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„Lieber zehn Minuten später ankommen als gar nicht!“

Bei Schulungen und Unterweisungen können die Berufsgenossenschaften unterstützen – etwa mit fachlicher Expertise und mit Materialien. Am Ende zählt aber vor allem das Engagement der Betriebe. So hat die RWE Power AG, Essen, an vier ihrer Ausbildungsstandorte Verkehrssicherheitstage für die Auszubildenden des ersten Ausbildungsjahres durchgeführt. Die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Heidelberg, unterstützte den Energieversorger dabei, über 150 junge Menschen für wichtige Verkehrssicherheitsthemen zu sensibilisieren. Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte in Ausgabe 2/2024 des BG RCI.magazin.

Authors/Autorinnen: Joel Klöhn BBA, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Heidelberg

Allein im Jahr 2023 verzeichnete die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Heidelberg, über 8.000 melde- und nicht meldepflichtige Wegeunfälle, die sich auf dem Weg zum Betrieb oder der Heimfahrt ereigneten. Für die anschließenden Entschädigungsleistungen wurden rd. 130 Mio. € aufgebracht. Früh mit der Aufklärungsarbeit anzufangen, um Unfälle im Straßenverkehr zu vermeiden, zahlt sich also nachhaltig aus – und das nicht nur in finanzieller Hinsicht. Denn gerade Wegeunfälle führen im Vergleich zu Arbeitsunfällen im betrieblichen Umfeld oft zu höheren Ausfallzeiten.

„Das können wir leider bestätigen“, sagt Roger Ringel, Leiter der technischen Ausbildung bei der RWE Power AG, Essen. Denn Verkehrsunfälle ziehen nicht selten schwere Unfallfolgen nach sich, enden im schlimmsten Fall sogar tödlich. „Vor einigen Jahren ist ein junger Azubi beim Überholen mit seinem Auto verunglückt. Nach einem langen Krankenhausaufenthalt ist er schlussendlich an den schweren Unfallfolgen gestorben“, erzählt Ringel weiter. „Das hat was mit uns allen gemacht. Und sowas möchte niemand nochmal erleben müssen!“ Umso wichtiger sei es, gerade die jüngeren Fahranfängerinnen und -anfänger von Beginn an für Sicherheitsthemen im Straßenverkehr zu sensibilisieren.

Aber nicht nur Fahrneulinge lernten bei den Aktionstagen Wichtiges für ihr alltägliches Verhalten im Straßenverkehr. „Auch ich konnte für mich persönlich vieles mitnehmen, und ich habe meinen Führerschein schon seit 20 Jahren“, erklärt Florian Schmieglitz, leitender Sicherheitsingenieur der Sparte Technik Tagebaue. Er nutzte die intensiven Gespräche mit den Expertinnen und Experten, um offene Fragen zu diskutieren und seinen Wissensstand aufzufrischen (Bild 1).

Bild 1. Roger Ringel, Florian Schmieglitz und Louis Adolffs (von links) vor dem Ausbildungszentrum der RWE Power AG in Bergheim. Foto: BG RCI

Wie lief der Verkehrssicherheitstag in der RWE Power AG ab?

Die BG RCI nutzte Unfallbeispiele der RWE Power, um für Wege- und Dienstwegeunfälle zu sensibilisieren. In diesem Zuge wurden Daten und Fakten zur Prävention im Berufsverkehr vorgetragen sowie die Aufgaben und Leistungen der BG RCI erläutert. Zwei Referenten des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) vermittelten in Form der Kurzseminare „Alles im Griff“ und „Sicher in meiner Region“ wichtige theoretische Inhalte. In Letzterem werden gezielt regional-spezifische Unfallschwerpunkte thematisiert und mögliche Gefahren aufgezeigt. „Bei uns gibt’s im Herbst immer die Zuckerrübenernte“, führt Ringel aus. „Da sind die Straßen schmutzig, die Trecker unbeleuchtet. Das sind nochmal besondere Risiken.“

Die in Gruppen aufgeteilten Auszubildenden besuchten am Nachmittag verschiedene Stationen, die auf einer Aktionsfläche aufgebaut waren. Neben dem fachlich-theoretischen Wissen sorgten gerade die praktischen Übungen für die beabsichtigten Aha-Effekte. Das sieht Louis Adolffs, Auszubildender im ersten Ausbildungsjahr und Teilnehmer der letzten Verkehrssicherungstage, genauso: „Der Überschlagssimulator war unschlagbar!“, resümiert er. Ein entsprechend präparierter PKW erlaubt es, eine im Fahrzeug sitzende Person auf den Kopf zu drehen (Bild 2).

Bild 2. Besonderes Highlight: Der Überschlagsimulator. Foto: RWE Power

Das zeigt, wie wichtig das Anschnallen ist, und die Teilnehmenden können das Lösen des Sicherheitsgurts sowie das Befreien nach einem Verkehrsunfall üben. „Man kann sich zwar grob vorstellen, was im Fall der Fälle auf einen zukommt, aber hier fühlt man es am eigenen Leib. Und das will man nicht in echt erleben!“, so Adolffs.

Aber nicht nur der Überschlagssimulator war es, der den Teilnehmenden verdeutlichte, wie wichtig Verantwortungsbewusstsein, Vorsicht und die gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr sind. Weiterer Bestandteil des Programms waren ein PKW-Fahrsimulator (Bild 3), mit welchem die Azubis das Fahren bei unterschiedlichen Rahmenbedingungen üben können, ein Rauschbrillen-Parcours zur Simulation des Einflusses von Alkoholkonsum im Verkehr sowie ein Verkehrstisch, an dem das richtige Verhalten in typischen Verkehrssituationen diskutiert wurde. Informationen zur „Sicherheit im Radverkehr“ rundeten das themenreiche Angebot ab.

Bild 3. Der PKW-Fahrsimulator eignet sich super, um unterschiedliche Situationen im Straßenverkehr mithilfe verschiedener Fahrprogramme zu erleben, darunter das Fahren unter Alkoholeinfluss oder auf schneenasser Straße. Foto: RWE Power

Offene Kommunikation

Die Aktionen gaben die nötigen Impulse, eigene Verhaltensweisen in die richtige Richtung zu lenken und ein sicheres Fundament für die Zukunft zu schaffen. Eine daran angelehnte offene Kommunikation, die über die Verkehrssicherheitstage hinausgeht, ist jedoch umso wichtiger. „Die Auszubildenden sollen lieber anrufen und sagen, sie kommen ein wenig später, wenn sie verschlafen haben oder noch Eis von der Autoscheibe kratzen müssen, als loszuhetzen und im Zweifel noch zu verunglücken“, so Ringel. „Lieber zehn Minuten später ankommen als gar nicht! Das haben wir gelernt. Und diese Einstellung intern zu kommunizieren, ist uns besonders wichtig.“

Die Verantwortlichen der Ausbildungszentren der RWE Power sind sich sicher: „Die Verkehrssicherheitstage sind eine sehr wichtige Säule unserer Präventionsstrategie. Die Aktionen ergänzen sich sehr schön“, erklärt Schmieglitz. „Gerade durch die praktischen Aktionsmedien, durch das Spielerische, werden die Inhalte gut vermittelt. Spaß trifft auf wichtigen Wissenstransfer – und so fruchtet es. Besser geht’s nicht!“

Und dass „es fruchtet“, ist in letzter Instanz das Wichtigste. Denn am Ende geht es um Menschenleben. Die Verkehrssicherheitstage können ansetzen, bevor die Beschäftigten in kritische Situationen geraten. „Wir wissen zwar nicht, wie viele Unfälle wir dadurch vermeiden. Aber wenn’s nur ein einziger ist, dann haben wir alles erreicht!“, so Ringel. Und aus diesem Grund sind auch schon die nächsten Aktionstage für Herbst 2024 in Planung. Dann werden die neuen Azubis, die im August ihr erstes Ausbildungsjahr begonnen haben, für wichtige Verkehrssicherheitsthemen sensibilisiert.

Aktionstage – Unterstützung für Mitgliedsunternehmen

Aktionstage – Unterstützung für Mitgliedsunternehmen

Die BG RCI bietet Mitgliedsunternehmen die Unterstützung bei der Umsetzung entsprechender Aktionstage an. Voraussetzung dabei ist, dass allen Verkehrssicherheitsmaßnahmen ein Konzept mit einem systematischen Präventionsansatz zugrunde liegt. Bei der Erarbeitung dieses Konzepts beraten die Expertinnen und Experten der BG RCI, um ein individuelles, auf die betriebliche Situation und Umstände des Unternehmens abgestimmtes Präventionsangebot zu erarbeiten. Weitere Informationen und Kontaktmöglichkeiten sind auf der BG RCI-Website unter www.bgrci.de/verkehr zu finden.

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