen sowie für -Kultur und Freizeit. Das qualifizierte Beschreiben der Risiken und die Formulierung von Chancen ist die Aufgabe eines Risiko-managements.

Die Tabelle 2 zeigt einen Überblick über die zentralen Elemente, die zu betrachten sind sowie deren Risiken und Chancen. Die Aufgabe besteht darin, die elementaren Risiken zu verhindern oder zu minimieren und unter Berücksichtigung der Chancen für die Zukunft einen Mehrwert zu erarbeiten (15).

Tabelle 2. Übersicht der Risiken und Chancen zu den Elementen des Nachbergbaus.

Tabelle 2. Übersicht der Risiken und Chancen zu den Elementen des Nachbergbaus.

4  Monitoring

Wenn auch der aktive Bergbau endlich ist, so sind es viele Aufgaben des Nachbergbaus nicht. Einige müssen so langfristig behandelt werden, dass von Ewigkeitsaufgaben zu sprechen ist.

Ein wesentliches Element des Nachbergbaus ist das langfristige Beobachten der Situation:

  • Ein optimiertes Grubenwassersystem bedarf ebenso wie die Wasserwirtschaft der Poldergebiete einer dauerhaften Kontrolle.
  • Die verfüllten Grubenbaue und Schächte sind hinsichtlich ihrer Sicherheit ebenso dauerhaft zu überwachen und möglicherweise ergänzend zu sichern.

So haben die Entwicklung und die danach folgende Anwendung von Monitoring-Konzepten eine große Bedeutung im Nachbergbau. Diese Konzepte beginnen mit der Entwicklung von Vorausberechnungsmodellen für das zu beobachtende Phänomen. Danach sind Überwachungssysteme aufzubauen, bestmöglich mit einer automatischen Datenerfassung.

Im Ergebnis entsteht ein verantwortlicher, nachhaltiger und sicherer Umgang mit den Aspekten des Nachbergbaus, der wichtige Zukunftsperspektiven ermöglicht. Eine langfristige Akzeptanz der bergbaulichen sowie im Besonderen der nachbergbaulichen Aktivitäten ist in der Gesellschaft nur über ein verantwortliches und transparentes Handeln zu erreichen.

5  Wiedernutzbarmachung der stillgelegten Bergbauareale als Ressource der Zukunft

Alte Industriestandorte wie Bergwerke bieten Raum für neue Perspektiven der Wirtschaft und Kultur sowie Arbeitsplätze für die Bergleute und deren Kinder (16).

Ein typisches großes Bergwerk mit Schächten, Betriebsanlagen, Aufbereitung, Eisenbahnanlagen, Kokerei und Bergehalde ist rund 140 ha groß (Bild 5). Die Bergbauindustrie war der bestimmende Teil einer vielschichtigen Industriegesellschaft mit großen industriellen Einheiten. Es wird nicht gelingen, gleichartige industrielle Einheiten aufzubauen. Die heutigen Strukturen in Mitteleuropa sind kleiner, effektiver, anpassungsfähiger und nachhaltiger als in der Vergangenheit.

Fig. 5. Reden colliery, Saar coalfield, circa 1960. // Bild 5. Bergwerk Reden, Saarland um 1960. Photo/Foto: Karl Kleineberg

Fig. 5. Reden colliery, Saar coalfield, circa 1960. // Bild 5. Bergwerk Reden, Saarland um 1960. Photo/Foto: Karl Kleineberg

Neue Ideen, Innovationen und Entwicklungen sind der Treibstoff für die Zukunft in den entwickelten Nationen. Wissen ist das entscheidende Potential und die Fähigkeit zu Innovationen ist die nutzbare Ressource. Kreativität, Neugier und Veränderungswille sind die Werkzeuge. Die Industriekultur der Bergbauzeit mit ihren Gebäuden, Werten und Herausforderungen sind besondere Ideengeber. Im alten Industriegebäude entsteht eine neue Kreativität in alten Mauern.

Die durch den Bergbau entstandenen Landschaften der Bergehalden, Schlammweiher und Bergwerksareale sind durch die menschliche Geschichte so weit weg von der ursprünglichen Natur, dass über sie völlig frei neu verfügt werden kann. Sie sind Freiraum für Sport und Erholung der Menschen. Die sich neu entwickelnde Natur auf den oft sehr schwierigen und extremen Standorten gilt als besonders dynamisch und damit wertvoll. Diese Areale können auch dem Aufbau einer Infrastruktur zur Nutzung regenerativer Energien in den industriellen Regionen dienen.

Das anfallende Grubenwasser besitzt ein geothermische Potential. Dort, wo es dauerhaft gepumpt wird, stellt es eine nutzbare Energiequelle dar. Hierzu gibt es bereits exemplarische Anlagen im Ruhrgebiet und im Saarland, die das Grubenwasser über Wärmetauscher und Wärmepumpen als Heizenergie nutzen.

Es gibt große Freiflächen, um leistungsfähige Photovoltaikanlagen bis zu 15 MWp zu errichten und damit bis zu 5.000 Haushalte zu versorgen, wie die ersten bereits installierten Anlagen beweisen (Bild 6).

Fig. 6. Photovoltaic plant at Göttelborn mine, Saarland. // Bild 6. Photovoltaikanlage Bergwerk Göttelborn, Saarland. Photo/Foto: RAG

Fig. 6. Photovoltaic plant at Göttelborn mine, Saarland. // Bild 6. Photovoltaikanlage Bergwerk Göttelborn, Saarland. Photo/Foto: RAG

Die großen Berghalden stellen mit ihrer Höhe von 80 bis 100 m sehr windstarke Standorte dar. Einige Windenergieanlagen sind darauf bereits errichtet und liefern kontinuierlich Strom (Bild 7).

Fig. 7. Wind turbine operating on a former spoil tip in the Ruhr Basin. // Bild 7. Windkraftanlage auf einer Halde im Ruhrgebiet. Photo/Foto: RAG

Fig. 7. Wind turbine operating on a former spoil tip in the Ruhr Basin. // Bild 7. Windkraftanlage auf einer Halde im Ruhrgebiet. Photo/Foto: RAG

Die weiten Bergwerksareale stellen auch interessante Anbauflächen für die Biomasseproduktion dar.

Zu den Elementen des Nachbergbaus gehört es, aus den Qualitäten der Vergangenheit etwas Neues zu entwickeln und zu nutzen (Bild 8). Dabei ist es wichtig, das Ungewöhnliche zu suchen, es zu nutzen und zur Marke des innovativen Denkens zu machen.

Fig. 8. Renovated buildings of the former Reden colliery. // Bild 8. Neu gestaltete ehemalige Bergwerksanlage Reden. Photo /Foto: Karl Kleineberg

Fig. 8. Renovated buildings of the former Reden colliery. // Bild 8. Neu gestaltete ehemalige Bergwerksanlage Reden.
Photo /Foto: Karl Kleineberg

Die Veränderungen sollten ihr Fundament in den Qualitäten der Vergangenheit finden. Das können die Architekturen, Raumsituationen oder Perspektiven der alten Bergwerke sein. Diese haben einen besonderen Ausdruck und unterscheiden sich vom Gewöhnlichen.

Die Innovation oder die Dienstleistung des neuen Unternehmens, das sich im ehemaligen Bergwerk eine Zukunft aufbaut, wird davon profitieren. Raum und Architektur waren schon immer das selbstbewusste Zeichen von Qualität.

6  Forschungszentrum Nachbergbau

Angesichts der Bedeutung der Sicherheit der Tagesoberfläche sowie der Langfristigkeit der Wasserhaltung und der geordneten Bearbeitung der Alt- und Ewigkeitslasten hat die RAG-Stiftung, Essen, vor drei Jahren eine Professur für den neugeschaffenen Studiengang „Geoingenieurwesen und Nachbergbau“ an der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) zu Bochum gestiftet. In diesem Studiengang mit dem Abschluss „Master“ werden die Fachleute ausgebildet, die zukünftig das erforderliche Wissen zum Nachbergbau bewahren werden.

Der Stiftungsprofessor ist mit seinem Team neben dem Aufbau des Studiengangs mit der Bildung des Forschungszentrums „Nachbergbau“ beauftragt. Ziel ist der Wissenserhalt und damit das intellektuelle Bergbauerbe zu bewahren und weiterzuentwickeln. Hierzu werden eigene Forschungsarbeiten betrieben und der Aufbau von Kooperationen gestärkt. Zu den Projekten gehören u. a.:

  • Messungen in Grubenwasserkörpern zur Bestimmung von Dichteschichtungen,
  • Monitoring von untertägigen Grubenwasseranstiegsprozessen,
  • Untersuchungen an wasserführenden Stollen bzw. Erbstollen und
  • Analysen von bereits erfolgten Grubenwasseranstiegen in Deutschland, Europa und Übersee.

Die THGA mit ihrem Forschungszentrum Nachbergbau ist in der Lage, sämtliche Elemente und Aspekte des Nachbergbaus ganzheitlich zu bearbeiten.

Nachbergbau ist eine zentrale Aufgabe, die zum Teil ewig andauern wird und somit auch eine akademische Ewigkeitsaufgabe ist. Dies gilt national wie international. Hierbei kommt dem ehemaligen Bergbaubetreiber eine besondere Verantwortung zu.

References / Quellenverzeichnis

References / Quellenverzeichnis

(1) Regionalverband Ruhr (2012): Kleiner Zahlenspiegel der Metropole Ruhr – Zahlen, Daten, Fakten. Stand Dezember 2011, Essen, S. 9.

(2) RAG Aktiengesellschaft (2014): Neue Wasser – Wege: Die Konzepte zur Grubenwasserhaltung der RAG. In: Steinkohle – Das Mitarbeitermagazin der RAG Aktiengesellschaft, Herne, Vol. 12, S. 4 – 5.

(3) Melchers, C., Dogan, T. (2014): Studie zu erfolgten Grubenflutungen in Steinkohlenrevieren Deutschlands und Europas. Altbergbaukolloquium, Essen: VGE Verlag GmbH, S. 300 – 305.

(4) Goerke-Mallet, P., Drobniewski M. (2013): Planning long-term mine-water management for the Ibbenbüren coal basin. XV. International ISM Congress, Aachen, pp. 319 – 324.

(5) Goerke-Mallet P., Mersmann J., Beermann T., Stöttner M. (2014): Optimierung der langfristigen Wasserhaltung von Bergbaubetrieben mit Hilfe langer, gerichteter Bohrlöcher und Schlauchliner-Technik. Altbergbaukolloquium, Essen: VGE Verlag GmbH, S. 163 – 171.

(6) RAG-Stiftung (ed) (2014): Ewigkeitsaufgaben, Essen, viewed 12 January 2015, http://www.rag-stiftung.de/ausgelagert/impressum/.

(7) RAG AG (2016): www.Verantwortung.rag.de/ewigkeitsaufgaben/wasserhaltung/ (abgerufen am 29.4.2016).

(8) Terwelp, T.(2014): Bergwerksstilllegungen unter Berücksichtigung der Grubenwassersituation im Zuge der Stilllegung des Steinkohlenbergbaus im Ruhrrevier aus Sicht der Bergbehörde. In: Bergbau – Zeitschrift für Rohstoffgewinnung, Energie, Umwelt, Essen, Vol. 65 (10), S. 454 – 459.

(9) Harnischmacher, S. (2010): Quantification of mining subsidence in the Ruhr District (Germany). In: Géomorphologie: relief, processus, environnement, Vol. 3, pp.261 – 274.

(10) EGLV (ed) (2013): Booklet Fließgewässer im Emscherraum – Biologie, Beschaffenheit, Bachsysteme, Essen, S. 71.

(11) LINEG (2016): LINEG 2015 Natürlich Niederrhein. Jahresbericht 2015.

(12) Baglikow, Volker (2003): Bergschäden nach Beendigung der Grubenwasserhaltung im tiefen Bergbau, Zeitschrift Das Markscheidewesen 2003, Nr.2.

(13) Sikorski, A., Reinersmann, N. (2010): Altbergbau in Nordrhein-Westfalen. In: Bergbau – Zeitschrift für Rohstoffgewinnung, Energie, Umwelt, Essen, Vol. 61 (1), S. 9 – 14.

(14) Welz, A. (2014): Gefahren des Altbergbaus aus der Sicht der Bergbehörde. Praktikerseminar Rechtsfragen des Altbergbaus, Ruhr- Universität Bochum, 2 September 2014.

(15) Kretschmann, J. and M. Hegemann (2012): New chances from old shafts – Risk Management in Abandoned Mine Sites in Germany. In: Proceedings of the annual meeting of the Society for Mining, Metallurgy & Exploration in Seattle, Washington, USA. Red Hook, NY: Curran Associates, 2012, pp.153 – 158.

(16) Kretschmann, J. (2014): Sustainable Land Management in Urban Areas: The Ruhr as a Role Model. Kuzbass Staatliche Technische Universität, wissenschaftlich-technische Zeitschrift, S.127.

Autoren: Prof. Dr. rer. nat. Christian Melchers und Prof. Dr.-Ing. Peter Goerke-Mallet, Forschungszentrum Nachbergbau der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA), Dipl.-Ing. Karl Kleineberg, DMT Gesellschaft für Lehre und Bildung mbH, Bochum

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