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Herausforderung an die Bewetterung durch neue Arbeitsplatzgrenzwerte

Arbeiten unter gesundheitlich bedenklichen Bedingungen war in der Vergangenheit in vielen Arbeitsbereichen Alltag und ist in vielen Ländern heutzutage immer noch präsent. Viele gesundheitliche Risiken, die im Zusammenhang mit verschiedenen natürlich vorkommenden oder erzeugten Stoffen stehen, werden erst im Lauf der Zeit erkannt. Es ist wichtig, Menschen vor diesen Risiken zu schützen. Durch die Veröffentlichung von diversen „Technischen Regeln für Gefahrstoffe“ (TRGS) führt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin u. a. Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) ein. Diese sind gemäß Definition des Begriffs „technische Regeln“ als eine Empfehlung bzw. technischer Vorschlag zu verstehen. Wenn AGW eingehalten werden, kann davon ausgegangen werden, dass sich die einzelnen Gefahrstoffe nicht negativ auf den Menschen oder die Umwelt auswirken. Teilweise müssen hierzu auch Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Durch die ständige Aktualisierung der Regeln auf Basis des aktuellen Stands der Technik werden Mensch und Umwelt in Deutschland einerseits geschützt, andererseits stellen die Regeln in vielen Arbeitsbereichen gleichzeitig auch eine Herausforderung dar. Im Folgenden wird der aktuelle Stand der technischen Regeln in Bezug auf die Bewetterung im Bergbau dargelegt und deren Einflüsse und Herausforderungen werden erläutert. Was haben die verschiedenen Regeln für einen Einfluss auf die unterschiedlichen Arbeitsprozesse und welche Änderungen müssen ggf. durchgeführt werden?

Autoren: Dipl.-Ing. (FH) Jens Kegenhoff, Matthias Papesch M. Sc., Korfmann Lufttechnik GmbH, Witten/Germany

1  Einleitung

Neue Arbeitsplatzgrenzwerte gelten für die gesamte Industrie. Bereits für elektrische Installationsarbeiten auf Baustellen während Fräsarbeiten bedeuten die neuen Grenzwerte ein Anpassen des bisherigen Bauablaufs. In anderen Industriesparten ist der Aufwand wesentlich umfangreicher, da diese mit vielen Peripheriebedingungen verknüpft sind. Im Tunnelbau ist beispielsweise der Arbeitsplatz nur eingeschränkt erreichbar und stellt die Projektplaner und Gesundheitsschutzkoordinatoren vor größere Aufgaben.

Im Bergbau stellen sich jedoch mit die schwierigsten Bedingungen ein. Viele Arbeitsstellen mit unterschiedlichsten Anforderungen befinden sich in einem untertägigen Betrieb mit stark eingeschränkten Versorgungszugängen.

Seit über einem Jahr arbeiten viele Betriebe und Bergbaukonzerne gemeinsam mit Maschinenherstellern, Gesundheitsschutzspezialisten und behördlichen Stellen an zukunftsorientierten Lösungen, um die neuen Arbeitsplatzgrenzwerte im Bergbau umsetzen zu können und gleichzeitig auf dem internationalen Markt wettbewerbsfähig zu sein.

Doch welche Regeln gelten derzeit und wie muss die Bewetterung verändert werden?

2  Regeln/Grenzwerte

Den Gesundheitsschutz im Bergbau regelt die Gesundheitsschutz-Bergverordnung (GesBergV) mit der Gefahrstoffverordnung. Diese enthält selbst allerdings keine direkten Arbeitsplatzgrenzwerte, sondern verweist auf die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS).

Maßgeblich für die Bewetterung bzw. Luftqualitäten sind im Einzelnen:

  • TRGS 400: Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen,
  • TRGS 402: Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen: Inhalative Exposition,
  • TRGS 554: Abgase von Dieselmotoren (neu seit Januar 2019),
  • TRGS 559: Mineralischer Staub,
  • TRGS 900: Arbeitsplatzgrenzwerte,
  • TRGS 906: Verzeichnis krebserzeugender Tätigkeiten oder Verfahren nach §3 Abs. 2 Nr. 3 GefStoffV.

Werden die in der TRGS angeführten Regeln technisch eingehalten, kann davon ausgegangen werden, dass die Anforderungen erfüllt und keine weiteren Maßnahmen erforderlich sind.

Für den Bergbau stellen sich insbesondere die Stickoxide (hauptsächlich nach Sprengungen), die Dieselemissionen (Transportfahrzeuge, Bergbaumaschinen etc.) sowie Stäube als große Herausforderung dar. Stäube mit Quarzanteil sind als krebserregend eingestuft.

Seit Mai 2016 mit Inkraftsetzung zum 04. November 2016 setzt die TRGS 900 die Arbeitsplatzgrenzwerte für Stickstoffmonoxid (NO) auf 2 ml/m3 (ppm) und Stickstoffdioxid (NO2) auf 0,5 ml/m3 (ppm) fest. Die Dieselmotoremissionen wurden im Mai 2017 auf 50 mg/m3 = 0,05 g/m3 gesenkt. Diese Werte sind derzeit gültig und in der Industrie einzuhalten.

Zusätzlich ist seit Januar 2019 die neue TRGS 554 in Kraft getreten. Hier wird die Begriffsbestimmung „Abgase von Diesel-motoren“ weiter konkretisiert. Im Wesentlichen enthalten Abgase von Dieselmotoren demnach Dieselrußpartikel, NO, NO2, Kohlenstoffmonoxid (CO) und Kohlenstoffdioxid (CO2). Der Begriff „Dieselrußpartikel“ entspricht im Sinne der TRGS 900 dem Begriff „Dieselmotoremissionen“. Auch in der TRGS 554 werden nun die AGW für Dieselrußpartikel gemäß TRGS 900 in Höhe von 50 µg/m3 (A) und die o. g. AGW für NO und NO2 erwähnt. Es wird festgehalten, dass bei Einhaltung der AGW keine akuten oder chronischen Auswirkungen auf die Gesundheit von Beschäftigten zu erwarten sind und somit keine krebserzeugende Tätigkeit nach TRGS 906 vorliegt.

Für den Bergbau gilt seit 2016 eine fünfjährige Übergangsfrist bis 2021. Ende 2019 werden die bis dato umgesetzten Maßnahmen der Bergbaubetriebe geprüft.

Voraussichtlich sollen die Kohlenmonoxide ebenfalls gesenkt werden von derzeit 30 auf 20 ppm.

Mit welchen Schwierigkeiten bzw. Einflüssen in der Bewetterung der Grubenbetriebe sind die Grenzwerte verbunden?

3  Einflüsse auf die Bewetterung eines Grubenbetriebs

Wenn die Förderleistung des Bergbaubetriebs mit dem Einsatz der derzeitigen Geräte unter Tage nicht verringert werden soll, wäre rein rechnerisch eine Frischluftmengenerhöhung des acht- bis zehnfachen in den meisten Betrieben notwendig. Dies ist aus verschiedenen Aspekten nicht zu realisieren. Eine wirtschaftliche Lösung liegt in der Optimierung aller Einzelkomponenten, die einen direkten oder indirekten Einfluss auf die Bewetterung ausüben. Bei Betrachtung der drei Hauptemittenten von Sprenggasen, Dieselabgasen und Stäuben werden die Hauptproblematiken der Grenzwertsenkung deutlich.

Da hier nur der Einfluss auf die Bewetterung in Zusammenhang gebracht wird, wird der Aspekt einer betrieblichen Einschränkung von Sprengstoff-, und Dieselfahrzeugeinsatz nicht weiter verfolgt.

3.1  Sprenggase

Während auf den meisten Tunnelbaustellen die Sprenggase relativ schnell ins Freie geführt werden können, ist im Bergbau unter Tage das weitverzweigte Netz der Stollen und Kammern problematischer. Die Stickoxide (NOx) breiten sich verstärkt aus und verbleiben durch relativ niedrige Wettergeschwindigkeiten lange in der Grube. Die im rückwärtigen Bereich befindlichen Arbeitsstellen sind direkt betroffen. Eine Verminderung der Stickoxide bei der Sprengung ist bereits bei der K + S AG durch einen neuen Sprengstoff erfolgreich entwickelt worden. Verbleibende Stickoxide müssen nun sorgfältig geführt ins Freie gebracht werden. Dafür wäre ein nicht im Arbeitsbetrieb eingebundener freier Querschnitt die Ideallösung. Dies bedeutet allerdings für viele Betriebe eine massive Veränderung der kompletten Wetterführung. Ein örtliches Überbrücken der in der Abwetterrichtung befindlichen Arbeitsstellen mittels zusätzlicher Sonderbewetterung scheint bei erster Betrachtung im Einzelfall möglich. Dabei sind allerdings sowohl die eigentliche konzentrierte Erfassung der Sprenggase zu realisieren, als auch weitestgehend eine leckagefreie Luttenführung, da ansonsten eine Mindestkonzentration durch Überdruck in der Lutte im Kreis läuft und im Stollen verbleibt. Die neuen Grenzwerte sind gerade an solchen Stellen nicht zu unterschätzen. Aus diesem Grund sollte diese Variante sorgfältig durchdacht und nur als Notlösung umgesetzt werden.

3.2  Dieselemissionen

Die fortschreitende Mechanisierung der Gruben hat zur Folge, dass sich immer mehr dieselbetriebene Fahrzeuge für Transporte, Ladevorgänge, Abbau oder als semimobile Einsatzgeräte unter Tage befinden. Um mit der gleichen vorhandenen Frischluft die neuen DME-Grenzwerte einzuhalten, wären etwa sechs bis sieben von zehn Fahrzeugen stillzulegen. Gemäß TRGS 554 ist jedem Fahrzeug eine in den Arbeitsbereich zu liefernde Mindestfrischluftmenge zuzuführen – im Bergbau 3,4 m3/min/DkW. Um bei dieselbetriebenen Fahrzeugen zu bleiben, sind natürlich in erster Linie die Hersteller der Motoren gefragt, um die Ausstoßemissionen zu senken. Realistisch gesehen, ist eine Reduzierung des Ausstoßes auf ein Zehntel nicht möglich. Doch jeder Ansatz in den Teilbereichen führt zu einer möglichen übergeordneten multiplen Lösung. Die neue TRGS 554 vom Januar 2019 wurde darüber hinaus um die Begriffsbestimmung „DeNOx-System“ erweitert. Hierbei handelt es sich um Abgasnachbehandlungssysteme zur Verminderung der Emissionen von NOx.

Eine Umstellung auf Elektrofahrzeuge kann aus verschiedenen Gründen ein Mammutprojekt für den Grubenbetrieb werden. So sind Ladestationen einzurichten, die höhere Anforderungen an die elektrische Grubenversorgung stellen, und Arbeitsprozesse auf die Kraft- und Laufleistungen der Elektrofahrzeuge logistisch abzustimmen. Noch sind elektrobetriebene Fahrzeuge für den anspruchsvollen Betrieb nicht für alle Bereiche voll verfügbar.

Wettertechnisch stellen sich komplett andere Fragen: Wie kann ein in Brand geratenes Elektrofahrzeug sicher gelöscht werden? Welche Rauchgase entstehen dabei? Diese Fragen bleiben zu diesem Zeitpunkt noch offen im Raum stehen.

Unabhängig von verschiedenen Teillösungen ist der Betrieb von Fahrzeugen durch die Betriebsführung wettertechnisch zu optimieren. In welcher Teufe und mit welchen Hilfsmitteln dies durchgeführt wird, muss jeder Betrieb für sich und die spezifischen Anforderungen evaluieren.

Ein Hilfsmittel zur teilweise oder gar vollständig intelligenten Wetterführung sind Echtzeitsensoren zur Messung der örtlichen Schadstoffkonzentrationen. Je nach vorhandenem digitalisiertem Wetternetz können diese eingebunden werden und effizient zur Optimierung der verfügbaren Wetter zum Fahrzeugeinsatz beitragen.

3.3  Stäube

Die Messung von Stäuben erfolgt über einen gewissen Zeitraum und wird rückwirkend ausgewertet. Eine anerkannte Echtzeitmessung ist derzeit nicht verfügbar und kann entsprechend nicht in ein Sensorsystem zur flexiblen Bewetterungsoptimierung eingebunden werden. Stäube sind weitestgehend zu vermeiden bzw. direkt an der Entstehungsstelle zu erfassen und zu filtern. Ansonsten sind die Grenzwerte nur schwerlich einzuhalten. Standortfeste Einrichtungen, wie z. B. Bandübergaben oder auch Bohrgeräte, sind technisch gesehen gut zu entstauben. Schwieriger wird es bei Teilschnittmaschinen (TSM)/Continious Minern (CM) oder Stäuben aus Fahrstrecken. Eine Einhausung ist nur teilweise möglich bzw. schwer umzusetzen. Gerade bei den CM ist eine gewisse periphere Staubentwicklung beim Anschnitt fast unvermeidbar. Der Maschinenführer befindet sich aufgrund der Nähe zum Schneidkopf im gefährdeten Bereich. Dies ist kein neues Problem, allerdings ist es mit neuen Grenzwerten umso akuter.

4  Bewetterungsproblematiken

Unzweifelhaft ist eine Erhöhung der Wettermenge für die gesamte Grube um das etwa Zehnfache nicht durchführbar. Bergbaubetriebe müssen eine multiple Lösungsstrategie verfolgen, um nicht das gesamte Bewetterungs- und Betriebskonzept umzustellen. Dennoch wird es notwendig werden, Hauptwetter- und Sonderbewetterungsmengen örtlich zu erhöhen.

4.1  Hauptwetter

Hohe Hauptwettermengen implizieren hohe Wettergeschwindigkeiten und höhere Betriebsdrücke. Die Belastungen für den vorhandenen Grubenausbau nehmen außergewöhnlich zu. Wetterbauwerke und Schachteinbauten werden stärker belastet und müssen verstärkt oder erneuert werden. Der höhere Druck an diesen Bauwerken erzeugt eine ebenfalls höhere Leckage, sodass Abdichtungen nachzubessern sind. Mit höheren Geschwindigkeiten in den Strecken kann teilweise nicht mehr gearbeitet werden (zulässige Maximalgeschwindigkeit für die Wetter in Arbeitsbereichen < 6,0 m/s). Feine Stäube erheben sich und werden durch die Grube transportiert. Die Luftdichte kann sich geringfügig ändern, was früher oder später eine Sättigung der Emissionen in den zugeführten Wettern zur Folge hat.

4.2 Sonderbewetterung

Im Bereich der Sonderbewetterung erzeugen höhere Volumina bei gleichen Platzverhältnissen höhere Drücke bei gleicher Luttengröße. Der Einfluss der Druckerhöhung zum Luttendurchmesser beträgt etwa x5. Zur Übersicht der Verhältnisse in Lutten dienen die beispielhaften Betrachtungen von Druckverhältnissen in den Bildern 1 und 2.

Fig. 1. Exemplary consideration of the pressure conditions as a function of the duct length. // Bild 1. Beispielhafte Betrachtung der Druckverhältnisse in Abhängigkeit von der Luttenlänge.

Fig. 2. Exemplary consideration of the pressure conditions as a function of the volume at the duct end. // Bild 2. Beispielhafte Betrachtung der Druckverhältnisse in Abhängigkeit vom Volumen am Luttenende.

Des Weiteren erhöht der zusätzliche Druck die Anforderung sowohl an die Qualität der Lutte als auch an die Wartung bzw. die Reparatur. Ein weiterer Betrachtungspunkt ist die zusätzliche Erwärmung der Wetter. Pro 1.000 Pa Druckerhöhung am Lüfter wird die Luft um etwa 1 K wärmer. Somit ist auch die Klimakontrolle mit in die Betrachtung einer Lösung einzubeziehen.

Generell ist ein wesentlich erhöhter Energieaufwand für Haupt- und Zusatzbewetterung erforderlich. Physikalisch erhöhen sich bei linearer Volumenerhöhung der Druck quadratisch und die notwendige Motorleistung kubisch. Dafür müssen Energienetze, Absicherungen, Kabel und Kabelwege vielfach umgestaltet werden. Effiziente Regel- und Steuersysteme für alle Komponenten sind in der Lage, entsprechende Leistungen jederzeit optimal anzupassen. Dies führt zur effizienten Auslastung der Komponenten und vermeidet Überdimensionierungen, die ein Vielfaches an Infrastruktur abverlangen würden.

Gerade in der Bewetterung können die Einzelkomponenten im Gesamtkonzept durch intelligente Vernetzung mit Sensoren optimiert werden. „Ventilation on Demand“ mit übergeordneter Prozesssteuerung und Bewetterungsprogramm inklusive Simulationsmöglichkeit kann durch eingebundene Sensortechnik effizient und flexibel arbeiten. Logistische Prozesse können so wettertechnisch abgestimmt und eingeplant werden. Selbst ein einzelner sonderbewetterter Vortrieb lässt sich nach dem heutigen Stand der Technik selbstständig intelligent und vollautomatisch steuern. Nicht nur Wetterbedarfe werden zielgenau geregelt, sondern auch eine Überwachung des Luttenzustands durch integrierte Prozessanalysen ist möglich. So können Wetterbedarfe fehlerfrei zugeordnet und ausgenutzt werden, um Fehlwetter und Energieverluste zu vermeiden.

5  Fazit

Solange der Mensch noch nicht vollkommen aus dem Arbeitsprozess entbunden ist, muss die Bewetterung der Grube in Zukunft auf die neuen Grenzwerte angepasst werden. Effizient kann dies nach der Analyse der wirklich möglichen Reduzierungen der verschiedenen Emissionen durchgeführt werden. Um diese Wetteroptimierung energetisch klein zu halten, ist eine übergeordnete Prozesssteuerung inklusive Messwerterfassung in den kritischen Arbeitsbereichen zu empfehlen.

Autoren: Dipl.-Ing. (FH) Jens Kegenhoff, Matthias Papesch M. Sc., Korfmann Lufttechnik GmbH, Witten/Germany
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