1 Einleitung
Denn trotz der Wirtschaftsleistung und der Sanierung und Rekultivierung von Bergbauhinterlassenschaften auf höchstem internationalem Niveau (1) besitzen Bergwerke und Rohstoffunternehmen in vielen Teilen der deutschen Politik und Bevölkerung und vor allem bei Naturschützern und Umweltgruppen ein schlechtes Image. Der deutsche Bergbau erfährt trotz weltführenden Umweltschutzmaßnahmen und -standards keine positive Wahrnehmung und Wertschätzung weder in der Politik noch in der Gesellschaft. Besonders in ideologisch und politisch motivierten Narrativen oder schlecht recherchierten Beiträgen wird immer wieder darauf verwiesen, dass der Abbau von mineralischen Rohstoffen mit dramatischen Folgen für die Umwelt verbunden ist. Dabei beschränken sich solche Artikel, Berichte, Medienbeiträge und Webseiten auf rein qualitative und allgemeine Aussagen und stellen somit nur Meinungen dar, wie z. B. die des Umweltbundesamts zur verantwortungsvollen Rohstoffversorgung Deutschlands (2): „Der aktive Bergbau in seinen vielfältigen Erscheinungsformen führt zu erheblichen Eingriffen in die Umwelt, insbesondere den Natur- und Wasserhaushalt“. Solch nicht belastbaren Aussagen werden ohne quantitative Analysen und robuste Methoden und ohne eine Darlegung von wissenschaftlichen Daten gemacht. Eine Dokumentation und Bewertung von quantitativen Daten entsprechen aber gerade in den Umweltwissenschaften guter wissenschaftlicher Praxis und international akzeptierten Normen.
Die oben angeführten Meinungen zum Bergbau stehen auch im krassen Gegensatz zu internationalen wissenschaftlichen Studien, die belegen, dass z. B. der Metallbergbau im globalen Kontext nur geringfügige Umweltbelastungen durch Flächenbedarf, Wasserentnahme und Treibhausgasemissionen verursacht (3). Daher ist es notwendig klarzustellen, in welchem Verhältnis und in welcher Größenordnung Umweltbelastungen durch den deutschen Bergbau tatsächlich vorliegen.
In diesem Artikel wird zum einen aufgezeigt, welche grundlegenden Faktoren die Umweltwirkungen von Bergwerken generell bestimmen. Ferner werden die Umweltwirkungen des aktiven deutschen Bergbaus anhand des DPSIR-Modells (Driving Forces, Pressures, States, Impacts, Responses) exemplarisch dargestellt (4, 5). Dabei bezieht sich dieser Beitrag auch auf öffentlich verfügbare Daten des Statistischen Bundesamts, die aufgrund der vorhandenen Datenlage auf Aspekte wie Flächenbedarf, Abfallproduktion, Wasserentnahme sowie Treibhausgas- und Feinstaubemissionen begrenzt sein müssen. Die Umweltbelastungen des aktiven deutschen Bergbaus werden mit anderen anthropogenen Belastungen exemplarisch verglichen, während die Umwelteinflüsse des Altbergbaus und geschlossener Betriebe hier nicht berücksichtigt werden. Somit leistet dieser Artikel einen Beitrag zum wissenschaftlichen Diskurs über die Belastungen, Eingriffe und Auswirkungen des aktiven deutschen Bergbaus auf die Umwelt.
2 Eingriffe und Auswirkungen des Bergbaus auf Landschaften und Natur
2.1 Bestimmende Parameter
Jeglicher Bergbau stellt einen Eingriff in die Umwelt dar, weil sich die Gewinnungsbetriebe in den natürlichen Sphären der Erde befinden und dabei in wechselseitiger Beziehung zu den natürlichen Sphären stehen, d. h. Lithosphäre, Hydrosphäre, Biosphäre, Pedosphäre, Atmosphäre. Bergwerke können z. B. Treibhausgase, Feinstaub, Schadstoffe und Lärm emittieren, Erschütterungen verursachen, Abfall produzieren, Einfluss auf die einzelnen Sphären nehmen, z. B. Entwaldung, Verlust von Biodiversität, Wasser-, Sediment-, Boden- und Luftverschmutzungen, Bergbrüche, Bergschäden, und somit die natürlichen Stoffströme der Erdsphären beeinflussen. Eine Gewinnung von primären Rohstoffen geht also unweigerlich mit Eingriffen in natürliche Erdsysteme einher. Der Bergbau kann eine Reihe von Wirkungen auf die Erdsphären verursachen, wobei jeder Bergbaustandort seine eigenen und einzigartigen Herausforderungen hat.
Mögliche Umweltgefährdungen und -belastungen an terrestrischen Bergbaustandorten sind vielseitig, unterschiedlich und standortspezifisch. Dabei sind die fundamentalen Parameter, welche die Auswirkungen des Bergbaus auf Landschaften und Natur bestimmen, seit langem bekannt (6). Mineralvorkommen sind Ansammlungen von mineralischen Rohstoffen in der Erdkruste und resultieren aus verschiedenen geologischen Prozessen. Während dieser Prozesse erhalten die Lagerstätten spezifische geologische Eigenschaften, einschließlich der Menge und Art der in den Lagerstätten angereicherten Elemente, der Art der gebildeten Mineralien und ihrer Korngröße sowie der mit der Lagerstätte verbundenen Gesteinsart. Solche grundlegenden geologischen Aspekte von Mineralvorkommen haben wichtige und vorhersagbare Auswirkungen auf die Umwelt. Die Geologie einer Lagerstätte kann beispielsweise die Chemie lokaler Grund- und Oberflächengewässer und die Eigenschaften von Stäuben, Böden und Sedimenten beeinflussen. Die Einflüsse und Wirkungen von Mineralvorkommen auf die Umwelt können auch natürlich auftreten. Alternativ können sie durch unsachgemäße Praktiken im Bergbau verschlimmert oder sogar verursacht werden.
Lokales Klima, Hydrologie und Topographie spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Art und dem Ausmaß von Umweltgefährdungen und -belastungen an einem Bergbaustandort (6). An einer steilen Lokation können z. B. Schadstoffe schneller und weiter transportiert werden als an einem nicht so steilen Bergwerksstandort. An einem humiden Ort können Schadstoffe auf einen wässrigen Transportweg weiträumig verteilt werden. In einer ariden Lage können Staubemissionen der Haupttransportweg von Schadstoffen sein.
Die Art und Größe der betrieblichen Rohstoffgewinnung und Aufbereitung und ihre Praktiken bestimmen auch die Art und Größe der Umwelteinflüsse eines Bergwerks. Somit kontrollieren die Geologie der Lagerstätte sowie lokales Klima, Hydrologie und Topographie zusammen mit den Praktiken des Bergbaus und der Mineralverarbeitung − u. a. Zerkleinerung − die Art und Größe von Umweltgefährdungen und -belastungen an Bergwerksstandorten. Letztendlich beeinflusst die Umsetzung von Umweltregularien durch den Gesetzgeber die Wirksamkeit aller Umweltschutzmaßnahmen vor Ort. Hier unterstützen Grundsätze der Vorsorge, der Beseitigung von Umweltbeeinträchtigungen an ihrem Ursprung und auf dem Verursacherprinzip die Wirksamkeit von Umweltregularien.
2.2 Umweltindikatoren
Umweltanalysen gehören zu den routinemäßigen Umweltmessaufgaben von aktiven Bergwerken (5). Solche Überwachungsaufgaben geben Aufschluss über den aktuellen Zustand der Umwelt an einzelnen Standorten. Im Allgemeinen sollen Umweltanalysen Änderungen der Qualität und des Zustands der Erdsphären auf verschiedenen geografischen und zeitlichen Skalen verfolgen. An Bergbaustandorten geben solche Daten Auskunft über Bedingungen und Prozesse, die während der Lebensdauer des Bergwerks von der Exploration bis zur Stilllegungsphase bestehen oder sich entwickeln können.
Ein Umweltindikator beruht auf einem Parameter oder einem aus Parametern abgeleiteten Wert, der den Zustand der Umwelt und ihre Auswirkungen auf Menschen, Ökosysteme und Materialien, die Belastungen der Umwelt, die treibenden Kräfte und die Reaktionen, die dieses System steuern, beschreibt (European Environment Agency, Glossary). Das DPSIR-Modell wird häufig verwendet, um menschliche Aktivitäten mit dem Zustand der Umwelt in Beziehung zu setzen (4, 5). Innerhalb einer DPSIR-Analyse werden den einzelnen Komponenten des betrachteten Umweltsystems Indikatoren zugeordnet, um Informationen über
(i) treibende Kräfte,
(ii) resultierende Umweltbelastungen,
(iii) den Zustand der Umwelt,
(iv) Auswirkungen, die sich aus Änderungen der Umweltqualität ergeben und
(v) Reaktionen auf diese Änderungen in der Umwelt
zu liefern (5).
Im Bergbau beschreiben Belastungsindikatoren (pressure indicators) beispielsweise den Flächenbedarf eines Bergwerks, die Menge an produziertem bergbaulichem Abfall, die Entnahme von Grund- und Oberflächenwasser oder die Emission von Feinstaub und Treibhausgasen. Dagegen stellen Zustandsindikatoren (state indicators) Informationen zur gegenwärtigen Belastung bereit, z. B. zur Wassergüte und der Immission von Lärm (Tabelle 1). Wirkungsindikatoren (impact indicators) kommunizieren dagegen den Eingriff in die Sphären mit ihren Folgen, wie z. B. den Verlust an Biodiversität. Reaktionsindikatoren (response indicators) beziehen sich auf Reaktionen und Versuche, Veränderungen des Umweltzustands zu verhindern, zu kompensieren, zu verbessern oder sich an sie anzupassen, z. B. durch Investitionen in den Umweltschutz.
2.3 Umweltbelastungen des deutschen Bergbaus
In diesem Beitrag wird auf Daten verwiesen, die als Indikatoren hauptsächlich Aussagen zu den Belastungen der Umwelt durch den aktiven deutschen Bergbau erlauben, d. h. Flächenbedarf, Abfallproduktion, Wasserentnahme, Treibhausgas- und Feinstaubemissionen. Dagegen liegen umfassende, nationale Daten zum Zustand und zur Wirkung des Bergbaus auf die Umwelt für bestimmte Umweltmedien und Auswirkungen nicht vor, z. B. Verlust der Biodiversität, Wassergüte. Somit liegt der Fokus dieses Beitrags aufgrund der Datenlage auf Belastungsindikatoren (pressure indicators), während keine quantitativen Aussagen zu Zustands- und Wirkungsindikatoren möglich sind (state und impact indicators). Dadurch sind die folgenden Indikatoren besonders für eine Abschätzung der Umweltbelastungen bei der aktiven Gewinnung von Bodenschätzen in Deutschland relevant.
2.3.1 Flächenbedarf
Der Flächenbedarf des deutschen Bergbaus (Bergbaubetrieb, Tagebau, Grube, Steinbruch) beträgt nur einen Bruchteil der Landfläche der Bundesrepublik Deutschland (2021: 1.407 km2, ca. 0,4 %) (7). Das ist ein winziger Bruchteil im Vergleich zu den riesigen Landstrichen, die land- und forstwirtschaftlich genutzt werden (180.590 km2, 50,5 %; bzw. 106.699, 29,8 %) (7), und im Vergleich zur Fläche von Windkraftanlagen, die von gegenwärtig 0,8 % auf 2 % der Fläche wachsen soll. Bergbauflächen sind dagegen Flächen der temporären Landnutzung, weil abgebaute und sanierte Flächen für industrielle, landwirtschaftliche oder andere Folgenutzungen wieder zur Verfügung stehen. Deshalb erhöht sich die vom Statistischen Bundesamt jährlich berechnete Abbaulandfläche in Deutschland auch nicht weiter. Sie ist sogar seit Jahrzehnten kontinuierlich rückläufig (1992: 1.878 km2; 2000: 1.796 km2; 2010: 1.623 km2; 2021: 1.407 km2) (7, 8). Seit 1992 hat die Landfläche des Bergbaus in Deutschland um 471 km2 bzw. 25 % abgenommen.
2.3.2 Emissionen
Die Gewinnung von mineralischen Rohstoffen und Kohle, besonders im Tagebau, ist mit Emissionen von Treibhausgasen, Grob- und Feinstaub sowie Lärm verbunden. Dabei sind die Treibhausgas- und Feinstaubemissionen in der Gewinnung von Steinen und Erden, Kohle und Erzen in den Jahren 2000 bis 2020 gesunken (Bilder 1, 2, 3). Die Treibhausgasemissionen des Bergbausektors sind nur ein geringer Bruchteil (2020: 4,5 Mio. t CO2-Äquivalent, ca. 0,5 %) im Vergleich zur Gesamtsumme der Emissionen aus allen deutschen Wirtschaftszweigen und Privathaushalten (824 Mio. t CO2-Äquivalent, gemäß Kyoto-Protokoll) (9).
Auch die Feinstaubemissionen des Bergbausektors repräsentieren nur Anteile (2020: ca. 9,3 % PM10, ca. 3,4 % PM2,5) verglichen mit den Feinstaubemissionen aller deutschen Wirtschaftszweige und Privathaushalte (180.138 t PM10 und 81.181 t PM 2,5 Emissionen insgesamt, gemäß Kyoto-Protokoll) (Bilder 2, 3). Dabei produzierte der Kohlebergbau in einem ganzen Jahr (2020) dieselbe Größenordnung an PM10-Feinstaub (2.978 t) (9) wie in einer Silvesternacht das Abbrennen von Feuerwerkskörpern freisetzt (2.050 t) (10). Nichtsdestotrotz sind Innovationen in der Staubunterdrückung an Bergwerksstandorten weiterhin notwendig. Hier haben sich in jüngster Zeit durch Forschung an der RWTH Aachen University (RWTH), Aachen, Nebenprodukte und Abfälle aus der Lebensmittelverarbeitung als potentiell umweltfreundliche Alternativen zu herkömmlichen Staubunterdrückungsmitteln bewiesen (11, 12).
Tagebaue unter Bergrecht fallen im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImschG) unter „nicht genehmigungsbedürftige Anlagen“, und die Regularien werden dann aber im bergrechtlichen Genehmigungsverfahren überprüft. Dabei haben Betreiber Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden und unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Die Lärmrichtwerte für Tagebaue unter Bergrecht betragen für Kern-, Dorf- und Mischgebiete um die Tagebaue in der Regel tagsüber 60 dB(A) .und nachts 45 dB(A) (13). Emissionsmessungen im Rheinischen Braunkohlenrevier haben z. B. ergeben, dass diese fast ausnahmslos und über Jahre hinweg unter den Richtwerten liegen (14). Dagegen gelten wesentlich niedrigere Umweltstandards für ein Staatsunternehmen wie die Deutsche Bahn, da hier ein 18.500 km DB-Streckennetz mit > 57 dB(A) besteht, d. h. 18.500 km DB-Streckennetz sind mindestens doppelt so laut wie die nächtlichen Richtwerte für Tagebaue. Diese gigantischen DB-Lärmemissionsstrecken sollen erst zum Jahr 2050 saniert werden (15).
2.3.3 Abfallproduktion
Abhängig von den Eigenschaften einer Lagerstätte und den Gewinnungs- und Aufbereitungspraktiken können größere Abfallmengen an Bergwerken aufkommen. Im deutschen Bergbausektor überwiegen die nicht-gefährlichen Abfälle (> 99 %), und die Abfallmengen des Bergbausektors sind ein geringer Anteil (2020: 28,6 Mio. t; ca. 6,9 %) im Vergleich zum deutschen Abfallaufkommen insgesamt (413 Mio. t) (16). Darüber hinaus sind in Deutschland die Mengen an gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen in der Gewinnung und Behandlung von Bodenschätzen in den Jahren 1996 bis 2020 kontinuierlich gesunken (Bild 4).
2.3.4 Grund- und Oberflächenwasser
Die Gewinnung von mineralischen Rohstoffen und Kohle im Tagebau verlangt vielerorts das Abpumpen von Grundwasser. Hier findet ein großer Mengeneingriff des deutschen Bergbausektors in die Erdsphären statt, mit über 1.288 Mio. m3 Eigengewinnung von Wasser im Jahr 2019 (17). Die Entnahme von Wasser durch den Bergbausektor ist aber nur ein Anteil (ca. 6,2 %) der Gesamtsumme einer Entnahme durch die öffentliche und nicht öffentliche Wasserversorgung und Abwasserentsorgung (insgesamt Eigengewinnung von Wasser ca. 20.716 Mio. m3) (17). Der überwiegende Anteil des entnommenen Wassers wird wieder über Versickerungen und Direktleitungen in Vorfluter und Aquifere eingeleitet (ca. 1.079 Mio. m3) (17). Das bedeutendste Abpumpen und Wiedereinleiten von Grundwasser erfolgt dabei im Braunkohlentagebau (ca. 1.000 Mio. m3). Somit ist die verbleibende Wasserentnahme des übrigen Bergbaus nur ein Bruchteil der gesamten Wasserentnahme in Deutschland (ca. 209 Mio. m3, 1 %).
Deutschland war bis vor kurzem von bergbauverursachten, plötzlich eingetretenen Umweltkatastrophen verschont. Aber im August 2022 war die Oder auf circa 500 km Länge von einem schweren Umweltschaden betroffen, bei dem in einem bisher nicht bekannten Ausmaß Fische, Muscheln, Krebse und Schnecken verendeten (18). Die grundlegenden Ursachen für die toxische Blüte von Algen könnte in niedrigen Pegeln, geringen Sauerstoffwerten, hohen Wassertemperaturen und der schnellen Einleitung von großen Mengen salzigen Grubenwassers aus Bergwerks-
betrieben in Polen liegen (18). Um solche Unglücke in Zukunft zu verhindern, braucht es mobile und stationäre Messeinrichtungen, Online-Verfügbarkeit der Überwachungsdaten und behördliche Meldeketten, wie sie schon für andere Bergbauregionen der Welt existieren, z. B. Hunter River Salinity Trading Scheme, Australien. Auch hier sind Innovationen in der Bestimmung von Grubenwasserqualitäten weiterhin notwendig. Dabei haben sich in jüngster Zeit durch Forschung an der RWTH tragbare Geräte als potentielle Low cost-Methoden verglichen zu herkömmlichen Labormethoden bewiesen (19, 20).
2.3.5 Biodiversität
Der Rückgang der terrestrischen Biodiversität wird hauptsächlich auf Landnutzungsänderungen zurückgeführt. Die Tatsache, dass in Deutschland die Landwirtschaft eine treibende Kraft für den Verlust an biologischer Vielfalt darstellt, ist seit langem bekannt (21). Auch Bergwerke haben einen, wenn auch geringen Flächenbedarf, sind mit der Biosphäre verbunden und können somit Auswirkungen auf die Biodiversität haben. In diesem Zusammenhang ist jedoch festgestellt worden, dass der Bergbau weltweit zu weniger als 1 % des gesamten landnutzungsbedingten Biodiversitätsverlusts beiträgt (22).
Aktive und stillgelegte Bergwerksstandorte haben einen hohen ökologischen Wert und bieten Chancen als „Wanderbiotope“ (23). Die Hälfte aller bayerischen Uhus brütet z. B. in Steinbrüchen (24). Bei der Rekultivierung können ehemalige Bergbaustandorte aufgrund ihrer vielseitigen Geländetypen zur Entwicklung von Biodiversität beitragen, denn Standortvielfalt begünstigt Artenvielfalt und die reichhaltige Struktur erlaubt die Entwicklung von unterschiedlichsten kleinräumigen Lebensbedingungen. Darüber hinaus bieten deutsche Bergbaufolgelandschaften ein großes Potential als Wildnisgebiete, die oft aus verschiedenen und sich zu verschieden entwickelnden Ökosystemen bestehen und als große, (weitgehend) unzerschnittene, nutzungsfreie Gebiete eine (Wieder-)Entwicklung der Biodiversität erlauben (25).
Trotz dieser oben angeführten Tatsachen wird in Darstellungen der verschiedenen Gefährdungen der biologischen Vielfalt in Deutschland immer wieder und ausführlich auf den Bergbau verwiesen (26), aber andere und größere Ursachen des Verlusts der Biodiversität werden vom Umweltbundesamt nicht der Öffentlichkeit aufgezeigt. Der global größte menschenbedingte Verlust an Vögeln und Säugetieren ist z. B. durch die Hauskatze Felis catus verursacht, von eigenen Haustieren bis hin zu verwilderten Hauskatzen (27). In Deutschland sind die ca. 15 Mio. Hauskatzen und 2 Mio. verwilderte Katzen verantwortlich für den Verlust von ca. 1 Mio. Vögeln, Säugetiere und Reptilien pro Tag (28). Zurzeit verfolgen aber nur 9 % aller deutschen Städte und Kommunen das Paderborner Modell (Registrierung und Kastration von Hauskatzen). Letztendlich erfüllen viele Regierungen und auch die deutschen nicht ihre internationalen Verpflichtungen, die Auswirkungen von freilaufenden und verwilderten Hauskatzen auf die Biodiversität zu verhindern, zu verringern oder zu beseitigen (27).
3 Ökologische Ausrichtung der heimischen Rohstoffgewinnung
Die bestehende deutsche Rohstoffstrategie, das Eckpunktepapier zur Rohstoffversorgung und der Koalitionsvertrag der Bundesregierung betonen wiederholt, dass der heimische Rohstoffabbau in Deutschland ökologisch ausgerichtet sein soll (29, 30, 31).
(Un)bewusst wurde in diesen strategischen Dokumenten der Bundespolitik der Begriff „ökologisch“ nicht definiert. Es wird hier angenommen, dass mit einer ökologischen Ausrichtung des heimischen Bergbaus eine ökologische Industriepolitik gemäß der Definition des Umweltbundesamts gemeint ist, d. h. eine strategische Ausrichtung des industriepolitischen Instrumentariums auf die zentralen Herausforderungen Klimaschutz, globale Umweltzerstörung, Ressourcenknappheit.
Der deutsche Bergbausektor hat phänomenale Fortschritte in seiner Fähigkeit gemacht, Bergbauumgebungen zu beobachten, zu messen und zu beschreiben. Dabei sind auch Best-Practice-Umweltschutzprotokolle, Standards und Sanierungstechnologien für die Abfallwirtschaft, Abwasserwirtschaft, Lärm- und Erschütterungsschutz, Luftreinhaltung, Arten- und Landschaftsschutz, Schutz und Sanierung von Boden, Grund- und Oberflächenwasser, Vermeidung und Verminderung von Treibhausgasen, Nutzung erneuerbarer Energien, Energieeffizienz und Energieeinsparung entwickelt worden. Deutschland ist hier global führend und deutsche Bergbauunternehmen haben im Jahr 2020 vergleichsweise mehr in den Umweltschutz investiert (805 Mio. €) als viele andere verarbeitende Gewerbe, wie z. B. die Textil-, Bekleidungs- und Möbelindustrie (32), die eine höhere Bruttowertschöpfung ausweisen. Die Investition in den Umweltschutz durch den Bergbau ist aber nur ein Bruchteil (ca. 0,9 %) der Gesamtsumme der Investitionen des produzierenden Gewerbes ohne Baugewerbe (insgesamt 89.734 Mio. €) (32). Die vergleichsweise niedrigen Investitionen in den Umweltschutz könnten auch in den Tatsachen begründet sein, dass wie dargelegt nur geringe Umweltbelastungen durch den aktiven Bergbau verursacht werden und > 99 % der bergbaulichen Abfälle als nicht gefährlich einzustufen sind (16).
Aus wissenschaftlicher Sicht sollten politische Strategien zur Ausrichtung des heimischen Bergbaus zum einen die verhältnismäßig geringen Belastungen der Umwelt durch den aktiven heimischen Bergbau, veranschaulicht durch die oben genannten Belastungsindikatoren, und zum anderen den Fortschritt im Klima- und Umweltschutz sowie Ressourceneffizienz berücksichtigen. Hier hat der deutsche Bergbau Einzel-Exzellenz-Beispiele von internationaler Akzeptanz vorzuweisen. Der Europäische Gesteinsverband hat z. B. wiederholt deutsche Unternehmen mit Nachhaltigkeitspreisen und das Bundesamt für Naturschutz im Rahmen der UN-Dekade Biologische Vielfalt die Rekultivierung der RWE im Braunkohlentagebau für seine Biodiversität ausgezeichnet. Bei der Formulierung der deutschen Rohstoffpolitik wird auch nicht berücksichtigt, dass sich der heimische Bergbau beim Klimaschutz engagiert, zum einen durch die Reduzierung des Energieverbrauchs mithilfe kontinuierlicher Fördertechnik oder indem er sich durch das Errichten von erneuerbaren Energiesystemen auf seinen Flächen als Energieerzeuger bereits bewiesen hat.
4 Fazit
Bergwerke sind mit Eingriffen in die natürlichen Sphären verbunden, und einzelne Bergwerke können erhebliche Eingriffe in die Natur bewirken. Aber Umweltindikatoren basierend auf einem DPSIR-Modell und abgeleitet von Daten des Statistischen Bundesamts zeigen, dass der aktive Bergbau in Deutschland zurzeit insgesamt
- nur kleinere Prozentanteile der gesamten Umweltbelastungen durch Flächenbedarf, Abfallproduktion, Wasserentnahme sowie Treibhausgas- und Feinstaub-Emissionen bewirkt und
- geringere Umweltbelastungen als viele andere öffentliche und nichtöffentliche Aktivitäten verursacht.
Der Bergbau weltweit trägt zu weniger als 1 % des gesamten landnutzungsbedingten Biodiversitätsverlusts bei, und bei den Gefährdungen der Biodiversität bieten Bergwerke und deren Nachbergbau Chancen für biologische Vielfalt, Biotope und Lebensräume für zahlreiche bedrohte und seltene Tiere und Pflanzen. Darüber hinaus hat der deutsche Bergbausektor seit langem durch Einzel-Exzellenz-Beispiele und internationale Anerkennung bewiesen, dass sich Umweltschutz, Naturschutz, Artenschutz, erneuerbare Energien und Ressourceneffizienz mit Rohstoffgewinnung verknüpfen lassen. In Zukunft gilt es für die deutsche Bergbauindustrie weiterhin globales Vorbild für Natur- und Umweltschutz im Rohstoffsektor sowie Sanierungsbergbau zu bleiben und von Einzel-Exzellenz-Beispielen zur Normalität zu kommen.
Die Bundespolitik verfolgt zurzeit eine ökologische Ausrichtung der heimischen Rohstoffgewinnung, obwohl sehr hohe Umweltstandards für deutsche Bergwerksbetriebe bereits bestehen. Die Bundespolitik und besonders das Umweltbundesamt sollten
- den internationalen Verpflichtungen Deutschlands im Artenschutz nachkommen,
- vorbildliche Umweltstandards für die eigenen Staatsunternehmen gestalten und diese als Pioniere und Wegbereiter beispielhaft anwenden und
- Strategien, Eckpunktepapiere, Schriften und Webseiten zu den Umweltbelastungen des aktiven deutschen Bergbaus erarbeiten und der Öffentlichkeit präsentieren, die den wissenschaftlichen Fakten entsprechen.
Danksagung
Aspekte dieses Beitrages wurden auf dem 15. Deutschen Naturschutzrechtstag 2023 präsentiert.
References / Quellenverzeichnis
References / Quellenverzeichnis
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