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Altbergbau im Westen der USA – rechtliche, organisatorische und technische Herausforderungen

Im Sinne des bekannten Slogans „Bergbau ist nicht eines Mannes Sache“ erfordert die umwelt- und umfeldverträgliche Organisation des bergbaulichen Lebenszyklus einen beständigen transdisziplinären Dialog. In Anbetracht der globalen Ausrichtung des Bergbaus ist der Blick über die nationalen Grenzen hinaus zur Vertiefung des Verständnisses über die Herausforderungen, vor denen andere Länder stehen, unerlässlich und produktiv.

Authors/Autoren: Prof. Dr.-Ing. Jürgen F. Brune, Mining Engineering Department, Colorado School of Mines (CSM), Golden, CO/USA, Prof. Dr.-Ing. Peter Goerke-Mallet, Forschungszentrum ­Nachbergbau (FZN), Technische Hochschule Georg Agricola (THGA), Bochum

Einleitung

Der Umgang mit bergbaulichen Hinterlassenschaften ist weltweit betrachtet sehr unterschiedlich und durch erhebliche regionale Besonderheiten bestimmt. Aktuell wird auf der ISO-Ebene ein neuer Standard mit dem Titel „Managing Mining Legacies“ (Umgang mit den Hinterlassenschaften des Bergbaus) erarbeitet, der eine Vereinheitlichung der globalen Herangehensweise an Altlasten des Bergbaus durch die Festsetzung von Mindestanforderungen und die Schaffung von Transparenz anstrebt. Nach finaler Bearbeitung des Standards wird hierüber zu berichten sein. An dieser Stelle sei vermerkt, dass der zweitgenannte Autor dieses Beitrags im Jahr 2020 zum Obmann des DIN-Spiegelausschuss „Nachbergbau“ benannt wurde.

Die zielgerichtete und kostenverträgliche Bearbeitung der Her­ausforderungen des Alt- und Nachbergbaus setzt eine erhebliche Expertise voraus, die sich u. a. durch einen beständigen Austausch von Wissenschaftlern und Praktikern aus allen Teilen der Welt generiert. Vor diesem Hintergrund haben die beiden Verfasser dieses Beitrags einen Forschungsaufenthalt des erstgenannten Autors am Forschungszentrum Nachbergbau (FZN) der Technische Hochschule Georg Agricola (THGA), Bochum, genutzt, um die Thematik zu bearbeiten.

Die USA (Kartenausschnitt) blicken hinsichtlich der Gewinnung von Rohstoffen auf eine lange Bergbaugeschichte zurück. So geht man davon aus, dass im Westen der USA bereits 1.000 Jahre vor unserer Zeit Bodenschätze wie Türkis, Kohle und Ton abgebaut wurden. Noch bevor die spanischen Eroberer im 16. Jahrhundert in die Region kamen, gewannen die Ureinwohner Kupfer. Mit dem Eintreffen der Spanier verstärkte sich die bergbauliche Aktivität (1, 2).

Eine nennenswerte bzw. industrielle Gewinnung von Bodenschätzen begann nach dem amerikanisch-mexikanischen Krieg in den 1840er Jahren. Dabei standen metallische Rohstoffe wie Gold, Silber und Kupfer sowie Kohle und Eisen für die Entwicklung des Eisenbahnnetzes im Fokus. Die bergbaulichen Tätigkeiten der Vergangenheit haben altbergbauliche Hinterlassenschaften generiert, die seit Jahrzehnten in bestimmten Regionen der USA z. T. erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und die Umwelt darstellen. Tatsächlich kommt es auch heute immer wieder zu Unfällen von Personen, die in alten und offenen Schächten oder ungesicherten Grubenbauen tödlich verunglücken.

Vor diesem Hintergrund hat das Innenministerium der USA (U.S. Department of the Interior, DOI), vertreten durch das Bureau of Land Management (BLM), im Jahr 2013 das sogenannte Abandoned Mine Lands (AML) Programm verabschiedet (3). Dieses Programm soll im Westen der USA die öffentliche Sicherheit der verlassenen Altbergwerke erhöhen sowie die Einflüsse früherer bergbaulicher Tätigkeiten auf Wasser-, Luft- und Bodenqualität beseitigen oder zumindest reduzieren. Innerhalb des DOI hat das Office of Surface Mining ein Programm für stillgelegte Tagebaue des Steinkohlenbergbaus entwickelt (4).

Altbergbau im Westen der USA

Fig. 1. Abandoned mine sites in the USA (5). // Bild 1. Stillgelegte Metallerzbergwerke in den USA (5).

Das AML des BLM umfasst im Westen der USA die elf Bundesstaaten Alaska, Arizona, Colorado, Idaho, Kalifornien, Montana, Nevada, New Mexico, Oregon, Utah, und Washington (Bild 1). In diesen Staaten wurden und werden Bergbauberechtigungen auf bundesstaatlichem Grundeigentum, sogenannte public lands, vom BLM vergeben. Das BLM erfasst für die elf westlichen Bundesstaaten in verschiedenen Katastern die stillgelegten bergbaulichen Betriebe auf public lands, also Grundeigentum der USA. Dabei handelt es sich überwiegend um Erzbergwerke im Festgestein.

In den übrigen Staaten ist der Metallerzbergbau vorwiegend an das Grundeigentum gekoppelt, sodass bergbauliche Altlasten generell nicht in bundesstaatlichen Katastern erfasst werden.

Die Standorte von Tausenden von Altbergwerken konzentrieren sich wesentlich in den Bergregionen der Rocky Mountains, also in den Weststaaten, sowie in den Appalachen im Osten der USA (Bild 1).

Eine graphische Übersicht über die im BLM geführten Altbetriebe zeigt Bild 2. Im Jahr 2017 umfasste der BLM-Nachweis in den Weststaaten der USA etwa 52.300 Standorte mit 97.900 Einzelmerkmalen, wie z. B. Schächten, Stollenmundlöchern, Tagesbrüchen, Wasseraustritten, Resten von Aufbereitungs- und Tagesanlagen sowie Bergehalden (5).

Fig. 2. Abandoned mine workings in western USA according to status. Total number of abandoned sites 52,381 (incomplete), as at 2017 (5). // Bild 2. Altbergwerke im Westen der USA nach Status. Gesamtzahl der erfassten Altbergwerke 52.381 (unvollständig), Stand 2017 (5).

Das BLM gibt an, dass erst etwa 20 % der Standorte saniert oder so abgesichert wurden, dass keine weiteren Sicherungs- oder Rekultivierungsmaßnahmen erforderlich sind (Kategorien „Action Completed“ und „No Action“). Die restlichen 80 %, also mehr als 40.000 Altlasten, erfordern weitere Untersuchungen oder befinden sich in verschiedenen Stadien der Sanierung („Maintenance and Monitoring“, „In Progress“, „Final Closeout“ sowie „Planned“). In über 36.000 Standorten ist zunächst eine Bestandsaufnahme erforderlich („Needs Analysis“), bevor weitere Entscheidungen getroffen werden können. Die Daten des AML-Standort- und Merkmalsinventars sind vorläufig und werden laufend aktualisiert. Neben den Katastern des BLM führen die einzelnen Bundesstaaten ihre eigenen Kataster, die z. T. auch Altlasten auf privatem und staatlichem Grundeigentum einschließen. Hierdurch ergeben sich häufig widersprüchlich erscheinende Fallzahlen.

Bergrechtliche Lage

Das BLM vergibt in den USA Bergbauberechtsame auf bundeseigenem Grund heute im Rahmen von öffentlichen Versteigerungen. Dies schließt auch Berechtigungen zum Abbau von Erdöl und Erdgas ein. Neben bundeseigenen gibt es noch eine Vielzahl von Flächen, die den Einzelstaaten, örtlichen Regierungsbezirken (Counties), Kommunen und privaten Gesellschaften gehören. Aus der letztgenannten Gruppe sind insbesondere die Eisenbahn­gesellschaften hervorzuheben, die im 19. Jahrhundert vom Staat Land erhielten, um ihr Schienennetz aufzubauen. Diese „Land Grants“ sind Flächen von jeweils einer Quadratmeile (ca. 259 ha), die den Eisenbahngesellschaften in Blöcken von 20 bis 50 Meilen Länge (32 bis 80 km) abwechselnd auf der rechten und linken Schienenseite zugeteilt wurden.

Aufgrund der vielschichtigen Behördenzuständigkeit sind die bergrechtlichen Gegebenheiten sehr uneinheitlich, sodass Bergbautreibende von den verschiedensten Behörden Genehmigungen zum Abbau einholen müssen. Neben den Behörden, welche die Genehmigungen zur Nutzung der Lagerstätte erteilen, sind weitere Behörden zuständig, z. B.:

  • Einzel- und bundesstaatliche Umweltämter (Environmental Protection Agencies, EPA), insbesondere für Staubemissionen,
  • die US-Armee mit dem Ingenieurkorps (U.S. Army Corps of Engineers, USACE), zuständig für Wasserwege, Vorfluter und Staudämme,
  • die Bergaufsichtsbehörde (Mine Safety and Health Administration, MSHA), zuständig für Arbeitssicherheit und Unfallschutz,
  • die US-Waldbehörde (U.S. Forest Service, USFS),
  • Jagdschutz- und Fischereiaufsichtsbehörden (U.S. Fish and Wildlife Service, FWS),
  • Straßen- und Schienenaufsichtsbehörden (U.S. Department of Transportation, DOT),
  • sonstige einzelstaatliche, regierungsbezirkliche und kommunale Behörden,
  • einzel- und bundesstaatliche Strahlenschutzbehörden beim Abbau von radioaktiven Mineralen und
  • einzelstaatliche Bergbehörden sowie die bundesstaatliche Tagebau-Rekultivierungsbehörde (Office of Surface Mine Reclamation and Enforcement, OSMRE).

Diese Vielzahl von Behörden mit verwirrenden, z. T. überlappenden Zuständigkeiten erschweren den bergrechtlichen Genehmigungsprozess erheblich. Ein Bundesgesetz, das die Rekultivierung von Tagebauen vorschreibt, den „Surface Mining Control and Reclamation Act“ (SMCRA), gibt es erst seit 1977 (6). Vor 1977, sogenannter pre-law-Status, gab es generell keine Verpflichtung, Bergwerke in den USA zu rekultivieren und wieder nutzbar zu machen. Bergwerksbetreiber haben ihre ausgeerzten oder nicht mehr bauwürdigen Lagerstätten einfach verlassen – daher die gewaltigen Zahlen von abgeworfenen oder verlassenen Bergwerksanlagen. Mit der Verabschiedung des SMCRA wurde die Tagebauberg­behörde OSMRE gegründet, die drei Hauptzwecke verfolgt:

  1. Beaufsichtigung aktiver Bergwerke,
  2. Wiedernutzbarmachung ehemaliger Bergbauflächen und
  3. technische Unterstützung, Ausbildung und Technologieentwicklung.

Gemäß SMCRA hat das OSMRE fünf Aufgabenbereiche:

  1. Richtlinienkompetenz für die Qualität der Rekultivierungsmaßnahmen,
  2. Genehmigungsverfahren für Tagebau,
  3. Überwachung der finanziellen Rekultivierungsrückstellungen,
  4. Bergaufsicht und Polizeigewalt und
  5. Überwachung der Einhaltung von Abbauverboten auf besonders schützenswerten Flächen, z. B. in Nationalparks.

Das SMCRA legt einige wichtige Rekultivierungsgrundsätze fest. Hiernach müssen rekultivierte Flächen u. a. so wiederhergestellt werden, dass ihre Nutzungsqualität gegenüber dem Zustand vor dem Bergbau verbessert wird („higher and better post-mining land use“). Diese Veränderung der Landschaft lässt sich u. a. in Wüsten kaum umsetzen, da ein Pflanzenwachstum aufgrund der Klima­bedingungen auch nach Rekultivierung nur schwerlich zu erreichen ist. Eine weitere Grundbedingung ist die Wiederherstellung der ungefähren, ursprünglichen topografischen Konturen (Approximate Original Contour – AOC). Hiermit wird die früher übliche bergbauliche Praxis des Abbaggerns von Bergkuppen mit Abraumversturz in die benachbarten Täler, das sogenannte Mountaintop Removal Mining, untersagt.

Mit dem SMCRA wurde auch ein Fonds geschaffen, um stillgelegte und vor 1977 abgeworfene Bergwerke zu rekultivieren, die sogenannten pre-law-Altlasten (7). Dieser Fonds wird durch eine Gebühr finanziert, die pro Tonne geförderter Kohle erhoben wird.

BLM-Arbeitsprogramm für stillgelegte und abgeworfene Bergwerke (AML-Programm)

Bereits in den späten 1990er Jahren hat das BLM große Fortschritte bei der Identifizierung sicherheitlich problematischer Bergbauanlagen erzielt, beispielsweise von offenen Schächten, offenen Stollenmundlöchern, Tagesbrüchen und gefährlichen Austritten belasteter Grubenwässer (Bild 3).

Fig. 3. Unprotected adit entrance (8). // Bild 3. Ungesicherte Tagesöffnung (8).

Zweifellos haben die Unfälle im Altbergbau sowie die Umweltbelastungen den Aktivitäten des BLM Dringlichkeit verschafft. Den Vertrauensverlusten der Öffentlichkeit in das verantwortliche Handeln von Unternehmen und Behörden konnte nur durch die Schaffung von Transparenz, einem Risikomanagement, zielgerichtetem Handeln und einer angepassten Öffentlichkeitsarbeit wirksam begegnet werden.

In diesem Zusammenhang ist auf eine Internet-Seite der US-Regierung zu verweisen, die den Titel „A threatening legacy“ (ein bedrohliches Erbe) trägt (9). Hier wird auf die Risiken für Umwelt, Sicherheit und Gesundheit hingewiesen, die von nicht weniger als 500.000 verlassenen Bergwerken und stillgelegten bergbaulichen Arealen in den USA ausgehen.

Hervorzuheben sind auch die Maßnahmen zur Sanierung der Trinkwassereinzugsgebiete, die von stillgelegten Bergwerken beeinflusst werden. Aus deutscher Sicht interessant sind zudem die Bemühungen zur Bildung von Partnerschaften mit öffentlichen Institutionen, lokalen Verwaltungen, Ureinwohnern und Umweltverbänden mit dem Ziel, die Risiken altbergbaulicher Hinterlassenschaften zu reduzieren. An dieser Stelle ist auch auf die Verfolgung von Best-Practice-Verfahren hinzuweisen, die für das BLM von erheblicher Bedeutung sind.

Neben dem BLM gibt es vielfältige Interessen privater und nichtstaatlicher Organisationen, AML zu sichern oder für Folgenutzungen vorzubereiten. Dies schließt beispielsweise die Nutzung vom Bergbau beeinflusster Bäche und Seen für Angler, die jagdliche Nutzung von Altbergbauflächen oder die Freizeitnutzung durch Wanderer, Rad- und Skisportler ein. Aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage besteht jedoch die Gefahr, dass eine dritte Partei, die bergbauliche Hinterlassenschaften für eigene Nutzung rekultiviert, verbessert oder auch nur geringfügig verändert, für die Folgen jeglicher Eingriffe als Erbe für die gesamte Altlast und deren Rekultivierung rechtlich und finanziell verantwortlich gemacht werden kann. Es gibt Entwürfe für eine „barmherzige Samariter“-Regelung, die diese rechtliche Verantwortlichkeit eingrenzt, um privatwirtschaftliche Anstrengungen zur Rekultivierung zu fördern, aber die Gesetzgebung ist hier noch nicht weit vorangeschritten.

Priorisierung der AML-Altlasten

Die Kosten für die Beseitigung von über 22.000 Gefahrenstellen für die öffentliche Sicherheit werden vom BLM auf über 400 Mio. US-$ beziffert (BML, 2013). Hiervon entfallen etwa 10 % allein auf Kostenschätzungen für die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen. Das BLM hat für die sicherheitlich relevanten bergbauliche Altlasten entsprechend ihrer Nähe zu besiedelten Gebieten oder touristisch bedeutsamen Standorten folgende Prioritäten festgelegt (3):

  1. Hohe Priorität: Standorte, die innerhalb einer Viertelmeile (400 m) von einem besiedelten Ort oder einer aktiv genutzten Schule liegen. Dies betrifft knapp 600 Standorte.
  2. Mittlere Priorität: Standorte, die sich innerhalb 400 m von einem vormals besiedelten Ort, z. B. einer Bergbau-Geisterstadt, einer historischen Schule oder einem Ort mit hohem Besucher­andrang befinden. Dies betrifft weitere etwa 650 Standorte.
  3. Niedrige Priorität: Standorte, die mehr als 400 m von einem besiedelten Ort entfernt sind. Dies ist für die verbleibenden knapp 21.000 Standorte relevant.

Eine besondere Bedeutung haben daneben noch bergbauliche Altlasten, die eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder der Umwelt darstellen und bei denen keine rechtlich verantwortlichen Firmen oder Personen auffindbar sind. Diese Altlasten werden als „Superfund Sites“ bezeichnet, weil hierfür ein Superfund mit großen Geldsummen für die Rekultivierung bereitsteht. Superfunds schließen auch industrielle Standorte ein, die keine bergbauliche Vergangenheit haben.

Superfund-Standorte sind in dem Gesetz über umfassende Umwelt-Maßnahmen, Kompensation und Verantwortlichkeit (Comprehensive Environmental Response, Compensation, and Liability Act, CERCLA) geregelt, das in die Zuständigkeit der Bundesumweltbehörde (EPA) fällt. Ziel der EPA ist es, für die Superfund-Lasten rechtlich Verantwortliche oder deren Rechtsnachfolger zu finden, was auch in etwa 70 % der Fälle gelingt. Für die verbleibenden 30 % kommt der Superfund auf, der aus Steuergeldern finanziert ist. Es gibt etwa 40.000 Superfund-Standorte, von denen etwa 1.600 nationale Priorität haben (10). Unter diesen 1.600 Standorten befinden sich 143 ehemalige Bergwerke, Aufbereitungsanlagen und Hütten.

Andere alt- und nachbergbauliche Herausforderungen

Die Einzelmerkmale der in Bild 2 aufgeführten Altlasten sind in der Tabelle 1 zusammengestellt (5). Insgesamt enthält das BLM-Kataster fast 98.000 Einzelmerkmale.

Table 1. Individual attributes of abandoned mine sites recorded in the BLM register (5). // Tabelle 1. Einzelmerkmale altbergbaulicher Flächen des BLM-Katasters (5).

Alt- und nachbergbauliche Aufgaben aus der Sicht der Bergbauunternehmen und der Behörden

Anlässlich der Jahrestagung 2020 der Society for Mining, Metallurgy and Exploration (SME) wurde deutlich, dass die Bergbauunternehmen die hohe Bedeutung der Social License to Operate im gesamten bergbaulichen Lebenszyklus erkannt haben (11). Wie zahlreiche Vorträge auf der in Phoenix, Arizona, ausgerichteten Tagung und die parallel organisierte Fachausstellung gezeigt haben, wird die Verantwortung des Bergbaus für die geordnete Sanierung und Wiedernutzbarmachung der in Anspruch genommenen Flächen zunehmend ernst genommen.

An den Besuch der Tagung schloss sich eine Forschungsreise durch den Süden der USA und die Bundesstaaten Arizona, New Mexico, Texas und Louisiana an. Die Fläche dieser vier Bundesstaaten ist insgesamt um mehr als den Faktor 4 grösser als die Deutschlands. Die Einwohnerzahl in diesen Bundesstaaten umfasst etwa die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands. Damit liegt die Bevölkerungsdichte in den genannten Bundesstaaten um den Faktor 8 unter der in Deutschland und beträgt etwa 30 Einwohner/km2. Diese Angaben untermauern den persönlichen Eindruck. Die Verfügbarkeit von Flächen mit geringem Nutzungsdruck prägen den Umgang mit Teilen der Tagesoberfläche. So blickt man im Süden Arizonas am Rand der alten Bergbaustadt Bisbee in einen aufgelassenen Tagebau und erkennt Probleme hinsichtlich Grubenwasser, Rutschungen und Staub (Bild 4a). In der Nähe der Stadt Silver City erkennt man neben aktiven Tagebauen auf Kupfer Bereiche, die einen guten Zustand einer im Prozess befindlichen Rekultivierung aufweisen (Bild 4b). Eine Begrünung der Flächen ist wegen des trockenen Klimas kaum möglich.

Fig. 4. a) Bisbee – abandoned copper mine and b) Silver City – recultivated area around Tyrone Mine. // Bild 4. a) Bisbee – aufgelassener Kupfertagebau und b) Silver City – rekultivierter Bereich der Tyrone Mine. Photos/Fotos: M. Hegemann (FZN)

Auf die komplizierte Rechtslage im Hinblick auf bergbauliche Prozesse und die unübersichtliche Behördenstruktur wurde bereits hingewiesen. Hieraus resultieren auch ein unterschiedlich ausgeprägter Fokus auf den Alt- und Nachbergbau in den einzelnen Bundesstaaten sowie sehr unterschiedliche statistische Informationen. So gibt der Arizona State Mine Inspector auf der Basis seiner Arbeit für den Bundesstaat Arizona die Zahl von etwa 100.000 stillgelegten Bergwerken an. Das BLM weist für Arizona mehr als 200.000 Einzelmerkmale stillgelegter Bergwerke aus, wovon aber nur 20.000 auf öffentliche Flächen entfallen (2, 5).

Austin in Texas ist der Sitz der Railroad Commission of Texas (RRC), welche die für den Alt- und Nachbergbau in diesem Bundesstaat zuständige Behörde darstellt. Sie ist mit ihren etwa 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowohl für die Exploration und die Produktionsphase als auch für den Nachbergbau im gesamten Bundesstaat zuständig. Für den Nachbergbau stehen hier die Probleme Grubenwasser, Oberflächenwasser und Abschlussbetriebspläne im Vordergrund. Angesichts der Rohstoffpotentiale von Texas ist es nachvollziehbar, dass das Schwergewicht der Tätigkeit von RRC auf den Bereichen Öl- und Gasgewinnung sowie dem Betrieb von Pipelines liegt (12).

In diesem Zusammenhang sind zwei Erdfälle in der Nähe der Stadt Wink im Westen des Bundesstaats von Interesse. Hier wird u. a. Erdöl der Qualität West Texas Intermediate (WTI) gewonnen. Erdgas wird in dieser Provinz auch auf der Basis von Fracking produziert. Die beiden Erdfälle weisen Durchmesser von bis zu 200 m und Tiefen von bis zu 30 m auf. Ihre Entstehung wird mit der Subrosion von Salzformationen durch Wasserzuflüsse über natürliche oder anthropogen verursachte Klüfte bzw. Bohrlöcher in Verbindung gebracht (13). Die Bodenbewegungen wurden auch mit Hilfe der Radarinterferometrie untersucht.

In Baton Rouge, der Hauptstadt des Bundesstaats Louisiana, ist das Department of Natural Resources u. a. für die Herausforderungen der Nachbergbauphase zuständig. In Louisiana gibt es, wie in anderen Bundesstaaten auch, ein sogenanntes Abandoned Mine Land Program, in dem Informationen über stillgelegte bergbauliche Anlagen gesammelt, ausgewertet und zur Minimierung von Gefährdungen und zur Revitalisierung genutzt werden. Demnach sind über 1.100 Nicht-Steinkohlenbergwerke registriert, von denen etwa die Hälfte ein Gefahrenpotential für Mensch und Umwelt aufweisen (14).

Auf ein besonderes Phänomen stößt man im Süden Louisianas, also in den „wetlands“ des Mississippi-Deltas. Hier werden in den vorhandenen Salzstöcken Sole gewonnen, Kavernen angelegt und Kohlenwasserstoffe gespeichert. Die Geologie der Salzstöcke ist komplex. Im Jahr 2012 kam es am sogenannten Bayou Corne zu einem Erdfall, dessen finale Größe mit über 10 ha angegeben wird (15). Die Auswirkungen auf die Bevölkerung erreichten in der sehr flachen und wasserreichen Landschaft erhebliche Ausmaße. Angekündigt hatte sich das Ereignis durch Gasaustritte an der Wasseroberfläche und Bodenbewegungen. Das Beispiel zeigt die Bedeutung von aussagekräftigen Monitoringmaßnahmen, verbunden mit einem ausgeprägten Verständnis für die sich im Untergrund vollziehenden Prozesse.

Zusammenfassung und Ausblick

In den USA gibt es zehntausende von bergbaulichen Altlasten, die größtenteils auf Kosten der Steuerzahler rekultiviert und einer nachbergbaulichen Nutzung zugeführt werden müssen. Das liegt einerseits daran, dass es vor 1977 keine rechtliche Veranlassung für die Bergbautreibenden gab, die für den bergbaulichen Prozess genutzten Flächen und Anlagen zu rekultivieren. Allein auf bundesstaatlichem Grundeigentum, vornehmlich im Westen der USA, sind in den Katastern des BLM über 50.000 ehemalige, verlassene Bergbaustandorte mit fast 100.000 Einzelmerkmalen erfasst, die zum Teil Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit und der Umwelt darstellen und mit Vorrang saniert werden müssen. Die Sanierungs- und Rekultivierungsmaßnahmen werden dadurch erschwert, dass eine Vielzahl behördlicher Zuständigkeiten zu berücksichtigen ist und dass öffentliche Mittel erst dann bereitgestellt werden, wenn nach oft jahrzehntelanger Suche kein Rechtsnachfolger des Verursachers ermittelt werden kann. Die komplizierte Rechtslage erschwert auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und freiwilligen Hilfsorganisationen, sich an Rekultivierungs- oder Sicherungsarbeiten zu beteiligen, sodass die USA vermutlich noch über Jahrzehnte mit bergbaulichen Altlasten werden leben müssen.

References / Quellenverzeichnis

References / Quellenverzeichnis

(1) Arizona State Mine Inspector (2021): https://asmi.az.gov/ (zuletzt aufgerufen 10.08.2021).

(2) Arizona State Mine Inspector (2021): https://asmi.az.gov/abandoned-mine-history (zuletzt aufgerufen am 19.07.2021).

(3) Bureau of Land Management (2013): Abandoned Mine Lands Program. https://www.blm.gov/sites/blm.gov/files/uploads/AML_PUB_Closures.pdf (zuletzt aufgerufen am 19.07.2021).

(4) Unger, C.; Lechner, A. M.; Glenn, V.; Edraki, M.; Mulligan, D. R. (2012): Mapping and Prioritising Rehabilitation of Abandoned Mines in Australia. Life-of-Mine Conference 2012.

(5) Bureau of Land Management (2017): Abandoned Mine Lands Site Inventory. https://www.blm.gov/programs/aml-environmental-cleanup/aml/inventory (zuletzt aufgerufen am 29.03.2023).

(6) Office of Surface Mining, Reclamation and Enforcement. U.S. Department of the Interior (2021): https://www.osmre.gov/lrg.shtm (zuletzt aufgerufen am 07.08.2021).

(7) U.S. Department of the Interior: Natural Resources Revenue Data. https://revenuedata.doi.gov/how-revenue-works/aml-reclamation-program/ (zuletzt aufgerufen am 07.08.2021).

(8) Bureau of Land Management (2014): Abandoned Mine Land Inventory. Study for BLM-Managed Lands in California, Nevada, and Utah: Site and Feature Analysis. https://www.blm.gov/sites/blm.gov/files/uploads/AML_PUB_Inventory.pdf (zuletzt aufgerufen am 19.07.2021.

(9) US-Regierung (2021): A Threatening Legacy. https://abandoned­mines.gov/ (zuletzt aufgerufen am 19.07.2021).

(10) U.S. Environmental Protection Agency (2020): Superfund Remedial Annual Accomplishments, Fiscal Year 2020 Report. https://semspub.epa.gov/work/HQ/100002803.pdf (zuletzt aufgerufen am 29.07.2021).

(11) Goerke-Mallet, P.; Hegemann, M.; Kretschmann, J.; Brune, J. F. (2020): Society for Mining, Metallurgy and Exploration – SME Jahrestagung 2020: Themen – Botschaften – Eindrücke. bergbau 8/2020, S. 364 – 368.

(12) Railroad Commission of Texas (2021): Home. https://www.rrc.texas.gov/ (zuletzt aufgerufen am 10.08.2021).

(13) Bureau of Economic Geology (2021): Wink Sink. https://www.beg.utexas.edu/research/programs/near-surface-observatory/wink-sink (zuletzt aufgerufen am 10.08.2021).

(14) State of Louisiana. Department of Natural Resources (2021): Home. https://www.dnr.louisiana.gov/ (zuletzt aufgerufen am 10.08.2021).

(15) Places Journal (2019): When the Ground Gives Ways. https://placesjournal.org/article/when-the-ground-gives-way-bayou-corne-sinkhole/?cn-reloaded=1 (zuletzt aufgerufen am 10.08.2021).

Authors/Autoren: Prof. Dr.-Ing. Jürgen F. Brune, Mining Engineering Department, Colorado School of Mines (CSM), Golden, CO/USA, Prof. Dr.-Ing. Peter Goerke-Mallet, Forschungszentrum ­Nachbergbau (FZN), Technische Hochschule Georg Agricola (THGA), Bochum
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