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„Man sieht die Themen, die wichtig sind“

Im Jahr 2017 hat das Gipswerk Uehrde, Rump und Salzmann GmbH & Co. KG, Osterode am Harz, zum ersten Mal die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen durchgeführt. Im Jahr 2022 wurde die Beurteilung wiederholt. Im Interview mit Kristin Kramer, Dr. Ulla Nagel GmbH, Dresden, und Bernhard Kirchner, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Langenhagen, berichten Werkleiter Uwe Schridde und Mitarbeiter des Gipswerks über die Ergebnisse und darüber, was sich in den vergangenen fünf Jahren verändert hat. Die Erstveröffentlichung des Interviews erfolgte im BG RCI-Magazin, Ausgabe November/Dezember 2022, S. 10 bis 13.

Authors/Autoren: Dipl.-Kommunikationspsychologin (FH) Kristin Kramer, Dr. Ulla Nagel GmbH, Dresden, Dr. med. Bernhard Kirchner, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Langenhagen

Einführung

Fig. 1. Rump & Salzmann’s Uehrde gypsum quarry. Bild 1. Gipssteinbruch Uehrde von Rump & Salzmann. Photo/Foto: Rump & Salzmann

Die Welt wird immer komplexer, und dementsprechend sind auch die Unternehmen – egal ob Klein- oder Großbetriebe – gefordert, sich in ihrer Struktur und ihrem Management zu verändern. Eine wichtige Grundlage hierzu ist, die sinnvolle und lebendige Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen.

Die Rump & Salzmann Gipswerk Uehrde GmbH & Co. KG (Bild 1), Osterode am Harz, hatte diese Beurteilung 2017 erstmals durchgeführt. Bedingt durch Corona verzögerte sich die erneute Durchführung und erfolgte 2022. Der Kleinbetrieb mit seinen 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nimmt seit vielen Jahren engagiert an der Alternativen Betreuung teil (nach DGU V2, Anlage 3, in der Fassung vom 1. Januar 2014).

Wie schon beim ersten Mal hat das Gipswerk für die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen auf die bewährte Vorgehensweise zurückgegriffen (Bilder 2, 3), die ein Beratungsunternehmen in Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft Elektro, Textil, Energie Medienerzeugnisse (BG ETEM), Köln, und der TU Dresden entwickelt hat.

Fig. 2. Kick-off for the repeat survey with the steering committee of Rump & Salzmann, accompanied by the company physician of BG RCI, Bernhard Kirchner, and the external moderator Kristin Kramer. // Bild 2. Kick-Off zur Wiederholungsbefragung mit dem Steuerkreis von Rump & Salzmann begleitet durch den Betriebsarzt der BG RCI, Bernhard Kirchner, und die externe Moderatorin Kristin Kramer. Photo/Foto: Rump & Salzmann

Im Fokus der Befragung mit Workshopauswertung der Beschäftigten standen folgende Fragen: Was hat sich seit 2017 im Kleinbetrieb verändert? Wie haben sich die Belastungen im Betrieb und bei den Mitarbeitenden verändert? Was ist besser geworden und welche (neuen) Fehlbelastungen sind hinzugekommen?

Fig. 3. All employees were informed about the repeat measurement. Afterwards, they could voluntarily fill out the questionnaire on the risk assessment of mental stress. // Bild 3. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden zur Wiederholungsmessung informiert. Im Anschluss konnten sie den Fragebogen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen freiwillig ausfüllen. Photo/Foto: Rump & Salzmann

Uwe Schridde, Werkleiter

Kristin Kramer/Bernhard Kirchner: Herr Schridde, im Jahr 2017 haben Sie die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen erstmals in Ihrem Unternehmen durchgeführt. Welche Maßnahmen wurden dadurch angestoßen?
Uwe Schridde: Die größte Maßnahme war, dass wir im Steinbruch eine neue Halle gebaut haben. Im Prinzip hat uns die Gefährdungsbeurteilung geholfen, den erheblichen Sanierungsbedarf mit Nachdruck zu verfolgen. Gleichzeitig hat der Prozess, in denen unsere Bruchmeister Führungsfeedback erhalten haben, die Wichtigkeit von Leadership-Seminaren und der kontinuierlichen Weiterentwicklung von Führungskompetenzen unterstrichen. Die Meister haben sich persönlich weiterentwickelt. Sie haben das Feedback genutzt, um an ihren Führungskompetenzen zu arbeiten. Sie nehmen sich mehr Zeit für ihre Mitarbeitenden, hören ihnen zu. Das hat zu einer spürbaren Verbesserung in der Zusammenarbeit geführt.

Kramer/Kirchner: Was war für Sie der Ausgangspunkt für die Wiederholungsbeurteilung?
Schridde: Für mich war die Kernfrage, wie wir uns in den letzten Jahren weiterentwickelt haben. Durch Corona sind es nun fünf Jahre, auf die wir zurückblicken. Die Wiederholungsmessung hat gezeigt, dass wir uns weiterentwickelt haben, aber natürlich immer noch Verbesserungspotential besteht. Man ist nie am Ende, es gibt immer wieder neue Ansätze. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sind ein permanentes Thema, da sich Strukturen verändern, neue Mitarbeitende dazukommen und wir uns an immer wieder neue Arbeitsanforderungen durch beispielsweise neue Systeme anpassen müssen.

Kramer/Kirchner: Welche Erkenntnisse haben Sie aus der Wiederholungsbeurteilung 2022 gezogen? Wo sehen Sie dieses Mal den Schwerpunkt?
Schridde: Für mich ist es das Thema, die Eigenverantwortlichkeit meiner Mitarbeitenden zu stärken, dass sie sich selbst mehr zutrauen, Veränderungen anstoßen und Ideen umzusetzen. Ich denke da zum Beispiel daran, dass ein Bruchmeister mit dem 6-S-Projekt viel angestoßen und verändert hat.

Kramer/Kirchner: Ist eine dritte Wiederholungsbeurteilung geplant? Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?
Schridde: Ja, in fünf bis sechs Jahren. Zentral ist für mich die offene Kommunikation in den Gruppen. Die Befragung der Mitarbeitenden liefert uns den Leitfaden für die Gespräche in den Workshops. Wichtig ist dabei, dass dies durch professionelle Moderation geschieht, damit dieser Austausch strukturiert erfolgt und am Ende Maßnahmen abgeleitet und dokumentiert werden. Wir profitieren davon, dass eine externe Moderatorin und unser Betriebsarzt, der den Prozess begleitet und initiiert hat, wertvolle Impulse von außen geben. Wir machen das, nicht weil wir massive Probleme haben, uns die Mitarbeitenden weglaufen, es ungelöste Konflikte gibt oder die Produktivität leidet. Die Gefährdungsbeurteilung ist für mich eine wichtige Prophylaxe, Themen anzusprechen und kontinuierlich zu verbessern, bevor Probleme eskalieren. Gleichzeitig haben wir durch diesen Prozess wichtige Ansprechpersonen gefunden, die uns zu Themen rund um das Thema Arbeit und Gesundheit beraten. Das bietet Sicherheit, denn diese Experten kennen die Firma und die Mitarbeitenden.

Kramer/Kirchner: Aus welchem Grund ist es aus Ihrer Sicht wichtig, kontinuierlich an den Themen dranzubleiben?
Schridde: Psychische Belastungen sind ein permanentes Thema. Es gibt immer wieder neue Themen, neue Programme, die uns her­ausfordern und die Anpassung von uns verlangen. Wie geht man damit um? Wie nehmen wir die Mitarbeitenden mit und sorgen dafür, dass sie gesund und motiviert bleiben? Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen bietet die beste Gelegenheit, diese Fragen zu beantworten.

Kramer/Kirchner: Welchen Tipp würden Sie anderen Unternehmen geben?
Schridde: Ich kann diesen Prozess nur allen empfehlen. Er bringt die Themen auf den Tisch, startet einen Dialog, in dem man gemeinsam nach Lösungen sucht. Am Ende steigern die abgeleiteten Maßnahmen die Effizienz.

Markus Teuber, Bruchmeister

Kramer/Kirchner: Herr Teuber, Sie haben 2017 die Gefährdungsbeurteilung bereits als Führungskraft miterlebt. Was waren für Sie wichtige Veränderungen, die angestoßen wurden?
Markus Teuber: Die wichtigste Veränderung war, dass wir die Arbeitseinteilung umstrukturiert haben. Die Kollegen haben sich gewünscht, dass Sie mehr zwischen den verschiedenen Arbeitstätigkeiten wechseln können. Außerdem haben wir einen neuen Mitarbeiter bekommen, der uns den Rücken freihält und sich darum kümmert, dass z. B. die Anlagen gereinigt werden.

Kramer/Kirchner: Was waren aus Ihrer Sicht die zentralen Themen der diesjährigen Gefährdungsbeurteilung?
Teuber: Natürlich ist es in erster Linie das Thema Kommunikation. Hier haben wir die „Meisterrunde“ und das „Shop-Floor-Meeting“ eingeführt. Durch diese Besprechungen wird der Austausch konstruktiv, die Kommunikation untereinander hat sich verbessert. Wir haben 6-S begonnen und sind immer noch dabei, diesen Standard umzusetzen. Für mich persönlich war es das Feedback, das ich von meinen Mitarbeitenden erhalten habe und über das ich mich freue.

Kramer/Kirchner: Welchen Nutzen bringt die Gefährdungsbeurteilung?
Teuber: Man sieht die Themen, die wichtig sind. Es öffnet die Augen.

Detlef Bierwisch, Zweiter Bruchmeister

Kramer/Kirchner: Herr Bierwisch, Sie haben die Gefährdungsbeurteilung 2017 als Mitarbeiter erlebt und 2022 in der Rolle als stellvertretender Bruchmeister. Was waren für Sie die wesentlichsten Maßnahmen, die nach 2017 umgesetzt wurden?
Detlef Bierwisch: Nach dem Projekt 2017 ist ganz schön viel passiert. Der Hallenneubau wurde vorangetrieben. Dadurch hat sich viel verändert, die Stimmung bei den Kollegen hat sich verbessert. Auch das Miteinander hat sich verändert – es wird mehr miteinander gesprochen.

Kramer/Kirchner: Was waren aus Ihrer Sicht die zentralen Themen der diesjährigen Gefährdungsbeurteilung?
Bierwisch: Wir sind auf einem guten Weg. Wichtigstes Thema bleibt die Kommunikation. Da müssen wir dranbleiben und gerade die neuen Kolleginnen und Kollegen mitnehmen. Wir haben die „Shop-Floor-Runde“ und „Meisterrunde“ eingeführt. Da heißt es jetzt: dranbleiben. Manchmal reichen schon fünf Minuten für eine kurze Abstimmung, damit alle auf dem gleichen Stand und mit den wichtigsten Informationen versorgt sind.

Kramer/Kirchner: Welchen Nutzen bringt die Gefährdungebeurteilung Psyche aus Ihrer Sicht?
Bierwisch: Es wird über alle arbeitsrelevanten Themen gesprochen, und man macht sich selbst seine Gedanken dazu: Was kann ich besser machen? Was kann ich selbst ändern? Ich finde das gut und diesen Ansatz genau richtig.

Frank Dernedde, Mitarbeiter im Steinbruch

Kramer/Kirchner: Was waren wesentliche Maßnahmen, die nach der GBU Psyche 2017 umgesetzt wurden?
Frank Dernedde: Dass wir auch mal über alle Probleme gesprochen und Meinungsaustausch zu den verschiedenen Themen betrieben haben. Außerdem haben wir vernünftige Aufenthalts- und Besprechungsräume erhalten, in denen wir nun gut zusammensitzen und uns austauschen können. Ich selbst habe nun eine Werkstatt zur Instandhaltung aller Maschinen erhalten. Früher habe ich bei Wind und Wetter im Steinbruch unter einer Art Carport die Reparaturen durchgeführt.

Kramer/Kirchner: Was waren aus Ihrer Sicht die zentralen Themen der diesjährigen Gefährdungsbeurteilung?
Dernedde: Kommunikation ist immer noch zentraler Schwerpunkt.

Kramer/Kirchner: Welchen Nutzen bringt die Gefährdungsbeurteilung Psyche aus Ihrer Sicht?
Dernedde: Dass Sachen angeregt werden und man darüber nachdenkt. Sonst läuft es immer so, und es ändert sich nichts. In dem Projekt hat sich gezeigt, dass wir viele Ideen haben, wie wir verschiedene Themen handhaben können. Daraus konnten dann gute Maßnahmen abgeleitet werden. Wichtig ist nur, dass man im Gespräch bleibt und die Vorhaben weiterverfolgt. Das ist im Alltag schon eine große Herausforderung. Deshalb gibt es im November einen Nachhaltigkeitstermin, in dem wir überprüfen, wie der Umsetzungsstand ist.

Fazit

Neben wichtigen praktischen Umsetzungen wie dem Hallenneubau und strukturellen Veränderungen wie die neue Arbeitseinteilung, ist der sich kontinuierlich verbessernde Führungsstil ein wichtiges Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen im Gipswerk Uehrde. „Gesundheitsfördernde Führung mit anerkennendem Erfahrungsaustauch“ ist ein Führungsstil, der die Bereitschaft der Führungskräfte voraussetzt, teilnehmend und kooperativ auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuzugehen. Dieser Führungsstil wird hier gelebt. Beschäftigte brauchen aufrichtige Anerkennung, um gesund und arbeitsfähig zu bleiben. Jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin ist einzigartig mit den jeweiligen Fähigkeiten und Talenten. Die Führungskräfte schärfen ihre Sinne, um zu sehen, worin der einzigartige Beitrag eines oder einer Mitarbeitenden für den Betrieb besteht, indem sie vor allem auch die Kommunikation auf Augenhöhe weiter verwirklichen.

Authors/Autoren: Dipl.-Kommunikationspsychologin (FH) Kristin Kramer, Dr. Ulla Nagel GmbH, Dresden, Dr. med. Bernhard Kirchner, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), Langenhagen
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