Home » Grundlagen des Explosionsschutzes

Grundlagen des Explosionsschutzes

Explosionen sind zum Glück selten. Kommt es aber doch dazu, sind die Folgen meist schwer – Explosionen zählen zu den fünf häufigsten Ursachen für tödliche Arbeitsunfälle. Entsprechend wichtig ist es, das Auftreten einer Explosion zu vermeiden und, falls das nicht möglich ist, die Ausbreitung und die Auswirkungen zu beschränken.

Author/Autor: Dr. rer. nat. Maximilian Hanke-Roos, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Heidelberg

1  Wie kommt es zu einer Explosion?

Bild 1. Gefahrentetraeder für Explosionen. Quellen (v.l.n.r.): olegusk – stock.adobe.com, stock-photo-graf – stock.adobe.com, visoot – stock.adobe.com, Andrew Burgess – stock.adobe.com, BG RCI – Soestmeyer

Die vier Spitzen des Gefahrentetraeders (Bild 1) beschreiben vier Voraussetzungen, die alle gleichzeitig erfüllt sein müssen, damit es zu einer Explosion kommen kann:

  • brennbarer Gefahrstoff,
  • Oxidationsmittel, z. B. Sauerstoff,
  • Durchmischung im richtigen Mischungsverhältnis und
  • wirksame Zündquelle.

Brennbare Gefahrstoffe sind alle Stoffe, die nach ihrer Entzündung mit einem Oxidationsmittel – meist ist dies der natürlich in der Luft vorkommende Sauerstoff – verbrennen können. Typische Beispiele sind Lösemittel in Lacken, Klebern oder Reinigern sowie Stäube, etwa Kohle-, Holz-, Metall- oder Zuckerstäube. Damit es zur Durchmischung der Stoffe mit dem Oxidationsmittel kommen kann, müssen Flüssigkeiten verdampfen oder Stäube aufgewirbelt werden. Beurteilt wird dies für Flüssigkeiten meist anhand des Flammpunkts. Dies ist die niedrigste Temperatur einer Flüssigkeit, bei der sich unter bestimmten genormten Bedingungen aus ihr Dämpfe in solcher Menge entwickeln, dass sie entzündet werden können. Liegt die Temperatur nicht sicher unter dem Flammpunkt, ist mit der Bildung explosionsfähiger Gemische zu rechnen. Bei versprühten oder verdüsten Flüssigkeiten gilt dies nicht – hier ist stets eine Explosionsgefahr anzunehmen.

Von Feststoffen geht eine Explosionsgefahr nur aus, sofern sie in ausreichender Feinheit vorliegen: Mit abnehmender Korngröße nimmt die Oberfläche der Stäube zu (Bild 2), somit kann die Verbrennung schneller ablaufen, was schließlich zu einem explosionsartigen Verlauf führt. Typischerweise ist dies bei Korngrößen unterhalb 0,5 mm der Fall.

Bild 2. Abhängigkeit der Oberfläche von der Korngröße bei Staubpartikeln. Quelle: Hanke-Roos

Allgemein bezeichnet man solche Gemische als „explosionsfähige Gemische“. Liegt dieses Gemisch unter atmosphärischen Bedingungen (Umgebungstemperatur – 20 °C bis + 60 °C, Luftdruck 0,8 bis 1,1 bar, Oxidationsmittel Luft) vor, spricht man von einer „explosionsfähigen Atmosphäre“. Da dies der häufigste Fall ist, soll im Folgenden nur hierauf eingegangen werden. Bei einer „gefährlichen explosionsfähigen Atmosphäre“ (g. e. A.) treten diese in gefahrdrohender Menge auf. Eine gefahrdrohende Menge liegt vor bei einem Volumen ≥ 10 l bzw. ≥ 1/10.000 Rauminhalt oder bei Auftreten in unmittelbarer Nähe von Menschen.

2  Auf die Mischung kommt es an

Dieser Spruch gilt nicht nur beim Kochen, sondern auch im Explosionsschutz. Allein, dass sich ein brennbarer Gefahrstoff mit Luft mischt, reicht also noch nicht aus. Nur im richtigen Mischungsverhältnis – zwischen der unteren Explosionsgrenze (UEG) und der oberen Explosionsgrenze (OEG) – kann eine Mischung brennbarer Gefahrstoffe mit Luft bei Entzündung explodieren. Unterhalb der UEG enthält das Gemisch zu wenig Brennstoff, es ist zu „mager“. Oberhalb der OEG enthält es zuviel Brennstoff, es ist zu „fett“ und brennt „nur“ ab, statt zu explodieren (Bild 3). Die OEG findet bei Stäuben keine Anwendung.

Bild 3. Bei Gasen, Dämpfen und Nebeln wird der Bereich zwischen den beiden Explosionsgrenzen (OEG und UEG) als Explosionsbereich bezeichnet. Quelle: Hanke-Roos

Die letzte für eine Explosion erforderliche Voraussetzung ist eine wirksame Zündquelle. Von den dreizehn bekannten Zündquellenarten spielen in der Praxis die folgenden sechs die größte Rolle:

  • heiße Oberflächen,
  • Flammen und heiße Gase,
  • Zündquellen durch mechanische Reib-, Schlag- und Abtrennvorgänge,
  • elektrische Anlagen,
  • elektrische Ausgleichsströme, kathodischer Korrosionsschutz und
  • statische Elektrizität.

3  Gefährdungsbeurteilung

Das wichtigste Hilfsmittel, um eine Explosionsgefährdung einschätzen und beherrschen zu können, ist die Gefährdungsbeurteilung. Die Maßnahmen unterliegen dabei der in Tabelle 1 dargestellten Rangfolge.

Tabelle 1. Maßnahmenrangfolge im Explosionsschutz mit beispielhaften Schutzmaßnahmen und Verweis auf das entsprechende Technische Regelwerk (nach: KB 028-1 der BG RCI). Quelle: Hanke-Roos

Der beste Schutz vor einer Explosion ist gegeben, wenn nichts da ist, das explodieren könnte, d. h., die Bildung einer g. e. A. ist sicher verhindert, sprich eine der drei Ecken des Gefahrentetraeders, nämlich „Oxidationsmittel“, „brennbarer Gefahrstoff“ oder „Durchmischung im richtigen Mischungsverhältnis“ fehlt. Geht das nicht, gilt es, Zündquellen auszuschließen, also die vierte Spitze des Gefahrentetraeders zu kappen. Falls auch das nicht zuverlässig realisierbar ist, müssen Maßnahmen her, welche die Ausbreitung einer Explosion verhindern und ihre Auswirkungen beschränken.

3.1  Erste Ebene der Maßnahmen

Die erste Ebene der Maßnahmen ist die Vermeidung der Bildung von g. e. A. In der Gefahrstoff-Verordnung (GefStoffV) ist das STOP-Prinzip verankert. Die Abkürzung STOP beschreibt die Rangfolge der Schutzmaßnahmen: Substitution, Technische Schutzmaßnahmen, Organisatorische Schutzmaßnahmen, Persönliche Schutzmaßnahmen.

Vorrangige Schutzmaßnahme ist die Substitution. Dabei gilt es zu prüfen, ob die brennbaren Gefahrstoffe durch weniger gefährliche Stoffe ersetzt, also substituiert werden können. Das wären etwa Flüssigkeiten mit einem höheren Flammpunkt oder solche, die nicht brennbar sind. Statt Stäuben könnten Granulate zum Einsatz kommen. Auch Arbeitsverfahren, die keine oder weniger Stoffe freisetzen, z. B. Pinselauftrag anstelle von Versprühen, können schützen.

Ist keine ausreichende Substitution möglich, muss geprüft werden, ob durch Maßnahmen wie Dichtheit von Behältern oder Anlagen, Beseitigung von Staubablagerungen oder natürliche Lüftung eine g. e. A. sicher verhindert ist. In einem solchen Fall  – dokumentiert in der Gefährdungsbeurteilung – sind weitere Explosionsschutzmaßnahmen nicht erforderlich. Weiterführende Maßnahmen müssen überwacht und geprüft werden, um ihre Wirksamkeit sicherzustellen. Darum unterliegen sie der Prüfverpflichtung nach Anhang 2 Abschnitt 3 Betriebsicherheitsverordnung (BetrSichV). Beispiele für solche Maßnahmen sind:

  • Technische Lüftungsmaßnahmen: Durch eine Absaugung oder Raumlüftung werden brennbare Gefahrstoffe aus der Luft entfernt oder zumindest in ihrer Konzentration reduziert. Beispielsweise mittels Gaswarngeräten (Messung der Konzentration brennbarer Gase/Dämpfe) oder Strömungswächtern (Messung des Luftstroms) lässt sich die Wirksamkeit von Absaugung und Lüftung überwachen.
  • Inertisierung: Bei der Inertisierung verdrängen nicht brennbare Stoffe – vor allem Gase wie Stickstoff oder Kohlenstoffdioxid – den Sauerstoff so weit, dass keine Explosion mehr stattfinden kann. Eine Inertisierung ist nur in geschlossenen Anlagenteilen anwendbar und muss überwacht werden. Inertgase wirken erstickend.

Prüfverpflichtung nach Anhang 2 Abschnitt 3 der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV):

Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen (Ex-Anlagen) sind überwachungsbedürftige Anlagen, für die besondere Prüfanforderungen gelten. Die Rechtsgrundlage hierfür ist die BetrSichV. Der Unternehmer oder die Unternehmerin hat die Prüfart, den Prüfumfang, die Prüftiefe, die Prüffristen und die erforderliche Befähigung der zur Prüfung befähigten Person festzulegen und im Explosionsschutzdokument zu beschreiben.

Prüfungen müssen durchgeführt werden

  • vor erstmaliger Inbetriebnahme,
  • nach prüfpflichtigen Änderungen und
  • wiederkehrend.

Die Prüfanforderungen werden in der TRBS 1201 Teil 1 „Prüfungen von Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen“ konkretisiert.

3.2  Zweite Ebene der Maßnahmen

Die zweite Ebene der Maßnahmen zielt auf die Vermeidung der Entzündung. Kann eine g. e. A.. nicht sicher verhindert werden, muss beurteilt werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie auftreten kann und wie lange sie andauert. Ebenso muss für Zündquellen ermittelt werden, wie wahrscheinlich es ist, dass sie vorhanden sind oder entstehen – im Prozess, z. B. beim Schleifen, oder bei Gerätefehlern und Störungen – und wirksam werden.

Solche Arbeitsbereiche werden mit dem Warnzeichen D-W021 „Warnung vor explosionsfähiger Atmosphäre“ („Ex-Dreieck“) gekennzeichnet. Zusätzlich sind dort offene Zündquellen wie Rauchen oder offenes Feuer verboten. Unbefugte dürfen derart gefährdete Bereiche nicht betreten.

Das langjährig bewährte Konzept der Zoneneinteilung hilft bei der Ableitung des Umfangs der notwendigen Zündquellenvermeidung. Auch die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) der 700er-Reihe nutzen dieses Konzept. Bei der Einteilung der Zonen geht es um die Häufigkeit und Dauer, mit der g. e. A. auftreten oder vorhanden sein kann. Zu betrachten sind sie dabei im Verhältnis zur Betriebsdauer des Prozesses – nicht zu einem Zeitraum wie einer Woche oder einem Jahr. Für g. e. A. als Gemisch aus Luft und brennbaren Gasen, Dämpfen oder Nebeln gibt es die Zonen 0, 1 und 2. Für g. e. A. in Form einer Staubwolke in Luft gelten die Zonen 20, 21 und 22.

Tabelle 2. Anforderungen an die Zündquellenvermeidung in Abhängigkeit von der Häufigkeit und der Dauer des Auftretens von g. e. A. bzw. von der Zoneneinteilung.

Anhand der festgelegten Zone können Betriebe dann die zu treffenden Schutzmaßnahmen ableiten – vorausgesetzt, dass das Auftreten der g. e. A. und das Wirksamwerden der Zündquelle voneinander unabhängig sind. Der Zusammenhang zwischen dem Auftreten von g. e. A., der daraus resultierenden Zone und den zu vermeidenden Zündquellen ist in Tabelle 2 dargestellt. Eine Hilfestellung bei der Zoneneinteilung bietet die Beispielsammlung in DGUV Regel 113-001 (Bild 4).

Bild 4. Die Explosionsschutz-Regeln (DGUV Regel 113-001 – Teile 1 und 2) bündeln alle explo-sionsschutzrelevanten Technischen Regeln. Anlage 4 enthält die weltweit umfangreichste Bei-spielsammlung zur Einteilung explosionsgefährdeter Bereiche in Zonen. Weitere Informationen zur Zoneneinteilung sowie zur Zündquellenvermeidung bieten die TRGS 720 sowie TRGS 722, TRGS 723 und TRGS 727. Quelle: DGUV

Verzichtet ein Betrieb auf die Zoneneinteilung, muss er zunächst davon ausgehen, dass g. e. A. im gesamten Arbeitsbereich dauerhaft auftritt (Worst-Case-Betrachtung). Somit sind Schutzmaßnahmen im Sinn der Zone 0/20 zu treffen. Für den Einzelfall können Unternehmen in der Gefährdungsbeurteilung andere Maßnahmen festlegen, solange diese das gleiche Sicherheits-niveau gewährleisten, etwa Tätigkeiten nach TRGS 507 „Ober-flächenbehandlung in Räumen und Behältern“).

3.3  Dritte Ebene der Maßnahmen

Die dritte Ebene der Maßnahmen ist eine Beschränkung der Ausbreitung bzw. der Auswirkungen einer Explosion. Lässt sich eine Explosion trotz aller Maßnahmen nicht sicher ausschließen, ist durch sogenannte konstruktive Schutzmaßnahmen ihre Auswirkung zu minimieren. Dabei werden Behälter und Anlagenteile so ausgelegt oder ausgerüstet, dass durch eine Explosion keine Personen verletzt sowie Gebäude und Anlagen geringstmöglich beschädigt werden. Beispiele für solche Maßnahmen:

  • Explosionsfeste Bauweise: Der Behälter oder die Anlage halten einer Explosion im Inneren stand.
  • Explosionsdruckentlastung: Hierbei wird der Explosionsüberdruck etwa über Berstscheiben, Explosionsklappen oder ständige Öffnungen an die Umgebung abgeführt. Die Druckentlastung darf niemanden gefährden.
  • Explosionsunterdrückung: Diese Maßnahmen erkennen und ersticken eine angelaufene Explosion, bevor sie gefährliche Überdrücke erreicht.

Zusätzlich muss die Übertragung auf andere gefährdete Anlagenbereiche verhindert werden (explosionstechnische Entkopplung), etwa durch Löschmittelsperren, Schnellschlussschieber oder -klappen und Zellenradschleusen.

4  Dokumentation

Ihre Gefährdungsbeurteilung zum Explosionsschutz müssen Betriebe in einem sogenannten Explosionsschutzdokument dokumentieren, einem speziellen Teil der Gefährdungsbeurteilung. Informationen zum Thema bietet die DGUV Information 213-106 „Explosionsschutzdokument“. Auch Prüfungen müssen nach Betr-SichV dokumentiert werden, siehe TRBS 1201 Teil 1 „Prüfung von Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen“.

Author/Autor: Dr. rer. nat. Maximilian Hanke-Roos, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Heidelberg

Online_Abonnement