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Endlagerung hochradioaktiver Abfallstoffe in tiefen Bohrlöchern – Ergebnisse des Projekts CREATIEF

Mehr als 30 Länder nutzen derzeit die Kernenergie weltweit zur Stromerzeugung. In nahezu allen Ländern gibt es Überlegungen, wie radioaktive Abfälle langzeitsicher gelagert/entsorgt werden können. Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle sind seit Jahrzehnten in unterschiedlicher Bauweise überall auf der Welt in Betrieb. In Finnland wurde 2015 bisher als erstem und einzigem Land weltweit eine Genehmigung zum Bau eines Endlagers für wärmeentwickelnde ausgediente Brennelemente erteilt. In Deutschland wurde von Anfang an für die Entsorgung wärmeentwickelnder, radioaktiver Abfallstoffe und ausgedienter Brennelemente die Endlagerung in einem Bergwerk favorisiert. Eine Bergwerkslösung wurde von den möglichen Entsorgungsoptionen unter sicherheitstechnischen und genehmigungsrechtlichen Aspekten am ehesten als umsetzbar angesehen.

Jedoch gab es im Ausland auch Überlegungen zu anderen Entsorgungsmöglichkeiten. Eine dieser Überlegungen zur Entsorgung ist die Endlagerung von ausgedienten Brennelementen in „tiefen Bohrlöchern“. Unter „tiefen Bohrlöchern“ wurden bei der Bearbeitung des Forschungsvorhabens CREATIEF (Untersuchungen zu Chancen und Risiken der Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle und ausgedienter Brennelemente in tiefen Bohrlöchern, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unter den Förderkennzeichen: 02E11526A und 02E11526B) Bohrlöcher mit einer Tiefe von 3.000 bis 5.000 m ab der Geländeoberfläche verstanden, bei denen der Einlagerungsbereich im Kristallingestein (kristallinen Grundgebirge) liegt (Bild 1).

Fig. 1. Schematic deep borehole disposal in crystalline rock. // Bild 1. Schema zur tiefen Bohrlochlagerung im Kristallin.

Der vorliegende Beitrag gibt eine Übersicht zu den Ergebnissen des Forschungsvorhabens CREATIEF. Er wurde einem Peer Review-Verfahren unterzogen.

Autoren: Dr.-Ing. Tino Rosenzweig, TU Bergakademie Freiberg, Freiberg, Dipl.-Ing. Wilhelm Bollingerfehr, BGE TECHNOLOGY GmbH, Peine, Dr.-Ing. Christin Dieterichs, TU Bergakademie Freiberg, Freiberg, Dipl.-Ing. Maxi Herold, Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), Peine, Prof. Dr.-Ing. Wolfram Kudla, TU Bergakademie Freiberg, Freiberg und Prof. Dr.-Ing. Matthias Reich, TU Bergakademie Freiberg, Freiberg

1  Ziel des Forschungsvorhabens CREATIEF

Die Endlagerung von hochradioaktiven, wärmeentwickelnden Abfällen und/oder ausgedienten Brennelementen in Bohrlöchern mit einer Tiefe von 3.000 m bis 5.000 m ist eine Entsorgungsoption, die von der „Endlagerkommission“ aufgrund der in den letzten Jahren in den USA laufenden Diskussion thematisiert wurde (1). Zur Einlagerung in tiefen Bohrlöchern gibt es Vorüberlegungen bzw. Konzepte in Schweden und den USA sowie in Deutschland von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS). Im Forschungsvorhaben CREATIEF wurde die Option „Endlagerung in tiefen Bohrlöchern“ weiter mit folgenden drei Zielen untersucht:

  1. Analyse und Beschreibung der in bisherigen Forschungsberichten/Studien getroffenen Annahmen und Randbedingungen,
  2. Beschreibung der wesentlichen Eckpunkte bei einer Endlagerung in tiefen Bohrlöchern und Aufzeigen eines möglichen Verbesserungspotentials,
  3. konzeptionelle Gesamtbewertung von Chancen und Risiken der Endlagerung in tiefen Bohrlöchern.

2  Rechtliche Vorgaben

Zunächst wurden die in Schweden von der Svensk Kärnbränslehantering AB (SKB), in den USA von den Sandia National Laboratories (SNL) sowie in Deutschland von der GRS ausgearbeiteten Konzepte für die Endlagerung in tiefen Bohrlöchern dargelegt und kritisch bewertet. Des Weiteren wurden die Anforderungen in den in Deutschland derzeit relevanten rechtlichen Grundlagen (u. a. (2, 3, 4)) aufgelistet. Es wurde dargelegt, inwieweit bei einer Endlagerung der radioaktiven Abfälle in tiefen Bohrlöchern die Anforderungen aus diesen rechtlichen Grundlagen erfüllt werden können. Eine Prüfung, inwieweit einzelne Randbedingungen bei einer Endlagerung in tiefen Bohrlöchern die derzeitigen gesetzlichen Vorgaben und Anforderungen in den Verordnungen erfüllen, ist jedoch letztlich nur eingeschränkt sinnvoll durchführbar, da die gesetzlichen Vorgaben und Anforderungen bisher immer im Hinblick auf eine Endlagerung in einem Bergwerk formuliert worden sind. Dementsprechend müssten die gesetzlichen Vorgaben und Anforderungen sinnvoll im Hinblick auf eine Endlagerung in tiefen Bohrlöchern um- oder neu formuliert werden. Für detaillierte Ausführungen hierzu wird auf den Forschungsbericht (5) verwiesen.

3  Annahmen zu den geologischen Verhältnissen

Fig. 2. Generic model 1 for possible geologic conditions in Germany. // Bild 2. Generisches Modell 1 für mögliche geologische Verhältnisse in Deutschland.

Im Zuge der Bearbeitung des Forschungsvorhabens wurden zwei geologische Profile abgeleitet, die als Referenz für mögliche geologische Verhältnisse in Deutschland bei den weiteren Überlegungen zur Einlagerung dienten (Bild 2).

Die Einlagerung erfolgt in 3.000 bis 5.000 m im voraussichtlich klüftigen aber stabilen Kristallingestein. Auch bei der Endlagerung in tiefen Bohrlöchern muss nachgewiesen werden, dass Radionuklide nicht bzw. nur in ausreichend geringem Maß aus dem Einlagerungsbereich entweichen können. Deshalb muss bei der Endlagerung in tiefen Bohrlöchern, wie auch bei der Endlagerung in einem Bergwerk, ein einschlusswirksamer Gebirgsbereich (ewG) definiert werden. Da die Einlagerung im wahrscheinlich klüftigen Kristallingestein erfolgt, kann ein ewG voraussichtlich nur in Form einer überlagernden Ton- oder Salzgesteinsschicht ausgewiesen werden (Typ Bb gemäß dem Bericht des Arbeitskreises Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AkEnd) (6)). Diese weisen zwar eine geringere Stabilität auf, werden aber aufgrund ihrer Dichtheit für die Endlagerung, z. B. in Frankreich und in der Schweiz, in Betracht gezogen. Die Ton- bzw. Salzschicht muss so flächig verbreitet sein (Bild 1), dass auch bei einer Umströmung im Nachweiszeitraum von 1 Mio. Jahren keine bzw. nur in ausreichend geringem Maß Radionuklide aus dem ewG entweichen, bzw. beim Typ Bb nach AkEnd den flächig verbreiteten ewG umströmen. Insbesondere im Bereich der Ton- bzw. Salzschicht müssen Bohrlochabdichtungen gesetzt werden (Bild 1).

4  Zum Stand der Tiefbohrtechnik

Nachdem geologische Referenzprofile für Deutschland abgeleitet wurden, wurde der Stand der Technik der konventionellen Tiefbohrtechnik der Öl- und Gasindustrie für Bohrungen bis 5.000 m Tiefe mit möglichst großem Durchmesser im Kristallin untersucht. Nach derzeitigem Stand der Technik sind Bohrungen bis zu einem Durchmesser von 17,5″ (44,5 cm) in 5.000 m Tiefe im Kristallin möglich. Für noch größere Bohrungen müssten vor allem größere Rollenmeißel entwickelt werden. Alternativ müssten Bohrverfahren im Hartgestein, z. B. das Elektroimpulsverfahren (7), entwickelt bzw. weiterentwickelt werden. Ein Bohrdurchmesser von etwa 35,4″ (90 cm), wie er im Bericht der GRS (8) als sinnvoll angesehen wurde, lässt erwarten, dass die Anzahl der Bohrungen auf ein akzeptables Maß beschränkt werden kann (voraussichtlich 31 Stück). Allerdings deckt der derzeitige Stand der Technik so große Bohrdurchmesser bis in eine Tiefe von 5.000 m nicht ab. Die Anpassung der tiefbohrtechnischen Ausrüstung an Bohrungen im Hartgestein und mit wesentlich größeren Durchmessern als 17,5″ (44,5 cm) in 5.000 m, wie sie zur Endlagerung erforderlich wären, wäre mit erheblichen Entwicklungs- und Testarbeiten verbunden. Die besonderen Herausforderungen bestehen darin, die erforderliche Anpresskraft auf die großkalibrigen Meißel bereitzustellen (Bohrstrangdesign), das Bohrloch kontinuierlich vom Bohrklein zu reinigen (Leistungsfähigkeit der Pumpen), den schweren Bohrstrang zu handhaben (spezielle Tiefbohranlage entwickeln und bauen) und ein Bohrungsdesign zu entwickeln, welches mit einem minimalen Bohrungsdurchmesser im ersten Bohrungsabschnitt auskommt (Lean Casing Drilling (9) oder Mono Bore Verfahren (10)).

Zum Stand der Tiefbohrtechnik kann festgestellt werden, dass nahezu alle bisherigen Entwicklungen darauf abzielten, Öl- und Gaslagerstätten zu erschließen und zu nutzen. Öl und Gas findet man meist in den Poren von Sedimentgesteinen. Die Bohrungen werden daraufhin optimiert, die Kosten unter Berücksichtigung der hohen Sicherheitsanforderungen zu minimieren und gleichzeitig eine maximale Förderung der Rohstoffe zu ermöglichen, ohne die Lagerstätte zu beschädigen. Typische Enddurchmesser von Öl- und Gasbohrungen liegen folglich bei 4 bis 8½“, also ca. 10,2 bis 21,6 cm.

Bei der Endlagerung in tiefen Bohrlöchern erfolgen alle Bohrarbeiten, bevor radioaktives Material zur Bohrung angeliefert wird. Die Bohrung kann damit vollständig ohne strahlenschutztechnische Einschränkungen abgeteuft und überprüft werden. Erst nachdem die Bohrung in einwandfreier Qualität hergestellt ist, wird sie für die Einlagerung freigegeben. Anschließend wird das Einlagerungsgebäude über dem Bohransatzpunkt errichtet. Erst danach werden die radioaktiven Abfälle angeliefert.

5  Der Endlagerbehälter

Auf Basis des einzulagernden Abfallmengengerüsts, welches aus

  • ausgedienten Brennelementen aus den Leistungsreaktoren,
  • ausgedienten Brennelementen aus Versuchs- und Prototypkernkraftwerken und Forschungsreaktoren,
  • Abfällen aus der Wiederaufarbeitung ausgedienter Brennelemente aus den Leistungsreaktoren sowie
  • Strukturteilen der ausgedienten Brennelemente aus den Leistungsreaktoren

besteht – ergibt sich aus dem Nationalen Entsorgungsprogramm für das Jahr 2022 (11) – wurden Betrachtungen zum Endlagerbehälter durchgeführt. Die Anforderungen an den Endlagerbehälter bei einer Einlagerung in 3.000 bis 5.000 m Tiefe beziehen sich insbesondere auf

  • die Dichtigkeit,
  • die Festigkeit gegenüber allen auftretenden Belastungen,
  • die Temperaturbeständigkeit,
  • die Beständigkeit gegenüber dem Stützfluid im Bohrloch und
  • die Anforderungen an die Abmaße des Behälters aufgrund des Bohrlochdurchmessers.

Im Einlagerungsbereich sind Temperaturen zwischen etwa 100 und 160 °C zu erwarten. Die derzeit im Standortauswahlgesetz (2) geforderte Grenztemperatur von 100 °C an der Behälteraußenfläche kann bei einer Endlagerung in tiefen Bohrlöchern systembedingt nicht eingehalten werden. Der im Rahmen des Forschungsvorhabens CREATIEF berücksichtigte Druck auf den Behälter ergibt sich aus der Auflast der gestapelten Behälter (s. Bild 1) und dem hydrostatischen Druck der Flüssigkeitssäule (Bohrloch muss für den Betrieb aus Stabilitätsgründen fluiderfüllt sein). Der Gebirgsdruck ist in dem Konzept nicht berücksichtigt, da angenommen wurde, dass das Casing in Verbindung mit dem fluiderfüllten Bohrloch den Gebirgsdruck solange übernimmt, bis der Bohrlochverschluss vollständig in Funktion ist. Aufgrund der genannten Anforderungen wurden die Randbedingungen für einen Behälter abgeleitet und ein Behälter überschlägig bemessen. Danach werden die Behälter für ein 17,5″-Bohrloch voraussichtlich 26,5 cm Außendurchmesser und 17,5 cm Innendurchmesser aufweisen. Für ein 35,4″-Bohrloch ergeben sich der Behälteraußendurchmesser zu 63,5 cm und der Behälterinnendurchmesser zu 43,5 cm (Bild 3).

Fig. 3. Inner and outer diameters of the container for the 17.5″ borehole (left) and 35.4″ borehole (right). // Bild 3. Behälterinnen- und Behälteraußendurchmesser für das 17,5″ Bohrloch (links) und das 35,4″ Bohrloch (rechts).

Nach den Befunden zur Stahlkorrosion sollte als Stützfluid einer K2CO3– oder einer Na2CO3-Lösung der Vorzug vor chlorid- oder bromidhaltigen Flüssigkeiten gegeben werden. Als Material für den Behälter wird beispielsweise ein austenitischer Stahl der Sorte -X6CrNiMoTi17-12-2 empfohlen.

6  Anzahl der Bohrlöcher versus Bohrlochdurchmesser

Insgesamt wurden zwei Konzepte für eine Endlagerung in tiefen Bohrlöchern betrachtet, die nachfolgend beschrieben werden.

6.1  Konzept 1: Bohrdurchmesser 17,5″ (44,5 cm) in 5.000 m Tiefe

Setzt man einen maximalen Bohrdurchmesser von 17,5″ an, ist aufgrund des notwendigen Casings und des erforderlichen Ringraums nur ein Behälteraußendurchmesser von 26,5 cm (Innendurchmesser: 17,5 cm) möglich (Bilder 3, 4).

Fig. 4. Schematic representation of interdependent diameters in the emplacement borehole. // Bild 4. Schematische Darstellung der voneinander abhängigen Durchmesser im Einlagerungsbohrloch.

Die Länge des Behälters wurde zu 5,6 m angenommen, basierend auf der Länge der Brennstäbe von ausgedienten Brennelementen der Leistungsreaktoren. Bei einer Ausnutzung des Innendurchmessers des Behälters für die Einlagerung der Brennstäbe von 70 bis 80 % werden etwa 23.000 bis 27.000 Behälter benötigt. Bei etwa 180 Behältern pro Bohrloch wären 130 bis 150 Bohrlöcher notwendig. Die beschriebenen Behälter sind dabei auf eine Stapelhöhe von ca. 1.000 m ausgelegt. Eine größere Stapelhöhe, z. B. 2.000 m, war bei der Bemessung nicht möglich, da dies zu einer zu hohen, nicht mehr sinnvollen Wandstärke im Verhältnis zum Innendurchmesser des Behälters geführt hätte. Hier besteht weiter Optimierungspotential.

Der Vorteil von Konzept 1 besteht darin, dass keine Weiterentwicklung der Bohrtechnik notwendig ist und auf den Stand der Technik in der Tiefbohrtechnik zurückgegriffen werden kann. Das Konzept 1 hat jedoch den Nachteil, dass eine relativ große Anzahl an Bohrlöchern notwendig ist. Des Weiteren können beim Konzept 1 die schon verglasten und konditionierten hochradioaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung nicht eingelagert werden, da dafür ein Innendurchmesser des Behälters von mindestens 43 cm erforderlich wäre. Somit können hier nur die Brennstäbe von ausgedienten Brennelementen der Leistungsreaktoren eingelagert werden und ein zusätzliches Endlager für die Wiederaufarbeitungsabfälle wäre erforderlich.

6.2  Konzept 2: Bohrdurchmesser 35,4″ (90 cm) in 5.000 m Tiefe

Beim Konzept 2 wurde von einem Bohrdurchmesser von 35,4″ in 5.000 m Tiefe ausgegangen (8). Unter Berücksichtigung der Casing-Wandstärke und des notwendigen Ringraums ist ein Behälteraußendurchmesser von 63,5 cm (Innendurchmesser: 43,5 cm) und eine Stapelhöhe von 2.000 m möglich. Die Behälterlänge beträgt 5,6 m. Unter diesen Prämissen sind insgesamt 11.000 Behälter erforderlich. Bei einer Einlagerung von 363 Behältern pro Bohrloch wären 31 Bohrlöcher notwendig.

Der Vorteil von Konzept 2 besteht darin, dass die Anzahl der Bohrlöcher mit 31 erheblich geringer ist als im Konzept 1. Der Nachteil von Konzept 2 ist, dass ohne eine erhebliche Weiterentwicklung der Tiefbohrtechnik eine Umsetzung nicht möglich ist.

7  Der einschlusswirksame Gebirgsbereich

Auch bei einer Endlagerung in tiefen Bohrlöchern muss ein ewG ausgewiesen werden. Da die Einlagerung im Kristallingestein erfolgt, das mit hoher Wahrscheinlichkeit klüftig ist, ist eine abdichtende Schicht aus Ton oder Salz oberhalb des Kristallingesteins notwendig (Bilder 1 und 2). Der ewG entspricht damit dem Typ Bb nach AkEnd. Wie ein Nachweis eines ewGs beim Typ Bb gegenständlich – rechnerisch/durch Erkundungen – erfolgen soll, ist jedoch derzeit noch unklar. Dies gilt sowohl für einen ewG vom Typ Bb bei einer Endlagerung in einem Bergwerk als auch bei einer Endlagerung in tiefen Bohrlöchern.

8  Sicherheits- und Nachweiskonzept

Für eine Endlagerung radioaktiver Abfälle in tiefen Bohrlöchern wurde ein Sicherheits- und Nachweiskonzept in Ansätzen entwickelt bzw. auf das in (8) dargelegte Konzept der GRS zurückgegriffen. In den Sicherheitsanforderungen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) aus dem Jahr 2010 (3) sind die allgemeinen Schutzziele und die Sicherheitsprinzipien dargelegt. Das Sicherheitskonzept beschreibt, wie bei einer Endlagerung in tiefen Bohrlöchern der sichere Einschluss der Abfälle für 1 Mio. Jahre erreicht werden soll. Für einen möglichst weitgehenden Einschluss der radioaktiven Abfälle in einem definierten Gebirgsbereich werden folgende Anforderungen zugrunde gelegt:

  1. Die Abfälle müssen so eingeschlossen werden, dass allenfalls in geringem Maße Radionuklide aus dem ewG freigesetzt werden (Einschlusswirksamkeit).
  2. Die geologische Barriere muss im Verbund mit den geotechnischen Barrieren den Einschluss gewährleisten.
  3. Das Porenwasser im ewG darf nicht am hydrologischen Kreislauf teilnehmen.
  4. Die Einschlusseigenschaften des ewG müssen über 1 Mio. Jahre erhalten bleiben.

Im Nachweiskonzept wird dargelegt, wie die im Sicherheitskonzept festgeschriebenen Anforderungen überprüft werden. Nachweise sind dabei mit Bezug auf den ewG vom Typ Bb zu folgenden Punkten zu führen bzw. folgende Punkte sind zu bewerten:

  1. die Mächtigkeit der Salz-/Tonbarriere,
  2. die Integrität der geologischen Barriere,
  3. die Integrität und Wirksamkeit der geotechnischen Verschlussbauwerke (qualifizierte Abdichtungen im Bereich der Ton- und Salzschicht),
  4. der Kritikalitätsausschluss,
  5. der Einschluss der Radionuklide im bzw. unterhalb des ewG,
  6. die radiologische Konsequenzenanalyse in der Biosphäre bei Freisetzung von Radionukliden,
  7. Human-Intrusion-Szenarien.

9  Einlagerungs- und Rückholkonzept

Weiterhin wurde ein Einlagerungs- und Rückholungskonzept entwickelt. Nach der Fertigstellung des Bohrlochs kann der Bohrturm abtransportiert werden. Anschließend wird ein Einlagerungsbauwerk über Tage erstellt. Im Einlagerungsbauwerk muss über dem Bohrloch eine Einlagerungsvorrichtung mit einer Abschirmvorrichtung (Schleuse) vorgesehen werden. Das Endlagergebinde wird in einem geschlossenen Transferbehälter zum Bohrloch transportiert. Anschließend wird dieser vertikal über dem Einlagerungsbohrloch aufgestellt (Bild 5).

Fig. 5. Schematic of emplacement of the disposal container. // Bild 5. Schematische Darstellung der Einlagerung der Endlagergebinde.

Das Personal ist dabei durch Abschirmvorrichtungen permanent geschützt. Die Endlagergebinde können dann am Gestänge oder an Seilen aus Stahl oder Fasern in das Bohrloch eingelagert werden (Bild 5). Eine Rückholung kann seitens der Abläufe ähnlich der Einlagerung erfolgen. Während die Rückholung in der Betriebszeit einer Bohrung als möglich eingeschätzt wird, erscheint die Bergung der Endlagergebinde bei diesem Konzept nach derzeitigem Kenntnisstand nicht möglich. Unter Bergung der Abfälle wird die Rückholung der Abfälle nach einem Verschluss des Bohrlochs angesehen. Der Zeitraum, in dem eine Bergung nach den derzeitigen gesetzlichen Vorgaben möglich sein soll, beträgt 500 Jahre. Deshalb müsste für die Endlagerung in tiefen Bohrlöchern rechtlich geprüft werden, ob diese gesetzliche Anforderung aufgegeben werden kann.

10  Abdichtung und Verschluss der Bohrlöcher

Hinsichtlich des Verfüllens und Verschließens der Einlagerungsbohrlöcher wurden verschiedene Möglichkeiten zu den Materialien im Forschungsbericht (5) dargelegt. In Konzeptstudien – beispielsweise (12, 13) – wurden bisher Bentonit, Bitumen/Asphalt, Zement und auch Salzsuspensionen und eutektische Salzschmelzen sowie Schwerspat/Baryt als Verfüll- bzw. Verschlussmaterialien genannt. Erste Überlegungen zu Einbringtechnologien wurden betrachtet. Sämtliche Einbringtechnologien müssen allerdings noch hinsichtlich der speziellen Bedingungen in Endlagerbohrungen entwickelt und erprobt werden. Für den Einbau der Verfüllmaterialien bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

  1. Die Verfüllmaterialien werden im Bohrlochfluid eingebaut.
  2. Das Bohrloch wird leergepumpt und die Verfüllmaterialien werden im Trockenen eingebaut. Ob diese Möglichkeit besteht, ist von der Bemessung des Casings abhängig.

11  Chancen und Risiken einer Endlagerung in tiefen Bohrlöchern

Abschließend wurden die Chancen und Risiken einer Endlagerung in tiefen Bohrlöchern abgewogen, von denen einige nachfolgend beschrieben werden.

11.1 Chancen

Die hinsichtlich der Radionuklide abschirmende Wirkung des Stützfluids und die Bremswirkung beim Ablassen der Gebinde erscheinen für die Einlagerung in tiefen Bohrlöchern als voraussichtlich positiv und werden in die Kategorie „Chance“ eingeordnet. Das aufzufahrende gesamte Hohlraumvolumen ist im Vergleich zu einem Endlagerbergwerk wesentlich geringer. Zudem ist von einem geringeren Auflockerungsbereich auszugehen. Der Verschluss des einzelnen Bohrlochs kann direkt nach dem Einbringen der Endlagergebinde erfolgen und ist länger als bei einem Endlagerbergwerk. Es besteht dabei auch eine gute Chance, den Bohrungsverschluss in einem trockenen Bohrloch einzubringen. Ein Bohrloch mit einem Enddurchmesser von 17,5“ kann nach dem Stand der Technik der Tiefbohrtechnik bis 5.000 m abgeteuft werden. Zudem ist die Entwicklung einer Technologie für das Abteufen von Bohrungen mit größerem Durchmesser bis 90 cm in Tiefen bis 5.000 m im Kristallin nicht ausgeschlossen. Allerdings müsste diese Entwicklung mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, da innerhalb der Rohstoffindustrie kein direkter Bedarf an einer solchen Technologie besteht.

11.2  Risiken

Die Bewertung von Chancen und Risiken zeigt aber auch deutliche Risiken für die Endlagerung in tiefen Bohrlöchern. Dazu gehört die Tatsache, dass nach heutigem Stand der Technik nicht alle wärmeentwickelnden Abfälle in ein 17,5″ (44,5 cm) Bohrloch eingelagert werden können. Die Endlagerung von Kokillen (Durchmesser: 43 cm) mit Abfällen aus der Wiederaufarbeitung (CSD-C, CSD-B und CSD-V) ist in Tiefbohrungen mit 17,5″ Enddurchmesser nicht möglich. Dementsprechend muss zusätzlich ein Endlager, z. B. in einem Bergwerk, errichtet werden. Die Einlagerung in einem Schutzfluid, das gezielt für das verwendete Casing und die Endlagerbehälter ausgewählt werden muss, erfordert eine entsprechende Auswahl korrosionsresistenter Behältermaterialien und einen dichten Behälter, bis das Bohrloch dauerhaft verschlossen ist. Weitere risikobehaftete Themen, wie z. B. die Rückholung in der Betriebsphase des Bohrlochs oder die Havariebewältigung erfordern einen erheblichen Forschungs- und Entwicklungsaufwand, dessen Ergebnis offen ist. Weiterhin werden zur sicherheitstechnischen Bewertung der tiefen Bohrlochlagerung Temperatur- oder Kritikalitätsberechnungen als dringend notwendig betrachtet. Bisher wurden dazu keine Arbeiten veröffentlicht.

11.3  Ergebnis der Chancen/Risiken-Betrachtung

Derzeit kann aus der Abwägung der Chancen und Risiken keine Aussage getroffen werden, ob eine Endlagerung in tiefen Bohrlöchern eine sinnvolle Alternative zu einer Endlagerung in einem Bergwerk und damit weiter untersuchungswürdig ist. Dazu sind zu viele Punkte offen, bei denen weitere, sehr umfangreiche und zeitaufwändige Forschungs- und Entwicklungsarbeiten erfolgen müssen. Zudem existieren zwei Punkte, deren Lösung jeweils eine ganz erhebliche Herausforderung darstellen und deren Lösung vom Projektteam auch bei großer finanzieller Unterstützung in den nächsten Jahren eher als unwahrscheinlich angesehen wird. Diese beiden Punkte betreffen:

  1. Den Nachweis des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs im Fall Bb nach dem Bericht des AkEnd (flächig ausgedehnte überlagernde Salzschicht/Tonschicht):
    Bei der Einlagerung der radioaktiven Abfälle in 3.000 bis 5.000 m Tiefe im kristallinen Grundgebirge muss nachgewiesen werden, dass oberhalb des kristallinen Grundgebirges flächig eine so undurchlässige Schicht – Salzgestein oder Tonstein – in ausreichendem Maß vorhanden ist, dass auch über einen Zeitraum von einer Million Jahre (Nachweiszeitraum) kein mit den Abfällen in Kontakt gekommenes Grundwasser die Biosphäre erreicht bzw. mit dem Grundwasserleiter des Deckgebirges in Kontakt kommt bzw. – sofern mit Radionukliden belastetes Grundwasser mit dem Deckgebirgsgrundwasserleiter in Kontakt kommt – so verdünnt wird, dass die Kontamination unter einem festgelegten Grenzwert bleibt. Die überlagernde Ton- bzw. Salzschicht ist damit ein einschlusswirksamer Gebirgsbereich vom Typ Bb gemäß dem Bericht des AkEnd. Beim Typ Bb ist der Einlagerungsbereich nicht vollständig vom einschlusswirksamen Gebirgsbereich umschlossen. Derzeit gibt es keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen oder auch Forschungsarbeiten, in denen ein Weg aufgezeigt wird, wie ein solcher Nachweis geführt werden könnte. Das Projektteam hat auch große Zweifel, ob ein solcher Nachweis jemals geführt werden kann, da hier großflächig um den Einlagerungsbereich der Untergrund hinsichtlich seiner Permeabilität erheblich genauer erkundet werden muss als bei einer Einlagerung in einem ewG vom Typ A (ewG umschließt den gesamten Einlagerungsbereich).
  2. Bergung der hochradioaktiven Abfälle bei einer Einlagerung in tiefen Bohrlöchern über einen Zeitraum von bis zu 500 Jahren nach Verschluss des Endlagers:
    Gemäß dem derzeitigen Diskussionsstand und den gesetzlichen Vorgaben sollen die Behälter mit den hochradioaktiven Abfällen und ausgedienten Brennelementen bis zu einem Zeitraum von 500 Jahren nach Verschluss des Endlagers geborgen werden können. Hierfür müssten Bergungstechniken entwickelt werden, mit denen ein Behälter aus beispielsweise 4.500 m Tiefe wieder geborgen werden kann. Der Behälter hat sich dabei unter Umständen aufgrund des Gebirgsdrucks, der 500 Jahre auf den Behälter eingewirkt hat, verformt. Nach Einschätzung des Projektteams bestehen große Zweifel, ob die Entwicklung solcher Bergungstechniken auch bei erheblicher finanzieller Förderung möglich ist.

Fußnoten

Fußnoten

(1) KOMMISSION: Abschlussbericht – Verantwortung für die Zukunft – Ein faires und transparentes Verfahren für die Auswahl eines nationalen Endlagerstandortes. Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe, Berlin, 2016.

(2) StandAG: Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz – StandAG). 2017.

(3) BMU: Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn, 2010.

(4) StrlSchV: Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung – StrlSchV). 2001.

(5) Bollingerfehr, W.; Dieterichs, C.; Herold, M.; Kudla, W.; Reich, M.; Rosenzweig, T.: Untersuchungen zu Chancen und Risiken der Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle und ausgedienter Brennelemente in Tiefen Bohrlöchern „CREATIEF“ – Abschlussbericht. Bericht, TU Bergakademie Freiberg und BGE Technology GmbH, Freiberg, 2018.

(6) AkEnd: Auswahlverfahren für Endlagerstandorte – Empfehlungen des AkEnd – Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte. Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte, Köln, 2002.

(7) Kunze, G.; Anders, E.: Vortriebssystem zur Herstellung von tiefen Geothermiebohrungen im Festgestein mittels Elektroimpulsverfahren. Bericht, TU Dresden, Dresden, 2009.

(8) Bracke, G.; Charlier, F.; Geckeis, H.; Harms, U.; Heidbach, O.; Kienzler, B.; Liebscher, A.; Müller, B.; Prevedel, B.; Röckel, T.; Schilling, F.; Sperber, A.: Tiefe Bohrlöcher. Bericht, Gesellschaft für Anlagen und Reaktorsicherheit (GRS) gGmbH, Köln, 2016.

(9) Calderoni, A.; Ligrone, A.; Molaschi, C.: The Lean Profile: A Step Change in Drilling Performance. Konferenzbeitrag, SPE/IADC Drilling Conference, Amsterdam, 1999.

(10) Oppelt, J.; Lehr, J.: Innovative Drilling and Completion Concept for Geothermal Applications. In: Geothermal Resources Council Transactions, Vol. 36, Davis, 2012.

(11) BMUB: Programm für eine verantwortungsvolle und sichere Entsorgung bestrahlter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (Nationales Entsorgungsprogramm). Bericht, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), Berlin, 2015.

(12) Brady, P. V.; Arnold, B. W.; Freeze, G. A.; Swift, P. N.; Bauer, S. J.; Kanney, J. L.; Rechard, R. P.; Stein, J. S.: Deep Borehole Disposal of High-Level Radioactive Waste. Sandia National Laboratories, Albuquerque und Livermore, 2009.

Autoren: Dr.-Ing. Tino Rosenzweig, TU Bergakademie Freiberg, Freiberg, Dipl.-Ing. Wilhelm Bollingerfehr, BGE TECHNOLOGY GmbH, Peine, Dr.-Ing. Christin Dieterichs, TU Bergakademie Freiberg, Freiberg, Dipl.-Ing. Maxi Herold, Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), Peine, Prof. Dr.-Ing. Wolfram Kudla, TU Bergakademie Freiberg, Freiberg und Prof. Dr.-Ing. Matthias Reich, TU Bergakademie Freiberg, Freiberg
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