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Innovative Lernumgebungen

Das gestiegene Maß an Komplexität der bergbaulichen Gewinnung führt zu steigenden Anforderungen an die bergbauliche Ausbildung. Um die geforderten, breiten Kompetenzen im gewohnten Umgang abzubilden, müssen die Lehr-/Lern-Aktivitäten mehrschichtig gestaltet werden. Eine erfolgversprechende Möglichkeit bietet die Nutzung des erfahrungsbasierten Lernens in authentischen Umgebungen. Der Artikel führt in die Herausforderung der bergbaulichen Ausbildung ein und gibt eine Einleitung in das Lernmodell und die geforderten Kompetenzen. Im Anschluss werden anhand des Trainingsbergwerks Recklinghausen, des Lehr- und Forschungsbergwerks Reiche Zeche und des Lehr- und Forschungsbergwerks Rammelsberg Möglichkeiten für innovative untertägige Lernumgebungen vorgestellt.

Autoren: Angela Binder M. Sc., Prof. Dr.-Ing. Oliver Langefeld, Technische Universität (TU) Clausthal, Clausthal-Zellerfeld, Prof. Dr.-Ing. Helmut Mischo, Technische Universität (TU) Bergakademie Freiberg, Freiberg, Prof. Dr.-Ing. Elisabeth Clausen, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen, Dipl.-Ing. Peter von Hartlieb, EnergieAgentur.NRW, Düsseldorf

1  Einleitung

Fig. 1. Interaction of technology, environment and persons. // Bild 1. Zusammenwirken von Technologie, Umfeld und Personen.

Rohstoffgewinnung ist nur unter Zusammenwirken von Technologie, Umgebung und Personen möglich. Die Grundlage bildet eine Lagerstätte, welche das bergbauliche Umfeld beschreibt und somit viele Betriebsparameter vorgibt. Neben Eigenschaften von Lagerstätte, Nebengestein und Oberflächensituation bestimmen beispielsweise der rechtliche Rahmen, vorhandene Infrastrukturen und die Bevölkerung notwendige Maßnahmen zur Projektrealisierung. In diesen Rahmenbedingungen gilt es verfügbare Techniken so einzusetzen, dass Rohstoffe gewonnen und nutzbare Produkte erzeugt werden können. Die Weiterentwicklung von Techniken schafft es in immer komplexeren Situationen, eine Rohstoffgewinnung zu betreiben, sodass der in Bild 1 gezeigte Kreis der Technologie ausgeweitet werden konnte und sich größere Überschneidungen mit dem Umfeld ergeben. Den dritten unverzichtbaren Bereich bilden die Personen im Bergbau, denn bezogen auf das Umfeld gilt es, Technologien auszuwählen, anzuwenden und diesen Prozess zu leiten. Die Ausbildung und Weiterbildung von Bergingenieuren und Bergbautechnologen bildet daher einen wesentlichen Grundstein der bergbaulichen Aktivitäten.

Betrachtet man die Zukunft des Bergbaus, kann eine Entwicklung auf Basis der Umfeldveränderung beobachtet werden. Neben der steigenden Komplexität der Lagerstätten erhöhen sich Forderungen der Bergbauumgebung nach mehr Sicherheit, Umweltschutz und Einbeziehung der Öffentlichkeit bei gleichbleibendem Kostendruck. Diese Veränderungen sind auch in den Zielen des Bergbau 4.0 durch selektive Rohstoffgewinnung, autonome Gewinnung und minimale Auswirkungen auf Mensch und Umwelt abgebildet (1). Die Einbindung verschiedener Disziplinen und ihre Vernetzung nehmen hierbei eine zentrale Rolle in der Entwicklung ein.

Eine zukunftsfähige Ausbildung befähigt zur Arbeit nach der vierten und auch fünften industriellen Revolution. Weber Youngman führt hierzu aus, dass der Bergingenieur im Bergbau 4.0 zunehmend die Rolle des Vermittlers zwischen den Disziplinen einnimmt, sodass das benötigte Kompetenzspektrum verbreitert wird und die reine Fachkompetenz stark überschreitet (2). Auf Basis der Unterteilung in Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz zeigt Tabelle 1 eine beispielhafte Ausprägung dieser Fähigkeiten für einen Bergbauingenieur im Bergbau 4.0 (3).

Tabelle 1. Breite Kompetenzen zukünftiger Bergbauingenieure.

Ziel der fachlichen Ausbildung ist es, dass die Studierenden diese Kompetenzen erwerben, um für ihre Arbeitszeit gerüstet zu sein. Mit diesem Ziel gilt es Maßnahmen durchzuführen, welche der Kompetenzentwicklung dienen.

Traditionelle Lehransätze zielen häufig auf Vermittlung von Fachwissen ab und beschränken sich somit auf einen Teil der Fachkompetenz. Bei einer Ergänzung des Curriculums durch Fächer, welche die übrigen Kompetenzen abdecken, müssen entweder der Umfang des Programms erweitert oder Fächer gestrichen werden. Da diese Vorgehensweise nicht durchsetzbar ist, gilt es, ganzheitliche Lehr-/Lern-Aktivitäten zu entwerfen, die mehrere Kompetenzbereiche adressieren.

Eine Möglichkeit hierzu bietet das erfahrungsbedingte Lernen, bei welchem der natürliche Lernvorgang auf den Ausbildungszusammenhang übertragen wird (4). Der Lernende durchläuft vier Phasen: Zunächst wird eine Erfahrung gemacht, die in der zweiten Phase reflektiert wird. In der dritten Phase wird die Beobachtung analysiert, sodass durch die Verallgemeinerung Konzepte entwickelt werden. In der vierten Phase wird durch die Anwendung in einer neuen Situation das Konzept getestet. Dieses Lernverhalten kann durch die Gestaltung der Erfahrungen und die Unterstützung von Beobachtung, Reflexion und Analyse gefördert werden. Besondere vielschichtige Erfahrungen macht der Lernende hierbei bei direktem Praxisbezug.

Zur Herstellung des Praxisbezugs bieten direkte Maßnahmen, wie der Besuch von Gewinnungsbetrieben, aber auch indirekte Maßnahmen, wie die Implementierung von virtuellen Realitäten, große Möglichkeiten für Erfahrungen, die einen Lernprozess initiieren. Gleichzeitig weisen diese auch Nachteile auf. Eine virtuelle Realität ist begrenzt auf den visuellen Eindruck und reagiert nur in Maßen auf die Handlungen, bietet aber gleichzeitig viele Möglichkeiten. Die Integration von realen Projekten wie Bergwerken ist daher unverzichtbar.

Jedoch bedarf es eines sehr großen Aufwands, Bergwerke außerhalb des heimischen Umfelds zu besuchen, sodass die Rohstoffgewinnnungslandschaft Deutschlands zumeist das Erfahrungsportfolio beschreibt. Neben den klassischen Exkursionen bieten Projekte mit produzierenden Bergwerken die Möglichkeit zum Lernen in realer Umgebung. Jedoch weisen diese einen hohen Aufwand sowohl seitens des Bergwerks als auch auf Seiten der Lehrenden und Lernenden auf. Gleichzeitig grenzen Sicherheitsmaßnahmen und der laufende Betrieb die Möglichkeiten ein und stellen eine Herausforderung dar.

In einigen Lernorten ist es jedoch möglich, die Vorteile des erfahrenbedingten Lernens mit einer untertägigen Umgebung ohne die aufgeführten Nachteile zu kombinieren. Beispiele sind das Trainingsbergwerk (TZB) der RAG Aktiengesellschaft in Recklinghausen, das Lehr- und Forschungsbergwerk Reiche Zeche der Technischen Universität (TU) Bergakademie Freiberg in Freiberg sowie das Lehr- und Forschungsbergwerk Rammelsberg in Goslar und das Lernlabor der Technischen Universität (TU) Clausthal. Im Folgenden werden diese Lernorte und ihre Nutzung in der Ausbildung dargestellt. Anhand von Beispielen werden die Vorteile und Herausforderungen der Einbindung erläutert.

2  Trainingsbergwerk Recklinghausen

Wenn der deutsche Steinkohlentiefbau Ende 2018 ausgelaufen sein wird, bietet das TZB in einer alten Bergehalde in Recklinghausen weiterhin das vollständige Innenleben einer Untertagezeche auf dem Stand der Technik ab. Diesen Ort nutzt die Grubenwehr als Übungsstrecke. Er dient Studierenden aus dem In- und Ausland, Schulklassen, Bergbauinteressierten und Fachleuten des Rohstoffwesens zur Vermittlung von Kenntnissen unter realen Bedingungen und ist gleichzeitig Schaufenster für die Maschinen- und Anlagenbauer sowie Dienstleister des Zuliefersegments Mining.

2.1  Nutzung im Wandel über Jahrzehnte

Fig. 2. Shearer loader at TZB. // Bild 2. Walzenlader im TZB. Photo/Foto: RAG

Das Grubengebäude des TZB befindet sich in einer Bergehalde in Recklinghausen, das ab dem Jahr 1975 durch Berglehrlinge der damaligen Ruhrkohle AG auf die heutigen 1.200 m Strecke aufgefahren und mit realer Infrastruktur ausgerüstet wurde. Alles, was an Technik in einem normalen Bergwerk in großer Tiefe und über weite Flächen verstreut vorhanden ist, kann konzentriert ohne lange Anfahrtswege besichtigt, trainiert, untersucht und geprüft werden. Es werden Maschinen und Anlagen einzeln und im Zusammenspiel miteinander erprobt und Prüfungen der Bergbehörde durchgeführt. Aktuell existieren eine vernebelbare Grubenwehrübungsstrecke, zwei Streben – je ein Gleithobel- und ein Walzenstreb (Bild 2) – mit Übergabe sowie Kopf- und Bandstrecken, drei konventionelle Streckenvortriebe (Bild 3) und ein Blindschacht mit Bobine. Der Schildausbau ist identisch mit dem im Steinkohlenbergwerk Ibbenbüren. Nur, dass die Teufe dort mehr als 1.500 m beträgt, im Trainingsbergwerk liegen über der Strecke nur 17 m. Neben Bergmechanikern wurden weitere im Bergbau vertretene Berufsgruppen wie Elektroniker, Mechaniker oder Ver- und Entsorger ausgebildet. Insgesamt existieren 44 bergbauspezifische Lehrgänge für Facharbeiter, Techniker und Ingenieure. Teilnehmer kamen zuletzt zunehmend auch aus China, Lateinamerika, Tschechien, Polen, Russland oder Vietnam.

Fig. 3. Conventional road heading at TZB. // Bild 3. Konventioneller Streckenvortrieb im TZB. Photo/Foto: RAG

2.2 Zukunft einer Hands-on-Einrichtung

Neben praktischen Übungen an Einrichtungen, Techniken oder Verfahren lassen sich die Nutzwerte mit vielfältigen interdisziplinären Inhalten beschreiben. Dies umfasst die komplexen Abläufe eines Grubenbetriebs von der Lagerstätte über bergtechnische Aufgaben, die Maschinen- und Elektrotechnik bis hin zur Rekultivierung und Nachsorge. Die Einbindung eines Studierenden als Führungskraft in das simulierte operative Tagesgeschäft bringt nicht nur Praxiserfahrung in einem facettenreichen Arbeitsumfeld mit sich, sondern regt gleichzeitig zur aktiven Mitgestaltung an. Wichtige Zukunftsfelder stellen IT, Digitalisierung und Mining 4.0 dar. Ohne die IT-Funktionen von Mining 4.0 wird das zukünftige Production, Supply & Trading Geschäft nicht in der Lage sein, weltweit in neuen Bereichen zu handeln. IT ist schon heute für Innovationen und steigende Effizienz essentiell und wird es in den nächsten Jahren noch signifikant mehr. Verschiedene Rotationen in den folgenden Geschäftsbereichen sind vorstellbar: Infrastructure Management, IT Security, IT Project Management, Application Development bis hin zum Procurement Management. An der Seite von erfahrenen Experten und kreativen Kollegen in der Praxis arbeiten, Projekte kennenlernen und daran mitarbeiten bringt Mehrwerte. Schwerpunkte für Studierende bleiben dabei das Hinterfragen des Status Quo und der praktische Umgang mit neuesten Technologien. Die Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Aktivitäten und Zielgruppen des TZB.

Table 2. Activities and target groups of the TZB. // Tabelle 2. Aktivitäten und Zielgruppen des TZB.

Im Austausch zwischen dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, der Bergbehörde, dem Netzwerk Bergbauwirtschaft der EnergieAgentur.NRW sowie der RAG Aktiengesellschaft, dem Regionalverband Ruhr und der Stadt Recklinghausen ist eine Nachnutzung des Trainingsbergwerks nach dem Ende des deutschen Steinkohlenbergbaus als Besucherbergwerk, Übungsstätte, Ausbildungs-, Lehr- und Testfeld für Innovationen durch Hochschulen, Universitäten und Fachinstitute sowie als Schaufenster für Maschinen, Anlagen und Verfahren der Bergbauzulieferer skizziert worden. Im TZB wird also noch Wissen gefördert werden, wenn die Förderstandorte im Steinkohlenbergbau hierzulande längst Geschichte sind.

3  Lehr- und Forschungsbergwerk Reiche Zeche

Fig. 4. Research and testing mine “Reiche Zeche” of TU Bergakademie Freiberg. // Bild 4. Forschungs- und Lehrbergwerk „Reiche Zeche“ der TU Bergakademie Freiberg. Photo/Foto: TUBAF

Das Forschungs- und Lehrbergwerk (FLB) Reiche Zeche (Bild 4) ist eine zentrale Einrichtung der Ressourcenuniversität TU Bergakademie Freiberg. Gleichzeitig ist das FLB der Zugang zu mehreren großtechnischen Anlagen für die geothermische Nutzung von Grubenwässern (Schloss Freudenstein, Kreiskrankenhaus Freiberg und Campus Reiche Zeche) sowie einer der technisch befahrbaren Hauptzugänge zur Anlage des Rothschönberger Stollens, einem zentralen Element des Hochwasserschutzes im gesamten Freiberger Revier. Das aktive Bewilligungsfeld umfasst eine Fläche von 4,12 km². Aufgeschlossen durch die Schächte „Alte Elisabeth“ und „Reiche Zeche“ stehen zurzeit etwa 19 km Streckennetz auf fünf Sohlen für Forschung und Lehre zur Verfügung. Im Jahr 2018 sind 32 untertägige Versuchs-, Lehr- und Praktikumsstände im Betrieb, darunter mehrere BMBF- und EU-Projekte mit einer Vielzahl externer Partner. Derzeit sind insgesamt 15 Institute der TU Bergakademie Freiberg und 33 externe Partner aus 26 Ländern auf dem FLB involviert. An über 140 Tagen wurden knapp über 1.700 studentische Lehr- und Praktikumsschichten aus 21 internen und externen Programmen unter Tage verfahren.

Das FLB ist nach § 8 und § 129 Bundesberggesetz (BBergG) für die geothermische Gewinnung sowie als Versuchsgrube im Rahmen eines ordentlichen Betriebsplanverfahrens bewilligt. Mit der Inbetriebnahme des Untertage-Versuchsstands des Biohydrometallurgischen Zentrums (BHMZ) im Krüger-Kolleg der Dr.-Erich-Krüger Stiftung erfolgt seit dem Jahr 2015 auch wieder die Erzgewinnung.

Seit dem Jahr 1919 wird in den Anlagen der damaligen Himmelfahrt Fundgrube im hochschuleigenen Bergwerk gelehrt und geforscht. Mit den Unter- und Übertageanlagen, den technischen Ausrüstungen und Sachzeugen präsentiert sich die Schachtanlage den Besuchern aus aller Welt sowohl fachlich als moderner Lehr- und Forschungsstandort als auch historisch als eines der letzten untertägigen Silberbergwerke in Europa. Die TU Bergakademie Freiberg ist somit europa- und deutschlandweit die einzige Hochschule, die auf ihrem Campus ein bergrechtlich bewilligtes Gewinnungs- und Forschungsbergwerk für Forschungs- und Lehrzwecke betreibt.

3.1  Studienbegleitende Praktika

Gerade in der praktischen Ausbildung und den studienbegleitenden Praktika wird hoher Wert auf das Lernen im Realumfeld gelegt. Am Beispiel der Ausbildung der Bergbaustudenten ist es Ausbildungsziel, dass die Studenten nicht nur die praktischen Fähigkeiten durchführen, die sie in ähnlicher Form auch im Zug ihrer Beflissenenausbildung auf anderen Bergwerken erlangen können, sondern dass die durchgeführten Tätigkeiten auch mit ingenieurmäßigen Methoden aufgenommen und ausgewertet werden, um praxisorientierte Methoden für die Ermittlung von Kennzahlen und Bewertungsgrößen für eine mögliche Bewertung und Optimierung zu erlernen. Die Durchführung der Beflissenenausbildung auf dem FLB ist ebenfalls möglich.

So müssen die Studierenden z. B. am Praktikumsort „Streckenvortrieb“ nicht nur die anfallenden Arbeiten wie Stunde hängen, Anzeichnen des Sprengbilds, die gesamte Bohrarbeit inklusive der Einbrüche mit Bohrstütze und Bohrhammer, das Laden der Bohrlöcher bis hin zum Bereißen (Bild 5) und der Lade- und Fördertätigkeit – im aktuellen Vortriebsort mit Schrapper und Wurfschaufellader – selbst durchführen, sondern das Sprengergebnis und die durchgeführten Tätigkeiten aufnehmen und mit dem Ziel, mögliche Optimierungsansätze zu finden, entsprechend auswerten. Gleiches gilt für das Setzen von Ausbau und die Ausbaukontrolle, z. B. durch Ankerzugversuche. Zur Vor- und Nachbereitung der Praktika sowie für fachspezifische Vorlesungen stehen unter Tage vier Hörsäle zur Verfügung, die mit modernster Medientechnik ausgestattet sind, und analog zu den Versuchslaboren unter Tage ans Hochschulnetz angeschlossen sind.

Fig. 5. Heading location for student´s practice. // Bild 5. Vortriebsort studentisches Praktikum. Photo/Foto: TUBAF

Weitere Praktikumsorte in der bergmännischen Ausbildung sind Strecken- und Schachtförderung, Wettertechnisches Praktikum, Luttenprüfstand, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Gasmessungen (CO2 und Radon), Grubenwasseranalyse und Bemaßung von Erzgängen. Darüber hinaus erfolgt ein Großteil der praktischen Ausbildung der studentischen Grubenwehr unter Tage (Bild 6).

Fig. 6. Student rescue brigade is trained underground. // Bild 6. Praktische Ausbildung der studentischen Grubenwehr unter Tage. Photo/Foto: TUBAF

Eine Vielzahl weiterer Institute nutzen ebenso regelmäßig die Ausbildungsmöglichkeiten unter Tage. So hat beispielsweise das Institut für Markscheidewesen und Geodäsie mehrere Messstrecken unter Tage im gesamten Grubengebäude installiert und kann neben modernster Vermessungstechnik hier beispielsweise auch Praktika zur Schachtlotung anbieten, ein Angebot, das auch internationale Partner nutzen. Aber auch die studienbegeitenden Praktika für Geotechniker, Geophysiker, Mineralogen, Geologen und Mikrobiologen finden regelmäßig unter Tage statt. Ein Teil des Streckennetzes des FLB liegt dabei als computeranimiertes 3D-Modell vor und findet z. B. bei vorbereitenden Übungen und Simulationen Anwendungen (Bild 7).

Fig. 7. Mine rescue brigade training with 3D-model. // Bild 7. Übung mit dem Grubenwehrsimulator am 3D-Modell des FLB. Photo/Foto: TUBAF

3.2  Berufliche Weiterbildung und Berufsausbildung

Neben der akademischen Nutzung wird die Anlage in der fachbezogenen beruflichen Weiterbildung durch Partner in der Region regelmäßig genutzt. So fanden im vergangenen Jahr eine Weiterbildung für Wettersteiger oder auch die gemeinsam mit der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie (BG RCI) und der Wismut GmbH durchgeführte Einsatzleiterausbildung für Grubenbetriebe und Besucherbergwerke statt. Auch die Weiterbildung von Notärzten im Freistaat Sachsen über die besonderen Bedingungen in untertägigen Anlagen wurde erfolgreich durchgeführt.

Das FLB ist einer der Ausbildungsstandorte an der Fachschule Julius Weisbach, sowohl für die praktische Berufsausbildung zum Berg- und Maschinenmann als auch für Vermessungsfachkräfte und Geotechniker. Im Zug der Verbundausbildung von Bergbaubetrieben aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen für die duale Ausbildung zum Berg- und Maschinenmann arbeiten die Auszubildenden in einem mehrwöchigen Turnus auf verschiedenen Bergwerken, um eine möglichst breit gefächerte Ausbildung zu erhalten.

3.3  Entwicklung zum zentraleingebundenen untertägigen Lehr- und Forschungsstandort

Mit seinen großmaßstäblichen aktiven Forschungseinrichtungen im Bereich der untertägigen Forschung und den Möglichkeiten der Ausbildung unter Tage ist das FLB in der Region, in Deutschland und auch in Europa bereits eine konstante Größe. Unter dem Projektnamen „EURockLab“ wurde in den vergangenen Jahren ein Konzept aufgestellt und kontinuierlich fortgeschrieben, mit dem langfristig die Marschrichtung für eine erweiterte Einbindung des FLB in die Forschungs-Roadmaps, die Eingliederung in Forschungsvorhaben, den Aufbau von und den Beitritt zu Ausbildungs- und Forschungsnetzwerken festlegt. Dabei sind die Interessen und Bedürfnisse sowohl der primären Rohstoffforschung als auch von nicht direkt rohstoffbezogenen Forschungsansätzen einzubeziehen und hierfür die notwendigen untertägigen Labore und Versuchsanlagen zu schaffen. In Bild 8 ist die globale Struktur für die weitere internationale Einbindung des FLB dargestellt.

Fig. 8. Strategic development concept of the FLB. // Bild 8. Strategisches Entwicklungskonzept des FLB. Source/Quelle: TUBAF

Um dieses Potential bestmöglich auszubauen und langfristig zu nutzen, ist es notwendig, durch geeignete organisatorische, strukturelle und infrastrukturelle Maßnahmen das FLB aus seinem jetzigen Status heraus sowohl als modernes Bergwerk als auch als überregionalen Forschungsstandort kontinuierlich weiterzuentwickeln und interessierten Partnern zur Verfügung zu stellen.

4  Lehr- und Forschungsbergwerk Rammelsberg

Das Erzbergwerk Rammelsberg in Goslar förderte in seiner mehr als 1.000-jährigen Geschichte bis zum Jahr 1988 mehr als 30 Mio. t Silber-, Kupfer- und Bleierze. Als erste deutsche Industrieanlage wurde es im Jahr 1992 zwei Jahre nach Eröffnung des Museums von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt. Die langjährige Forschungs- und Ausbildungskooperation mit der TU Clausthal wurde im Jahr 2010 vertraglich festgehalten. Seit dem Jahr 2013 ist der Rammelsberg außerdem das Lehr- und Forschungsbergwerk der TU Clausthal. Die Partnerschaft, die ein traditionsreiches Bergwerk mit innovativer Forschung und Lehre verbindet, wird durch untertägige Forschungsaufgaben, Konferenzen und Lehr-/Lern-Aktivitäten am Rammelsberg gestaltet. Die Vielfalt der Zusammenarbeit übersteigt die Möglichkeiten dieser Veröffentlichung, sodass an ausgewählten Beispielen die Lernumgebung vorgestellt wird (5).

Der Rammelsberg bietet eine Vielzahl von räumlichen Verhältnissen an. Neben den übertägigen Einrichtungen wie Seminarräumen für Sicherheitsunterweisungen ebenso wie für Gruppenarbeiten, können fast alle untertägigen Bereiche genutzt werden. Einschränkungen ergeben sich nur durch instabile Gebirgsbedingungen und die Flutung der unteren Sohlen nach Beendigung der Produktion, welche die Bereiche unterhalb des Rathstiefsten Stollens betreffen. Die untertägigen Lernräume können mit Präsentations- und Arbeitsmedien ausgestattet werden. Zusätzlich steht die untertägige Einrichtung zur Verfügung. Die maximale Größe der Lerngruppe beträgt 50 Personen, wobei es gilt, die Aktivität auf die Gruppengröße anzupassen, sodass einige Aktivitäten nur mit Gruppen von fünf bis 15 Personen zu realisieren sind.

Fig. 9. Underground learning. // Bild 9. Untertägiger Lernort. Photo/Foto: TUC

Für Veranstaltungen verschiedener Arten eignet sich der Scherperstollen (Bild 9). Der Hauptvorteil des untertägigen Lernens ist die Nähe des bergbaulichen Umfelds, in dem Effekte und Maßnahmen direkt gezeigt und erfahren werden können. Ein im Bergbau üblicher Umstand ist das Nichtvorhandensein von Mobilfunk- und Internetverbindungen, sodass die Studierenden einerseits konzentrierter arbeiten können, jedoch auch lernen, dass die Ausrüstungsplanung projektentscheidend sein kann.

Besonders Einführungs- und Grundlagenveranstaltungen können durch viele Elemente des untertägigen Raums unterstützt werden. Ein Beispiel bilden die Geräte der technischen Ausstellung, die den konventionellen Vortrieb im Rammelsberg darstellen. Die Schritte im Bohr- und Sprengzyklus können so befahren und anhand von Maschinen erklärt werden. Auch können diese mit wettertechnischen Aufgabenstellungen wie der Frischwetterberechnung verknüpft werden.

Fig. 10. Different measurement environments, simple (left), complex (right). // Bild 10. Unterschiedliche Messumgebungen, einfach (links), komplex (rechts). Photo/Foto: TUC

Ein Hauptarbeitsfeld für Wetteringenieure und ein Beispiel für eine Projektarbeit ist das Planen, Durchführen und Auswerten einer Wettermesskampagne. In verschiedenen Komplexitäten des Wetternetzes und unter Verwendung verschiedener Auswertewerkzeuge kann diese Aufgabe für verschiedene Zeiträume und Vorkenntnisse als Lern-/Lehraktivität eingesetzt werden. Bild 10 vergleicht zwei Messumgebungen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen. Die linke Situation kann für die Einführung in die Wettermessung genutzt werden, da die Elemente eindeutig sind und keine Kurven und Abzweigungen vorliegen. Die rechts gezeigte Situation weist eine höhere Komplexität auf. Neben einer Lutte sind die verschiedenen Ausbauten und Abzweigungen zu berücksichtigen. Anhand der einfachen Situation können die Studierenden gemäß des erfahrungsbasierten Lernens Erfahrungen machen und Ansätze entwickeln, die in der folgenden komplexeren Situation weiterentwickelt werden. Hiermit wird das Verständnis für den untertägigen Raum geschult, und es werden Verfahren entwickelt, die Umgebung zu beschreiben und Einflussfaktoren zu identifizieren. Während des Arbeitens an der technischen Aufgabenstellung erweitern die Studierenden ihre Methodenkompetenzen in Organisation, Projektmanagement und Dokumentation und entwickeln Selbst- und Sozialkompetenz durch die Zusammenarbeit in der Gruppe.

Die Evaluierungsergebnisse der Lehrveranstaltungen und weitere Begleitforschung zeigen, dass die Studierenden die Verbindung von theoretischem Wissen und aktivem Handeln besonders im Projektumfeld für ihre persönliche Entwicklung schätzen. Besonders Studierende ohne Erfahrungen im untertägigen Raum sehen einen großen Mehrwert durch das Kennenlernen einer untertägigen Umgebung mit direkter Verknüpfung von Lerninhalten (6, 7).

Das Lehr- und Forschungsbergwerk der TU Clausthal bietet für die bergbauliche Ausbildung zahlreiche Räume, in denen Erfahrungen gestaltet werden können, die einen Lernprozess bei Studierenden anstoßen. Die Gestaltung und Begleitung der Aktivitäten zielt auf die ganzheitliche Kompetenzentwicklung ab.

5  Zusammenfassung

Anhand der drei Beispiele des Trainingsbergwerks Recklinghausen, des Lehr- und Forschungsbergwerks Reiche Zeche und des Lehr- und Forschungsbergwerks Rammelsberg wurde gezeigt, wie es an deutschen Standorten möglich ist, erfahrungsbasiert im universitären und außeruniversitären Rahmen zu lernen. Die Ansätze der Lehr-/Lern-Konzepte sind hierbei ähnlich. Die Anpassung auf Umgebung, Zielgruppe und Lernziele macht sie einzigartig und erfolgreich. Durch die vernetzte Weiterentwicklung und gegenseitige Unterstützung gilt es in den nächsten Jahren, diese Lernorte weiterzuentwickeln, sodass der Pfeiler der untertägigen, realitätsnahen Ausbildung eine Stärke der deutschen Ausbildung bleibt.

Quellenverzeichnis

Quellenverzeichnis

(1) Bartnitzki, T.: Mining 4.0 – Importance of Industry 4.0 for the Raw Materials Sector. Mining Report Glückauf (153), Heft 1/ 2017, S. 25 – 31.

(2) Weber Youngman, R.: Future of education program. Update on Subcommittee. Beijing, China, 4. Juli 2018.

(3) Erpenbeck, J.; Heyse, V.; Meynhardt, T.; Weinberg, J.: Die Kompetenzbiographie. Wege der Kompetenzentwicklung. 2., aktualisierte und überarbeitete Auflage Münster: Waxmann, 2007. ISBN 9783830918080.

(4) Kolb, D. A.; Fry, R. E.: Toward an Applied Theory of Experiential Learning: M.I.T. Alfred P. Sloan School of Management, 1974.

(5) Ernst, C.: TU Clausthal und Welterbe Rammelsberg vertiefen Kooperation. Goslar/Clausthal, 18. Januar 2013.

(6) Clausen, E.: Measuring the effectivity of a combined teaching and learning approach on the professional performance, acquisition of competences and student`s motivation. In: H. Mischo und C. Drebenstedt, Hg. Proceedings of the 26th Annual General Meeting & Conference of the Society of Mining Professors (SOMP), 2015, S. 43 – 48.

(7) Clausen, E.; Binder, A.: Innovative learning spaces for experiental learning: Underground mines. In: R. Brennan, K. Eedström, R. Hugo, J. Roslöf, R. Songer und D. Spooner, Hg. The 13th International CDIO Conference. Proceedings Full Papers, 2017, S. 595 – 604.

Autoren: Angela Binder M. Sc., Prof. Dr.-Ing. Oliver Langefeld, Technische Universität (TU) Clausthal, Clausthal-Zellerfeld, Prof. Dr.-Ing. Helmut Mischo, Technische Universität (TU) Bergakademie Freiberg, Freiberg, Prof. Dr.-Ing. Elisabeth Clausen, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen, Dipl.-Ing. Peter von Hartlieb, EnergieAgentur.NRW, Düsseldorf
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