FZN

  • Nachbergbauzeit NRW 2025: Tagung zeigt das Potential der Digitalisierung für den Nachbergbau

    Die Frage, wie eine nachhaltige Digitalisierung im Nachbergbau gelingen kann, stand am 20. März 2025 im Mittelpunkt der Fachtagung „Nachbergbauzeit NRW – Digitalisierung trifft Tradition“ im Studierendenzentrum der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) in Bochum (Bild 1). Dabei konnten die rd. 250 Teilnehmer in einer Vielzahl an Vorträgen und im direkten Austausch erleben, wie viel und was bereits technisch möglich und erfolgreich in Anwendung ist. Somit schlug die Nachbergbauzeit NRW vom traditionsreichen wie historisch ungemein wirkungsreichen Bergbau thematisch die Brücke in die Zukunft und zu modernsten Digitaltechnologien.

    Organisiert vom Forschungszentrum Nachbergbau (FZN) und der Abteilung für Bergbau und Energie der Bezirksregierung Arnsberg, bot die Veranstaltung eine national wie international einzigartige Plattform, um zu zeigen, wie Digitalisierung und traditionelle Methoden zusammenwirken, um die Herausforderungen des Nachbergbaus nachhaltig zu meistern.

    Der offene und fachlich vielseitige Aufbau der Nachbergbauzeit NRW wurden direkt zur Tagungseröffnung zur Sprache gebracht. In seiner Begrüßung stellte Prof. Christian Melchers, Leiter des FZN, dabei passend zum Tagungsmotto fest: „Wir haben im Ruhrgebiet einen Schatz. Und das ist nicht mehr die Steinkohle. Es sind die Daten.“ Prof. Melchers betonte hierbei nicht nur den hohen Wert von Geodaten und die Chancen, die deren Digitalisierung für uns bietet, sondern wagte auch einen positiven regionalen Ausblick auf kommende Jahrzehnte: „Das Ruhrrevier hat die Chance die grünste Industrieregion der Welt zu werden!“

    Der Nachbergbau ist mehr als ein regionales Thema – er ist ein Zukunftsprojekt mit globaler Relevanz. Das machte Prof. Susanne Lengyel, Präsidentin der THGA, unmissverständlich klar. Ihr Fokus: die Nachwuchskräfte, die diesen Wandel mitgestalten werden. „Gemeinsam mit unseren Studierenden und den zukünftigen Absolventen unserer Hochschule wollen wir die Aufgaben angehen, die insbesondere der Nachbergbau mit sich bringt“, betonte Lengyel. Für sie steht fest: Spitzenforschung allein reicht nicht. Es braucht Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und neue Wege zu gehen. „Der Rohstoffbedarf wächst in der Welt. Hiermit gilt es nachhaltig und verantwortungsvoll umzugehen. Dies alles sind wichtige Aspekte, die uns heute – aber auch noch zukünftig beschäftigen werden.“

    Heinrich Böckelühr, Regierungspräsident der Bezirksregierung Arnsberg, knüpfte in seinem Redebeitrag mit einem kurzen Einblick zur historischen Dimension des Bergbaus, der Entwicklung des Nachbergbaus in Nordrhein-Westfalen sowie den daraus resultierenden Herausforderungen an. Den Stellenwert der Nachbergbauzeit NRW, die nun zum achten Mal stattfand, machte er mit der Beschreibung als „echte Traditionsveranstaltung“ deutlich. Auch Heinrich Böckelühr wies auf die riesigen Möglichkeiten digitaler Technologien – etwa zur Gefahrenabwehr – hin: Dabei seien die weitergehende Digitalisierung der Bergbehörde unabdingbar und weiter fest im Blick, so der Regierungspräsident.

    Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Mitglied im Vorstand der RAG-Stiftung, sprach in ihrer Rede über die nachhaltige Finanzierung und die Bewältigung der Ewigkeitsaufgaben nach dem Ende des deutschen Steinkohlenbergbaus. Besonders hob sie den Weg des FZN zum Transformationszentrum für Georessourcen und Ökologie (TGÖ) hervor. Diese Entwicklung sei ein entscheidender Schritt, um Wissenschaft, Transfer und Innovation stärker miteinander zu verknüpfen und zukunftsweisende Impulse für den nachhaltigen Umgang mit Georessourcen zu setzen. Bergerhoff-Wodopia: „Wir fördern und begleiten das TGÖ auf seinem Weg mit großem Engagement, denn wir sind sicher: Wissen schafft die Grundlage, um unsere Zukunft nachhaltig lebenswert zu gestalten!“

    Nordrhein-Westfalen, einst ein bedeutendes Bergbauland, hat sich längst zu einem Nachbergbauland entwickelt. Heute nutzt die Region ihre umfangreiche Erfahrung und innovatives Wissen, um die Spuren des intensiven Rohstoffabbaus zu erfassen und zu managen. Wie historische Altdaten und moderne Geodaten so kombiniert werden können, dass sie den nachhaltigen Umgang mit Nachbergbaulandschaften fördern, zeigte die Fachtagung eindrücklich.

    Die Verwendung von Drohnen im Nachbergbau, 3D-Modellierungen, die Verbesserungen digitaler Karten für das Risikomanagement, Automatisierung im Geomonitoring, digitalisierte Gewässerwirtschaft, Nutzung von KI und OpenData-Systeme: Die Referenten konnten mit einer Vielzahl an Themen und Blickwinkeln den Nachbergbau beleuchten, Wissenschaft in den Präsentationen visualisieren und Potentiale ergründen.

    Die Kombination von Vorträgen, Diskussionen und Networking-Möglichkeiten sowie die multiperspektivischen Betrachtungen zur Thematik stellten wieder einen Gewinn bei der achten Nachbergbauzeit dar, wie Prof. Melchers feststellte: „Die Nachbergbauzeit NRW 2025 war ein voller Erfolg. Das Konzept hat sich erneut bewährt. Umfassende Inhalte, interessante Präsentationen und tolle Begegnungen lassen mich bereits jetzt mit Freude auf die nächste Nachbergbauzeit NRW 2027 blicken“. (THGA/Si.)

  • Mit Hightech dem Bergbau auf der Spur: Fachtagung „NACHBergbauzeit in NRW“ an der THGA

    Nordrhein-Westfalen ist ein Nachbergbauland: Besonders im Ruhrgebiet und im Rheinischen Revier hat der intensive Rohstoffabbau seine Spuren hinterlassen. „Wenn Bergbau geht, bleiben Herausforderungen wie Bodenbewegungen, große Tagebauseen, stillgelegte Orte der Industriekultur oder die sogenannten Ewigkeitsaufgaben. Gleichzeitig ergeben sich aber auch viele Chancen zur Neugestaltung der Region“, sagt Prof. Christian Melchers, Leiter des Forschungszentrums Nachbergbau (FZN) an der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA), Bochum. Wie ein verantwortungsvoller Umgang mit den Hinterlassenschaften des Bergbaus gelingt, stand im Fokus der Fachtagung „NACHBergbauzeit in NRW“ am 30. März 2023 an der THGA (Bild 1). Unter dem Titel „Geomonitoring – Zu Wasser, zu Land und aus der Luft“ kamen in Bochum rd. 300 Expertinnen und Experten zusammen, um sich über innovative Methoden auszutauschen.

    Bild 1. Eröffnen gemeinsam die NACHBergbauzeit in NRW 2023 (v.l.n.r.): Prof. Peter Goerke-Mallet, Forschungszentrum Nachbergbau der THGA, Andreas Welz, Leiter der Abteilung 6 der Bezirksregierung Arnsberg, Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Mitglied im Vorstand der RAG-Stiftung, Ulrich Wessel, Geschäftsführer der Hochschul-Trägergesellschaft DMT-LB, Prof. Christian Melchers und Prof. Tobias Rudolph, Forschungszentrum Nachbergbau der THGA. Foto: THGA/Holger Jacob

    Denn wenn es darum geht, Bergbaufolgen zu überwachen, kommt jede Menge Hightech ins Spiel: von der Tiefseesonde im Untergrund über Spezialdrohnen in der Luft bis zum Satelliten, der Bodenbewegungen oder Veränderungen im Wasserhaushalt und in der Vegetation sichtbar machen kann. „Damit leisten wir auch einen wichtigen Beitrag, den Klimawandel im Detail besser zu verstehen und die sogenannte „blaugrüne Infrastruktur“ sinnvoll zu gestalten – mit dem Wissen aus dem Nachbergbau“, sagt Prof. Melchers. Im Vortragsprogramm gingen die Referentinnen und Referenten darauf ein, welche Monitoring-Methoden sich am besten eignen und wie sie sich sinnvoll kombinieren lassen.

    Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Mitglied im Vorstand der RAG-Stiftung und Hochschulratsvorsitzende der THGA, richtete sich in ihrem Grußwort besonders an die Studierenden im Saal: „Über Ihre Teilnahme an der Tagung freue ich mich ganz besonders. Ihr Interesse am Thema Nachbergbau ist für uns als RAG-Stiftung, aber auch für mich ganz persönlich, Antrieb und Motivation für die langjährige Förderung und Unterstützung der THGA und des Forschungszentrums Nachbergbau. Wir brauchen auch künftig gut ausgebildete Experten für die Themen, die wir im Rahmen der heutigen Tagung diskutieren. Dass Sie sich für ein Studium in den Ingenieurwissenschaften entschieden haben, zeigt, Sie wollen an der Gestaltung einer neuen, grünen Zukunft mit anpacken. Beim nachhaltigen Umgang mit Georessourcen und dem Wassermanagement in den ehemaligen Bergbauregionen ist das Know-how aus dem Nachbergbau immens wichtig und auch künftig sehr gefragt.“

    „Wir wollen mit unserer gemeinsamen Veranstaltungsreihe aber nicht nur Fachkreise erreichen. Wir haben das erklärte Ziel, Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit über Fragestellungen zum Nachbergbau in Nordrhein-Westfalen zu informieren und aktiv in laufende Diskussionsprozesse einzubeziehen“, sagt Andreas Welz, Leiter der Abteilung Bergbau und Energie in NRW der Bezirksregierung Arnsberg, bei der Begrüßung der Teilnehmenden. Als zuständige Bergbehörde ist die Bezirksregierung Arnsberg verantwortlich für eine Vielzahl von Bergbaufolgen und kümmert sich um das Risikomanagement in betroffenen Gebieten – allein in NRW müssen sich mehr als die Hälfte aller Kommunen mit den Hinterlassenschaften des Bergbaus auseinandersetzen.

    Ein besonderes, kommunales Projekt, an dem auch viele Bürgerinnen und Bürger beteiligt waren, stellte Ralf Groß-Holtick von der Stadt Gronau vor: Der Stadtbaurat präsentierte die Ergebnisse aus der Forschungskooperation „Monitoring Epe“, bei der u. a. das FZN, die Stadt Gronau und die ortsansässige Bürgerinitiative in den letzten zwei Jahren eng zusammengearbeitet haben. Ihr gemeinsames Ziel: Der Aufbau einer langfristigen und passgenauen Überwachung in der geologisch besonderen Region rund um Gronau.

    „Seit fast 50 Jahren wird hier intensiv Salz gefördert. Dabei sind große Hohlräume, die sogenannten Kavernen, im Untergrund entstanden“, erklärt Prof. Tobias Rudolph vom FZN. In den meisten von ihnen wird inzwischen Erdgas, Erdöl oder Helium gespeichert. Gleich nebenan liegt eine Moorlandschaft, der Amtsvenn. „Diese spezielle Lage führt zu Bodenbewegungen und auch immer wieder zu Spannungen – nicht nur in den geologischen Strukturen selbst, sondern auch zwischen den Anwohnern, der Stadt und den verschiedenen Betreiberunternehmen.“ Die Forschungskooperation hat nun für mehr Transparenz zwischen Wissenschaft und Gesellschaft gesorgt und soll in den kommenden Jahren fortgesetzt werden. Eine bleibende Herausforderung ist die Kommunikation der wissenschaftlichen Ergebnisse. Insbesondere in einem Umfeld, das durch persönliche Betroffenheit häufig emotional geprägt ist.

    Bereits zum achten Mal führten die Bezirksregierung Arnsberg, Abteilung Bergbau und Energie in NRW und das FZN der THGA die Fachtagung „NACHBergbauzeit in NRW“ in gemeinsamer Trägerschaft durch. Die nächste Veranstaltung der Reihe findet turnusmäßig im März 2025 statt. (THGA/Si.)

  • Kontrollflug auf der Kokerei: Forschungszentrum Nachbergbau schickt Drohnen auf Schadenssuche

    Drohnenpilot Bodo Bernsdorf sieht die Welt mit anderen Augen. Wenn er seine Spezialkopter hoch über dem Gelände der Kokerei Zollverein in Essen aufsteigen lässt, begegnet er nicht nur den Schloten und Rohrleitungen auf Flughöhe – er findet auch Schadstellen, die mit dem bloßen Auge gar nicht zu erkennen sind (Bild 1). Die hochauflösenden Bilder der Drohne offenbaren, wie es dem Industriedenkmal wirklich geht und wo saniert werden muss. Das ist zumindest der theoretische Ansatz. Bernsdorf und sein Team vom Forschungszentrum Nachbergbau (FZN) der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA), Bochum, wollen Materialschäden aufspüren, ohne selbst Spuren zu hinterlassen. In der neuen Forschungskooperation „KoKo Zollverein“ (kurz für „Kopterflüge auf der Kokerei Zollverein“) entwickelt und testet das FZN diese neue Methodik. Dazu arbeiten die Experten eng mit der Stiftung Zollverein und dem Forschungsbereich Materialkunde des Deutschen Bergbau-Museums (DBM) Bochum zusammen. Auch Satellitenbilder und zerstörungsfreie Laser sollen bei der Fehlersuche zum Einsatz kommen. Letztlich geht es darum, erstmalig eine detaillierte Bausubstanzuntersuchung und Schadensaufnahme durchzuführen.

    Mehr als 30 Jahre lang wurden auf der Kokerei Zollverein in Essen Koks, Gas und weitere Nebenprodukte erzeugt. Im Hochbetrieb galt sie als eine der modernsten Kokereien Europas. Heute ist die Anlage ein Architektur-Monument, das gemeinsam mit der benachbarten Zeche Zollverein von der UNESCO zum Welterbe erklärt wurde. „Neben der kulturellen Bespielung und der Entwicklung Zollvereins ist für uns der Erhalt, die Sicherung und der Schutz des UNESCO-Welterbes das oberste Gebot, sagt Prof. Hans-Peter Noll, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zollverein.„Zollverein ist ein Ort des Wandels und der Zukunft, deshalb passt es hervorragend, dass nun in diesem riesigen Reallabor eine Forschungskooperation modernste Technik erprobt wird, die bald auch anderen industriekulturellen Standorten neue Möglichkeiten eröffnen wird.“

    „Das Welterbe Zollverein ist eine atemraubende Landmarke und ein wichtiger Zeitzeuge für industrielle Innovation in unserer Region“, sagt Prof. Tobias Rudolph, Projektleiter am FZN. „Jedes Mal, wenn wir mit unserem wissenschaftlichen Team vor Ort sind, erhalten wir ganz neue Perspektiven. Das erweitern wir nun mit einem Sensorblick von oben und innen.“ Nicht nur die Außenanlagen kommen nämlich unter die Lupe, auch die Innenräume sollen bewertet werden. Dabei nehmen die Drohnen sowohl optische, thermal- und multispektralauflösende Bilder auf, die Rückschlüsse auf die Materialzustände zulassen. Wo findet sich Rost? Wo zeigen sich Grünspan oder Abplatzungen? Wie ist der Gesamtzustand der Objekte? „All das können wir bestenfalls sichtbar machen und dann eine Empfehlung abgeben, wo der Sanierungsbedarf am dringendsten ist“, erklärt Bernsdorf.

    Für ein ganzheitliches Bild fusionieren die Fachleute des FZN die Drohnendaten mit Satellitenbildern des europäischen Copernicus-Programms, die wichtige Informationen über die Tagesoberfläche liefern. Zusätzlich kombinieren sie die Informationen aus der Luft mit Messungen vor Ort, bei denen ein Laserscanner die Einzelobjekte Zentimeter für Zentimeter abtastet. „Erstmals führen wir so das Know-how aus dem Bereich Geomonitoring und den Materialwissenschaften an einem kulturhistorischen Ort zusammen. Die Idee, Materialschäden dadurch zu erkennen, dass verschiedene Drohnengetragene Sensoren gemeinsam im Verbund interpretiert und in Korrelation gesetzt werden, ist dabei ein völlig neuer Ansatz im Bereich des Denkmalschutzes“, erklärt Prof. Rudolph begeistert. Bei erfolgreichem Einsatz soll die Methode auch auf weitere Standorte der Industriekultur übertragen werden. (THGA/Si.)

  • Wichtige Wertstoffe aus Grubenwässern gewinnen: Neues Projekt am Forschungszentrum Nachbergbau der THGA

    Ressourcen werden knapper, Energiepreise steigen. Zusätzlich hat die Abhängigkeit von Drittstaaten zu einem weltweiten Umdenken geführt, wenn es um die Förderung von Rohstoffen geht. Es gilt, neue Wege zu finden, um Wertstoffe ökologisch und wirtschaftlich zu gewinnen. Dass diese Wege auch ungewöhnlichen Ideen folgen, zeigt ein neues Projekt, das jetzt am Forschungszentrum Nachbergbau (FZN) der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA), Bochum, gestartet ist: In den kommenden zwei Jahren untersuchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Projekt „IAW33“, ob sich aus Grubenwässern noch strategische Rohstoffe gewinnen lassen und welche Methoden sich dazu am besten eignen. Mithilfe neuer Aufbereitungstechnologien sollen vor allem kritische Metalle extrahiert werden. Dabei betrachten die Expertinnen und Experten nicht nur die Grubenwässer selbst, sondern begutachten auch deren Fällungsprodukte und Aufbereitungsrückstände. Ihre Untersuchungen führen sie an verschiedenen Bergwerken an Ruhr, Saar und in Ibbenbüren durch.

    Das Forschungsvorhaben wird zunächst bis 2024 von der RAG-Stiftung, Essen, gefördert. Der vollständige Projekttitel lautet: Innovative Aufbereitungstechnologien und ihr Potential zur Wertstoffgewinnung aus Grubenwässern, Fällungsprodukten und Aufbereitungsrückständen an Ruhr, Saar und Ibbenbüren mit besonderer Berücksichtigung kritischer Metallressourcen, kurz: IAW33.

    „Nachbergbau bedeutet für uns nicht nur die Bewältigung von Herausforderungen, die uns der Steinkohlenbergbau hinterlassen hat. Im Bereich des Nachbergbaus gilt es auch, neue Möglichkeiten und Chancen in den ehemaligen Steinkohlenrevieren zu entwickeln“, sagt Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Vorstandsmitglied der RAG-Stiftung. „Das neue Forschungsprojekt rund um die Gewinnung strategischer Rohstoffe aus Grubenwasser ist ein hochspannendes und auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Zukunftsfeld. Es kann dazu beitragen, Abhängigkeiten in der Rohstoffgewinnung zu verringern. Wie wichtig Unabhängigkeit auf diesem Gebiet sein kann, wird uns dieser Tage besonders vor Augen geführt. Deshalb fördern wir als RAG-Stiftung dieses besondere Projekt sehr gerne.“

    „Wir sehen Grubenwasser als möglichen Wertstoffstrom“, sagt Prof. Christian Melchers, der das Projekt am FZN leitet. „Das innovative an unserer Idee ist, dass wir nicht nur das Grubenwasser selbst betrachten, sondern auch die Rückstände aus der Aufbereitung und seine Fällungsprodukte untersuchen. Mit Fällung wird dabei das Abscheiden eines gelösten Stoffes aus einer Lösung bezeichnet.“ Was für den Laien Schlamm und Schlick sind, ist für die Expertinnen und Experten vom FZN also eine wahre Fundgrube: „Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass dort z. B. Magnesium enthalten ist, das im Motorenbau verwendet wird. Hier ist es in der Vergangenheit bereits zu Lieferengpässen beim chinesischen Marktführer gekommen. Diesen Abhängigkeiten wollen wir bestenfalls entgegenwirken“, erklärt Projektmitarbeiter Bastian Reker (Bild 1). Weiter finden sich Seltene Erden, die den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben können, oder Lithium, das für die E-Mobilität entscheidend ist.

    Außerdem prüfen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, in welchen Mengen das kritische Element Germanium im Grubenwasser vorkommt. „Das ist ein Nebenprodukt, das sonst nur bei der Zinkgewinnung entsteht und essentiell für die Beschichtung von Glasfaserkabeln und damit für den Netzausbau ist“, so Reker. „Aktuell werden all diese Rohstoffe weltweit unter teils zweifelhaften Umweltstandards gefördert, von denen Mensch und Umwelt gleichermaßen betroffen sind“, ergänzt Prof. Melchers. „Das passt einfach nicht mehr zum Zeitgeist und dem gewachsenen ökologischen Bewusstsein in unserer Gesellschaft. Wir wollen daher ein Umdenken initiieren, die Prozesse wissenschaftlich begleiten und so vor unserer eigenen Haustür nach neuen Möglichkeiten suchen.“

    Die Grubenwässer, die in den ehemaligen Steinkohlenrevieren an der Ruhr, der Saar und in Ibbenbüren mit Pumpen aus großen Tiefen gehoben werden, zeigen eine hohe Bandbreite an unterschiedlichen Mineralisationen und Anreicherungen – abhängig von der regionalen Geologie, der Hydrogeologie und weiteren Einflussfaktoren, die der Bergbau hinterlassen hat, erklärt Experte Prof. Melchers: „Wir prüfen nun, inwieweit es sich auch wirtschaftlich lohnt, diese Wertstoffe aufzufangen und aufzubereiten.“

    Dazu errichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den kommenden Monaten eigene Fällungsreaktoren an geeigneten Standorten. Darin werden Eisen und andere Metalle gezielt abgeschieden, indem Sauerstoff zugeführt wird. Die Erkenntnisse, die sie bei der Konzeption der Anlagen im Labormaßstab gewinnen, wollen sie auf Versuchsanlagen im großen Maßstab übertragen. Im Projekt IAW33 testet das wissenschaftliche Team auch ganz neue Aufbereitungstechnologien. So könnten hyperspektrale Sensoren dabei helfen, die kritischen Metalle in Grubenwasser und Co. direkt zu detektieren und in Sekundenschnelle ihre mineralogische Zusammensetzung bewerten. Die vielversprechendsten Methoden sollen am FZN weiterentwickelt werden. (THGA/Si.)

  • Rezension – Handbuch Hydrogeologie

    Bild 1. Coldewey, W. G. (2022): Handbuch Hydrogeologie. Das Standardwerk für Lehre und Praxis.

    Coldewey, W. G. (2022): Handbuch Hydrogeologie. Das Standardwerk für Lehre und Praxis. 1. Auflage. 713 Seiten, 104 Tabellen, 178 Abbildungen und 42 Anhänge. Vulkan Verlag GmbH Essen (Bild 1).

    Die Bedeutung der Georessource Wasser für den Menschen und die Umwelt ist in den letzten Jahren mit Wucht in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit gedrungen. Der geordnete Umgang mit dem Schutzgut Wasser muss insbesondere im Fokus aller Fachleute stehen, die Verantwortung für Prozesse tragen, die den natürlichen Wasserkreislauf beeinflussen. Der Kreis derjenigen, die sich mit der Gewinnung, Nutzung, Reinigung und Ableitung von Wasser befassen, wird ergänzt um diejenigen, die den Schutz der Öffentlichkeit vor der Kraft des Wassers, dessen Retention und geordnete Verteilung im Blick haben. In diesem Kontext offenbart sich die Bedeutung der Hydrogeologie, welche die Grundlagen für ein Prozessverständnis bei der Nutzung der Georessource Wasser schafft.

    Das Handbuch Hydrogeologie wird diesem Anspruch gerecht und erbringt ohne Zweifel für alle hydrogeologisch interessierten Fachleute einen Mehrwert im Sinn eines Standardwerks für Lehre und Praxis. So wird dem Leser bereits beim Aufschlagen des aufwendig mit Abbildungen, Tabellen und Anhängen ausgestatteten Buchs die Expertise des Autors deutlich, der breiten Kreisen als ausgewiesener Fachmann in der Hydrogeologie seit Jahrzehnten bekannt ist. Tatsächlich fühlt man sich in dem Werk sehr schnell buchstäblich „zu Hause“ und möchte es kaum aus der Hand legen.

    Das Buch ist in die Großkapitel „Allgemeine Hydrogeologie“, „Angewandte Hydrogeologie“ und „Grundwasserbeschaffenheit“ gegliedert. Aus naturwissenschaftlich-technischer Sicht sind die physikalisch-chemischen Grundlagen sehr zu begrüßen, die in diesem Werk behandelt werden. Dazu zählen auch die vielfältigen Begriffsdefinitionen, die aus Normen, Richtlinien und Leitfäden durchgehend verwendet werden. Formelbezeichnungen werden mit den auch international üblichen Buchstaben abgekürzt, Gleichungen sind durch Abbildungen dokumentiert, welche die entsprechenden Formelbezeichnungen erläutern und durch Beispielberechnungen belegen.

    Das vorliegende Werk zeichnet sich durch ein umfangreiches Literaturverzeichnis und eine umfassende Zusammenstellung einschlägiger DIN-Normen aus. Literatur ist nach den in der Geologie üblichen Zitationsvorgaben zusammengestellt worden, ermöglicht einen guten Überblick über den Umfang und erleichtert das Auffinden, auch von ausgefallenen Titeln. Im Anhang finden sich verschiedene thematische Karten aus den Bereichen der Geologie, Hydrogeologie und Wasserwirtschaft, die sehr anschaulich in Form einer Modelllandschaft farbig dargestellt sind.

    Das Buch macht dem Nutzer durch seine in graphischer und thematischer Hinsicht sehr aufwendige und anschauliche Gestaltung den Einstieg und den vertieften Umgang mit allen Aspekten der Hydrogeologie leicht. Der Qualitätsanspruch des Autors, der über eine profunde Erfahrung im Bereich der Hydrogeologie sowohl in der Praxis als auch in der Lehre verfügt, ist deutlich zu erkennen. Sowohl gestandene Fachleute als auch junge Menschen werden in ihrem Interesse für die Hydrogeologie sicherlich von dem Werk angesprochen. Unter den Gesichtspunkten der inhaltlichen Tiefe, des Umfangs und der aufwendigen Ausstattung des Buchs ist der Preis von 149 € angemessen.

    Im Sinne der Schaffung von Transparenz und Verständnis für die vielfältigen Fragen, die sich angesichts der Komplexität der Georessource Wasser stellen, kann dieses Standardwerk allen mit der Thematik befassten Fachleuten und Studierenden, aber auch allen andern interessierten Personen zur Lektüre und Nutzung empfohlen werden.

    Prof. Dr.-Ing. Peter Goerke-Mallet, Forschungszentrum Nachbergbau (FZN), Technische Hochschule Georg Agricola (THGA), Bochum

  • Austausch online: Fachtagung „NACHBergbauzeit in NRW“ nahm Grubenwasser in den Fokus

    Bergbau hinterlässt Spuren – insbesondere die Ressource Wasser ist in ehemaligen Bergbauregionen von den Folgen der intensiven, teils jahrhunderte-langen Rohstoffförderung betroffen. Wie sich die Herausforderungen rund um das Wasser langfristig managen lassen und welche Effekte sich aus dem geplanten Anstieg des Grubenwasserniveaus ergeben, waren die zentralen Themen bei der diesjährigen Konferenz „NACHBergbauzeit in NRW“ (Bild 1). Bereits zum sechsten Mal veranstalteten die Bezirksregierung Arnsberg als Bergbehörde in Nordrhein-Westfalen und die Technische Hochschule Georg Agricola (THGA), Bochum, am 10. März 2022 die gemeinsame Fachtagung. Die etwa 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer tauschten sich im Online-Format unter dem Titel „Grubenwasser – analog gedacht, digital diskutiert“ fachlich aus.

    Hans-Josef Vogel, Regierungspräsident der Bezirksregierung Arnsberg, betonte in seinem Grußwort die wichtige Zusammenarbeit von Hochschulen und öffentlicher Verwaltung: „Diese Innovationspartnerschaft gewährleistet die wissenschaftliche Basis für Problemlösungen in der Wirtschaft, in Kommunen und in der Zivilgesellschaft. Die Erforschung des Nachbergbaus ist ein ganz konkretes Beispiel dafür, wie wir gemeinsam neue Perspektiven eröffnen können, auch mit Blick auf den Klimaschutz.“

    Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Vorstandsmitglied der RAG-Stiftung, Essen, fügte ergänzend hinzu: „In Zeiten der Kreislaufwirtschaft, aber auch der verstärkten Nutzung von Georessourcen u. a. für die Elektromobilität stellt der Nachbergbau einen wichtigen Aspekt dar. Denn nur durch die Ideen aus dem Nachbergbau kann heute und zukünftig eine nachhaltige Nutzung von Georessourcen gelingen – dies geschieht schon allein dadurch, dass der Nachbergbau nun von Anfang an in jeden Bergbauprozess einbezogen wird.“ Neue Ideen und Innovationskraft seien gefragt, um die Fragen der Zukunft gemeinsam zu lösen und ganz neue Potentiale zu entdecken.

    Die Vorträge der Konferenz beschäftigten sich vor allem mit den Auswirkungen, die der -geplante Anstieg des Grubenwassers in den Revieren in Nordrhein-Westfalen und im Saarland haben wird. Referent Thomas Imgrund von der DMT GmbH & Co. KG, Essen, ging auf die Effekte ein, die das ansteigende Wasserniveau auf die Grubengasgewinnung nehmen kann. Außerdem bewertete er, wie sich der Prozess insgesamt auf die Ausgasung von Methan an der Tagesoberfläche auswirken könnte. Dabei kommt er insgesamt zu einem positiven Ergebnis. Durch eine gezielte Absaugung und Verwertung des Grubengases gingen unkontrollierte Austritte weiter deutlich zurück. Das ansteigende Grubenwasser trage außerdem dazu bei, dass Strömungswege überstaut werden und es langfristig insgesamt weniger Gasausträge geben werde.

    Eine ganz andere Sicht auf das Grubenwasser nahmen Manuela Nie und Mario Sommerhäuser vom Emschergenossenschaft/Lippeverband (EGLV), Essen, ein. In ihrem Vortrag thematisierten sie, welche Bedeutung es auf die Flora, Fauna und Wasserqualität in der Emscher-Lippe-Region hat und künftig haben wird. Insgesamt bescheinigten sie der Region eine gute ökologische Entwicklung. Die Folgen der Grubenwassereinleitung seien durch die starke und schnelle Verdünnung in den Flussgewässern aktuell sehr gering, so liege etwa die Salzkonzentration deutlich unterhalb von Grenzwerten – und nehme immer weiter ab. Nach den Planungen des EGLV soll sogar die gesamte Emscher ab September 2022 komplett frei von Grubenwasser sein.

    Die Vorträge im zweiten Veranstaltungsblock nahmen die Herausforderungen rund um den verantwortungsvollen Umgang mit PCB in den Blick. Die Abkürzung steht für polychlorierte Biphenyle, bei denen es sich um chemische Chlor-Verbindungen handelt, die im Steinkohlenbergbau u. a. in Hydraulikanlagen, Transformatoren und Getrieben zum Einsatz kamen. Dass PCB potentiell gesundheits- und umweltschädlich sind, war lange Zeit unbekannt. Erst Mitte der 1980er Jahre wurde der Einsatz der Stoffe verboten – ihre Spuren sind aber noch heute in sehr geringen Mengen auch im Grubenwasser nachweisbar.

    In seinem Vortrag stellte Michael Denneborg ein Gutachten vor, das im Auftrag der Landesregierung Nordrhein-Westfalens entstanden ist, um mögliche Risiken für Grundwasser- und Oberflächengewässer zu bewerten. Darin hat sich der Diplomgeologe der ahu GmbH, Aachen, mit den Auswirkungen beschäftigt, die steigendes Grubenwasser auf den Austrag von PCB und weiteren Reststoffen haben kann. Sein Fazit: Höhere Grubenwasserstände reduzierten langfristig die PCB-Fracht und die Grubenwassermenge in Gewässern insgesamt.

    Daran anknüpfend stellte Joachim Löchte von der RAG Aktiengesellschaft, Essen, die intensiven Messprogramme vor, die das Unternehmen entwickelt hat, um den Austrag von PCB im Grubenwasser dauerhaft zu kontrollieren und systematisch zu erfassen. Dabei ging er vor allem auf die technischen Herausforderungen beim Monitoring ein. Außerdem stellte er aktuelle Projekte vor, welche die RAG mit wissenschaftlicher Begleitung des Forschungszentrums Nachbergbau (FZN) der THGA durchführt, die darauf abzielen, die Partikelfracht weiter zu minimieren, z. B. durch spezielle Filter und Aufbereitungsanlagen. (Carmen Tomlik (THGA)/Si.)

  • „Ein ‚grünes‘ China kann die ganze Welt antreiben“

    Julia Tiganj (Bild 1) untersucht am Forschungszentrum Nachbergbau (FZN) der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA), Bochum, die sozio-ökonomischen Aspekte des Nachbergbaus. In Zeiten der Rohstoffknappheit und der Energiewende fällt der Blick der Wirtschaftswissenschaftlerin dabei vor allem auf China. Schafft die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt den Umschwung zu erneuerbaren Energien? Wo liegen die größten Herausforderungen und was hat der Rest der Welt davon? Die Forschungslage ist noch recht dünn, doch das Thema gerade brandheiß, sagt Julia Tiganj im Interview mit Carmen Tomlik vom FZN.


    Carmen Tomlik: Ihre Einschätzung als Expertin: Wo steht China bei der Energiewende und beim Nachbergbau?

    Julia Tiganj: Das kommt darauf an, wo man hinschaut. Es gibt in China viele Provinzen, die wiederum sehr divers sind, wenn wir uns beispielsweise die Abhängigkeit von der Kohle anschauen. Es gibt Regionen, die schon jetzt nachhaltig arbeiten. Auf der anderen Seite stehen Provinzen, deren Wirtschaft stark vom Bergbau abhängt. Die Kohle sichert hier eine Menge Arbeitsplätze, Steuern, Renten und beeinflusst natürlich auch positiv das Wirtschaftswachstum im gesamten Land – eines der primären Ziele Chinas. Die Kluft ist also groß. Daher wird es in Zukunft schwierig sein, den vielen unterschiedlichen Bedürfnissen und den Menschen in den Regionen gerecht zu werden. Es gibt interessante Pilotprojekte, z. B. wird über eine Folgenutzung alter Bergwerke für „underground cities“ nachgedacht, um dem Platzmangel in den Städten entgegenzuwirken. Über die Idee lässt sich natürlich streiten – sie ist aber ziemlich innovativ und beinhaltet die Auseinandersetzung mit Nachbergbau. Auch in der Satellitentechnik ist China führend. Hier ist aber die Frage, inwieweit dieses Know-how auch tatsächlich eingesetzt wird, um die Hinterlassenschaften des Bergbaus zu überwachen.


    Tomlik: China ohne CO2? Wo liegen die größten Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität?

    Tiganj: Steinkohle ist noch immer die einfachste und sicherste Art, die Energieversorgung zu gewährleisten. China will bis 2060 klimaneutral sein. Das beinhaltet aber auch, dass bis 2030 der höchste Peak beim CO2-Ausstoß erfolgt sein muss. Momentan werden daher sogar noch neue Steinkohlenkraftwerke gebaut, die auf eine Laufzeit von 40 Jahren ausgelegt sind. Diese Kraftwerke entsprechen allerdings den neuesten Umweltstandards und sollen veraltete, ineffiziente Anlagen ablösen. Gleichzeitig ist China schon jetzt einer der Marktführer bei den erneuerbaren Energien. Hier werden rd. 90 % der Energiekonzentrate produziert, die für Solarpanele, Siliziumbatterien oder in der Windkraft eingesetzt werden. Bisher hatte der Klimaschutz im eigenen Land keine Priorität. Der neueste Fünfjahresplan zeigt aber deutlich, dass China „grüner“ werden will und die Dringlichkeit erkannt hat.


    Tomlik: Was bedeutet denn in diesem Fall „grüner“?

    Tiganj: Das ist die nächste große Herausforderung. Denn auch die erneuerbaren Alternativen produzieren ja CO2 und sind noch nicht 100 % recycelbar. Rotorblätter von Windrädern landen z. B. nach nur 20 Jahren im Einsatz auf dem Sondermüll. Luftverschmutzung oder giftige Abwässer gefährden bestimmte Landstriche und die Bevölkerung, damit in einem anderen Teil der Welt schonend Energie erzeugt werden kann. Das ist keine Nachhaltigkeit, sondern nur eine Verschiebung der Klimaproblematik von A nach B unter dem Deckmantel einer grünen Zukunft. Das ganze Setting ist also noch längst nicht optimal – und jetzt haben wir nicht einmal über den Arbeitsmarkt gesprochen und die langfristigen Herausforderungen, die ein Strukturwandel in chinesischen Kohlerevieren mit sich bringen würde. Trotzdem ist es ein wichtiger Schritt, zu sagen: Wir orientieren uns um, wir forschen und wir wollen die Transformation.


    Tomlik: Was hat der Rest der Welt davon, wenn China klimaneutral wird?

    Tiganj: Wenn große, einflussreiche Player wie China mehr auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz achten, hat das positive Auswirkungen auf alle Mitspieler. Direkte Nachbarstaaten orientieren sich oftmals am dominanten China und dessen Ausrichtung. Je nach Abhängigkeiten im Import und Export ist auch eine Umorientierung in anderen Ländern nötig, um zeitgemäß mitzuhalten. Außerdem ist China ein wichtiger Handelspartner bei den Seltenen Erden und beeinflusst in hohem Maß die Fortschritte in der E-Mobilität in Europa oder den USA. Dies und noch viele weitere Aspekte tragen dazu bei, dass Prozesse global nachhaltiger werden. Generell ist noch viel Forschung und Entwicklung notwendig, damit die Energiewende tatsächlich gelingt. Auch hier kann ein „grünes“ China zum internationalen Innovationstreiber werden. (THGA/Si.)

  • Was beeinflusst die Bodenbewegungen im Kavernenfeld Epe?

    Der Untergrund von Gronau und Umgebung ist selbst für Geologen ein herausforderndes Gebiet: Seit fast 50 Jahren wird hier intensiv Salz gefördert. Dabei sind große Hohlräume, die sogenannten Kavernen, in Tiefen zwischen 1.000 und 1.500 m entstanden. In den meisten von ihnen wird inzwischen Erdgas, Erdöl oder Helium gespeichert. Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die ganze Region. Gleich nebenan liegt außerdem das Naturschutzgebiet Amtsvenn, eine knapp 9 km2 große Moorlandschaft.

    Diese spezielle Lage führt schon seit Jahren immer wieder zu Spannungen – nicht nur in den geologischen Strukturen selbst, sondern auch zwischen den Anwohnern, der Stadt und den verschiedenen Betreiberunternehmen. Grund hierfür sind vor allem Bodenbewegungen, die langfristig zu Absenkungen im Gelände und damit zu Gebäudeschäden und zu einem veränderten Wasserhaushalt führen können. Doch: Was stammt tatsächlich vom Bergbau? Was ist natürlich bedingt? Hier setzt eine neue, bisher beispiellose Forschungskooperation rund um das Kavernenfeld Epe an, die nun geschlossen wurde. Darin beteiligen sich die Stadt Gronau, die Bürgerinitiative Kavernenfeld Epe e. V. (BIK), die EFTAS Fernerkundung Technologietransfer GmbH sowie das Forschungszentrum Nachbergbau (FZN) der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) aus Bochum (Bild 1). Gemeinsam wollen die Akteure eine Lösung entwickeln, mit der sich bestimmen lässt, wo die Bodenbewegungen im Kavernenfeld herrühren. „Um die Prozesse im Detail zu verstehen, ist ein passgenaues und ganzheitliches Monitoring aller Faktoren entscheidend, die auf die Bodenbewegungen in der Region einwirken“, erklärt Prof. Peter Goerke-Mallet vom FZN. Dabei sollen Satellitendaten des EU-Raumfahrtprogramms Copernicus ebenso zum Einsatz kommen wie lokale Informationen und das Wissen der Bürgerinnen und Bürger.

    „Mit dieser neuen Forschungskooperation wollen wir vor allem eine Vertrauensbasis schaffen“, sagt Prof. Goerke-Mallet. „Alle Bergbauprojekte benötigen heute Transparenz und einen umfassenden Transfer von der Wissenschaft in die Gesellschaft und wieder zurück. Wir können in dem Projekt in besonderer Weise von dem Wissen der Menschen vor Ort profitieren“, sagt der erfahrene Markscheider und Bergbau-Experte. „Die Anwohner wissen schließlich am besten, wo die Herausforderungen in ihrer unmittelbaren Umgebung liegen und können die Veränderungen in der Landschaft und der Bebauung z. T. schon über Jahre und Jahrzehnte beobachten und dokumentieren. Die Forschungskooperation für das Kavernenfeld Epe bietet daher einen hoch innovativen Ansatz zur Konfliktlösung durch aktive Beteiligung.“

    Einen verbesserten Informationsfluss und mehr Mitsprachemöglichkeiten erhofft sich auch Holger Perrevort, Vorsitzender der Bürgerinitiative. „Wir wollen vor allem genauer informiert werden über die Vorgänge, die hier unter unseren Füßen passieren.“ In der Vergangenheit sei hier vieles falsch gelaufen, sagt der Anwohner. Auf die möglichen Risiken und Auswirkungen der Bodenbewegungen würde nur unzureichend eingegangen, so Perrevort. „Als Bürgerinitiative setzen wir uns schon seit Jahren dafür ein, dass unsere Anliegen ernst genommen werden. Auch muss die Politik hier ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gerecht werden, etwa wenn Keller nass werden oder sich Risse im Mauerwerk abzeichnen.“

    Auch diesen Schäden wollen die Expertinnen und Experten vom Bochumer FZN genauer auf den Grund gehen. In den nächsten zwölf Monaten führen sie dafür spezielle Messungen durch – mit Drohnen, die etwa Veränderungen in der Vegetation erfassen können, oder mithilfe von Satellitendaten, die von den Spezialisten von EFTAS aus Münster ausgewertet werden. „Wir besuchen aber auch ganz konkret die Leute vor Ort, führen Gebäudebegehungen durch und vermessen Gebäude und Objekte, die ggf. durch die Bodenbewegungen beeinflusst werden“, erklärt Prof. Tobias Rudolph, Experte für Geomonitoring am FZN. „Bei diesen Aufgaben sind wir unmittelbar auf die enge Zusammenarbeit mit der Bevölkerung angewiesen und daher sehr dankbar, dass uns hier neue Türen eröffnet werden – im wahrsten Sinne des Wortes.“

    Die meiste Zeit werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wohl in die Auswertung der umfangreichen Daten investieren: „Wir sichten u. a. Informationen zum Grundwasser und den umliegenden Gewässern, über den Boden, den Untergrund und die Kavernen.“ Über die Mitglieder der Bürgerinitiative und die Stadt haben sie zusätzlich Zugang zu vielen weiteren wichtigen Quellen wie privaten Messstellen, Brunnen oder kommunalen Geodaten, die sie alle miteinander verknüpfen und analysieren wollen. Das alles natürlich nicht im stillen Kämmerlein, sondern – ganz im Sinne der angestrebten Transparenz – begleitet von regelmäßigen Informationsveranstaltungen, auf denen die Ergebnisse frei veröffentlicht und diskutiert werden sollen.

    Diese Vorgehensweise überzeugte auch Rainer Doetkotte, Bürgermeister von Gronau, seine Unterschrift unter den Vertrag zu setzen. Er sieht vor allem langfristig die positiven Effekte für die Region: „Mit dieser Forschungskooperation wurde ein wichtiges Projekt gestartet und ich freue mich, dass wir dafür das FZN, die EFTAS und die BIK gewinnen konnten. Am Ende möchten wir mit den gesammelten Ergebnissen die interessierte Öffentlichkeit ausführlich informieren, um eventuelle Bedenken und Vorurteile abzubauen und die gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen. Des Weiteren können zukünftige Konzepte auf Grundlage der Ergebnisse entwickelt werden und bringen somit einen weiteren wissenschaftlichen Fortschritt für Gronau.“. (THGA/Si.)

  • Für Mensch und Umwelt: Forschungszentrum Nachbergbau entwickelt Wassermanagement im Ruhrgebiet weiter

    Durch den intensiven Bergbau haben sich das Gelände und die Oberfläche im Ruhrgebiet teilweise so stark abgesenkt, dass große Mulden entstanden sind – die sogenannten Polderflächen. In diesen Gebieten können einige Gewässer nicht mehr frei abfließen. Die „tiefergelegten“ Bereiche müssen daher dauerhaft künstlich entwässert werden, damit sich das Wasser von Flüssen und Seen nicht staut. Diese Prozesse beeinflussen maßgeblich den gesamten Wasserhaushalt in der Region. In einem neuen Projekt untersucht das Forschungszentrum Nachbergbau (FZN) der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA), Bochum, deshalb nun, wie das Wassermanagement im Ruhrgebiet noch nachhaltiger gestaltet werden kann. Davon könnten vor allem die Landwirte und die Wälder im Revier profitieren. Das gezielte Umweltmonitoring soll aber auch den Umgang mit Extremereignissen wie Starkregen oder langen Dürrephasen verbessern. Hier setzt das Projekt „MuSE“ (Multisensorale Erdbeobachtung für ein nachhaltiges Poldermanagement) an.

    MuSE wird bis 2024 von der RAG-Stiftung gefördert. Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Mitglied im Vorstand der RAG-Stiftung, betont: „Wir als RAG-Stiftung sehen uns in der Verantwortung, Lösungen für die Herausforderungen zu finden, die uns der Bergbau hinterlassen hat. Vor diesem Hintergrund arbeiten wir eng mit der THGA und dem Forschungszentrum Nachbergbau zusammen und fördern das Projekt MuSE mit großer Überzeugung.“

    „Dort, wo das Gelände durch den Steinkohlenbergbau abgesackt ist, also große Bodensenkungen entstanden sind, hat sich auch die Bodenfeuchte verändert“, erklärt Prof. Tobias Rudolph vom FZN. Mancherorts sind sogar ganz neue Gewässerflächen entstanden, wie z. B. der Weihnachtssee oder der Ewaldsee in Herten (Bild 1). „Das wirkt sich natürlich auf die Nutzung von Flächen und Ressourcen in der Land-, Forst- und Wasserwirtschaft insgesamt aus. Vor allem wegen des Klimawandels ergeben sich weitreichende Folgen“, sagt der Experte für Geomonitoring. So hätten die geringeren Niederschlagsmengen und vermehrten Trockenphasen der letzten Jahre gezeigt: „Das Ruhrgebiet braucht mehr Wasser, um die Folgen des Klimawandels langfristig aufzufangen – auch wenn die Eindrücke der letzten Wochen eigentlich ein anderes Bild vermitteln.“

    Damit stellt sich für Prof. Rudolph und sein Team die Frage nach einem modifizierten Management der Polderwasserhaltung – sprich: „Was können wir tun, um dieses Wasser besser zu nutzen? Und wie können wir die Bewässerungsplanung insgesamt optimieren?“ Im neuen Forschungsprojekt MuSE untersuchen die Expertinnen und Experten des FZN, wie sich eine solche effiziente und nachhaltige Neuausrichtung des Poldermanagements gestalten ließe. So könnten etwa höhere Grundwasserstände sowie eine wirtschaftliche und technische Nutzung des gehobenen Grund- und Oberflächenwassers dazu führen, Dürreschäden in der Land- und Forstwirtschaft zu minimieren. Gleichzeitig kann ein gezieltes Monitoring dabei helfen, die Polderflächen besser auf Starkregen und Überschwemmungen einzustellen.

    Dazu werten die Expertinnen und Experten des FZN nicht nur die verfügbaren historischen Daten aus, sondern nutzen auch moderne Satellitendaten und führen in ausgewählten Testgebieten eigene Messungen durch: „Wir verwenden verschiedene Sensoren, um die Bodenfeuchte zu ermitteln. Gleichzeitig werten wir Pegeldaten aus und erkunden mit unseren Drohnen die Vegetation. Hierbei schauen wir auch, wie es um die Gesundheit der Pflanzen steht. Die Informationen vor Ort kombinieren wir mit Fernerkundungsdaten, die uns das europäische Satellitenprogramm Copernicus liefert und werten diese erstmalig für diese Fragestellung aus“, erklärt Xiaoxuan Yin, Spezialistin im Bereich Radarinterferometrie und Fernerkundung, die für das Projekt neu an das FZN gekommen ist.

    Dann wird es noch einmal extra knifflig: „Die vielen unterschiedlichen Informationen fusionieren wir in einem sogenannten 4D-Modell mit dem Faktor Zeit als vierter Dimension“, erklärt Yin. Das ermöglicht es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Veränderungen des Wasserhaushalts im Lauf der Jahrzehnte nachzuvollziehen und sie digital zu modellieren. „Bestenfalls können wir so Empfehlungen zur langfristigen Flächen- und Ressourcennutzung geben und dazu beitragen, dass sich die Umweltbedingungen in der Land-, Forst- und Wasserwirtschaft verbessern.“ (THGA/Si.)

  • Forschungszentrum Nachbergbau der THGA untersucht Mikroerschütterungen in ehemaligen Bergbaugebieten

    Unser Untergrund ist in Bewegung. Oftmals sind die Erschütterungen jedoch so klein und räumlich begrenzt, dass sie nur für sehr sensible Sensoren wahrnehmbar sind. Auch dort, wo einst Bergbau betrieben wurde und der Mensch in die natürliche Geologie und in die Lagerstätte eingegriffen hat, kann es in der Folge zu mikroseismischen Erschütterungen kommen. Paloma Primo, Wissenschaftlerin am Forschungszentrum Nachbergbau (FZN) der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA), Bochum, geht diesen Mini-Bewegungen auf die Spur. Im neuen Forschungsprojekt „PostMinQuake“ untersucht die Expertin, wie genau sie entstehen, identifiziert besonders gefährdete Strukturen und entwickelt so ein langfristiges Risikomanagement für betroffene Regionen (Bild 1).

    Fig. 1. Big data from the underground: In the PostMinQuake project the FZN evaluates lots of different geoinfor-mation – see here: Microseismic shocks in the Ruhr area from 2010 to 2020. // Bild 1. Big Data aus dem Untergrund: Im Projekt PostMinQuake wertet das FZN viele unterschiedliche Geoinformationen aus – hier zu sehen: mikro-seismische Erschütterungen im Ruhrgebiet im Zeitraum 2010 bis 2020. Source/Quelle: RUB/Universität Köln

    Dazu arbeitet sie eng mit vielen europäischen Partnern zusammen. Denn auch in Tschechien, Polen und Frankreich soll die Zeit nach dem Bergbau nicht zur „Zitterpartie“ werden. „Ebenso komplex wie die Zusammenhänge unter Tage ist unser gemeinsames Projekt“, sagt Primo. „Unsere Untersuchungen gehen weit über die einfachen Zusammenhänge zwischen Seismizität und den geologischen Aktivitäten in den teils wassererfüllten, stillgelegten Kohlegruben hinaus.“

    Darum arbeiten im Projekt Fachleute unterschiedlicher Disziplinen zusammen, unter ihnen Vermessungsingenieure, Geotechniker oder Hydrogeologen. Gemeinsam beobachten sie die geologische Dynamik in den jeweiligen Testgebieten, die durch den Kohleabbau verändert wurden – in Deutschland sind dies vor allem das Ruhrgebiet, das Ibbenbürener und das Aachener Revier. „In diesen Bereichen dokumentieren wir etwa einmal in der Woche mikroseismische Aktivitäten im Untergrund. Hinzu kommen Aufzeichnungen aus der Vergangenheit, die wir analysieren und in Zusammenhang bringen.“ Ihre Daten bezieht Primo vom Geologischen Dienst NRW, von der RAG Aktiengesellschaft, von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sowie von seismologischen Stationen der Ruhr-Universität Bochum (RUB). „An diesen Stationen können wir Zeit, Größe, Ort und Tiefe des Ereignisses ermitteln.“

    Dabei verfolgen die Fachleute ein wichtiges, gemeinsames Anliegen, erklärt Primo: „Wir wollen mit unseren Untersuchungen vor allem langfristige Sicherheit gewährleisten, Transparenz schaffen und die Öffentlichkeit informieren. Denn jede Kommune und jeder ehemalige Bergwerksbetreiber sollte genaue Kenntnisse darüber haben, welche Prozesse sich im Untergrund abspielen. Es gibt beim Thema Bodenbewegungen viele Ängste und Missverständnisse darüber, was mikroseismische Ereignisse überhaupt sind und welche Auswirkungen sie haben können.“ Das Hauptziel des Projekts ist es daher, die Mechanismen mikroseismischer Ereignisse nach dem Bergbau besser zu verstehen und Pläne für die Langzeitüberwachung des Erdbodens nach dem Bergbau zu erstellen.

    Welche äußeren Einflüsse bedingen die Mikroerschütterungen? Mit welchen Faktoren lassen sich die Auswirkungen am PC realitätsnah simulieren? Und wie können Satellitenbilder dabei helfen, die gewonnen Daten aus dem Untergrund richtig zu interpretieren? „Wir sprechen hier von einer riesigen Datenmenge, die wir erst einmal vereinheitlichen müssen, um sie vergleichbar zu machen und dann mit den neuesten Methoden auswerten zu können“, sagt PrimoAus den Erkenntnissen entwickelt das Projektteam in den kommenden drei Jahren eine Referenzdatenbank für europäische Gebiete nach dem Bergbau. Außerdem sollen die Untersuchungen dabei helfen, neue Überwachungsstrategien und Interpretationsmethoden für Gebiete mit erhöhter Erdbebengefährdung zu entwickeln. Das Projekt ist Teil des EU-finanzierten Research Fund Coal and Steel (RCFS). (THGA/Si.)

  • Erstes Jubiläum: Forschungszentrum Nachbergbau der THGA wird fünf – und dabei immer vielschichtiger

    Die Geschichte des Bergbaus ist lang – doch die Geschichte des Nachbergbaus wird deutlich länger. Seit fünf Jahren beschäftigt sich das Forschungszentrum Nachbergbau (FZN) an der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) in Bochum darum intensiv mit den Fragen, die kommen, wenn der Bergbau geht. Als weltweit erste Institution wirft es einen umfassenden Blick auf die Nachbergbauzeit. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen nicht nur die Aufgaben, die Grubenwasser oder ehemalige Bergbauflächen hinterlassen. Sie entwickeln auch moderne Überwachungsmethoden, beraten betroffene Regionen zum Strukturwandel und versuchen, Industriekultur zu erhalten.

    „Die Herausforderungen des Nachbergbaus sind vielschichtig, darum werden auch wir immer vielschichtiger“, sagt Prof. Ulrich Paschedag, Leiter des FZN (Bild 1). „Seit Oktober 2015 bündeln wir das nötige Know-how, um die Folgen des Bergbaus technisch, ökonomisch und umweltverträglich zu gestalten.“ In dem interdisziplinären Team arbeiten inzwischen rd. 40 unabhängige Expertinnen und Experten aus Bergbau, Geologie und Geotechnik, Hydrogeologie, Chemie, Elektrotechnik, Materialwissenschaften, Flächenentwicklung, Markscheide-wesen und Wirtschaftswissenschaften Hand in Hand zusammen. Um diesen inneren Kern hat sich ein breites Netzwerk gebildet, national wie international.

    Lag der Fokus anfangs noch darauf, die sogenannten Ewigkeitsaufgaben des Steinkohlenbergbaus zu erforschen, hat sich das FZN bis heute breiter aufgestellt. Aus dem integrativen Ansatz ergeben sich die vier Forschungsbereiche Ewigkeitsaufgaben und Grubenwassermanagement, Geomonitoring im Alt- und Nachbergbau, Materialwissenschaften zum Erhalt und zur Neunutzung des industriellen Erbes sowie Reaktivierung und Transition.

    Aktuell erarbeiten die Expertinnen und Experten die wissenschaftlichen Grund-lagen für einen ökologisch und ökonomisch verträglichen Grubenwasseranstieg. Dabei helfen auch die Erfahrungen aus anderen europäischen Revieren, in denen solche Prozesse bereits ganz oder zum Teil erfolgt sind. „Der Anstieg des Grubenwassers ist technisch beherrschbar“, sagt Prof. Christian Melchers. „Jetzt geht es darum, das Wassermanagement in den geschlossenen Gruben möglichst nachhaltig zu gestalten. Nur dann kann in einstigen Bergbaulandschaften der Wasserhaushalt wieder naturnah neugestaltet werden“, so der Experte. Die Erkenntnisse lassen sich auch auf andere Bergbauzweige wie die Braunkohle oder die Gas- und Ölindustrie übertragen.

    Beim Geomonitoring wird es in Zukunft darum gehen, die Bergbaufolgen mit moderner Technik langfristig zu überwachen. „Dazu müssen wir viele Informationen geschickt miteinander kombinieren – wie bei einem Puzzle“, erklärt Prof. Tobias Rudolph seinen Forschungsbereich. Satellitendaten, historische Karten, Bodenproben oder multispektrale Luftaufnahmen mit der Drohne kommen dabei zum Einsatz. „Daraus können wir wertvolle Rückschlüsse etwa auf Bodenveränderungen ziehen und Veränderungen in der Vegetation aufspüren.“ In enger Zusammenarbeit mit Materialwissenschaftlern des Deutschen Bergbau-Museums (DBM) Bochum entstehen an der THGA außerdem neue Methoden, um Alterungsprozesse zu verlangsamen und bestenfalls sogar zu stoppen. Damit tragen die Nachbergbau-Experten dazu bei, Industriekultur wie alte Fördergerüste oder Hochöfen zu erhalten.

    Die Spitzenforschung im Bereich Nachbergbau ist weltweit gefragt. Schließlich interessieren sich immer mehr Länder für einen weitsichtigen Umgang mit aktiven und ehemaligen Bergbaustandorten. Das Wissen aus Bochum hilft auch, künftige Bergbauprozesse umweltfreundlicher zu gestalten. Darum steht das FZN in ständigem Dialog mit seinen vielen internationalen Partnern. So bleibt es auch in Zukunft herausfordernd. „Wir beschäftigen uns mit hochkomplexen Fragen und Zusammenhängen, die oftmals noch an schwer zugänglichen Orten stattfinden. Unter Tage z.B., wo viele noch nie waren und bald auch keiner mehr hinkommt“, sagt Prof. Paschedag. „Deswegen müssen wir uns als Wissenschaftler besondere Mühe geben, unsere Erkenntnisse zum Nachbergbau so allgemeinverständlich zu formulieren, dass sie wirklich jeder verstehen kann.“ (THGA/Si.)

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