Bedeutsame altbergbauliche Infrastruktur im Oberharz

Fig. 1. Overview of the drainage adit Ernst-August-Stollen and the associated mines (1). // Bild 1. Übersicht zum Verlauf des Ernst-August-Stollens und der angeschlossenen Gruben (1).
Ein besonderes Bauwerk des Oberharzer Bergbaus ist der Ernst-August-Stollen, der eine Schlüsselrolle in der Wasserwirtschaft und im Transport spielte. Der 1864 zwischen dem Mundloch bei Gittelde (189,5 m NHN) und den Gruben des Clausthaler Reviers zum Durchschlag gelangte Ernst-August-Stollen, der später über Bockswiese bis nach Lautenthal verlängert wurde, ist der bedeutendste und tiefste Wasserlösungsstollen des Harzes. Seine Gesamtstrecke beträgt in etwa 40,2 km (Bild 1). Die Hauptstollenörter weisen einen annähernd gleichen Querschnitt von 4,23 m2 auf; mit einer Höhe von 2,52 m und einer Breite von 1,68 m. Das Gefälle beträgt konstant 1 m auf 1.580 m Stollenlänge.
Der Stollen verläuft vom Mundloch in Gittelde (189,5 m NHN) zunächst querschlägig durch das vom Quartär überlagerte und aus flach liegenden permischen Schichten bestehende Deckgebirge, das zum Harz hin langsam ansteigt. Etwa am Fahlenberger Lichtschacht, 800 m vom Mundloch entfernt, wird das aus kulmischen Grauwacken- und Tonschiefern bestehende, variszisch gefaltete Grundgebirge erreicht. 2.591 m vom Mundloch entfernt, am ehemaligen Hilfe Gottes Schacht des späteren Erzbergwerks Grund (197 m NHN) wird der Silbernaaler Gangzug erreicht. Diesem Gangzug im Liegenden nach Osten folgend, verläuft der Ernst-August-Stollen bis etwa unter das Innerstetal.
Das querschlägig nach Nordosten gerichtete Wildemanner Flügelort bildet die Verbindung zum Blindschacht Ernst-August in Wildemann. Das Hauptstollenort folgt von dort dem Zellerfelder Hauptzug nach Südosten und geht in die söhlig aufgefahrene „Tiefe Wasserstrecke“ über. Diese erstreckt sich entlang des Burgstätter Gangzugs zum Kaiser Wilhelm II-Schacht und weiter bis zum ehemaligen Caroliner Schacht östlich von Clausthal. Hier bringt der Ernst-August-Stollen seine maximale Tiefe von 392 m (NHN) ein. Am ehemaligen St. Lorenzer Schacht in Clausthal zweigt ein Flügelort westwärts zum Rosenhöfer Revier ab, woran die Schächte Thurm-Rosenhof, Silbersegen und Ottiliae angeschlossen sind. Vom Schreibfeder Schacht bei Zellerfeld aus führt ein 1871 vollendetes Flügelort nordwärts nach Bockswiese zur Grube Herzog August und Johann Friedrich. Bis 1892 entstand von hier aus eine Verbindung nach Nordwesten bis zu den Gruben auf dem Lautenthaler Gangzug. In diesem Bereich erfolgten zwischen 1945 und 1957 die letzten bergmännischen Arbeiten auf der Ernst-August-Stollensohle. Vom Neuen Förderschacht der Grube Lautenthalsglück aus wurde eine mehr als 3 km lange Untersuchungsstrecke nach Westen getrieben. Die hier im Bereich des Bromberger Erzmittels vorhandenen frischen Aufschlüsse von Gangvererzungen – vorwiegend Zinkblende – sind die letzten ihrer Art im gesamten Oberharz. Nach der Einstellung des Bergbaus in Clausthal 1930 wurden zur weiteren Nutzung der Betriebswässer des Teich- und Grabensystems im Kaiser Wilhelm II-Schacht und später auch im Ottiliae-Schacht auf der Ernst-August-Stollensohle Kraftwerke betrieben, die den Stollen als Abfallrösche nutzten. Im Jahr 1980 endete der Betrieb der Clausthaler Grubenkraftwerke. Eine aktive Unterhaltung des Stollens erfolgte weiterhin bis zum Erzbergwerk Grund durch die Preussag AG Metall, wo am Achenbachschacht ebenfalls ein Kraftwerk in Betrieb war. Als im Jahre 1992 auch das Erzbergwerk Grund stillgelegt wurde und das dortige Grubenkraftwerk seinen Betrieb einstellte, wurde nach Abschluss der Verwahrungsarbeiten auch der letzte Stollenabschnitt zwischen dem Mundloch und dem Wiemannsbuchtschacht aufgegeben.
Heute ist der Ernst-August-Stollen Teil des als „Bergwerk Rammelsberg, Altstadt von Goslar und Oberharzer Wasserwirtschaft“ bezeichneten Harzer UNESCO-Weltkulturerbes. Das Welterbeelement ist heute noch von wesentlicher wasserwirtschaftlicher Relevanz für den Oberharz, da der Stollen weiterhin den gesamten durchschlägigen Oberharzer Altbergbau entwässert. Die am Stollenmundloch in Gittelde austretenden Grubenwässer werden in den nahegelegenen Vorfluter Markau geleitet, der über die Söse, Rhume, Leine, Aller und Weser in die Nordsee fließt.
Aktueller Zustand des Ernst-August-Stollens und der Grubengebäude im Oberharz

Fig. 2. Schematic cross-section of the mine workings in Bad Grund and Clausthal (highly exaggerated). // Bild 2. Schematischer Seigerriss der Grubengebäude in Bad Grund und Clausthal (stark überhöht). Source/Quelle: TUC
Mit der Einstellung der bergbaulichen Aktivitäten wurde auch die Wasserhaltung eingestellt, und die Grubengebäude des Oberharzes wurden kontrolliert geflutet. Heute sind die Grubengebäude unterhalb des Ernst-August-Stollenniveaus vollständig geflutet (Bild 2). Die Abflussmenge am Mundloch in Gittelde ist stark von den Niederschlagsverhältnissen im Oberharz abhängig und liegt bei etwa 160 l/s. Aktuelle kontinuierliche Abflussmessungen stehen derzeit noch aus. Der Überlaufpunk des gefluteten Grubengebäudes des Bergwerks Grund befindet sich am Achenbachschacht. Hier wurde daher ein Ölabscheider errichtet, um mögliche wassergefährdende Elemente zurückzuhalten. Die zentrale Entwässerung des Zellerfelder und Clausthaler Reviers befindet sich am Neuen Johanneser Schacht.
Die früher zu Revisionszwecken nutzbaren Zugänge (Achenbachschacht, Knesebeckschacht, Wiemannsbuchtschacht, Neuer Johanneser Schacht, Kaiser Wilheln II-Schacht und Ottiliaeschacht) wurden inzwischen mit Betonplomben verwahrt. Außer dem Stollenmundloch in Gittelde stellt heute nur noch der im Bergbaumuseum Lautenthalsglück befindliche Neue Förderschacht einen direkten Zugang zum Ernst-August-Stollen dar. Indirekt besteht theoretisch eine Zugangsmöglichkeit durch einige Clausthaler Schächte vom Tiefen-Georg-Stollen aus.
Für die Gefahrenabwehr und Sanierung ist im Bereich des Oberharzer Altbergbaus das Niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) zuständig. Für erste Untersuchungen und Erkundungen des gegenwärtigen Zustands des Ernst-August-Stollens wurde vom LBEG die UNDERyourfeet − Ingenieurgesellschaft für Geotechnik mbH beauftragt. Informationen zur Geometrie des Stollens und der angeschlossenen Grubensysteme liegen in Form eines umfassenden historischen Risswerks vor. Der aktuelle Zustand der ersten 5 km des Stollens vom Stollenmundloch in Gittelde bis zum Knesebeck-Schacht ist sehr gut bekannt und befindet sich in einem sehr guten Erhaltungszustand. Vom Mundloch bis zum Erreichen des standfesten Zechsteinkalks ist der Stollen auf 1.050 m Länge komplett mit einer gewölbeförmigen Ausmauerung aus quaderförmig behauenen Dolomitsteinen versehen. Überall dort, wo das Gebirge gestört ist oder wo unter leichtem Gebirgsdruck Tonschiefer oder Grauwackeschichten zur schalenförmigen Ablösung neigen, wurde Ausbau eingebracht. Neben Grauwacke-Bruchsteinen fanden hierzu östlich vom Achenbachschacht vorwiegend Schlackensteine Verwendung. Mit einer gewölbeförmigen Schlackensteinmauerung wurden auf diese Weise verschiedene Bereiche des Ernst-August-Stollens langfristig haltbar ausgebaut. In den 1960er Jahren wurde 560 m vom Mundloch entfernt bis zum Schacht Achenbach eine parallele Umbruchstrecke aufgefahren, da eine langfristige Standsicherheit nicht mehr gewährleistet erschien. Später wurden Teile dieses Stollenbereichs mit Spritzbeton gesichert (Bild 3). Der aktuelle Zustand des Stollens weiter nach Osten ist nicht ausreichend bekannt, um Aussagen über den hydraulischen Anschluss des Stollens an die umliegenden Stollen und Grubensysteme sowie dessen vollständige Standsicherheit zu treffen.

Fig. 3. Different types of lining in the Ernst August adit. Top left: a section lined with dolomite stone in the area of the portal; bottom left: wall made of slag stones to the east of the Achenbach shaft; top right: backfilled steel arch support on an extension to a drift; bottom right: area of the drift section secured with shotcrete. // Bild 3. Verschiedene Ausbauarten im Ernst-August-Stollen. Links oben: in Mauerung aus Dolomitsteinen gesetzter Abschnitt im Mundlochbereich; links unten: Mauerung aus Schlackensteinen östlich vom Achenbachschacht; rechts oben: hinterfüllter Stahlbogenausbau auf einem Auslängen auf einen Gangtrum; rechts unten: mit Spritzbeton gesicherter Bereich der Umbruchstrecke. Photos/Fotos: Matthias Bock, Klaus Stedingk
Aktuelle Forschungsprojekte zur Erkundung von (alt-)bergbaulicher Infrastruktur
Aufgrund der schwierigen Zugänglichkeit und aufwendigen Probenahmebedingungen gibt es nur wenige Daten zur Wasserqualität der Wasserlösungsstollen im Oberharz. Aktuelle Untersuchungen der Harzwasserwerke im Jahr 2016, der Technischen Universität Clausthal (TUC), Clausthal-Zellerfeld, im Jahr 2020 und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Jahr 2023 konzentrierten sich vorwiegend auf den vorderen, etwa 5 km langen Stollenabschnitt vom Mundloch bis zum ehemaligen Erzbergwerk Grund. Informationen zur Geometrie der Stollen und Grubensysteme liegen in Form von teilweise digitalisierten Risswerken vor, jedoch ist der aktuelle Zustand der Hohlräume nicht ausreichend bekannt, um Aussagen über den hydraulischen Anschluss der Stollen und Gruben untereinander sowie deren Standsicherheit zu treffen. Dies ist jedoch notwendig, um das Systemverhalten bei einer potentiellen Nachnutzung zu verstehen.
Daher müssen mithilfe von modernsten Messtechnologien sowohl räumliche als auch qualitative Untersuchungen der Stollen- und Grubensysteme erfolgen. Für die räumliche Erkundung der Stollensysteme ist der Einsatz mobiler Messtechnik erforderlich, während für die Untersuchung der gefluteten Gruben tauchende Messtechnik eingesetzt werden muss. Beide Messtechniken stehen vor der Herausforderung, sich an die anspruchsvollen Umgebungsbedingungen im Untertagebereich anpassen zu müssen.
Anwendungen des Laserscannings zur Modellierung des Altbergbaus im Harz
Im Bereich des Altbergbaus finden Laserscanner bislang nur begrenzt Anwendung, da die Dokumentation derzeit vorwiegend durch die Methode der Structure from Motion, einer Technik der Photogrammetrie, erfolgt. Von Roos und Paffenholz (2) am Institute of Geo-Engineering (IGE) der TUC wurde deshalb die Erfassung und Modellierung von Laserscanner-basierten 3D-Punktwolken im Harzer Altbergbau untersucht. In Zusammenarbeit mit dem Lehrbergwerk Roter Bär und dem Weltkulturerbe Rammelsberg wurden dafür verschiedene Aufnahmeorte ausgewählt. Für die untertägigen Aufnahmen kam der terrestrische Laserscanner Zoller+Fröhlich (Z+F) IMAGER 5016 zum Einsatz. Bild 4 zeigt den Workflow von der Erfassung der 3D-Punktwolke über die (Vor-)Verarbeitung der erfassten Daten bis hin zur Ableitung eines colorierten und vermaschten 3D-Modells auf.

Fig. 4. Workflow for capturing, preparing and processing the 3D point cloud into a colored, meshed 3D model, specifying the software used. Modified according to (2). // Bild 4. Workflow zur Erfassung, Aufbereitung und Verarbeitung der 3D Punktwolke hin zu einem colorierten, vermaschten 3D-Modell unter Angabe der verwendeten Software. Verändert nach (2).
Die besonderen Herausforderungen durch den untertägigen Einsatz gerade im Altbergbau werden in Tabelle 1 adressiert.

Table 1. Challenges and customised solutions when using laser scanners in historic mines. // Tabelle 1. Herausforderungen und individuelle Lösungen beim Einsatz des Laserscanners im Altbergbau. Source/Quelle: IGE
Nach der Datenerfassung wurden die 3D-Punktwolken coloriert und vermascht. Die vermaschten 3D-Modelle wurden visuell ausgewertet und deren Eignung für großflächige Anwendungen überprüft, wie in Bild 5 für eine colorierte 3D-Punktwolke der Radstube im Wennsglückt St. Andreasberg dargestellt.

Fig. 5. 3D model of the wheel pit in Wennsglückt, St. Andreasberg, derived from 3D point clouds captured with the Z+F IMAGER 5016. The areas marked in red clearly show the supports of the former artificial wheel and the water inlets (2). // Bild 5. 3D-Modell der Radstube im Wennsglückt, St. Andreasberg, abgeleitet aus mit dem Z+F IMAGER 5016 erfassten 3D-Punktwolken. Die rot markierten Bereiche zeigen deutlich die Auflager des ehemaligen Kunstrads sowie der Wasserzuläufe (2).
Anschließend wurden die Laserscanner-basierten 3D-Modelle mit den Modellen der Photogrammetrie verglichen, um die Vor- und Nachteile beider Methoden im Altbergbau aufzuzeigen. Dabei zeigte sich, dass terrestrische Laserscanner gut für den Einsatz in untertägigen Hohlräumen geeignet sind. Die Methode wurde für verschiedene Anwendungen getestet, darunter montanarchäologische Dokumentation, geologische Bestimmung, Monitoring, Vermessung und virtuelle Besichtigungstouren. Zunächst wurde eine hohe Anzahl an Standpunkten verwendet, um zu ermitteln, wie viele nötig sind, um einen hohen Detailgrad zu erreichen. Eine geringere Anzahl an Standpunkten kann die Erfassungszeit deutlich reduzieren. Weiterhin erlaubt der Einsatz von mobilen Multi-Sensor-Systemen, die eine Datenerfassung während der Bewegung erlauben, eine deutliche Effizienzsteigerung, wobei die beengten Verhältnisse im Altbergbau zu berücksichtigen sind. Einen ersten Eindruck einer 3D-Punktwolke, die mit einem mobilen, personengetragenen System erfasst wurde, zeigt Bild 6 (links) für das Kraftwerk im Ernst-August-Stollen. Zur Erfassung wurde der Z+F FlexScan22 eingesetzt, der einen Z+F IMAGER 5016 zur Aufnahme der 3D-Punktwolke verwendet (Bild 6 rechts).

Fig. 6. Left: 3D point cloud of the power plant in the Ernst August gallery. Right: Acquisition with the Z+F FlexScan 22, a person-carrying multi-sensor platform that uses the Z+F IMAGER 5016 for acquisition. // Bild 6. Links: 3D-Punktwolke des Kraftwerks im Ernst-August-Stollen. Rechts: Erfassung mit dem Z+F FlexScan 22, einer personengetragenen Multi-Sensor-Plattform, die zur Erfassung den Z+F IMAGER 5016 nutzt. Source/Quelle: IGE
In Tabelle 2 sind die empfohlenen Mindesteinstellungen für den Z+F IMAGER 5016 bei untertägigen Aufnahmen im klassischen statischen Ansatz zusammengefasst, die sich im Oberharzer Altbergbau bewährt haben.

Table 2. Recommended minimum settings for the Z+F IMAGER 5016 in underground use (2). // Tabelle 2. Empfohlene Mindesteinstellungen für den Z+F IMAGER 5016 im Einsatz unter Tage (2).
Bei vielen Ausbauten oder Objekten im Grubenraum sollte die Qualität „High Quality“ gewählt werden, um die Aufnahme von Mixed Pixels zu verringern. Ein Verfahren zum Verarbeiten und Zusammenfügen der 3D-Punktwolken wurde ebenfalls entwickelt. Mithilfe der Cloud-to-cloud (C2C)-Funktion in CloudCompare kann ein 3D-Modell mit hoher Punktdichte ohne Punkt-Dopplung erstellt werden, was ein sehr detailreiches Modell mit geringem Aufwand und in kurzer Zeit ermöglicht. Die Nachkolorierung von Laserscanner-basierten 3D-Punktwolken mit hochauflösenden digitalen Bildern aus der Photogrammetrie für ausgewählte Bereiche mit hohem montanhistorischem Wert ist Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten am Institute of Geo-Engineering (IGE).
Entwicklung von schwimmenden und tauchenden Multi-Sensor-Systemen
Der Einsatz von autonomen Systemen, Robotern und intelligenten Lösungsansätzen zur Prognostizierung und Überwachung von Wasserqualitätsparametern im Bergbau sind derzeit Gegenstand der Forschung. Von 2017 bis 2020 forschte die institutsübergreifende ESF-Nachwuchsforschergruppe ARIDuA (Autonome Roboter und Internet der Dinge in untertägigen Anlagen) an der TU Bergakademie Freiberg zum Einsatz mobiler Roboter und temporärer Sensornetzwerke sowie Datenkommunikationsinfrastrukturen im untertägigen Bereich. Das Institute for Advanced Mining Technologies (AMT) der RWTH Aachen University entwickelt robuste, autonome Systeme und smarte sensorbasierte Anwendungen zur Navigation, Objekterkennung und Prozessoptimierung im modernen Bergbau. Speziell für Untertagebergwerke entwickelte Unterwasserkameras werden bereits zur Erkundung von Schächten in gefluteten Bergwerken eingesetzt (3). Der Roboter Robotic Explorer (UX-1) wurde speziell für autonome 3D-Kartierungen von gefluteten Bergwerken entwickelt (4, 5). Die größten Herausforderungen umfassen die Kommunikation und Navigation sowie das sichere Bergen der Technik.
Die meisten Forschungsprojekte im Bereich der Erkundung von gefluteten Bergwerken fokussieren die Entwicklung eines hochkomplexen Tauchroboters, der mit verschiedenen Sensoren ausgestattet ist, um Daten zur Wasserqualität, geologischen Strukturen und Umweltbedingungen zu sammeln. Der Verlust eines solchen Tauchroboters durch mögliche Komplikationen während des Tauchgangs kann nicht nur die gesamte Erkundung gefährden, sondern auch zu erheblichen finanziellen Einbußen führen. Aus dem Forschungsprojekt UNEXMIN ist das Start-up UNEX-UP hervorgegangen, welches mit verschiedenen Robotern Erkundungsdienstleistungen anbietet. Hier werden hochspezialisierte Roboter eingesetzt mit dem bestehenden Verlustrisiko und ohne dass die Technologie langfristig am Standort für ein zielgerichtetes oder flexibles Monitoring nach Bedarf eingesetzt werden kann. Da jedes Bergwerk einzigartig ist, müssen die Tauchroboter an die spezifischen Umgebungsbedingungen oder Fragestellungen angepasst werden. Um die Reinvestitionskosten zu minimieren, könnte die Entwicklung eines modularen oder schwarmbasierten Systems helfen. Im Rahmen eines Pilotprojekts wird am Institut für Bergbau (IBB) der TUC in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Unterwasserrobotik des Fraunhofer IOSB-AST und der RAG Aktiengesellschaft erstmalig ein modulares Tauchrobotersystem an einem Probestandort eingebracht. Der Fokus des Projekts liegt auf dem sicheren Ein- und Ausbringen der Technologie.
Ein künftiges Verbundprojekt der TUC, der TU Braunschweig und der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften fokussiert die Erkundung des Ernst-August-Stollens. Entwickelt wird eine schwimmende Multi-Sensor-Plattform, welche in der Lage sein soll, entlang der ersten 5 km der Hauptstollenstrecke sowohl räumliche als auch wasserqualitative Messungen durchzuführen. Bei der Erfassung von z. T. mit Wasser gefüllten Hohlräumen besteht das Problem der Reflektion und die fehlende Möglichkeit, mit der Vielzahl von Laserscannern mit einer Wellenlänge im nahen Infrarot unter die Wasseroberfläche zu scannen. Daher soll in dem Vorhaben ein speziell auf den Wasserbereich zugeschnittener Laserscanner, entwickelt vom Fraunhofer IPM, Abteilung Objekt- und Formerfassung, eingesetzt werden, um die Kombination aus Über- und Unterwasseraufnahmen der schwimmenden Multi-Sensor-Plattform zu ermöglichen.
Gleichzeitig soll ein stationäres Monitoring-Netzwerk innerhalb des Stollens etabliert werden, welches durch virtuelle Künstliche Intelligenz (KI)-Sensoren unterstützt wird. Stationäre, physische Wassersensoren sind anfällig für Ablagerungen durch beispielsweise Eisenausfällungen auf den Sensoroberflächen und müssen in regelmäßigen Abständen gereinigt werden. Eine Optimierung der Sensortechnik für dieses Anwendungsgebiet sowie die Unterstützung durch virtuelle Sensorik kann hier den Wartungsaufwand reduzieren. Das Ziel der qualitativen Messtechnik ist ein dauerhaftes Monitoringkonzept für das wasserwirtschaftlich relevante Welterbeelement. Die aus dem Projekt gewonnenen Erkenntnisse und Methoden können in Folgeprojekten auf weitere Stollensysteme ausgeweitet und für eine Potentialanalyse der Nutzbarmachung der Hohlräumstrukturen genutzt werden.
Bisherige Nachnutzungsstrategien im Oberharz und Forschungsbedarf
Die kulturelle Nachnutzung ist die im Oberharz am weitesten verbreitete Nutzungsperspektive für die altbergbaulichen Anlagen. Zahlreiche Bergwerksmuseen und Besucherbergwerke veranschaulichen die reiche Bergbaugeschichte der Region und machen sie für Einheimische und Touristen erlebbar. Weitere Nachnutzungsmöglichkeiten der altbergbaulichen Infrastruktur, insbesondere die Integration in das lokale Wasser- und Energieversorgungsnetz, könnten einen zusätzlichen Mehrwert für die Region schaffen. Entlang des Ernst-August-Stollens gibt es zahlreiche potentielle Endabnehmer für die Nutzungsmöglichkeiten der altbergbaulichen Infrastruktur, darunter lokale Gemeinden, industrielle Betriebe sowie Wasser- und Energieversorger. Benötigt werden jedoch umfassende Studien zum aktuellen Zustand der Infrastruktur und zur Wasserqualität. Denkbar wäre die Integration von Mikrowasserkraftanlagen, denn am Stollenmundloch in Gittelde stehen etwa bis zu 160 l/s Wasser zur Verfügung. Allerdings weist der Stollen ein geringes Gefälle von nur 1:1.500 auf. Das Aufstauen des Wassers entlang der Stollenstrecke, um das hydraulische Potential zu erhöhen, ist riskant, da die Primärfunktion der Wasserlösung nicht beeinträchtigt werden darf. Daher müsste bei der Implementierung einer Wasserkraftanlage ein seitlicher Entlastungskanal eingerichtet werden. Bauliche Maßnahmen am Stollen stehen zudem in Konflikt mit dem Erhalt des Welterbecharakters. Eine detaillierte Studie sollte durchgeführt werden, um zu analysieren, wie eine Nachnutzung zur Stromerzeugung erfolgreich in das Weltkulturerbe integriert werden kann.

Fig. 7. Results of the field parameters at the portal in Gittelde (7). // Bild 7. Ergebnisse der Feldparameter am Stollen-Mundloch in Gittelde (7).
Eine weitere Möglichkeit zur Unterstützung der lokalen Energieversorgung kann die Nutzung des geothermischen Potentials der gefluteten Grubenhohlräume darstellen. Die von der Anlage bereitgestellte Wärmemenge kann den Bedarf einzelner Gebäude, wie z. B. Museen oder Universitätseinrichtungen, decken (6). Das Wasser, das am Stollenmundloch in Gittelde austritt, zeigt nahezu ganzjährig eine Temperatur von 11 bis 12 °C (Bild 7). Bei Betrachtung der tieferen gefluteten Grubenräume und unter Annahme eines Temperaturanstiegs von 3 °C pro 100 m Teufe, kann beispielsweise für den Achenbachschacht eine Temperatur von ca. 27 °C auf dem Niveau der 19. Sohle abgeschätzt werden. Der Maschinenraum des Achenbachschachts bietet zudem ausreichend Platz für die erforderlichen technischen Anlagen. Weitere Standorte entlang der Stollenstrecke könnten ebenfalls geothermisches Potential aufweisen mit entsprechenden Endabnehmern. Eine große Hürde stellt jedoch die schwere Zugänglichkeit dar, da alle Schächte verwahrt sind. Um das geothermische Potential zu erkunden und anschließend nutzbar zu machen, müssten Bohrungen erfolgen und zudem das lokale Energieversorgungsnetz angepasst werden. Außerdem müsste eine umfangreiche Messkampagne zur Wasserqualität durchgeführt werden, um Beeinträchtigungen durch Floulingprozesse abzuschätzen. Dennoch könnte die geothermische Nutzung des Grubenwassers im Oberharz nicht nur eine nachhaltige Energieversorgung für eine Vielzahl von Endabnehmern darstellen, sondern auch maßgeblich zur Reduzierung der CO2-Emissionen der Region beitragen, was wiederrum den Aufwand der Implementierung langfristig aufwiegen würde.
Bereits untersucht wurde 2011 in einem Verbundprojekt des Energie-Forschungszentrums Niedersachsen (EFZN) in Goslar die Nutzung der altbergbaulichen Infrastruktur für die Speicherung von Energie in Form von untertägigen Pumpspeicherkraftwerken (8). Innerhalb der Studie wurde das Erzbergwerk Bad Grund beispielhaft betrachtet. Es hat sich jedoch gezeigt, dass alte Bergwerke nicht mehr uneingeschränkt nutzbar für den Bau eines modernen Pumpspeicherwerks sind, da die altbergbauliche Infrastruktur nicht den Sicherheits- und Stabilitätsanforderungen entspricht und daher umfangreiche Aufwältigungsarbeiten durchgeführt werden müssten (9).
In der Vergangenheit wurde das in die Markau eingeleitete Grubenwasser des Ernst-August-Stollens als Betriebs- und Brauchwasser der Firma Fuba, Hans Kolbe & Co. (heute MPM Environment Intelligence GMBH) verwendet. Damals stellte die Firma Bauteile für Funktechnik her und nutzte das Wasser für Kühl- und Spülzwecke. Auch heute ist der Einsatz des bergbaulich beeinflussten Wassers zur Unterstützung der lokalen Industrie aufgrund der stabilen hydrogeochemischen Eigenschaften des Wassers am Stollenmundloch denkbar. Hier ist jedoch für die jeweilige Anwendung zu überprüfen, ob das Wasser den Qualitätsanforderungen genügt, oder ob entsprechende Aufbereitungsmaßnahmen zwischengeschaltet werden müssen. Natürlich muss zuvor die entsprechende Genehmigung eingeholt werden und die Wasserentnahme darf nicht die Niedrigwassermenge der Markau übersteigen. Zur Unterstützung der Trinkwasserversorgung durch die Harzwasserwerke GmbH würde das Wasser der Fernwasserleitung Söse Nord zugeführt werden. Hierfür muss das bergbaulich beeinflusste Wasser einen gleichen Härtegrad wie das des Wassers im Wasserwerk Söse I aufweisen und darf nicht zu einer Verschlechterung der Wasserqualität führen. Hier wurden seitens der Harzwasserwerke 2016 bis 2017 umfangreiche Untersuchungen zur Wasserqualität durchgeführt mit dem Ergebnis, dass das Wasser zwar keine toxischen Elemente aufweist, jedoch die Gesamthärte und die Aufbereitung des Wassers aus dem Ernst-August-Stollens zu Trinkwasser zu aufwändig ist.
Zusammenfassung und Ausblick
Die Diskussion um die Nachnutzung der bergbaulichen Infrastruktur des Oberharzes, die über eine kulturelle Nutzung hinausgeht, steht exemplarisch für die Herausforderungen im Umgang mit industriehistorischen Denkmälern. Einerseits besteht das Bestreben, diese Zeugen der technischen und sozialen Geschichte für nachfolgende Generationen zu bewahren. Andererseits eröffnen sich durch innovative Nachnutzungskonzepte Möglichkeiten, das kulturelle Erbe in die Gegenwart zu integrieren und für die Region neue wirtschaftliche und soziale Perspektiven zu schaffen. Gegenstand einiger Untersuchungen des IGE und IBB der TUC ist der Ernst-August-Stollen, ein zentrales Element des UNESCO-Weltkulturerbes. Der Stollen, der seit 1864 eine bedeutende Rolle in der Wasserwirtschaft spielte, ist heute noch für die Entwässerung der Region essentiell. Trotz guter Erhaltungszustände fehlen umfassende aktuelle Daten, besonders für östliche Stollenabschnitte. Moderne Erkundungsansätze, wie die Kombination von Laserscanning und Photogrammetrie ermöglichen präzise 3D-Modelle der untertägigen Infrastruktur mit geringerem Zeitaufwand. Die Entwicklung mobiler Multi-Sensor-Systeme (MSS) bietet innovative Ansätze zur Erforschung und Überwachung gefluteter Gruben. Die künftige Forschung konzentriert sich neben der methodischen und technischen Entwicklung der MSS auf die detaillierte Kartierung und Zustandserfassung der montanhistorischen Infrastruktur. Detaillierte Machbarkeitsstudien sind notwendig, um die Potentiale der energetischen und industriellen Nachnutzung umfassend zu bewerten. Konfliktpotential ergibt sich insbesondere aus den unterschiedlichen Interessenlagen beim Denkmalschutz, der wirtschaftlichen Verwertung und der ökologischen Nachhaltigkeit. Die erfolgreiche Nachnutzung alter bergbaulicher Infrastruktur erfordert somit eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen lokalen Behörden, Investoren, Umweltschutzorganisationen, der lokalen Gemeinschaft und Wissenschaftlern.
References / Quellenverzeichnis
References / Quellenverzeichnis
(1) Ließmann, W. (2010): Historischer Bergbau im Harz. Ein Kurzführer. Dordrecht: Springer. Online verfügbar unter http://gbv.eblib.com/patron/FullRecord.aspx?p=571511.
(2) Roos, L.; Paffenholz, J.-A. (2023): Anwendung des Laserscannings zur Modellierung untertägiger Hohlräume im Harzer Altbergbau. In: Wilfried Ließmann, Oliver Langefeld und Matthias Bock (Hg.): Düchtig und des Markscheidens verständig und geschickt befunden … Zum Kolloquium Vermessungstechnik und Grubenrisse im Bergbau einst und heute am 3. Juni 2023 in Goslar. 1. Auflage. Clausthal-Zellerfeld: Papierflieger Verlag GmbH, S. 129 – 148.
(3) Stemke, M.; Gökpinar, T.; Wohnlich, S. (2017): Erkundung stillgelegter Erzbergwerksschächte mittels Unterwasserkamera. In: Bergbau 11, S. 511 – 513.
(4) Milošević, Z.; Suarez Fernandez, R. A.; Dominguez, R.; Rossi, C.: Guidance and navigation software for autonomous underwater explorer of flooded mines. Tagungsband Mine Water – Technological and Ecological Challenges (IMWA 2019), S. 690 – 695.
(5) Žibret, G.; Žebre, M. (2018): Use of Robotics and Automation for Mineral Prospecting and Extraction. Conference Proceedings: Geological Survey of Slovenia.
(6) Peralta Ramos, E.; Breede, K.; Falcone, G. (2015): Geothermal heat recovery from abandoned mines: a systematic review of projects implemented worldwide and a methodology for screening new projects. In: Environ Earth Sci 73 (11), S. 6783 – 6795. DOI: 10.1007/s12665-015-4285-y.
(7) Bothe-Fiekert, M. (2021): Hydrogeochemische Studie des Ernst-August-Stollens. Masterarbeit. Technische Universität Clausthal, Clausthal-Zellerfeld. Institut für Endlagerforschung.
(8) Beck, H.-P. (2011): Windenergiespeicherung durch Nachnutzung stillgelegter Bergwerke. Hg. v. M. Schmidt. Clausthal-Zellerfeld: Universitätsbibliothek Clausthal.
(9) Langefeld, O. (2018): Nutzung untertägiger Bergwerksinfrastruktur als Pumpspeicherkraftwerk. In: Mining Report Glückauf 154 (2018) Nr. 3, S. 209 – 213.