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Ein großer Schritt für VISION ZERO

Zur erfolgreichen Umsetzung der VISION ZERO gehört der Austausch über Ländergrenzen hinweg. Darum fand vom 7. bis 9. September 2016 in Bochum die erste VISION ZERO Europe Conference (VIZE) statt. Eine Premiere – und gleich so erfolgreich, dass sie den Grundstein für eine künftige VIZE-Reihe gebildet hat. Der Erstabdruck des vorliegenden Beitrags erfolgte in Steine+Erden, Ausgabe 5/16.

Autor: Stefan Möller, Redaktion STEINE+ERDEN, Langenhagen

Fig. 1.  Steeped in tradition: the conference opened at the German Mining Museum. // Bild 1.  Traditionsreicher Ort: das Deutsche Bergbaumuseum. Hier wurde die Konferenz eröffnet. Photo/Foto: BG RCI

Fig. 1. Steeped in tradition: the conference opened at the German Mining Museum. // Bild 1. Traditionsreicher Ort: das Deutsche Bergbaumuseum. Hier wurde die Konferenz eröffnet. Photo/Foto: BG RCI

Im neuen Veranstaltungsformat VISION ZERO Europe Conference (VIZE) ging es vom 7. bis 9. September 2016 um besseren Arbeitsschutz in den Branchen Bergbau, Steinbruch, Zuschlagsstoffe und Zement. Auch das neue Konzept der IVSS wurde vorgestellt. Und wenn es um Bergbau geht – kann es einen besseren Veranstaltungsort geben als Bochum? Die Kohlenpott-Metropole war schließlich im 20. Jahrhundert lange die Stadt mit den meisten Zechen in Europa, mehr als 70 Schachtanlagen gab es vor 100 Jahren. Und auch wenn im Jahr 1973 mit der Zeche Hannover die letzte ihren Betrieb einstellte: Bochum bleibt mit dem Bergbau verbunden. Die Konferenz wurde daher im Deutschen Bergbaumuseum (Bild 1) eröffnet, mit mehreren Hunderttausend Besuchern jährlich eines der größten Museen des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW). Auch der Konferenzort selbst blickt auf eine lange Tradition zurück: Die Technische Hochschule Georg Agricola (THGA) wurde vor genau 200 Jahren als Bergbauschule gegründet (Bild 2). Bis zum Jahr 1993 wurden hier Steiger ausgebildet, heute studieren mehr als 2.000 Studenten u. a. in den Disziplinen Geoingenieurwesen, Bergbau und Technische Betriebswirtschaft.

Fig. 2.  The VISION ZERO Europe conference was held at the venerable THGA. // Bild 2.  Die VISION ZERO Europe fand an der altehrwürdigen THGA statt. Photo/Foto: BG RCI

Fig. 2. The VISION ZERO Europe conference was held at the venerable THGA. // Bild 2. Die VISION ZERO Europe fand an der altehrwürdigen THGA statt. Photo/Foto: BG RCI

Fig. 3.  Prof. Dr Jürgen Kretschmann, President of THGA, welcomes the conference delegates. // Bild 3.  Prof. Dr. Jürgen Kretschmann, Präsident der THGA, begrüßt die Teilnehmer. Photo/Foto: BG RCI

Fig. 3. Prof. Dr Jürgen Kretschmann, President of THGA, welcomes the conference delegates. // Bild 3. Prof. Dr. Jürgen Kretschmann, Präsident der THGA, begrüßt die Teilnehmer. Photo/Foto: BG RCI

Zur Eröffnung verwies der Präsident der Hochschule, Prof. Dr. Jürgen Kretschmann, auch auf die Bergbautradition von Stadt und Hochschule (Bild 3). Viele Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, in den Pausen die Jubiläumsausstellung mit vielen Objekten aus 200 Jahren Bergbau- und Lehrgeschichte zu besichtigen. Auch im Bereich Prävention leistet die THGA ihren Beitrag. Als erste deutsche Hochschule bietet sie seit zehn Jahren den Studiengang Betriebssicherheitsmanagement an, in dem Studenten berufsbegleitend fundierte Kenntnisse des integrierten Personal- und Sicherheitsmanagements erlangen.

Neben der THGA kooperierten für die VIZE – auch auf finanzieller Ebene – die Internationale Sektion für Prävention im Bergbau der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (ISSA Mining), die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), das italienische Istituto Nazionale per l’Assicurazione contro gli infortuni sui Lavoro (Italienische Staatliche Versicherung für Arbeitsunfälle – INAIL) sowie der polnische Zakład Ubezpieczeń Społecznych (Sozialversicherungsanstalt – ZUS). Gedankt sei an dieser Stelle auch weiteren großzügigen VIZE-Sponsoren wie der RAG Aktiengesellschaft und der Messe Düsseldorf, wo im nächsten Jahr die Arbeitsschutzmesse A+A stattfinden wird.

Fig. 4.  Ulrich Meesmann expressed satisfaction that the conference had attracted such huge international interest. // Bild 4.  Ulrich Meesmann zeigte sich erfreut, dass die Konferenz auf großes internationales Interesse stieß. Photo/Foto: BG RCI

Fig. 4. Ulrich Meesmann expressed satisfaction that the conference had attracted such huge international interest. // Bild 4. Ulrich Meesmann zeigte sich erfreut, dass die Konferenz auf großes internationales Interesse stieß. Photo/Foto: BG RCI

Auch wenn die Konferenz „Europa“ im Namen trug – die Teilnehmer kamen aus der ganzen Welt: Den Veranstaltern war es ein besonderes Anliegen, dass auch Präventionsexperten aus Entwicklungs- und Schwellenländern nach Bochum reisten. Aus diesem Grund entschied man sich, für die Veranstaltung keine Teilnahmegebühr zu erheben. „Dank finanzieller Unterstützung konnten beispielsweise Experten aus der Mongolei und dem Iran die Konferenz besuchen. Auch sind große Delegationen aus China und Chile angereist. Die Vielfalt ist uns sehr wichtig“, so Helmut Ehnes, Generalsekretär der ISSA Mining. Auch aus Australien, Südkorea, Singapur und Guatemala nahmen Experten teil, um Arbeitsschutzkonzepte aus ihren Heimatländern vorzustellen. Die Experten aus Europa kamen u. a. aus der Tschechischen Republik, aus Luxemburg und Russland.

Dass die Konferenz auf internationales Interesse stoßen würde, hatte sich bereits im Vorfeld abgezeichnet: Ulrich Meesmann, Präsident der IVSS Sektion Bergbau und Mitglied der Geschäftsführung der BG RCI, verriet zur Begrüßung, dass als Reaktion auf den Call for papers 50 Themenvorschläge aus 17 Ländern eingingen (Bild 4).

Fig. 5.  Hans-Horst Konkolewsky presented the vision of a people-centred prevention strategy. // Bild 5.  Hans-Horst Konkolewsky stellte die Vision einer auf den Menschen zentrierten Prävention vor. Photo/Foto: BG RCI

Fig. 5. Hans-Horst Konkolewsky presented the vision of a people-centred prevention strategy. // Bild 5. Hans-Horst Konkolewsky stellte die Vision einer auf den Menschen zentrierten Prävention vor. Photo/Foto: BG RCI

In seiner Keynote stellte Hans-Horst Konkolewsky, Generalsekretär der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS), deren Vision einer ganzheitlichen, auf den Menschen zentrierten Prävention vor (Bild 5). Dafür hat die IVSS ein dreidimensionales Modell entwickelt. Die drei Säulen, Risikoprävention am Arbeitsplatz, Gesundheitsvorsorge und die Rückkehr an den Arbeitsplatz nach einem Unfall greifen dabei ineinander. Zudem arbeitet die IVSS an einer globalen VISION-ZERO-Kampagne. Abschließend gab Konkolewsky einen Ausblick auf den 21. Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, der 2017 in Singapur stattfindet.

Fig. 6.  Helmut Ehnes used his keynote speech to present the 7 Golden Rules for VISION ZERO. // Bild 6.  Helmut Ehnes erläuterte in seiner Keynote die 7 Goldenen Regeln für die VISION ZERO. Photo/Foto: BG RCI

Fig. 6. Helmut Ehnes used his keynote speech to present the 7 Golden Rules for VISION ZERO. // Bild 6. Helmut Ehnes erläuterte in seiner Keynote die 7 Goldenen Regeln für die VISION ZERO. Photo/Foto: BG RCI

Helmut Ehnes (Bild 6), Generalsekretär der ISSA Mining, stellte in seinem Vortrag die 7 Goldenen Regeln für VISION ZERO vor (1, 2). Er informierte über die Ergebnisse einer Evaluation der BG RCI über tödliche Arbeitsunfälle und der daraus resultierenden Handlungsfelder zur Prävention. Demnach besteht für erfahrene Bergleute im Alter zwischen 45 und 55 Jahren das höchste Risiko, einen Unfall zu erleiden, weil ihre Routine sie nachlässig macht. Die tödlichen Unfälle stehen hauptursächlich mit Fahrzeugen und Maschinen in Verbindung. Um Arbeiter und Management dafür zu sensibilisieren, wurde die Kampagne „10 Lebensretter-Tipps“ ins Leben gerufen.

Die einzelnen Sessions waren in Themenbereiche gegliedert. So stellte Prof. Dr. Burkhard Schmidt von der Hochschule für internationales Management in der Session „Gesundheit der Belegschaft und der Führungsebene“ die Ergebnisse der Untersuchungen zum Stresssystem vor. Stress – ob objektiv oder subjektiv wahrgenommen – ist zunehmend für Krankheiten und Unfälle verantwortlich. Die Faktoren, die zu Stress führen, sind zahlreich und unterscheiden sich. Prof. Schmidt erläuterte, dass Menschen auf die verschiedenen Faktoren oftmals nicht adäquat reagieren können. Unser Stresssystem habe sich, anders als unser Leben in der Zivilisation, nicht weiterentwickelt, so Prof. Schmidt, und sei immer noch darauf ausgelegt, sich eines Angriffs von einem Raubtier zu erwehren. Und so reagiere der Körper auch auf Auseinandersetzungen mit dem Chef. Daraus abgeleitet wurden „Don’ts“ für Führungskräfte, um Stressfaktoren zu reduzieren. Ein gesunder Führungsstil zeichne sich durch Transparenz, Belastungsabbau und Ressourcenschonung, Wertschätzung, Interesse und Einbeziehen von Mitarbeitern aus, betonte Prof. Schmidt.

Sidey Castillo stellte das Programm vor, das die Grupo Progreso, ein Zementunternehmen aus Guatemala, eingeführt hat, um die Gesundheit der Mitarbeiter zu verbessern. Das Unternehmen bietet seinen Mitarbeitern monatliche Workshops zur Gesundheitsvorsorge, medizinische Untersuchungen und sportliche Aktivitäten. Begleitet wird dies medial, indem etwa Vorher-Nachher-Fotos von Abnehmaktivitäten veröffentlicht werden. Zudem erhalten die Teilnehmer regelmäßig Tipps per SMS. Die Teilnahme am Programm ist freiwillig, mehr als 1.000 Mitarbeiter haben bereits daran teilgenommen.

Über Erreichtes und Perspektiven im Bereich Arbeitsschutz des chinesischen Bergbaus informierte Li Wanjiang, Stellvertretender Verwaltungschef der Staatsverwaltung für Sicherheit im Kohlebergbau. Bolortuya Ganbaatar vom Forschungszentrum für Arbeitsmedizin berichtete über die Entwicklung einer Präventionskultur im mongolischen Bergbau.

Wie entscheidend es ist, Unfälle genau zu analysieren, zeigte die Session „Lernen aus Unfällen und Vorfällen“. Experten aus Deutschland, Italien, Polen und Südafrika stellten Analysemöglichkeiten vor und berichteten über Maßnahmen, die auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse eingeleitet werden können.

Wie die VISION ZERO konkret umgesetzt werden kann, erläuterten mit Best-Practice-Beispielen u. a. Joachim Löchte, RAG Aktiengesellschaft, Dr. Thomas Lautsch, Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE) und Dr. Bettina Nickel, Geschäftsführerin des mittelständischen Basaltabbau-Unternehmens Nickel GmbH & Co. KG.

Bereits am Tag vor der Konferenz bot sich den Teilnehmern die Möglichkeit, das RWE-Kraftwerk Gersteinwerk zu besichtigen. Im Anschluss daran stand ein Besuch der DASA Arbeitswelt-Ausstellung auf dem Programm. Hier konnte man aktiv in zwölf verschiedene Arbeitswelten eintauchen.

Zum Thema „Critical Control Management“ bot Jim Joy ein ganztägiges Seminar. Vor allem auf Experten der Gefährdungsbeurteilung zielend, stellte Joy, der seit mehr als 30 Jahren in diesem Bereich forscht und globale Unternehmen berät, das CCM-Konzept vor. Mit diesem können Risiken und Gefahren exakt identifiziert und beurteilt werden.

Nach zwei informativen Konferenztagen zogen alle Teilnehmer dieselbe Bilanz: Die VIZE hat die Erwartungen klar übertroffen. Und so waren sich auch die Veranstalter darin einig, dass der Premiere in Bochum weitere VIZEs folgen müssen. In zwei Jahren schon soll es soweit sein, dann wird die nächste Konferenz im europäischen Ausland stattfinden. Erste Gespräche dazu wurden bereits in Bochum geführt.

References / Quellenverzeichnis

References / Quellenverzeichnis

(1) https://issa.int/

(2) Ehnes, H.: SICHERHEIT 7.0 – 7 Goldene Regeln für VISION ZERO. Mining Report Glückauf 151 (2015) Nr. 1, S. 19 – 27.

Autor: Stefan Möller, Redaktion STEINE+ERDEN, Langenhagen

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