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Meilenstein gesetzt – Lücke geschlossen

Bild 1. Die neue Normen­reihe EN 1009 beinhaltet Anforderungen für Aufbereitungsmaschinen und -anlagen für mineralische Rohstoffe. Foto: BG RCI

Viele Mitgliedsbetriebe der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Heidelberg, setzen Aufbereitungsmaschinen für mineralische Rohstoffe ein, angefangen bei der Zerkleinerung und Klassierung von Rohmaterial in Steinbrüchen bis hin zum Recycling von Baustoffen (Bild 1). An und in solchen Einrichtungen ereignen sich immer wieder schwere, manchmal tödliche Unfälle. Um technische Ursachen dafür möglichst an ihrer Wurzel zu beseitigen, engagiert sich die BG RCI in der europäischen Normung – und hat eine neue Normenreihe mitentwickelt.

Author/Autor: Dipl.-Ing. Sebastian Gatzmanga, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Langenhagen

Noch bis vor kurzem existierten keine europäischen Normen für die Sicherheit von Aufbereitungsmaschinen und -anlagen. Im Januar 2021 jedoch wurden endlich die ersten fünf Teile der neuen Normenreihe EN 1009 als deutsche DIN EN-Norm veröffentlicht. Die Normenreihe wird insgesamt aus sechs Teilen bestehen:

  • Teil 1: Gemeinsame Anforderungen für Aufbereitungsmaschinen und -anlagen,
  • Teil 2: Spezifische Anforderungen für Aufgabemaschinen und Stetigförderer,
  • Teil 3: Spezifische Anforderungen für Brecher und Mühlen,
  • Teil 4: Spezifische Anforderungen für Klassiermaschinen (Siebmaschinen),
  • Teil 5: Spezifische Anforderungen für Reinigungs-, Recycling-, Sortier- und Schlammverarbeitungsmaschinen und
  • Teil 6: Spezifische Anforderungen für mobile Maschinen.

Die Teile 1 bis 5 nehmen zunächst ortsfeste sowie modulare Maschinen und Anlagen in den Blick.

Teil 1 enthält gemeinsame Anforderungen für z. B. Öffnungen, Zugänge, Schutzeinrichtungen, Steuerungen, Anlaufwarnungen, Not-Halt oder Staub- und Lärmminderung und ist immer zusammen mit mindestens einem weiteren Teil der Normenreihe anzuwenden.

Teil 2 behandelt Aufgabemaschinen wie Vibrationsförderer oder Plattenbänder sowie Stetigförderer wie Gurtförderer oder Becherwerke. Basierend auf den Normen DIN EN 618 und DIN EN 620 für Schüttgut-Stetigförderer, berücksichtigt dieser Teil die Besonderheiten in Aufbereitungsmaschinen und -anlagen. Auflaufstellen an Gurtförderern etwa müssen vorzugsweise durch ein Füllstück geschützt werden. Um eine sichere Instandhaltung zu ermöglichen, muss bei Gurtförderern der Laufsteg Zugang zu beiden Seiten der Kopftrommel gewähren, auch wenn nur ein einzelner seitlicher Laufsteg vorhanden ist.

Teil 3 enthält die Anforderungen für Brecher und Mühlen. Besonders erwähnenswert sind die sicherheitstechnischen Anforderungen für Prallbrecher. Bei diesen muss der Rotor nun in jeder Stellung arretierbar sein – auch bei Blockierung durch Material – um ein unerwartetes Drehen, z. B. durch Schwerkraft, zu verhindern. Es genügt ausdrücklich nicht, den Rotor nur mit einem Bolzen in bestimmten Positionen sichern zu können. An Anlagen, denen eine solche Arretierungseinrichtung fehlte, kam es bereits zu tödlichen Unfällen bei der Instandhaltung und Störungsbeseitigung. Um dieses Szenario (Bild 2) sicher zu verhindern, darf sich zudem das Gehäuse eines Prallbrechers gar nicht erst öffnen lassen, bis der Rotor arretiert ist. Das verhindert bei unverstopften Anlagen zudem eine Gefährdung durch den lange nachlaufenden Rotor.

Bild 2. Wartungsarbeiten in Brechern, deren Rotor nicht rundum arretiert werden kann, sind lebensgefährlich. Quelle: BG RCI

Dennoch ist dessen kontrolliertes Drehen bei geöffnetem Gehäuse in manchen Fällen notwendig, z. B. um Verschleißteile wie Schlagleisten austauschen oder Blockierungen beseitigen zu können. Dazu muss entweder eine mechanische Einrichtung oder ein Tippbetrieb zur Verfügung stehen, mit deren Hilfe der Rotor unter Sichtkontrolle von außerhalb des Gefahrenbereichs sicher gedreht werden kann. Vergleichbare Anforderungen gelten u. a. auch für Prallmühlen, Hammermühlen, Hammerbrecher und Walzenbrecher.

Teil 4 für Klassiermaschinen legt den Fokus vor allem auf ergonomische Anforderungen für die Instandhaltung, um Arbeiten in beengten Verhältnissen zu vermeiden oder zu minimieren. Dies soll sowohl dem demographischen Wandel Rechnung tragen, insgesamt eine menschengerechtere Arbeit ermöglichen und auch die Rettung von Personen aus dem Inneren von Klassiermaschinen gewährleisten. Bei der Konstruktion von Klassiermaschinen gilt es daher zu bedenken, Inspektion, Reinigung und Instandhaltungsarbeiten möglichst von einem Ort außerhalb des Siebgehäuses ausführbar zu machen. Dafür gibt es verschiedene Ansätze: etwa die Justierbarkeit der Siebspannung von außen; Zugangsluken zum Sieb für Arme und Hände, damit die Spannungsbolzen erreicht werden können; Verkleinerung von Siebmedien, um sie einfacher entfernen zu können. Wenn für Inspektion und Instandhaltung der Zugang zwischen Siebdecks erforderlich ist, muss ein Hersteller bei neuen Anlagen Mindestmaße für Zugangsöffnungen und Mindestabstände für Siebdecks einhalten, z. B. zwischen zwei Decks unter dem Querträger 550 mm. Im Fall eines Austauschs oder einer Modernisierung an einer bestehenden Anlage darf aufgrund von Platzbeschränkungen dieser Mindestabstand 450 mm -betragen.

Teil 5 enthält spezifische Anforderungen für Reinigungs-, Recycling-, Sortier- und Schlammverarbeitungsmaschinen wie etwa Flotationsanlagen, Vakuumfilter, Filterpressen, Wirbelschichtabscheider, Hydrozyklone, Waschtrommeln, Luftstromsichter, Magnetabscheider oder Schwertwäscher.

Die Verantwortlichen der neuen Normenreihe arbeiten außerdem an Teil 6, der Anforderungen für mobile Maschinen enthalten wird. Die öffentliche Umfrage für Teil 6 fand im Sommer 2021 statt. Unter Berücksichtigung der Kommentare daraus wird nun der Schlussentwurf erstellt.

Zudem strebt das Gremium an, die Normenreihe DIN EN 1009 unter der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG zu harmonisieren. Dazu sind für die Teile 1 bis 5 zwar kleinere Nachträge – sogenannte Amendments – erforderlich, um das Prüfungsverfahren der EU-Kommission abschließend zu bestehen. Wer aktuell jedoch plant, neue Aufbereitungsmaschinen und -anlagen zu kaufen, sollte bereits jetzt mit dem Hersteller vertraglich vereinbaren, die Teile 1 bis 5 der Normenreihe DIN EN 1009 einzuhalten. Mit ihrer Veröffentlichung hat die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) mit Hauptsitz in Heidelberg einen wichtigen Meilenstein gesetzt, der das Sicherheitsniveau für Bau und Ausrüstung von Aufbereitungsmaschinen und -anlagen beschreibt. Weitere Schritte müssen und werden aktiv begleitet durch die BG RCI folgen.

Author/Autor: Dipl.-Ing. Sebastian Gatzmanga, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Langenhagen

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