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Geothermie in Österreich

Bis Ende 2020 wurden in Österreich 77 Geothermie-Tiefbohrungen mit einer kumulativen Länge von 135 km niedergebracht. Der Anteil der Bohrungen in den Sedimentbecken liegt sowohl von der Anzahl als auch der kumulativen Länge bei rund zwei Drittel, der Rest entfällt auf Bohrungen in den ostalpinen Einheiten, die ausschließlich für Zwecke der Balneologie und des Bädertourismus gestoßen wurden. Ende 2019 betrug die installierte geothermische Leistung der tiefen Geothermie 95 MW plus einer abgeschätzten Leistung der balneologischen Anlagen von rd. 10 MW. Die Gesamtleistung von 105 MW stellt rund ein Zehntel der Leistung der auf Wärmepumpennutzung basierenden oberflächennahen Geothermie dar. Der Beitrag gibt einen Überblick über den Stand der Geothermie-Nutzung in Österreich.

Author/Autor: Univ.-Prof. Dr. Johann Goldbrunner, Managing Director Geoteam Ges.m.b.H., Graz/Austria

Zusammenfassung

Die Voraussetzungen für die Nutzung der tiefen Geothermie sind in den geologischen Einheiten Österreichs (Fläche 83.871 km2, 8,9 Mio. Einwohner im Jahr 2019) sehr unterschiedlich. Die Einheiten der Böhmischen Masse und große Teile der Zentralalpen eignen sich nur eingeschränkt für tiefengeothermische Erschließungen aufgrund der geringen Durchlässigkeit der Gesteine und der mit Ausnahme einiger lokaler Anomalien niedrigen Wärmestromdichte. In einigen Teilen der Nördlichen Kalkalpen ist der Geothermische Gradient aufgrund der konvektiven Überprägung des Temperaturfelds durch absteigende kalte meteorische Gewässer erheblich reduziert. Die Auswirkungen der Konvektion war in einer am Rand des Wiener Beckens in den Nördlichen Kalkalpen gelegenen Kohlenwasserstoffbohrung bis in Tiefen von 6.000 m erkennbar.

Die an die Alpen angrenzenden Becken, insbesondere das Oberösterreichische Molassebecken und das Steirische Becken, zeigen die besten geologischen und thermischen Bedingungen für die Nutzung der Tiefengeothermie und weisen auch den höchsten Nutzungsgrad auf. Die geothermischen Ressourcen des Wiener Beckens werden allgemein als hoch eingeschätzt, was insbesondere in Hinblick auf die geothermische Fernwärmeversorgung der Metropole Wien enorme wirtschaftliche Perspektiven birgt.

Bis Ende 2020 wurden in Österreich 77 Geothermie-Tiefbohrungen mit einer kumulativen Länge von 135 km niedergebracht (Bild 1).

Fig. 1. Austria’s geological units and location of geo-thermal wells. // Bild 1. Geologische Einheiten Österreichs mit Lage der Geothermiebohrungen. Source/Quelle: Geoteam

Der Anteil der Bohrungen in den Sedimentbecken liegt sowohl von der Anzahl als auch der kumulativen Länge bei rund zwei Drittel, der Rest entfällt auf Bohrungen in den ostalpinen Einheiten, die ausschließlich für Zwecke der Balneologie und des Bädertourismus gestoßen wurden. Bei diesen Bohrungen war aufgrund der komplizierten Lagerungsverhältnisse und der geringen Durchlässigkeit und Kleinräumigkeit der Aquifere ein nicht unbeträchtlicher Anteil an Fehlbohrungen zu verzeichnen.

Ende 2019 betrug die installierte geothermische Leistung der tiefen Geothermie 95 MW plus einer abgeschätzten Leistung der balneologischen Anlagen von rd. 10 MW. Die Gesamtleistung von 105 MW stellt rund ein Zehntel der Leistung der auf Wärmepumpennutzung basierenden oberflächennahen Geothermie dar.

Oberösterreichisches Molassebecken

Das Oberösterreichische Molassebecken ist Teil der nördlichen Vortiefe der Alpen und ist die östliche Fortsetzung des Süddeutschen Molassebeckens, welches als das wichtigste geothermische Erschließungsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gilt. In beiden Becken enthalten die Karbonatgesteine des Oberjura (Malm, örtlich auch des Berrias) des Beckenuntergrunds den wichtigsten Tiefenaquifer. Die Plattformsedimente hatten eine ursprüngliche Mächtigkeit von über 1.000 m, wurden jedoch durch Erosionsvorgänge zur Zeit der Unterkreide, als sie die Landoberfläche bildeten, teilweise auf Mächtigkeiten von unter 100 m abgetragen. Mit diesen Abtragungsvorgängen waren auch Verkarstungsvorgänge verbunden, die wesentlich zur lokalen Erhöhung der Durchlässigkeit bis auf Maximalwerte in der Größenordnung von 10 Darcy beigetragen haben. Bei vielen erfolgreichen Erschließungen ist der Einfluss der Tektonik erkennbar; insbesondere sind Störungszonen durch erhöhte Wegigkeiten, häufig in Zusammenhang mit Dolomitisierungen der Kalke, von Bedeutung.

Die im Oberjura-Aquifer zirkulierenden Wässer haben einen Gesamtlösungsinhalt von 1 bis 1,2 g/l und sind durchgängig vom Natrium-Hydrogencarbonat-Typus. Nach der Isotopenmarkierung weisen sie einen sehr hohen atmosphärischen Niederschlagsanteil auf, woraus auf eine Verbindung zu Übertage-Einzugsgebieten geschlossen werden kann.

Die Karbonate des Oberjura liegen z. T. unter mächtigen, überwiegend tonmergelig bis kalkmergelig ausgebildeten Ober-kreide-ablagerungen, welche die Funktion eines hydraulischen und thermischen Cap-Rocks erfüllen. Darüber folgen paläogene und neogene Sedimente, die im Süden des Beckens Mächtigkeiten von über 3.000 m erreichen können. Sie enthalten bedeutende Erdöl- und Erdgasträger, die Schichten haben jedoch, abgesehen für lokale balneologische Nutzungen, keine Bedeutung für die tiefe Geothermie.

Aufgrund von maximalen Werten des terrestrischen Wärmstroms vom 95 mW/m2 liegen die maximalen thermischen Gradienten, abgesehen von lokalen Konvektionssystemen, bei 4 K/100 m; die höchsten zu erwartenden Fördertemperaturen liegen bei 120 °C.

Die realisierten, wirtschaftlich erfolgreichen Geothermieprojekte des Oberösterreichischen Molassebeckens beweisen die Bedeutung der tiefen Geothermie für die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung. Ende 2020 waren sieben geothermische Fernwärmenetze mit einer kumulativen installierten Leistung von 86 MW und einem Gesamtvolumenstrom von 380 l/s in Betrieb. Die Nutzung konzentriert sich derzeit auf das nördliche Inn-viertel, wo eine hohe Anlagendichte unter Berücksichtigung der in Niederbayern, nördlich des Inn gelegenen Thermen (Bad Füssing, Bad Birnbach, Bad Griesbach), gegeben ist (Bild 2).

Fig. 2. Overview of geothermal wells in Upper Austria and thermal springs in Lower Bavaria. // Bild 2. Standorte der oberösterreichischen Geothermieanlagen und der Thermen in Bayern. Source/Quelle: Geoteam

Die maximalen Nutzungstemperaturen der oberösterreichischen Anlagen liegen bei 107 °C. Die höchste installierte Leistung hat aktuell mit 18 MW die Fernwärmeanlage von Ried-Mehrnbach. Diese weist neben der Anlage von Simbach-Braunau – ein gemeinsames deutsch-österreichisches Projekt – das größte Potential für weitere Fernwärmeanschlüsse auf. Bei der Anlage in Geinberg – Nahwärme, Beheizung von Hotel- und Thermenanlagen, Thermalbad – ist aktuell die Erweiterung und Diversifizierung der Nutzung durch Wärmebelieferung eines Groß-Gärtnereibetriebs geplant.

Steirisches Becken

Fig. 3. Geothermal wells in the Styrian Basin (Fürstenfeld Basin). // Bild 3. Lage der Geothermiebohrungen im Steirischen Becken (Fürstenfelder Becken). Source/Quelle: Geoteam

Das Steirische Becken (Bild 3), welches ein Randbecken des Pannonischen Beckens darstellt, ist vom Potential an die zweite Stelle der geothermischen Provinzen Österreichs zu reihen. Die in den 1970er Jahren beginnende Erschließungstätigkeit war anfangs durch die stoffliche (balneologische) Nutzung geprägt, wobei drei Standorte (Loipersdorf, Bad Waltersdorf und Bad Blumau) auf nicht fündige Kohlenwasserstoffbohrungen zurückgehen. In der Folgezeit wurden an allen drei Standorten Erweiterungsbohrungen niedergebracht. Von den erfolgreichen Thermenprojekten gingen wichtige wirtschaftliche Impulse aus, welche einen Strukturwandel in den agrarisch geprägten Regionen bewirkten.

Als Randbecken des Pannonischen Beckens weist das Steirische Becken terrestrische Wärmestromdichten von bis zu 105 mW/m2 auf, woraus geothermischen Gradienten zwischen 4 und 5 K/100 m resultieren. Hauptaquifer für die tiefe Geothermie stellen die überwiegend aus dem Devon stammenden Karbonatgesteine des Grazer Paläozoikums im Beckenuntergrund dar. Diese geologische Einheit weist einen komplizierten internen Deckenbau auf, der aufgrund der relativ geringen Aufschlussdichte nicht zur Gänze geklärt ist. Dies schränkt die geologische Prognosesicherheit ein. Eine wesentliche Randbedingung stellt auch das Auftreten von postvulkanischem CO2 im paläozoischen Aquifer, welches bei Druckentlastung bei der Förderung durch Entgasung zu massiven Karbonat-Ausfällungen (Scaling) führt. Bei einzelnen Bohrlöchern wurden Gas-Wasser-Verhältnisse von über 10:1 beobachtet.

Über dem Beckenuntergrund folgen neogene Sedimente mit einem stratigraphischen Umfang von Karpat bis Pliozän. In der überwiegend klastischen Sedimentfolge treten im Unterbadenium und Pliozän Vulkanite auf, letztere in Form von Basalten, während die badenischen Vulkanite als Latite und Andesite ausgebildet sind, die weitflächige begrabene Schildvulkane bilden, welche die reflexionsseismische Prospektion stark erschweren.

Aufgrund der geringeren Anforderungen an den Volumenstrom können balneologische Projekte auch in der neogenen Schichtfolge umgesetzt werden, wobei vor allem Sandsteine des Sarmatium als Aquifere fungieren. Die nutzbaren Temperaturen liegen bei max. 60 °C.

Bei den geothermischen Nutzungsprojekten sind Bad Blumau und das Projekt Frutura (Gemüseproduktion) besonders hervorzuheben. Blumau beruht auf einer Aufschlussbohrung der Rohöl Aufsuchungs Gesellschaft aus dem Jahr 1979, die klüftiges Grazer Paläozoikum in einer Teufe von ca. 2.600 m aufschloss (Bohrung Blumau 1/1a). Zur Umsetzung des Thermenprojekts Bad Blumau wurden 1996 ein 2.800 m tiefes geothermisches Förderbohrloch Blumau 2 und ein 1.200 m tiefes Bohrloch für die balneologische Nutzung niedergebracht. Die geothermische Doublette wird durch das Förderbohrloch Blumau 2 und das Reinjektionsbohrloch Blumau 1/1a gebildet. Bei einem freien, durch den Gaslift-effekt des entgasenden CO2 hervorgerufenen Überlauf von 30 l/s erfolgt eine kaskadenartige Nutzung in Form des Betriebs einer ORC-Anlage zur Stromproduktion (Netto-Leistung 250 kWel), der Beheizung der Hotelanlage und der Therme und der Beschickung von Outside-Pools. Die installierte thermische Leistung liegt bei 7,5 MW.

Die beiden Tiefbohrungen für das Gewächshausprojekt Frutura nördlich von Fürstenfeld wurden im Jahr 2014 hergestellt. Ihre Bohrziele waren ebenso wie in Blumau auf die paläozoischen Kalke und Dolomite des Beckenuntergrunds ausgerichtet. Das erste Bohrloch, Frutura GT 1, hat die paläozoische Sequenz in 2.800 m Höhe erschlossen und 460 m Kalksteine und Dolomite erbohrt. Da die Ergebnisse erster Pumpversuche nicht zufriedenstellend waren, wurde ein Side-Track (Fru GT 1a) auf der Grundlage der Auswertung von bohrlochseismischen Untersuchungen ausgeführt. Frutura GT 2 traf den Top der paläozoischen Schichtfolge nur geringfügig höher als in GT 1. GT 2 wurde stärker abgelenkt als GT 1/1a und hat daher die vollständig aus Dolomit aufgebaute paläozoische Schichtfolge auf einer Länge von ca. 560 m erbohrt. Nach Tests wurde entschieden, GT 2 als Produktionsbohrung und GT 1/1a zur Reinjektion zu verwenden. Durch Installation der Tauchkreiselpumpe in 900 m, deutlich unter dem Gasentlösungspunkt, ist eine Förderung von 60 l/s ohne Separator möglich. Mit einer Sondenkopftemperatur von 124,5 °C ist Frutura GT 2 das derzeit heißeste Bohrloch Österreichs. Der Anteil von CO2 im Gas beträgt bis ca. 90 % bei einem Gas-Wasserverhältnis von bis zu 12:1. Fru-tura GT 2 hat mit 70 g/l die bisher höchste Wasser-Mineralisierung des Steirischen Beckens erbracht. Das Natrium-Chlorid-Wasser ist aufgrund seiner Isotopenmarkierung als Formationswasser (Connate Water) ohne meteorische Komponenten zu klassifizieren.

Die geothermische Nutzung in den Gewächshäusern begann im Jahr 2016. Die derzeit installierte thermische Leistung beträgt 16 MW bei einer Gewächshausfläche von derzeit 17,5 ha und einer Jahresarbeit von 63 GWh. Im Endausbau wird die Gewächshausfläche rd. 24 ha betragen. Die Nutzung des Kohlenstoffdioxid-gases in den Gewächshäusern ist geplant.

Author/Autor: Univ.-Prof. Dr. Johann Goldbrunner, Managing Director Geoteam Ges.m.b.H., Graz/Austria
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