Studentische Grubenwehrtrupps haben sich an einer Reihe von Universitäten in den Vereinigten Staaten, Australien und einigen anderen Ländern etabliert. Die Studenten eignen sich über das Grubenrettungswesen Kenntnisse und Fertigkeiten an, die universell einsetzbar sind. Im Jahr 2016 waren neun Grubenwehrtrupps in den USA akkreditiert, und weitere Mannschaften an Universitäten anderer Länder, einschließlich der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Im Grubenrettungswesen lernen die Studenten ein Bewußtsein für Arbeitssicherheit und Unfallschutz, Führungsaufgaben, Entscheidungen unter Druck zu treffen, kritisches und analytisches Denken, Kommunikationsfähigkeit und medizinische Notfallbetreuung. Durch die Zusammenarbeit mit industriellen Grubenwehren bilden die Studenten wertvolle Netzwerke in der Industrie.
Autoren: Levi Rawlings B. Sc. and Prof. Dr.-Ing. Jürgen Brune, Colorado School of Mines, Golden/USA, Prof. Dr.-Ing. Helmut Mischo, Technical University Bergakademie Freiberg, Freiberg/Germany
Grubenrettungswesen in den Vereinigten Staaten
In den Vereinigten Staaten ist das Grubenrettungswesen unter Titel 30 des Bundesstaatlichen Verordnungswesens (Title 30 Code of Federal Regulations, 30 CFR) geregelt. Unter 30 CFR § 49.50 wird gefordert, dass alle akkreditierten Grubenwehrtrupps zweimal jährlich an einem offiziellen Grubenrettungswettbewerb teilnehmen. In diesen Wettkämpfen treten die Teams in drei Disziplinen an. Die erste Disziplin besteht aus zwei Explorationsübungen, in denen unterschiedliche Notfalleinsätze unter Tage simuliert werden (Bild 1). Diese Übungen stellen realistische Grubenwehreinsätze nach, in denen die Mannschaften kritisch denken und handeln, als Team zusammenarbeiten und gut kommunizieren müssen. Die Trupps arbeiten unter Atemschutz und untersuchen alle Grubenbaue, wobei sie auf korrekte Bewetterung und ausreichenden Grubenausbau achten und sichere Verhältnisse wiederherstellen müssen. Die Mannschaften haben dabei sämtliche Übungsvorgaben einzuhalten und den angetroffenen Unfallopfern Erste Hilfe zu leisten, sie zu bergen und zur Bereitschaftsstelle abzutransportieren. Je nach Anforderung müssen ggf. Brände gelöscht, die Bewetterung wiederhergestellt oder Hangendbrüche gesichert werden. Dabei ist permanent Kontakt zur Bereitschaftsstelle und der Einsatzleitung zu halten.
Die zweite Übungsdisziplin ist ein Wettkampf in Erster Hilfe. Drei Grubenwehrleute müssen ein Unfallopfer mit Ersthilfemaßnahmen so versorgen, dass der Zustand stabilisiert und der Patient transportfähig ist. Experten beurteilen die korrekte Durchführung und die Qualität der Behandlung durch die Teams.
Die dritte Übungsdisziplin betrifft die Gerätewartung und Störungsbeseitigung. Diese Übung dient dazu, die Fähigkeiten der Gerätewarte bei der Fehlererkennung zu prüfen. Die Übungen erstrecken sich auf die Beatmungsgeräte sowie Gasmessinstrumente und Wechselsprecheinrichtungen.
Studentische Grubenwehrprogramme
Das studentische Grubenwehrprogramm an der Colorado School of Mines (CSM) begann im Jahr 2009. Es wurde von zwei Studenten gegründet, die während eines Industriepraktikums Zugang zum Grubenrettungswesen fanden und eine Grundausbildung absolvieren konnten. Sie gründeten daraufhin die CSM-Grubenwehr als freiwillige studentische Vereinigung für alle Fachrichtungen. Die Studenten erbaten Geld- und Sachspenden für die technische Ausrüstung. Sie erhielten fachliche und technische Beratung durch das Energy, Mining and Construction Industry Safety Program der CSM, in dem u. a. professionelle Grubenwehren ausgebildet werden. Außerdem arbeiten die Studenten regelmäßig zusammen mit dem Front Range Mine Rescue Team des US-Staates Colorado. Das Front Range Team ist zuständig für eine Reihe kleinerer Bergwerke in der Umgebung westlich der Stadt Denver.
Im Lauf der Zeit wuchs die Organisation an Mitgliedern und Ausrüstung. Derzeit hat die studentische Grubenwehr zwölf komplette Beatmungsgeräte des Typs Dräger BG4 inklusive aller Wartungs- und Prüfinstrumente, mehrere Multigas-Messinstrumente, zwei speziell angefertigte Schleifkorb-Transportwagen, Abseil- und Seilrettungsgeräte sowie einen 5 m-Anhänger für den Transport zum Einsatzort.
Die CSM-Grubenwehr wird ausschließlich von Studenten geleitet und verwaltet. Sie wählen jährlich einen Vorstand, dessen Mitglieder ein Jahr im Amt bleiben. Die Vorstände bereiten alle Ausbildungspläne vor und legen die jeweiligen Ausbildungsschwerpunkte fest. Die studentische Grubenwehr ist als voll ausgebildete Grubenwehr gemäß 30 CFR § 49 bei der US-Bergbehörde (Mine Safety and Health Administration, MSHA) akkreditiert. Die Studenten nehmen viermal monatlich an formellen Ausbildungsprogrammen teil: Zwei Abende für die theoretische Ausbildung im Klassenraum und zwei Samstage für die praktische Ausbildung im Lehr- und Forschungsbergwerk der CSM, der Grube Edgar, einem ehemaligen Blei-/Zinkerzbergwerk.
Vorteile für die Studenten
Als Mitglieder in der studentischen Grubenwehr werden die Studenten nicht nur im Grubenrettungswesen und im Grubensicherheitswesen ausgebildet, sondern darüber hinaus im allgemeinen Notfallmanagement. Sie lernen dabei auch den fachgerechten Umgang mit Verkehrsunfällen, Bränden, medizinischen Notfällen inner- und außerhalb des Campus sowie dem technischen Rettungswesen mit Seilen. Die regelmäßigen Übungen setzen die Studenten bewusst unter Zeitdruck, der gute Führungsleistungen, Kommunikation, medizinische und technische Kenntnisse und Fertigkeiten verlangt. Darüber hinaus arbeiten die Teams häufig mit Organen der öffentlichen Sicherheit, wie Polizei, Feuerwehr, Notarzt, Rettungssanitätern und Hubschrauberbesatzungen, zusammen. Bild 2 zeigt die Studenten nach einer Ausbildungseinheit, in der sie geübt haben, einen Hubschrauberlandeplatz einzurichten, den Rettungshubschrauber einzuweisen und den Patienten sicher zu verladen.
Eines der wichtigsten Elemente der Ausbildung im Grubenrettungswesen ist das Erlernen eines starken Sicherheitsbewusstseins. Diese Sicherheitskultur beinhaltet sowohl theoretisches Wissen als auch die praktische Anwendung. Die Studenten lernen, schnell und effizient mögliche Unfallgefahren zu erkennen und zu analysieren, ohne sich selbst oder andere dabei in Gefahr zu bringen. Die Maxime, dass Arbeitssicherheit und körperliche Unversehrtheit den höchsten Stellenwert einnehmen, wird fortlaufend betont. Die Grubenwehrmitglieder lernen, ständig auf ihre Umgebung zu achten und werden angehalten, jederzeit Vorschläge zu machen, wie die Sicherheit verbessert werden könnte. Dies führt auch dazu, dass sie im Alltag Sicherheitsmängel auf dem Campus erkennen und den zuständigen Stellen melden, so dass diese Mängel abgestellt werden können. Die erfolgreiche und sichere Arbeit der studentischen Grubenwehr an der CSM ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass jede/r einzelne Student/in ein eigenes Sicherheitsbewußtsein entwickelt. Durch diesen Reifungsprozess ist es möglich, auch schwierige technische Rettungsaufgaben ohne Unfälle und Verletzungen zu bewältigen.
Das studentische Grubenrettungswesen bereitet die Mitglieder auch auf Führungsaufgaben vor. Führungspositionen als Truppführer, Oberführer, Ausbildungsleiter, Kassenwart und Vorstandsfunktionen stehen interessierten und qualifizierten Studenten offen. Alle Ausbildungsprogramme werden von Studenten unter Aufsicht des Ausbildungsleiters durchgeführt. Wenn die Trupps zu Wettkämpfen reisen, organisieren die Studenten sämtliche Reisevorbereitungen. Die Führungsaufgaben werden Schritt für Schritt über Stellvertreterpositionen und als „Führung von vorn“ erlernt. Die Leiter wachsen durch praktische Erfahrung in die Führungsfunktionen hinein. In einem Mentorprogramm werden jüngere Mitglieder von der älteren Generation in den Führungsaufgaben angeleitet. Professoren und technische Mitarbeiter des Instituts für Bergbaukunde der CSM unterstützen die Ausbildung der Grubenwehr und nehmen an allen praktischen Übungen teil. Sie arbeiten eng zusammen mit dem Vorstand der Grubenwehr und beraten die studentischen Vorstände in technischen und Führungsfragen.
Während der Grubenrettungsübungen stehen die Grubenwehrmannschaften unter hoher körperlicher und geistiger Belastung. Die Teilnehmer tragen das BG4-Beatmungsgerät über Zeiträume von bis zu zwei Stunden, während sie eine Rettungsaufgabe bewältigen. Die Trupps müssen eng und effizient zusammenarbeiten, um die Aufgabenstellung zu lösen. Laufend müssen Entscheidungen getroffen werden, um Unfallgefahren abzuwenden, die Bewetterung zu prüfen und ggf. wiederherzustellen, Unfallopfer zu finden, Erste Hilfe zu leisten und die Patienten danach zur Bereitschaftsstelle zu transportieren. Wenn die Studenten diese lebenswichtigen Entscheidungsprozesse unter Zeitdruck und physischer Belastung bewältigen müssen, lernen sie, kritisch abzuwägen und sicher zu entscheiden. Der Trupp steht unter Druck, Entscheidungen zu treffen, aber ähnlich wie in echten Rettungeinsätzen besteht oft Unsicherheit darüber, welche Entscheidung richtig ist. Übungsleiter stellen zudem oftmals kurzfristige und überraschende Zusatzaufgaben, um die Trupps weiter zu fordern.
Während und zum Ende jeder Übung erfolgen Gespräche, in denen der Verlauf der Übungsteile, die Richtigkeit und Konsequenzen aller Entscheidungen und der Erfolg der Übung mit den Teilnehmern in allen Einzelheiten diskutiert wird. Hierbei wird den Teilnehmern klar, wie die Rettungsarbeit verbessert und künftig Fehler vermieden werden können.
Die Grubenrettungsübungen sind so strukturiert, dass sowohl einzelne Truppmitglieder wie auch der Trupp als Team herausgefordert werden. Teamarbeit ist besonders gefordert, da der Ausbildungs- und Kenntnisstand der Mitglieder oft unterschiedlich ist. Schwierige Aufgaben erfordern methodische, enge Zusammenarbeit aller Beteiligten, wie z. B. das sichere und schmerzfreie Lagern eines Verletzten auf einer Trage (Bild 3).
Im zweiten und dritten Jahr der Mitgliedschaft in der Grubenwehr erfahren die Studenten eine merkliche Erweiterung ihres Erfahrungs- und Kenntnisstands im Umgang mit schwierigen Aufgabenstellungen und komplexen Situationen. Sie lernen darüber hinaus, wie ihre Teams funktionieren und zusammenarbeiten, und welche Mitglieder für welche Aufgaben besser geeignet sind.
Die Ausbildung der Grubenwehr in grundlegenden und weiterführenden Kenntnissen und Fertigkeiten der Ersten Hilfe ist ebenfalls wichtig. Die Studenten lernen, die Unfallopfer nach Schwere der Verletztung zu selektieren und Prioritäten zu setzen, die Patienten zu stabilisieren und dann für den Abtransport vorzubereiten. Die Studenten werden dazu angeleitet, Situationen mit mehreren Opfern systematisch anzugehen und die jeweils benötigte Hilfe im Rahmen ihrer Ausbildung und Zertifizierung zu leisten. Studenten der CSM haben bei verschiedenen Unfällen auf dem Campus und außerhalb Erste Hilfe geleistet, z. B. bei Kletter- und Verkehrsunfällen sowie bei verschiedenen anderen Verletzungsfällen. In einem Fall kamen zwei Grubenwehrmitglieder zu einem Verkehrsunfall mit mehreren Verletzten. Sie hatten eine Ersthelferausrüstung bei sich und konnten so unverzüglich Erste Hilfe leisten und gezielt Krankentransporte anfordern. Sie halfen bei einer Verletzten, die Atemwege offen zu halten, bis die Notfallmediziner eintrafen und retteten damit möglicherweise ihr Leben.
Die studentischen Grubenwehrmitglieder unterstützen auch regelmäßig örtliche und Campusveranstaltungen, indem sie Erste Hilfe-Stände aufbauen und mit Polizei, Feuerwehr und anderen Hilfsorganisationen zusammenarbeiten. Dabei bilden sie Netzwerke mit professionellen Organisationen und lernen wichtige Abläufe, Kommunikation und Zusammenarbeit kennen. Die CSM-Grubenwehren nehmen an zwei bis drei offiziellen regionalen und nationalen Grubenwehrwettkämpfen teil und treten dort gegen jeweils 10 bis 15 Berufsgrubenwehrtrupps an. Auch hier ergeben sich wichtige Gelegenheiten, professionelle Netzwerke zu bilden und auszuweiten.
Einfluß auf die berufliche Karriere
Personalchefs legen großen Wert darauf, dass die Bewerber neben guten Studienleistungen auch Erfahrungen außerhalb des Studiums aufweisen. Hier kann z. B. die Mitwirkung in der studentischen Grubenwehr hilfreich sein, insbesondere dann, wenn der Bewerber bereits Führungsaufgaben wahrgenommen hat.
Später, wenn ehemalige Grubenwehrstudenten selbst in leitender Funktion tätig sind, spielt die Grubenwehrerfahrung der Bewerber oft eine entscheidende Rolle. Unternehmen schätzen Erfahrungen und aktive Tätigkeit in den Bereichen Arbeitssicherheit und Unfallschutz hoch ein, da die Sicherheit der Mitarbeiter im Bergbau nicht genug betont werden kann. Ein/e Mitarbeiter/in,
der/die bereits einen kritischen Blick für Unfallgefahren und deren Beseitigung mitbringt, ist gegenüber anderen Bewerbern deutlich im Vorteil.
Bergingenieure/innen, die aus dem Studium heraus bereits bestimmte Qualitäten zur Führung eines Teams oder einer Organisation mitbringen, haben deutliche Vorteile im Berufsleben und das Potential für einen schnelleren Aufstieg. Junge Mitarbeiter, die Sicherheitsdenken und Teamwork mit Führungserfahrung, Entscheidungsfähigkeit, kritischem Denken und Kommunikationsfähigkeit vereinen, haben deutliche Vorteile im Berufsleben, weil sie effizienter mit Vorgesetzten und Mitarbeitern kooperieren können.
Schließlich haben auch die über das Grubenrettungswesen gebildeten professionellen Netzwerke einen hohen Wert – gute Leistungen bei den Wettkämpfen sprechen sich schnell herum und werden von der Fachwelt anerkannt. Absolventen mit Grubenwehrerfahrung setzen sich klar von ihren Kommiliton/innen ab und sind in der Industrie besonders begehrt.
Ergebnisse
Mitwirkung in einer studentischen Grubenwehr lehrt besondere Kenntnisse und Fertigkeiten, welche die Studenten im normalen Studium meist nicht erhalten. Die Grubenwehrausbildung beinhaltet Notfallmanagement und Teamarbeit und schult die Führungsqualitäten, die Fähigkeit zum kritischen Denken, die Entscheidungsfähigkeit sowie das Handeln unter psychischem und physischem Druck. Diese Fähigkeiten haben besonderen Wert für den beruflichen Aufstieg und sind bei Personalchefs geschätzt. Die Grubenwehrstudenten erwerben darüber hinaus auch weiterführende praktische Kenntnisse in Erster Hilfe, die universell anwendbar sind. Die Schärfung des Blicks für Unfallgefahren und Arbeitssicherheit ist nicht minder wichtig für das Berufsleben. Damit setzen sich die Grubenwehrstudenten deutlich ab von Mitbewerbern, die solche Erfahrungen nicht mitbringen.
Autoren: Levi Rawlings B. Sc. and Prof. Dr.-Ing. Jürgen Brune, Colorado School of Mines, Golden/USA, Prof. Dr.-Ing. Helmut Mischo, Technical University Bergakademie Freiberg, Freiberg/Germany