Schwankende Rohstoffpreise, hohe Vorab-Investitionen, lange Entwicklungszeiten und eine hohe Variabilität aufgrund der Einzigartigkeit jeder Lagerstätte und der Unvollkommenheit und Unsicherheit von Informationen sind seit jeher Herausforderungen des Bergbaus. Hinzu kommt heute, dass neu zu erschließende Lagerstätten zunehmend schwierigere Geologien aufweisen, in größeren Teufen oder in klimatisch und/oder geographisch schwer zugänglichen und entlegenen Gebieten liegen. In Hinblick auf die sozioökonomischen Rahmenbedingungen sieht sich der Bergbau heute mit erhöhten Anforderungen an eine „Social License to operate“ einschließlich steigender Stakeholder-Erwartungen, verschärfter gesetzlicher Rahmenbedingungen und Umweltauflagen, einer oftmals bergbaukritischen Bevölkerung einschließlich der unmittelbaren Verbreitung von Negativinformationen über soziale Medien mit direkten Auswirkungen auf den Aktienkurs konfrontiert. Die technologische Transformation im Bergbau bringt sich wandelnde Anforderungen an die Mitarbeiter und einen erhöhten Qualifizierungsbedarf mit sich.
Die Aufgabe scheint immens, in diesem Kontext tiefgreifender Veränderungen, die auf den Bergbau einwirken, einen klaren Kurs für die Zukunft zu definieren. Die Zukunft selbst ist von Unsicherheit geprägt, nicht nur im Hinblick auf den Rohstoffbedarf, sondern auch im Hinblick auf die Frage, welche Formen der Disruption des Bergbaus von außerhalb der Branche zu erwarten sind1.
1 For a deeper discussion on what the future may hold, please also view the subsequent interview with George Hemingway in this issue (see page 366 to 373)
Es verwundert daher nicht, dass die internationale Diskussion sowie die Mehrzahl der Publikationen der großen Beratungshäuser sich vor allem auf das Potential einer zunehmenden Digitalisierung von Bergbaumaschinen und -prozessen einerseits sowie die Notwendigkeit von Kosteneinsparungen und langfristig angelegten Produktivitätssteigerungen andererseits fokussieren. Beides bietet Orientierung und greifbare Lösungsansätze. Beides lässt jedoch grundlegende Parameter dessen, wie Bergbau betrieben wird, unangetastet. In diesem Artikel möchten wir deshalb argumentieren, dass sowohl die Diskussion um die Digitalisierung als vermeintliches Allheilmittel als auch das Plädoyer für Produktivitätssteigerungen und Kosteneinsparungen aus unserer Sicht zu kurz greifen. Deshalb möchten wir unter dem Begriff High Performance Mining ein Konzept in die Diskussion einbringen, welches unserer Ansicht nach die internationale Diskussion sinnvoll ergänzen kann. Der hier neu eingeführte Begriff von High Performance Mining bietet ein passendes Konzept, um die Herausforderungen der internationalen Bergbauindustrie in ihrer Komplexität greifbar und verständlich zu machen und zugleich Orientierung zu geben, wie Bergbauunternehmen auch zukünftig ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern können.
Dass kurz- bis mittelfristige Kosteneinsparungsprogramme nach der Hochpreisphase und extrem hohen Kapitalausgaben zur Output-Maximierung zwar eine gewisse Zeit Erfolg hatten, jedoch an ihre Grenzen stoßen, ist inzwischen weitgehend Konsens. Ebenfalls unstrittig scheint, dass eine nachhaltige Steigerung der Produktivität multidimensional angegangen werden muss. Eine digitale Transformation kann nur in eine Gesamtstrategie des Unternehmens eingebettet sein, mit entsprechender Unterstützung des Top-Managements und mit einer gewissen Agilität, um auf niedrigem Niveau neue Technologien testen zu können. Bestehende Prozesse unhinterfragt zu digitalisieren und Digitalisierungsbeauftragte zu benennen, die komplexe Roadmaps erstellen, ohne direkt im Bergbaubetrieb mit den Mitarbeitern zusammenzuarbeiten, ist dazu zwar verbreitet, die Digitalisierung muss aber zunächst als Werkzeug, nicht als Lösung verständlich gemacht werden.
Was jedoch unserer Ansicht nach in der aktuellen Diskussion nicht ausreichend in den Blick genommen wird, ist das komplexe Zusammenspiel der drei gleichsam wichtigen Dimensionen Mensch, Technik und Umwelt als Kontext des modernen Bergbaus im Zusammenhang mit der Frage, wie Unternehmen der Bergbaubranche zukünftig ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern bzw. was zukünftig die wirklich entscheidenden Wettbewerbsvorteile sein werden. Bei High Performance Mining geht es also um die Frage, wie Bergbauunternehmen sich bestmöglich für die Zukunft aufstellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und eine nachhaltige Wertschöpfung sicherzustellen.
Einen wichtigen Anhaltspunkt für eine Definition von High Performance Mining bietet die empirisch validierte und führende Definition von High Performance Organisation (HPO), welche von André de Waals in den Niederlanden entwickelt wurde. Nach de Waals ist eine High Performance Organisation „ein Unternehmen, das über einen Zeitraum von fünf Jahren oder mehr finanzielle und nichtfinanzielle Ergebnisse erzielt, die deutlich besser sind als die seiner Vergleichsgruppe, indem es sich diszipliniert auf das konzentriert, was für das Unternehmen wirklich wichtig ist“ (1). De Waals hat fünf Faktoren identifiziert, die messbar zur Transformation von Unternehmen hin zu High Performance Organisationen beitragen:
- Kontinuierliche Verbesserung und Erneuerung,
- Offenheit und Handlungsorientierung,
- Managementqualität,
- Mitarbeiterqualität und
- langfristige Orientierung.
Inwiefern kann diese Definition von de Waals mit den fünf Faktoren die Diskussion im internationalen Bergbau bereichern und erweitern? Eine ausführliche Diskussion dieser Frage würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, wir möchten jedoch stichpunktartig einige Punkte benennen und zur weiteren Diskussion anregen.
Langfristige Orientierung oder: Der Imperativ der Social License to Operate
Eine langfristige Orientierung, bei der Nachhaltigkeit über den kurzfristigen Gewinn gestellt wird, ist praktisch die Definition dafür, was eine Social License to Operate beinhaltet und was Stakeholder erwarten. Die finanziellen und sozialen Risiken und Kosten für Unternehmen, die diese Dimension unterbewerten, sind heute weitgehend unbestritten. Zudem beinhaltet langfristige Orientierung nach de Waals, dass ein Unternehmen Wert auf den Aufbau langfristiger guter Beziehungen mit allen Stakeholdergruppen legt, einschließlich der Gesellschaft als Ganzes und aktiv zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen beiträgt. Auch dies ist ein zentraler Bestandteil der nachhaltigen Sicherung einer Social License to Operate. Damit wird deutlich, dass das Konzept von Social License nicht allein durch die lokalen Gemeinschaften eingefordert wird, sondern auch ein inhärenter Bestandteil der Unternehmenskultur und des Selbstverständnisses eines Bergbauunternehmens sein sollte, um sich als High Performer zu differenzieren.
The Human Factor – Qualität von Management und Mitarbeitern
Zweitens hebt de Waals die Bedeutung sowohl der Management- als auch der Mitarbeiterqualität hervor. Dies unterstreicht, wie wichtig die Dimension „Mensch“ für überdurchschnittliche Performance ist. Dies reicht von der exzellenten Ausbildung zukünftiger Fach- und Führungskräfte, der Rekrutierung einer qualifizierten Belegschaft über notwendige Weiterbildung und langfristige Mitarbeiterbindung, die Förderung von Eigenverantwortung, bis hin zur Kommunikation im Unternehmen und der Unternehmenskultur. Neben der Qualität und der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter kommt auch dem Management eine entscheidende Rolle zu, wie diese Dimension im Unternehmen gelebt wird. Dabei ist ein gutes Team wichtiger als eine gut ausgearbeitete Unternehmensstrategie, denn „ein Team von guten Leuten kann alles erreichen, während ein Unternehmen mit einer eindeutigen und gut definierten Strategie, aber ohne die richtigen Leute, die sie umsetzen, zwangsläufig ins Leere laufen wird”. Die sinkende Produktivität im Bergbau seit der Jahrtausendwende war auch eine Folge wachsender Komplexität und damit einhergehender Verantwortungsbereiche von Mitarbeitern ohne eine entsprechende Qualifizierung. Inzwischen wird der Faktor „Mensch“ stärker berücksichtigt, jedoch, wie wir finden, noch nicht ausreichend in die Gesamtbetrachtung von langfristiger Wettbewerbsfähigkeit einbezogen.
Technologie ist wichtig, produziert allein aber keine High Performer
Drittens bestätigt de Waals durch seine empirische Forschung, dass Technologie allein keine Garantie für eine Verbesserung der Performance darstellt. Tatsächlich ist die Verfügbarkeit von Technologie heute weitgehend gegeben, die Herausforderung besteht vielmehr in der intelligenten und zielführenden Auswahl und Anwendung der Technologie (Bild 1). Digitalisierung ist ein Unterfangen, welches alle Geschäftsbereiche betrifft und eingebettet sein muss in eine Gesamtvision, die auch die Frage beantwortet, wo und wie durch Technologie zukünftig die größte Wertschöpfung generiert werden kann. Natürlich bietet die Digitalisierung gleichzeitig enormes Potential für Produktivitätssteigerungen durch die Reduktion von Variabilität und lässt neue Geschäftsmodelle in der Rohstoffgewinnung denkbar werden. McKinsey beziffert die wirtschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung im Bergbau auf 370 Mio. US-$/a ab 2025 (2).
Innovation – Vor allem Frage der Unternehmenskultur
Kontinuierliche Verbesserung und Erneuerung sowie Offenheit und Handlungsorientierung sind entscheidend dafür, wie Innnovation im Unternehmen gefördert und umgesetzt wird. In der allgemein als „slow to innovate“ bezeichneten Bergbaubranche scheint ein Wandel in der Unternehmenskultur und insbesondere die Auflösung von „Silos“, d. h. Abteilungen, die weitgehend isoliert agieren, entscheidend für die Umsetzung erfolgreicher Innovationen. Gleichzeitig fällt es einer Branche, die ohnehin mit hohen Risiken und einem hohen Grad an Volatilität und Variabilität ausgesetzt ist, verständlicherweise schwerer als anderen Industrien, neue Technologien zu testen und bestehende Paradigmen zu hinterfragen. Zum anderen scheint es bedeutsam für die Bergbauindustrie, Kollaborationen sowohl zwischen Abteilungen als auch mit Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Technologieanbietern und ggf. anderen Bergbauunternehmen zu fördern (Bild 2).
Dies impliziert zumeist einen Wandel in der Unternehmenskultur und des Selbstverständnisses einer Industrie, die bis vor nicht allzu langer Zeit wenig Anreize oder Notwendigkeit hatte, sich zu öffnen – ob in Bezug auf Innovationen oder Kollaborationen. In dieser Hinsicht haben sich die Anforderungen an die Industrie in relativ kurzer Zeit stark gewandelt und erfordern umfassende Anpassungen.
What the Future Holds
Neben den oben skizzierten und im Kontext des internationalen Bergbaus diskutierten Merkmalen von High Performance Organisationen möchten wir die Diskussion um noch eine weitere Dimension erweitern: Die Zukunftsorientierung und den Umgang mit Unsicherheit und potentieller Disruption durch andere Industrien – beispielsweise kündigte Apple an, nur noch recyceltes Material verwenden zu wollen. Wichtig ist hier festzuhalten, dass Bergbauunternehmen, um zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben, auch Trends außerhalb der Rohstoffindustrie ernst nehmen sollten und sich auch nicht scheuen, kritisch zu hinterfragen, ob der Bergbau in Zeiten von 3-D Druck und Micro-Robotern tatsächlich langfristig unverändert bleiben wird, was das Geschäftsmodell des „Rohstofflieferanten“ betrifft. Lesen Sie dazu mehr im Interview mit George Hemingway, einem der führenden Zukunftsdenker der Bergbaubranche (s. Seite 366 bis 373).
Zusammenfassung
Im Kern geht es bei High Performance Mining also um die Diskussion, wo die größten Potentiale für zukünftige Wertschöpfung – und nicht nur Einsparungen – liegen und zwar in allen drei Dimensionen: Mensch, Technik und Umwelt (Bild 3) – und wie sich Bergbauunternehmen heute so aufstellen, dass sie auch zukünftig wettbewerbsfähig bleiben. Als vorläufige Schlussfolgerungen lässt sich festhalten:
- High Performance Mining beinhaltet die Verbesserung der Produktivität und Effizienz von Bergbauunternehmungen und auch die Entwicklung und Integration von Technologien als wichtige Bestandteile der Sicherung zukünftiger Wertschöpfung, geht jedoch über die technische Dimension hinaus.
- High Performance Mining beinhaltet eine umfassende Betrachtung der Dimensionen Mensch, Technik und Umwelt und betont insbesondere die Bedeutung von Langfristorientierung bzw. Social License to Operate als ausschlaggebend für die Wettbewerbsfähigkeit und überdurchschnittliche Performance von Bergbauunternehmen in der Zukunft.
- High Performance Mining beinhaltet zudem auch die Diskussion darüber, wie sich die Wertschöpfung im Bergbau zukünftig verlagern wird, auch jenseits von Digitalisierung, und darum, was die entscheidenden Wettbewerbsvorteile sein werden, insbesondere dann, wenn die Einführung neuer Technologien eine geringere Differenzierung im methodisch-technischen Bereich zwischen Bergbauunternehmen herstellt.
- High Performance Mining richtet den Blick weiter in die Zukunft und bietet Raum für die Diskussion, wie sich Bergbauunternehmen bestmöglich auf die Zukunft vorbereiten und agil bleiben können, um auch Disruptionen von außerhalb der Industrie nicht völlig unvorbereitet zu begegnen und nutzen zu können.
Ausblick: Eine Plattform zur Diskussion von High Performance Mining
Im Dezember 2018 veranstaltete das Institute for Advanced Mining Technologies (AMT) der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen die erste „International Conference on High Performance Mining“ und präsentierte damit zum einen ein neues Konferenzformat, bei dem Bergbauunternehmen gemeinsam mit Technologiezulieferern reale Best-Practice Beispiele für messbare Produktivitätssteigerungen in internationalen Bergwerken aufzeigten und zugleich auch die drei Dimensionen Mensch, Technik und Umwelt im Kontext eines zukunftsweisenden modernen Hochleistungsbergbaus in verschiedenen Vorträgen diskutierten. Die nächste Veranstaltung findet am 17./18. November 2020 an der RWTH Aachen statt und bietet Gästen aus Industrie, Forschung und Politik eine internationale Plattform, um über die Bedingungen für den Bergbau der Zukunft zu diskutieren und um aus der Praxis zu berichten, wie High Performance Mining bereits umgesetzt wird.
Quellenverzeichnis
Quellenverzeichnis
(1) de Waal, A. (2018): „Success factors of high performance organization transformations“, Measuring Business Excellence, https://doi.org/10.1108/MBE-08-2018-0055