Mit dem generischen Untertagelabor GeoLaB (Geothermal Laboratory in the Crystalline Basement) sollen grundlegende Fragen der Reservoirtechnologie und Bohrlochsicherheit von EGS erforscht werden. Die geplanten Experimente werden wesentlich unser Verständnis der maßgeblichen Prozesse im geklüfteten Kristallingestein unter erhöhten Fließraten verbessern.
Der Einsatz und die Entwicklung modernster Beobachtungs- und Auswertemethoden führen zu Erkenntnissen, die für eine sichere und ökologisch nachhaltige Nutzung der Geothermie und des unterirdischen Raums von großer Bedeutung sind. Als interdisziplinäre und internationale Forschungsplattform wird GeoLaB in Kooperation mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Universitäten sowie industriellen Partnern und Fachbehörden Synergien erzeugen und technisch-wissenschaftliche Innovationen hervorbringen.
Einführung
Um die globale Erwärmung auf 2 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, ist unsere Gesellschaft mit der dringenden Notwendigkeit konfrontiert, den Übergang zu einem weltweit nachhaltigen Energiesystem zu vollziehen (1). Geothermische Energie steht unabhängig von Jahres- und Tageszeiten permanent zur Verfügung und eignet sich daher im Unterschied zu vielen anderen erneuerbaren Energien dazu, Grundlastanlagen zu betreiben. Geothermie gilt als erneuerbar, da sie die für menschliche Maßstäbe unerschöpfliche Energiequelle aus dem Erdinneren nutzt und aufgrund der Temperaturverhältnisse und der Transportprozesse Wärme in das Reservoir im Untergrund nachfließt. Sie kann bei der Dekarbonisierung des Energiesystems in Deutschland eine wichtige Rolle spielen.
In Mitteleuropa liegt das größte geothermische Potential im kristallinen Grundgebirge mit wichtigen Hotspots in Gebieten, die unter tektonischen Spannungen stehen. Hierzu zählt der Oberrheingraben als Riftzone mit hydrothermalen Fluidströmungen und außergewöhnlichen Temperaturanomalien im tiefen Untergrund (2). Zur Nutzung des geothermischen Potentials im Kristallin wurde die Technologie „Enhanced Geothermal Systems“ (EGS) entwickelt (3). EGS nutzen den tiefen geklüfteten Untergrund als natürlichen Wärmetauscher. Mit mindestens zwei Bohrungen wird ein Thermalwasserkreislauf geschaffen, der geothermische Energie zu Tage befördert und nutzbar macht (4). Da für einen wirtschaftlichen Betrieb jedoch relativ große Fließraten (> 10 l/s) notwendig sind, muss die natürliche Permeabilität des Gesteins im Kristallin – im Gegensatz zu hydrothermalen Systemen – durch hydraulische oder chemische Stimulationsmaßnahmen (Reservoir-Engineering) zur Steigerung der Fließraten erhöht werden.
Eine große Herausforderung von EGS stellt die Kontrolle und die Minimierung der dabei erzeugten induzierten Seismizität dar, sowohl in der Phase des Reservoir-Engineering und des Kraftwerkbetriebs als auch im Hinblick auf die Erhöhung der öffentlichen Akzeptanz. Unerlässlich ist dafür ein profundes Prozessverständnis der multiphysikalischen Prozesse im Reservoir, wie die komplexen Interaktionen des Fluids mit dem Reservoir bei hohen Fließraten. Hierfür sind neue wissenschaftlich fundierte Strategien und Technologien dringend erforderlich, um das geothermische Potential wirtschaftlich und gleichzeitig umweltverträglich ausschöpfen zu können.
Geothermielabor im Bergwerk
Mit dem Untertagelabor GeoLaB (Geothermal Laboratory in the Crystalline Basement) sollen die zentralen Herausforderungen der Reservoirbewirtschaftung von EGS wissenschaftlich untersucht und überwunden werden. Die spezifischen Ziele von GeoLaB sind
- effizientes und sicheres Management von geklüfteten Reservoiren,
- modernste multidisziplinäre und prozessübergreifende Forschung mit Visualisierungskonzepten,
- Entwicklung neuer umweltfreundlicher Strategien für unterirdische Anlagen und
- transparente Interaktion mit der Öffentlichkeit und Entscheidungsträgern.
GeoLaB ist als generisches Untertagelabor im kristallinen Grundgebirge des Schwarzwald-Odenwald-Komplexes konzipiert (Bild 1). Hier sind die kristallinen Reservoirgesteine des Oberrheingrabens exponiert und der Wissenschaft leichter zugänglich. Das Ziel-gestein ist gleichzeitig repräsentativ für das weltweit größte Reservoirgestein, das Kristallin, und lässt einen Transfer auf andere Regionen zu. In einer Erkundungsphase des Projekts wird zunächst die Eignung des zukünftigen Laborstandorts über einen Katalog vorher definierter Kriterien festgestellt und durch eine Forschungsbohrung bestätigt. Anschließend werden über einen etwa 1 km langen Zugangsstollen einzelne Kavernen erschlossen, in denen kontrollierte Hochfluss-Experimente in ca. 400 m Tiefe vorgenommen werden.
Die geplanten Experimente erlauben erstmalig detaillierte in situ-Beobachtungen und werden wesentlich zum grundlegenden Verständnis der Prozesse beitragen, die mit den Betriebs-bedingungen in Reservoir-Strukturen verbunden sind. GeoLaB birgt ein hohes Innovationspotential in der Schaffung von Umweltstandards und Sicherheitsforschung sowie der Erarbeitung eines Kommunikationsstandards für Geothermie. Der Einsatz und die Entwicklung modernster Beobachtungs- und Auswertemethoden führen zu Erkenntnissen, die für eine sichere und ökologisch nachhaltige Nutzung der Geothermie und des unterirdischen Raums von großer Bedeutung sind.
Kontrollierte Hochfluss-Experimente
Experimente in Bezug auf Fluid- bzw. Stofftransport in Untertagelaboren adressieren in der Regel Fragestellungen der Barriereeigenschaften von Wirtsgesteinen, oft im Zusammenhang mit nuklearer Endlagerforschung, zu deren Zweck weltweit ca. 30 generische und standortspezifische Untertagelabore eingerichtet worden sind (5). In Experimenten auf Klüften kommen hier typischerweise Entnahme-Fließraten von < 1 l/min zum Einsatz, z. B. nach Hoehn et al. (6). Mit kontrollierten Hochfluss-Experimenten („Controlled high flowrate experiments“ – CHFE) zielt GeoLaB auf die entgegengesetzte Fragestellung ab, nämlich eine möglichst gute Durchlässigkeit des Gesteins. Eine hohe Kluftdichte sowie ein weitläufiges Kluftnetzwerk sollen CHFE mit Fließraten > 10 l/s möglich machen. GeoLaB ermöglicht somit das Verständnis der Interaktion von Fluid-injektion bzw. -zirkulation mit geomechanischen Prozessen bei hohen Fließraten. Aufgrund der zu erwartenden Kopplung von hydraulischen und mechanischen Prozessen erfolgt eine Kontrolle der CHFE durch verschiedene Monitoringverfahren, numerische Modellierungen und innovative Visualisierungsmethoden (Bild 2).
THMC-Prozesse und Simulation
Geothermische Reservoire sind ein dynamisches System hoher Komplexität. Bisherige starke Vereinfachungen und lineare Ansätze beschreiben das System nur unzureichend. Zum Verständnis und zur Vorhersage werden deshalb zunehmend umfangreichere numerische Modelle entwickelt, die diese THMC-Prozesse (THMC – thermische, hydraulische, mechanische und chemische) abbilden und transient simulieren. Die notwendigen Parameter hierfür unterliegen allerdings mangels Datenbasis großen Unsicherheiten. Die Experimente in GeoLaB werden durch Messungen in fächerförmigen Bohrungen kontinuierlich überwacht. Damit wird ein weltweit einzigartiger 4D-Benchmark-Datensatz thermischer, hydraulischer, chemischer und mechanischer sowie zusätzlich mikrobiologischer Parameter geschaffen. Mit den geplanten Experimenten sind bei hohen Fließraten erstmalig experimentelle Bestimmungen und der Nachweis in 3D von Hydrodynamik, z. B. Navier-Stokes Gesetze, und Hydromechanik, z. B. Triggerung und Ausbreitung von Mikroseismizität, im geklüfteten kristallinen Grundgebirge möglich. So können auch erstmalig dynamische und gekoppelte Prozesse, wie z. B. Variabilität des Spannungsfelds in Raum und Zeit und THMC-Prozesse experimentell erfasst werden.
Virtuelles GeoLaB
Neue Machine-Learning-Methoden werden notwendig, um die erwartete Datenmenge und Prozess-Komplexität zu bewältigen. Der extrem hohe rechnerische Aufwand für realitätsnahe Simulationen erfordert, dass künstliche Intelligenz und High-Performance-Computing für die Simulationsplattform zwingend erforderlich sind. Darüber hinaus werden neue Methoden der wissenschaftlichen Visualisierung (Virtual Reality) notwendig. Vor diesem Hintergrund wird ein „Virtuelles GeoLaB“-Konzept für die visuelle Analytik und als visuelles Daten-Repository von GeoLaB eingeführt werden. Als einen Ausgangspunkt dient hierbei das Visualisierungszentrum VISLab (7). Der digitale Zwilling von GeoLaB wird die Entwicklung der Forschungsinfrastruktur schon während der Bauphase begleiten und unterstützt in der Betriebsphase die wissenschaftlichen Studien einschließlich Planung, Analyse und Dokumentation. In der Kommunikation mit Stakeholdern, insbesondere den Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit, wird das Virtuelle GeoLaB ebenfalls eine wichtige Rolle einnehmen.
Ausbildung und Lehre
GeoLaB als Forschungs- und Innovationplattform bietet ideale Bedingungen für die Lehre und Ausbildung der nächsten Generation an Wissenschaftlern, Geotechnologie-Experten und Entscheidungsträgern. Deshalb soll ein Ausbildungszentrum Zugang für Studenten und den Nachwuchs aus den verschiedensten Industriezweigen mit geotechnologischen Fragestellungen zum innovativen GeoLaB-Umfeld bieten und es ermöglichen, Kontakte zu führenden Wissenschaftlern und Industrieunternehmen zu knüpfen. Interdisziplinarität wird durch die Themenvielfalt von GeoLaB ein natürlicher Baustein der Lehre. Die Sensibilisierung der Studenten und Industriemitarbeiter für gesellschaftliche Fragen, der aktive Erfahrungsaustausch zwischen Wissenschaftlern, Projektträgern, Industrie und relevanten Interessengruppen kann zudem einen aktiven Dialog anregen und eine gemeinsame Kommunikationsebene schaffen. GeoLaB bietet damit Möglichkeiten der Entwicklung hochqualifizierter Nachwuchskräfte mit breitem Horizont.
Ausblick
GeoLaB hat das Potential, grundlegend das Verständnis der komplexen Reservoirprozesse zu verändern. Es bietet internationalen Forschergruppen und der Industrie einen einzigartigen Raum für experimentelle Geothermieforschung und technologische Entwicklungen. Es dient als integrierte Plattform für Lehre, Entwicklung und Kommunikation. Es birgt ein hohes Innovationspotential in der Schaffung von Umweltstandards und Sicherheitsforschung sowie der Erarbeitung eines Kommunikationsstandards für Geothermie. Der Einsatz und die Entwicklung modernster Beobachtungs- und Auswertemethoden führen zu Erkenntnissen, die für eine sichere und ökologisch nachhaltige Nutzung der Geothermie und des unterirdischen Raums von großer Bedeutung sind.
GeoLaB bietet eine internationale und interdisziplinäre Forschungsplattform und ermöglicht Forschung über die Geothermie hinaus. Zu den Anknüpfungspunkten zählen
- Umweltsystemanalyse,
- Materialwissenschaften, z. B. korrosionsresistente Materialien,
- Digitalisierung
- Methoden der numerischen Modellierung,
- Künstliche Intelligenz und Virtual Reality,
- Industrie 4.0,
- Geotechnologien, Maschinenbau und Ingenieurswesen, z. B.
- Bohrtechniken und Bohrlochsicherheit,
- autonomes Fahren unter Tage,
- Sensortechnik,
- intelligente Pumpensysteme,
- Künstliche Intelligenz in der Explorationstechnologie,
- Risikomanagement.
Die letzte große Forschungsinfrastruktur der Geowissenschaften in Deutschland, das Kontinentale Tiefbohrprogramm (KTB), hat in ökonomischen Analysen gezeigt, dass ein geowissenschaftliches Leuchtturmprojekt einen Innovationsschub und einen langfristigen wirtschaftlichen Effekt erzeugen kann. GeoLaB hat das Potential, eine ähnliche Wirkung zu erzielen.
References/Quellenverzeichnis
References/Quellenverzeichnis
(1) IPCC, 2018: Global Warming of 1.5 °C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1.5 °C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty [V. Masson-Delmotte, P. Zhai, H. O. Pörtner, D. Roberts, J. Skea, P. R. Shukla, A. Pirani, W. Moufouma-Okia, C. Péan, R. Pidcock, S. Connors, J. B. R. Matthews, Y. Chen, X. Zhou, M. I. Gomis, E. Lonnoy, T. Maycock, M. Tignor, T. Waterfield (eds.)].
(2) Kohl, T.; Signorelli, S.; Engelhardt, I.; Berthoud, N. Andenmatten; Sellami, S.; Rybach, L. (2005): Development of a regional geothermal resource atlas. In: J. Geophys. Eng. 2 (4), pp 372 – 385. DOI: 10.1088/1742-2132/2/4/S11.
(3) Genter, A.; Evans, K.; Cuenot, N.; Fritsch, D.; Sanjuan, B. (2010): Contribution of the exploration of deep crystalline fractured reservoir of Soultz to the knowledge of enhanced geothermal systems (EGS). In: Comptes Rendus Geoscience 342 (7 – 8), pp 502 – 516. DOI: 10.1016/j.crte.2010.01.006.
(4) Schill, E.; Genter, A.; Cuenot, N.; Kohl, T. (2017): Hydraulic performance history at the Soultz EGS reservoirs from stimulation and long-term circulation tests. DOI: 10.5445/IR/1000071274.
(5) NEA, OECD (Ed.) (2013): Underground Research Laboratories (URL). Nuclear Energy Agency Organisation for Economic Co-Operation and Development (Nea No. 78122). Available online at http://www.oecd-nea.org/.
(6) Hoehn, E.; Eikenberg, J.; Fierz, T.; Drost, W.; Reichlmayr, E. (1998): The Grimsel Migration Experiment: field injection–withdrawal experiments in fractured rock with sorbing tracers. In: Journal of Contaminant Hydrology 34 (1-2), pp 85 – 106. DOI: 10.1016/S0169-7722(98)00083-7.
(7) Bilke, L.; Fischer, T.; Helbig, C.; Krawczyk, C.; Nagel, T.; Naumov, D. et al. (2014): TESSIN VISLab — laboratory for scientific visualization. In: Environ Earth Sci 72 (10), pp 3.881 – 3.899. DOI: 10.1007/s12665-014-3785-5.