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Entwicklung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bei der RAG Aktiengesellschaft

Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Umweltschutz (AGU) spielen in der Gesellschaft und in den heutigen Unternehmen eine große Rolle. Der Gesetzgeber trägt dieser Bedeutung mit einer fast unübersehbaren Fülle an Regelwerken Rechnung.

Für das Unternehmen Ruhrkohle AG und alle seine Rechtsnachfolger stellt der Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz nicht nur die Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen, sondern auch eine moralisch ethische Verpflichtung dar, die heute selbstverständlicher Bestandteil der Unternehmenskultur ist.

Mit dem Thema AGU könnte man mehrtägige Tagungen interessant und abwechslungsreich gestalten. Im hier vorgegebenen Rahmen kann nur ein grober Überblick über die Entwicklung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bei der Ruhrkohle AG und ihren Rechtsnachfolgern seit dem Jahr 1969 gegeben werden. Auf den Umweltschutz wird an dieser Stelle nicht eingegangen.

Autor: Dipl.-Ing. Theodor Schopmann, Bereichsleiter Servicebereich Belegschaft BBS Arbeits-, Gesundheits-, Umweltschutz, RAG Aktiengesellschaft, Essen

1  Einführung

Für das Unternehmen Ruhrkohle AG und alle seine Rechtsnachfolger bis hin zur RAG Aktiengesellschaft stellt der Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz (AGU) nicht nur die Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen, sondern auch eine moralisch ethische Verpflichtung dar, die heute selbstverständlicher Bestandteil der Unternehmenskultur ist. Den weiteren Ausführungen wird zunächst eine Begriffsdefinition vorangestellt. Sie soll hervorheben, was mit Arbeitsschutz genau gemeint ist. Danach werden einige Schlaglichter auf die Entwicklung der Arbeitssicherheit seit dem Jahr 1969 bis heute geworfen.

Hierbei steht nicht die Technik im Vordergrund, sondern Aspekte von Management, Organisation und Mensch. Dazu gehört u. a. die Arbeitsschutzpolitik des Unternehmens. Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz bilden den zweiten Themenblock, die ebenfalls in einer kurzen Zeitreise betrachtet werden sollen. Staubbekämpfung stellt sicherlich bis heute die größte Herausforderung im Gesundheitsschutz dar. Einige technische Beispiele sollen die Anstrengungen der RAG kurz verdeutlichen.

2  Begriffsdefinition

Die Definition des Begriffs „Arbeitsschutz“ liefert das Arbeitsschutzgesetz. Darin heißt es:

„Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Sinne dieses Gesetzes sind Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit.“

Daher spricht die RAG bei ihren Maßnahmen zur Vermeidung von Unfällen von „Arbeitssicherheit“ und bei ihren Maßnahmen zur Verhütung von Gesundheitsschäden von „Gesundheitsschutz“.

Nimmt man „Management“ statt „Technik“ als Kriterium zur Betrachtung der Entwicklung von Arbeitsschutz bei der RAG, dann lassen sich vier Phasen ableiten:

  • Phase 1: 1969 bis 1990
  • Phase 2: 1991 bis 2004
  • Phase 3: 2005 bis 2013
  • Phase 4: ab 2014

Dabei dient die Entwicklung der Unternehmenspolitik zur Arbeitssicherheit und zum Gesundheitsschutz als Leitkriterium. Bereits kurz nach Gründung der Ruhrkohle AG waren die Unternehmensziele zum Arbeitsschutz formuliert und in der Bereichsrichtlinie BR 2/72 niedergeschrieben.

„Die Unternehmensziele bestehen … in der Erhaltung und Förderung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Belegschaft sowie im Zusammenhang damit in der Verhütung von Sachschäden oder Betriebsstörungen.“

3  Entwicklungsphasen des Arbeitsschutzes

3.1  Phase 1: 1969 bis 1990

Der Steinkohlenbergbau war vor Gründung der Ruhrkohle AG von großen Grubenunglücken mit zahlreichen Toten und Verletzten geprägt. Schlagwetterexplosionen und Grubenbrände waren die Hauptursachen. Der Schwerpunkt technischer Maßnahmen lag daher zu Anfang in der Vermeidung dieser Großereignisse mit ihren fatalen Folgen für die untertägige Belegschaft.

Die Staublunge – Silikose – ist eine typische Bergmannskrankheit. Erkrankungen der Lunge bei Bergleuten in Form von Silikose oder chronischer, obstruktiver Bronchitis, der sogenannten Bergmannsbronchitis, sind als typische Bergmannskrankheiten lange bekannt. Die Bekämpfung dieser Krankheiten sind die Herausforderungen an den Gesundheitsschutz. Hier stehen ebenso die technischen Maßnahmen im Vordergrund. Die Staubbekämpfung war dabei Maßnahmenschwerpunkt.

Die Kennzahlen zur Anzahl der tödlichen Unfälle absolut sowie die Entwicklung der Unfallkennziffer (UKZ) verdeutlicht, dass die ergriffenen Maßnahmen erste Wirkungen zeigten. So verringerten sich die tödlichen Unfälle von 96 im Jahr 1970 auf 16 im Jahr 1990. Dabei handelte es sich überwiegend um Einzelunfälle, selten waren mehr als eine Person betroffen (Bild 1).

Fig. 1. Trend line for fatal accidents recorded between 1970 and 1990. // Bild 1. Entwicklung tödlicher Unfälle von 1970 bis 1990.

Die Unfallkennziffer sank von 165 Unfällen je 1 Million Arbeitsstunden auf 130 im Jahr 1990 (Bild 2).

Fig. 2. Trends in accident rates for the period 1970 to 1990. // Bild 2. Entwicklung der Unfallkennziffer von 1970 bis 1990.

Im Bergrecht traten Anfang der 1970er Jahre die Bergverordnung für die Steinkohlenbergwerke in Nordrhein-Westfalen (BVOSt) und die Bergverordnung über den arbeitssicherheitlichen und betriebsärztlichen Dienst (BVOASi) in Kraft.

In der BVOSt beschäftigte sich ein ganzer Abschnitt sehr umfangreich und detailliert mit vielen Regelungen zum Arbeitsschutz.

Die BVOASi beschrieb u. a. die Pflichten des Unternehmens zur Einrichtung eines arbeitssicherheitlichen Dienstes mit Vorhalten entsprechender Fachkräfte, deren Anzahl in Abhängig von der Anzahl der Mitarbeiter geregelt war. Ein betriebsärztlicher Dienst hatte Betriebsärzte und Hilfspersonal sowie entsprechende Einrichtungen vorzusehen. Die Anzahl der vorzuhaltenden Betriebsärzte war ebenso genau geregelt.

Gesetzliche und unternehmensinterne Vorgaben führten in dieser Zeit zu einem ausgedehnten Beauftragtenwesen. Insbesondere durch die technische Entwicklung getrieben, waren immer mehr fachkundige Personen mit Sonderaufgaben zu betrauen. Beispiele dafür sind Einschienenhängebahn (EHB)-Beauftragte für den Dieselkatzenbetrieb und EHB-Beauftragte für seilgetriebene EHB, Gurtfördererbeauftragte usw.

Arbeitsschutz betraf und betrifft alle Mitarbeiter. Jeder hatte und hat dabei Verantwortung für sich und andere zu tragen. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde das arbeitssicherheitliche Fortbildungskonzept „ASi-Treppe“ Anfang der 1990er Jahre entwickelt. Mit sechs Bausteinen wurden alle Ebenen des Unternehmens angesprochen, von Baustein 1 „ASi für Mannschaften“ bis Baustein 6 „ASi für Werksleitung und Vorstände“ (Bild 3).

Fig. 3. The six-stage “ASi stair­way” safety training scheme (1990). // Bild 3. 6-stufige ASi-Treppe von 1990.

3.2  Phase 2: 1991 bis 2004

Unter Beteiligung zahlreicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus allen Bereichen und Ebenen der Ruhrkohle AG wurde Anfang der 1990er Jahre „ Ruhrkohle AG. Das Unternehmensleitbild“ entwickelt. Es wird heute noch gern als „Goldbarsch“ bezeichnet. Eine kleine Reminiszenz an den orangefarbenen Einband der Broschüre.

Das sicherheitsbewusste Verhalten aller im Unternehmen sollte verbessert und gefördert werden. Jeder war und ist für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz für sich und die Arbeitsgruppe mitverantwortlich. Sicherheitsgerechtes Verhalten aller Mitarbeiter sollte gefördert und bei Leistungsbewertungen und Beförderungen berücksichtigt werden.

Die eingesetzte Technik und die angewandten Verfahren wurden kontinuierlich weiterentwickelt. Dies traf nicht nur auf den Abbau und die Vorleistung zu. Auch beim Materialtransport und in der Produktenförderung machte die technische Entwicklung große Fortschritte. Beachtung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz waren dabei stets Prüfstein bei der Beschaffung und Einführung neuer Techniken und Verfahren.

In dieser Phase sank die Anzahl der Unfälle mit tödlichen Verletzungen dramatisch. Jedoch ist jeder tödliche Unfall immer noch einer zu viel! Die Anzahl der meldepflichtigen Unfälle nahm ebenfalls weiter ab. Die Unfallkennziffer sank von 130 auf 30 Unfälle je 1 Mio. Arbeitsstunden. Die Entwicklung konnte als Beleg erfolgreicher Sicherheits-arbeit angesehen werden: „Wir sind auf dem richtigen Weg!“

Auch die bergbehördlichen Regelwerke entwickelten sich weiter. Sie trugen dabei sowohl Entwicklungen der europäischen Union zu Arbeits- und Gesundheitsschutz wie auch der Entwicklung im deutschen Steinkohlenbergbau Rechnung.

Im Jahr 1995 trat die Allgemeine Bundesbergverordnung in Kraft. Darin wurde erstmals die Erstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokuments (SGD) für den Unternehmer zur Pflicht.

Anfang der 2000er Jahre wurden BVOSt und BVOASi novelliert. Insbesondere bei der BVOSt war festzustellen, dass die ausführlichen Regelungen zum Arbeitsschutz des Abschnitts 2 deutlich gekürzt wurden und diese sich in neuen Regelwerken, insbesondere zum Gesundheitsschutz wiederfanden.

Im Jahr 1996 trat das Sozialgesetzbuch VII inkraft. Auch hier wurden die Unternehmerpflichten zum Arbeitsschutz beschrieben. Durch § 22 wurde der Sicherheitsbeauftragte in den Betrieben eingeführt. Dabei handelte es sich um ein von Mitarbeitern wahrzunehmendes Ehrenamt.

Technik und Organisation unterlagen einer laufenden Entwicklung, die aber allein nicht mehr ausreichte, um die gesteckten Ziele im Arbeitsschutz nachhaltig zu erreichen. Eine weitere Verbesserung bei Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz ließ sich nur im Handlungsfeld „Mensch“ erzielen. Mit dieser Erkenntnis sollte die Sensibilisierung der Mitarbeiter für die Gefahren und Gesundheitsgefährdungen bei der Arbeit vorangetrieben werden.

Es entstand das Projekt „Gefahrenkenntnis in der betrieblichen Praxis“, mit dem die Mitarbeiter entlang des betrieblichen Unfallgeschehens lernen sollten, Gefahren richtig einzuschätzen: „In welchen Situationen wird die Gefahr subjektiv unter- bzw. überschätzt?“

Die ASi-Treppe „von der Mannschaft bis zum Vorstand“ unterstützte die Sicherheitsarbeit im Betrieb erfolgreich. Nach Erreichen eines hohen Beteiligungsgrads auf allen Ebenen konzentrierte sich die Weiterentwicklung der Fortbildungsmaßnahmen auf die unteren und mittleren Führungsebenen. Diese Führungskräfte haben eine große Nähe zur Mannschaft und haben entscheidenden Einfluss auf das sicherheitliche Verhalten der Mitarbeiter (Bild 4).

Fig. 4. Three-stage model of the “ASi stairway” (early 2000). // Bild 4. Dreistufiges Modell der ASi-Treppe Anfang der 2000er Jahre.

Das interne Kennzahlensystem zur Arbeitssicherheit wurde um die Ausfallkennziffer erweitert. Diese Kennziffer sollte entsprechend der unterschiedlichen Ausfalldauer der Mitarbeiter nach einem Unfall ein Gradmesser für die Schwere der Unfälle sein.

Mit der weiteren Abnahme der meldepflichtigen Unfälle fiel es immer schwerer, aus den Unfallanalysen Rückschlüsse auf Unfallschwerpunkte zu schließen und daraus geeignete Maßnahmen zur Vorbeugung von Arbeitsunfällen abzuleiten. Daher wurde die Analyse des Unfallgeschehens auf die Betrachtung der Verbandbucheintragungen erweitert. Es lag hierbei die Annahme zugrunde, dass jede Verbandsbucheintragung wie ein „Beinahe-Unfall“ zu behandeln ist.

Unternehmensweite Mitarbeiterbefragungen gaben Informationen darüber, wie aus Sicht der Mitarbeiter die Arbeitssicherheit und der Gesundheitsschutz im Unternehmen eingeschätzt wurden. Die Zustimmungswerte lagen hierbei auf sehr hohem Niveau.

Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sind Führungsaufgabe. Daher lag es nahe, diese Führungsverantwortung im Zielsystem der Führungskräfte durch entsprechende Zielgrößen zu berücksichtigen.

3.3 Phase 3: 2005 bis 2013

Allgemein setzte sich in der Wirtschaft die Anwendung verschiedenster Managementsysteme durch: Qualitätsmanagementsystem, Umweltschutzmanagementsystem, Lean Processing und andere. Daher lag es nahe, die zahlreichen Aktivitäten im Arbeitsschutz – zunächst bei der RAG Deutsche Steinkohle AG – entlang der acht Eckpunkte zur Entwicklung und Bewertung von Konzepten für Arbeitsschutzmanagementsysteme zu strukturieren. Diese Eckpunkte wurden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gemeinsam mit Unternehmen, Verbänden, Gewerkschaften und Sozialpartnern entwickelt.

Beispielhaft seien hier genannt:

  • Arbeitsschutzpolitik und -strategie,
  • Verantwortung, Aufgaben, Befugnisse,
  • Einbindung von Sicherheit und Gesundheitsschutz in betriebliche Prozesse und
  • Ergebnisermittlung und -bewertung.

Im Jahr 2011 wurde das Arbeitsschutzmanagement auf die gesamte RAG Aktiengesellschaft ausgeweitet. In dem neu entstandenen „Handbuch für Arbeits- und Gesundheitsschutz“ wurde der zunehmenden Bedeutung des Gesundheitsschutzes Rechnung getragen.

Im Jahr 2005 ereignete sich kein einziger tödlicher Unfall bei der RAG. In den Jahren 2006 bis 2012 ereigneten sich unter Tage noch insgesamt sieben tödliche Unfälle, über Tage kam es zu keinem tödlichen Ereignis mehr. Seit dem Jahr 2013 haben sich bei der RAG keine tödlichen Arbeitsunfälle mehr ereignet.

Die Unfallkennziffer sank kontinuierlich. Die aktive Beteiligung der Mitarbeiter an der Prozessgestaltung und damit auch an der Sicherheitsarbeit im Betrieb zahlte sich spürbar aus.

Mit der Entwicklung geeigneter IT-Anwendungen am Markt ergab sich die Möglichkeit, die bis dahin in Papierform erstellten Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente digital zu erstellen und zu archivieren. Mit einer zentralen Datenbank bestand die Möglichkeit, gewisse Standards bei der Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen zu entwickeln. Mit diesem benutzerfreundlichen System konnten die verantwortlichen Personen im betrieblichen Alltag bei der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Pflichten besser unterstützt werden. Eine Vielzahl von Funktionalitäten, wie z. B. die Verfolgung zahlreicher Fristen, erleichterte dabei die Arbeit.

3.4  Phase 4: ab 2014

Keine Unfälle, keine Gesundheitsschäden, keine Umweltschäden – das sind die Ziele im Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz, welche die Mitarbeiter der RAG heute leiten. Heute können wir zur Arbeitsschutzpolitik sagen: „Arbeitssicherheit steht vor Produktion. Mit Arbeitssicherheit wird wirtschaftliches Handeln erst möglich!“

Die Kennzahlen sprechen für sich. Beharrliches Arbeiten im Arbeitsschutz, Einsatz optimaler Technik und Verfahren, eine gute Organisation und schließlich – als Schlüssel des Erfolgs – die Beteiligung aller Mitarbeiter an der Prozessgestaltung und ihre Einbindung in den Arbeitsschutz führten zu diesen bemerkenswerten Ergebnissen.

Damit am Ende des aktiven Steinkohlenbergbaus und darüber hinaus in der Nachfolgegesellschaft alle Mitarbeiter unversehrt und gesund sind und bleiben, wurde im Jahr 2016 mit der Kampagne „Sicherheit! Denk daran, bevor Du loslegst!“ noch einmal bewusst die Belegschaft der RAG angesprochen und für die hohe Bedeutung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Unternehmen sensibilisiert.

Bild 5 zeigt das Motto der Kampagne. Die ersten fünf Farben stehen dabei für einen Unfallschwerpunkt im Unternehmen. Das Ausrufezeichen mit der orangenen Farbe steht stellvertretend für das betriebliche Gesundheitsmanagement.

Fig. 5. “SAFETY! – think safe before you start”: slogan for the post-2015 workplace safety campaign. // Bild 5. Motto der Arbeitssicherheitskampagne ab 2015.

4  Gesundheitsmanagement und Arbeitsmedizin

4.1  Phase 1: 1969 bis 1998

Die arbeitsmedizinische Versorgung war schon seit den 1950er Jahren gängige Praxis im Steinkohlenbergbau und damit schon deutlich über dem Standard der meisten Wirtschaftsbetriebe jener Zeit. Zur medizinischen Vorsorge gehörten Einstellungs- und Nachuntersuchungen. Mit diesen Untersuchungen sollten möglichst früh Anzeichen gesundheitlicher Beeinträchtigungen erkannt und diesen entgegengewirkt werden. Vorrangig galt es, die Bekämpfung berufsbedingter Krankheiten zu unterstützen. Mit Einführung der Gesundheitsschutz-Bergverordnung kamen die sogenannten nachgehenden Untersuchungen hinzu. Damit wurde ein zusätzlicher Beitrag zur Nachsorge ehemals Beschäftigter im Bergbau etabliert.

Durch Kooperation mit den Ingenieuren im Betrieb und insbesondere im Arbeitsschutz sowie durch intensive arbeitsmedizinische Forschung leistete die Arbeitsmedizin einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei der Arbeit. Technische und organisatorische Maßnahmen führten Anfang der 1980er Jahre dazu, dass Silikose bei aktiven Bergleuten nicht mehr festgestellt wurde.

Die arbeitsmedizinische Forschung begleitete den Gesundheitsschutz seit den 1960er Jahren. Viele Forschungsarbeiten und Projekte beschäftigten sich mit der Bekämpfung der typischen Bergmannskrankheiten, später auch mit den neueren Herausforderungen.

Beispielhaft seien einige Beispiele aufgezählt:

  • Arbeit zur Bronchitis der Steinkohlenbergleute, die zur Anerkennung als Berufskrankheit führte und heute als BK 4111 bekannt ist,
  • die Krebsstudie Saar,
  • Arbeiten zur Bergarbeiter Pneumokinose und
  • Arbeiten zu heißem Klima unter Tage.

Mit entsprechenden Regelwerken reagierte der Gesetzgeber im Gesundheitsschutz auf die ständigen Veränderungen im Steinkohlenbergbau. Im Jahr 1983 wurde die Bergverordnung zum Schutz der Gesundheit gegen Klimaeinwirkungen (KlimaBergV) erlassen. Im Jahr 1991 trat die Bergverordnung zum gesundheitlichen Schutz der Beschäftigten (GesBergV) in Kraft. Darin wurde zum einen die arbeitsmedizinische Vorsorge geregelt, des Weiteren enthielt sie besondere Bestimmungen für den untertägigen Steinkohlenbergbau. Hierbei stand die Belastung mit fibrogenen Stäuben im Mittelpunkt.

4.2  Phase 2: 1999 bis 2008

Mitte der 1970er Jahre kam vermehrt der Präventionsgedanke im Arbeitsschutz auf. Dabei galt es, Gefährdungen und gesundheitliche Beeinträchtigungen bei der Arbeit gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Neben der Sicherheitsarbeit im Betrieb und der Arbeitsmedizin öffnete sich ein neues Handlungsfeld. Dieses Handlungsfeld richtete sich noch gezielter und individueller an die einzelnen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Belegschaftsbetreuung wurde Ende 1999 im Rahmen einer Gesamtbetriebsvereinbarung bei der RAG Deutsche Steinkohle eingeführt. Im Jahr 2007 folgte eine Vereinbarung zum „Betrieblichen Eingliederungsmanagement“.

Muskel- und Skeletterkrankungen stellten nach Statistiken der Krankenkasse die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeiten dar. Im Pilotprojekt „Aktiv gegen Rückenbeschwerden“ gab es erste Angebote, das richtige Verhalten beim Heben und Bewegen von Lasten zu erlernen. In den ersten „Rückenschulen“ erhielten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit, ihren Muskel-Skelettapparat gezielt zu trainieren. Dies war die Geburtsstunde der betrieblichen Gesundheitsförderung bei der RAG Deutsche Steinkohle.

Im Jahr 2009 schließlich kam es zur Einführung eines ganzheitlich orientierten „Betrieblichen Gesundheitsmanagement“ (BGM) bei der RAG. Bild 6 zeigt die strategische Ausrichtung des BGM als sogenanntes Tempelmodell mit den drei Säulen Prävention, Rehabilitation und Integration. Die betriebliche Gesundheitsförderung mit ihren zunehmenden Angeboten wurde auf den gesamten Konzern ausgeweitet.

Fig. 6. Corporate health management – the temple model. // Bild 6. Betriebliches Gesundheitsmanagement als Tempelmodell.

5  Beispiele für technische Maßnahmen zur Staubbekämpfung

Wie bereits mehrfach erwähnt, zählte die Bekämpfung von Stein- und Kohlenstaub zu den wichtigsten Handlungsfeldern in der Arbeitssicherheit und im Gesundheitsschutz in der gesamten Unternehmensgeschichte der RAG, aber auch schon weit davor. Daher werden im Folgenden kurz und plakativ einige ausgewählte technische Maßnahmen vorgestellt, ohne näher auf sie einzugehen.

Zu den klassischen Maßnahmen im Abbau zählt das Tränken der Kohle mit Wasser. Dies fand sowohl aus dem Strebraum heraus wie auch aus den Abbaubegleitstrecken statt.

Staub bereits bei der Entstehung zu binden, war vorrangiges Ziel. Bedüsungen an den Walzentrommeln der Walzenlader, Hobelgassenbedüsung beim Einsatz von Hobeln und Bedüsungssysteme im Schildausbau sind lange bekannt und eingesetzt. Bild 7 zeigt die Bedüsungseinrichtung an einem Walzenlader.

Fig. 7. Dust suppression provided by spray jets on the shearer drum. // Bild 7. Staubbekämpfung mit Bedüsung der Schneidwalzen.

Im Streckenvortrieb sind Schneidkopfbedüsungen an den Vortriebsmaschinen seit Jahren Standard. Die Staubbindung durch Bedüsungseinrichtungen im Schlagwalzenbrecher sowie an allen Übergabestellen in der Produktenförderung ist gängiges Verfahren. Staubabsaugeinrichtungen mit entsprechender Filtertechnik gehören als integraler Bestandteil zur Bewetterungseinrichtung des Vortriebssystems, insbesondere in Teilschnittmaschinenvortrieben.

In wettertechnisch schwierigen Bereichen – dort wo hohe Wettergeschwindigkeiten herrschten – wurden Abschnitte von Bandanlagen mit einer Haube versehen und so eingehaust. An neuralgischen Punkten erfolgte zusätzlich die Unterbindung der Staubentwicklung durch Absaugeinrichtungen, häufig an Bandübergaben oder Einläufen in Bunkeranlagen. Im Streckenvortrieb wurde die Staubentwicklung bereits bei der Entstehung während der Bohrarbeit durch Einsatz von Nassbohrverfahren erfolgreich unterbunden.

6  Zusammenfassung

Die Gesundheit eines Menschen ist das höchste Gut. Diese gilt es zu schützen. Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz hatten und haben bei der Ruhrkohle AG und ihren Rechtsnachfolgern immer einen hohen Stellenwert. Die Unternehmenspolitik in all ihren Ausprägungen hat dies stets deutlich zum Ausdruck gebracht.

Ungezählte Maßnahmen in den letzten fast 50 Jahren der Unternehmensgeschichte haben zu einer beispiellosen Entwicklung beigetragen:

  • Von 94 tödlichen Unfällen im Jahr 1970 auf null seit dem Jahr 2013 bis heute,
  • Von einer Unfallkennziffer von 165 Unfällen je 1 Mio. Arbeitsstunden auf heute 2,5,
  • Neuerkrankungen der Mitarbeiter unter Tage durch Silikose gibt es seit Anfang der 1980er Jahre nicht mehr.

Der Einsatz modernster Technik, optimaler Verfahren und Abläufe sowie die direkte Beteiligung aller Mitarbeiter waren und sind der Schlüssel zum Erfolg.

Dieser Beitrag soll mit zwei aktuellen, aber immer zeitlosen Botschaften schließen: „Sicherheit! – Denk daran, bevor Du loslegst!“ und „100 % Kumpel – bis zuletzt!“

Autor: Dipl.-Ing. Theodor Schopmann, Bereichsleiter Servicebereich Belegschaft BBS Arbeits-, Gesundheits-, Umweltschutz, RAG Aktiengesellschaft, Essen
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