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Erweiterte Erste Hilfe: Grubenrettungswehren

Dergwerksunternehmen unterhalten auf Grundlage des Bergrechts Grubenwehren, um in Notfällen die medizinische Versorgung und den Transport von Verletzten zu gewährleisten. Durch den Wandel im deutschen Bergbau ist aber eine optimale medizinische Erstversorgung nicht immer möglich. Ein neues Kurskonzept soll nun dafür sorgen, dass im Ernstfall weiterhin schnelle Hilfe gewährleistet ist. Beim vorliegenden Artikel handelt es sich um den Zweitabdruck eines Beitrags des Verfassers. Der Erstabdruck erfolgte in Ausgabe 2/2025 des BG RCI-Magazins.

Author/Autor: Dipl.-Ing. Roman Preißler, Leitung Präventionsabteilung Notfallmanagement, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Clausthal-Zellerfeld

Im Bundesberggesetz (BBergG) ist festgelegt, dass Unternehmen unter Bergrecht dafür sorgen müssen, dass entsprechend der Art und Größe des Betriebs sowie der Art der Tätigkeiten eine Erste Hilfe, eine medizinische Notversorgung und ein Transport Verletzter gewährleistet sind. Zur Erfüllung dieser und weiterer Pflichten werden spezielle Einsatzkräfte (Grubenwehren) für den untertägigen Bergbau qualifiziert (Bild 1).

Fig. 1. Mine rescue teams provide first aid, emergency medical care and transport for injured persons in underground mining. // Bild 1. Grubenwehren gewährleisten Erste Hilfe, eine medizinische Notversorgung und den Transport Verletzter für den untertägigen Bergbau. Photo/Foto: © Starpics, stock.adobe.com

Die Ausbildung von Grubenwehrkräften erfolgt an den Hauptstellen für das Grubenrettungswesen, die in die Präventionsabteilung Notfallmanagement der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Heidelberg, integriert sind. Dabei wird speziell für Einsätze unter Tage geschult – etwa für Rettungen aus instabilen Grubenbauen oder aus Bereichen, die nur mit schwerem Atemschutz zugänglich sind. Solche Orte kann der betriebliche oder öffentliche Rettungsdienst oft nicht erreichen.

Bislang war die Qualifizierung der Grubenwehrmitglieder zur Versorgung verletzter Personen in allen Grubenbetrieben hinreichend. Eine schnelle Notversorgung und Stabilisierung einer verletzten Person für den Transport zum Schacht bis zur Übergabe an einen Notarzt oder eine Notärztin ist nach wie vor in vielen untertägigen Betrieben möglich.

Doch der deutsche Bergbau hat sich stark gewandelt: Es gibt inzwischen viele kleine Betriebe ohne eigene Grubenwehr, Bergwerke mit größeren Grubengebäuden und für den untertägigen Einsatz vor Ort nicht mehr verfügbare Betriebsärztinnen und -ärzte sowie Werkssanitäterinnen und -sanitäter.

Eine Analyse vergangener Einsätze hat gezeigt: Bei der medizinischen Laienrettung überschreitet die Zeit bis zur Übergabe eines Patienten oder einer Patientin an die ärztliche Notfallversorgung häufig die gesetzliche Hilfsfrist. Die Ausbildung als betrieblicher Ersthelfer oder betriebliche Ersthelferin reicht in vielen Fällen nicht aus, um schwere Verletzungen unter Tage adäquat zu versorgen.

Frank Reuter, Leiter des Grubenbetriebs und der Grubenwehr im Forschungs- und Lehrbergwerk Reiche Zeche der TU Bergakademie Freiberg, Freiberg, hat 2020 gemeinsam mit Andreas Fichtner, seinerzeit Leiter der Notfallaufnahme im Kreiskrankenhaus Freiberg, ein neues Rettungs- und Kurskonzept entwickelt: Tactical Medical Mining Rescue (TMR). Es basiert auf bewährten Methoden aus der Militär-, Polizei- und Alpinmedizin und wurde speziell an die Herausforderungen im Bergbau angepasst.

Der Bezug zu den militärischen und polizeilichen Konzepten ist begründet mit den ähnlichen Rahmenbedingungen in Hochrisikobereichen: begrenzte Material- und Personalressourcen, komplexe Traumata, lange Transportwege sowie fehlende Erstsichtung durch einen Arzt oder eine Ärztin.

Ziel ist es, dass Mitglieder einer Grubenwehr ohne vorherige notfallmedizinische Ausbildung in einem zweitägigen Kurs ein mit dem Versorgungsstandard des Rettungsdienstes vergleichbares praktisches Kompetenzniveau und -spektrum zur Notfallrettung unter Tage erreichen. Dafür wurde ein standardisiertes Rettungsschema mit einem modifizierten cABCDE-Algorithmus entwickelt. Dabei handelt es sich um einen einfachen Wenn-dann-Algorithmus, der die wichtigsten lebensrettenden Maßnahmen vorgibt. Ziel ist es, den Zustand der verletzten Person zu stabilisieren und eine sichere Rettung bis zur Übergabe an einen Notarzt oder eine Notärztin zu gewährleisten.

Die Ersthelferinnen und Ersthelfer lernen u. a.:

  • Einschätzung akuter vitaler Gefährdung,
  • Blutungsstillung,
  • Atmungs-und Kreislaufstabilisierung,
  • Schmerztherapie,
  • raumumluftunabhängige Atemunterstützung und ggf. Beatmung,
  • Wärmerhalt,
  • Transportlagerung mit fixiertem Equipment,
  • Möglichkeiten der Schleif- und Senkrechtrettung.

Die für den Einsatz unter Tage entwickelte Ausrüstung erfüllt spezielle Anforderungen: Sie ist kompakt, widerstandsfähig gegenüber Feuchtigkeit und Schmutz, auch bei schlechter Sicht bedienbar und transportgerecht verstaubar (Bild 2).

Fig. 2. The equipment developed for use underground is compact, resistant to moisture and dirt, can be operated even in poor visibility and can be stored for transport. // Bild 2. Die für den Einsatz unter Tage entwickelte Ausrüstung ist kompakt, widerstandsfähig ­gegenüber Feuchtigkeit und Schmutz, auch bei schlechter Sicht bedienbar und transport­gerecht verstaubar. Photo/Foto: BG RCI

Mehrere Grubenwehren aus den Mitgliedsbetrieben der BG RCI haben das neue Ausbildungskonzept bereits erfolgreich absolviert. Es folgt einer bewährten Schulungsmethodik und wurde in sieben Kompetenzbereiche untergliedert. Eine ähnliche Ausbildung namens EMSiG (Erweiterte Maßnahmen für Sanitäter im Grubenrettungswesen) wurde vom Unfallkrankenhaus Berlin entwickelt und wird derzeit in einem Mitgliedsbetrieb aus der Branche Bergbau angewendet. Im Unterschied zu TMR setzt EMSiG jedoch eine medizinische Grundausbildung voraus. Der Handlungsalgorithmus und die Ausrüstung unterscheiden sich nur geringfügig vom TMR-Konzept.

Das TMR-Konzept wurde bereits erfolgreich in einem Ernstfall in einem Bergbaubetrieb angewendet. Ein Grubenwehrteam konnte eine schwer verletzte Person so stabilisieren, dass ein sicherer und schmerzfreier Transport bis zur Übergabe an einen Notarzt möglich war. Der Notarzt bestätigte, dass der Patient sehr gut versorgt worden sei.

Beide Konzepte zur erweiterten Ersten Hilfe sind nicht nur für den Bergbau geeignet, sondern können auch in übertägigen Betrieben eingesetzt werden, wenn eine schnelle Rettung durch den öffentlichen Rettungsdienst nicht sichergestellt werden kann.

Author/Autor: Dipl.-Ing. Roman Preißler, Leitung Präventionsabteilung Notfallmanagement, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Clausthal-Zellerfeld

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