Der Beitrag führt die Kommentierungen des Verfassers in Frenz, W. (Hrsg.), Atomrecht, 2019 fort.
1 Schließung einer Lücke durch das Nachhaftungsgesetz
Das Nachhaftungsgesetz (NachhG) schließt eine Gesetzeslücke, die im Atombereich als nicht akzeptabel angesehen wurde, allerdings im Übrigen fortbesteht. § 303 Aktiengesetz (AktG) gewährleistet eine konzernrechtliche Nachhaftung der Muttergesellschaften der Betreibergesellschaften im Fall der Beendigung der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträge nur sehr eingeschränkt, und zwar in zweifacher Hinsicht: Der Anspruch ist lediglich auf Sicherungsleistung gerichtet und nicht auf Kostenübernahme und zudem entsprechend der Judikatur auf fünf Jahre nach seiner Begründung begrenzt. Für den Bereich des Umwandlungsrechts gelten vergleichbare Regelungen (1). Dabei nimmt der Rückbau eines Kernkraftwerks allein einen deutlich längeren Zeitraum in Anspruch und ein Endlager dürfte vor 2050 nicht verfügbar sein (2). Auch die Nachsorge nach Beendigung des Bergbaus erstreckt sich über lange Zeiträume. Es greift eine sehr lange Haftung ein, so lange sich Entwicklungen auf den Bergbau zurückführen lassen (3).
Auch kann das bloße Absehen von der Inanspruchnahme des Verursachers zu einer Beihilfe führen, wenn wahrscheinlich der Staat auf seine Kosten einen Schaden beheben oder abwenden muss. Bei nuklearen Altlasten ist dies nicht anders zu erwarten, ebenso bei bergbaulichen Nachsorgeverpflichtungen, so zur Wiedernutzung der Braunkohlentagebaue. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass lange konzipierte Wiedernutzbarmachungskonzepte durch den vorzeitigen Kohleausstieg zunichte gemacht werden und so eine höhere sowie vor allem früher anfallende Kostenlast entsteht, die auch nicht (mehr) mit Einnahmen aus der Kohleverstromung gesichert ist (4). Die Kohlekommission verlangt daher schon stärkere Absicherungen bei noch zu genehmigenden Betriebsplänen: Ohne Konzernhaftungsverbund gibt sie insolvenzfeste Sicherheitsleistungen vor (5). Deshalb ist ein finanziell sogar sehr aufwendiges staatliches Handeln absehbar, wenn keine Absicherung auf Unternehmensseite (mehr) gegeben ist. Daher ist eine Beihilfe gegeben, wenn die Atomkonzerne von einer Haftung für nukleare Altlasten und dabei vor allem den Rückbau und die Entsorgung von Kernkraftwerken entbunden werden, und sei es durch eine mögliche Auslagerung auf finanziell nicht hinreichend ausgestattete Betreibergesellschaften. Gleiches gilt bei einer Entlastung der Bergbauunternehmen von Wiedernutzbarmachungsverpflichtungen und sonstigen Nachsorgelasten, die ursächlich auf den Bergbau zurückzuführen sind und nicht in der früheren Beendigung des Kohleabbaus für die Verstromung ihren Grund haben.
Die Durchgriffshaftung der Muttergesellschaft ist daher beihilferechtlich geboten. Sie geht über die nach § 4 Abs. 3 S. 4 -BBodSchG hinaus, indem sie generell bei Kapital- oder Stimmrechtsmehrheit bzw. Leitung der Betreibergesellschaft eingreift und nicht nur in Missbrauchskonstellationen (6). Es genügt eine potentielle faktische Beherrschung, die aufgrund einer eigenständigen Definition von den Wandlungen des Zivilrechts unberührt bleibt – im Gegensatz zur bodenschutzrechtlichen Durchgriffshaftung (7). Auf diese Weise wird eine verursachergerechte dauerhafte Verantwortlichkeit der Atomkonzerne für die nuklearen Altlasten aus dem Rückbau von Kernkraftwerken umfassend sichergestellt (8). Für den Kohlebergbau ist Vergleichbares zu überlegen, stellt sich doch die Frage, wer nach dem Ende der Kohleverstromung haftet, zumal wenn die Bergbauunternehmen in andere Geschäftsfelder ausgreifen und womöglich ihre bergbaulichen Aktivitäten ausgründen wollen.
2 Umfassende Konzernverantwortlichkeit
Das NachhG bestimmt in § 1 Abs. 1 in Form einer Generalklausel (9) eine umfassende – wenn auch subsidiäre – Verantwortlichkeit der Atomkonzerne für Betreibergesellschaften: Für sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen öffentlich-rechtlichen Zahlungsverpflichtungen eines Betreibers von im Inland gelegenen Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, die für die Stilllegung und den Rückbau dieser Anlagen nach § 7 Abs. 3 AtG sowie für die geordnete Beseitigung der radioaktiven Abfälle nach § 9a Abs. 1 S. 1 AtG (Entsorgungsaufgaben bis zur Endlagerung radioaktiver Abfälle) anfallen – insbesondere die Verbindlichkeiten aus den §§ 21a und 21b AtG, der EndlagervorausleistungsVO sowie aus den §§ 21 ff. des StandAG – haften herrschende Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 NachhG der jeweils anspruchsberechtigten Körperschaft, wenn der Betreiber diese Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt.
Die zuständige öffentlich-rechtliche Körperschaft hat also einen subsidiären Zahlungsanspruch gegen alle Konzerngesellschaften, die der Betreibergesellschaft übergeordnet sind (10). Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine unmittelbare oder mittelbare Beherrschung vorliegt (10). Aufgrund des umfassenden Zwecks, die tatsächliche Zahlung und Finanzierungsverantwortung der Kernkraftwerksbetreiber einschließlich der dahinterstehenden Betreiber zu sichern, ist nur das Ob der Beherrschung entscheidend und nicht das Wie. Sämtliche Konstruktionen der Beherrschung, die im Gesetz noch näher definiert werden, sind zu erfassen.
Als herrschend definiert § 2 Abs. 1 NachhG Unternehmen, denen unmittelbar oder mittelbar mindestens die Hälfte der Anteile an einem Betreiber gehört, denen mindestens die Hälfte der Stimmrechte der Gesellschaft eines Betreibers zustehen oder die unabhängig davon in sonstigen Fällen allein oder gemeinsam einen beherrschenden Einfluss auf einen Betreiber ausüben können. Letztlich zählt damit weniger die Form als vielmehr das Ergebnis des beherrschenden Einflusses über die Anteile, die Stimmrechte oder in sonstiger Weise. Die dadurch begründete Nachhaftung erlischt nach § 3 Abs. 1 NachhG nicht dadurch, dass die Eigenschaft als herrschendes Unternehmen nach dem 1. Juni 2016 endet. Diese Haftung kann auch nicht mit befreiender Wirkung nach diesem Datum auf einen Dritten übertragen werden (§ 3 Abs. 2 NachhG).
Eigens erfasst wird auch das Erlöschen der Betreibergesellschaft. Insbesondere dann steht der zuständigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft kein Zahlungspflichtiger mehr zur Verfügung. Daher muss, wenn die Betreibergesellschaft verschwindet, der gegen diese bis dahin bestehende Zahlungsanspruch ersetzt werden. Deshalb besteht ein eigenständiger Zahlungsanspruch der zuständigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft gegenüber der der Betreibergesellschaft übergeordneten Konzerngesellschaft (10).
Auf diese Weise wird das atomrechtliche Verursacherprinzip verwirklicht. Das Gemeinlastprinzip ist ausgeschlossen, indem die Finanzierung des Ausstiegs aus der Kernenergie auf weitere Säulen gestellt wird (10). Die Interessen von Staat und Gesellschaft vor den erheblichen finanziellen Risiken aus einer Zahlungsunfähigkeit der verantwortlichen Betreibergesellschaften werden geschützt (10). Insoweit verwirklicht sich auf der Sekundärebene die Primärverantwortung der Kernkraftwerksbetreiber.
Indem die Mutterkonzerne nur eine subsidiäre Ausfallhaftung tragen, werden die Eingriffe in die Individualrechte betroffener Unternehmen erheblich begrenzt, nämlich reduziert auf den Fall, dass die durch Rückstellungsbildung gesicherte Finanzierung durch die Betreibergesellschaften scheitert oder gefährdet ist (10). Im Regelfall reichen die Rückstellungen bei den Betreibergesellschaften aus, sodass die Ausfallhaftung der Konzerngesellschaften die Ausnahme bildet und vor allem Umgehungsversuchen vorbeugt, um die Haftungsmasse zu verringern (11).
Indem die Verbindlichkeiten nicht abschließend aufgezählt werden („insbesondere“), sind auch ggf. künftig eingeführte Zahlungsverbindlichkeiten umfasst (12). Damit sind derzeitiger Anknüpfungspunkt zwar die bislang regulierten Zahlungspflichten, Gebühren und Beiträge nach dem Atomgesetz, die Vorausleistungen auf Beiträge nach der Endlagervorausleistungsverordnung sowie die Umlage nach dem Standortauswahlgesetz. Indes sind damit nur die bislang vorgesehenen Schritte der Stilllegung und des Rückbaus der Kernkraftwerke und der Entsorgung der radioaktiven Abfälle umfasst, ohne dass diese Ausgestaltung abschließend wäre. Vielmehr können auch weiterhin später eingeführte Zahlungspflichten die Nachhaftung auslösen. Die Zahlungspflichten werden also nicht abschließend aufgezählt (9).
Die beherrschenden Unternehmen und damit die Muttergesellschaften können nach § 1 Abs. 2 NachhG ebenfalls herangezogen werden, wenn der Betreiber im Fall der Zwangsvollstreckung oder der Ersatzvornahme seine Kostentragungspflicht nicht erfüllt.
3 Ende der Konzernverantwortlichkeit
Ein Ende der Haftung ist gegenständlich bedingt. Sie endet nach § 4 NachhG spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem die ablieferungspflichtigen Stoffe vollständig in einem Endlager abgeliefert wurden und dieses verschlossen ist, was aber erst bei Lagerung der Abfälle ohne weitere Gefährdung möglich ist. Es muss sich dabei um eine Anlage des Bundes handeln. In jedem Fall endet die Nachhaftung, wenn die Verpflichtungen nach § 1 NachhG nicht mehr bestehen, weil die Einzahlung in den öffentlich-rechtlichen Fonds sowie die Stilllegung, der Rückbau und die fachgerechte Verpackung abgeschlossen sind. Dann endet akzessorisch auch die subsidiäre Nachhaftung für die Kosten der Erfüllung dieser Verpflichtungen (13). Es bleibt aber die Haftung für die vom Entsorgungsfonds nicht erfassten Bereiche wie den Rückbau der Kernkraftwerke, bis dieser erfolgt ist. Daraus können sich erhebliche Verpflichtungen ergeben. Zur Abgrenzung ist näher auf die Bereiche einzugehen, für welche die Atomkonzerne nicht mehr haften. Möglicherweise bietet sich ein solches Modell auch für die Nachsorge in der Braunkohle an – nach der Verwirklichung im ausgelaufenen Steinkohlenbergbau.
4 Übergang der Finanzierungsverantwortung für die Endlagerung
Das Entsorgungsübergangsgesetz (EntsorgÜbG) vollzieht nach, dass die Kernkraftwerksbetreiber in einen Fonds nach dem Entsorgungsfondsgesetz (EntsorgFondsG) die Gelder eingezahlt haben, welche für die Entsorgung und Endlagerung radioaktiver Abfälle notwendig sind. Damit ist die Grundlage geschaffen, die Anlagenbetreiber von ihrer Finanzierungslast und Handlungsverantwortung freizustellen und diese auf den dafür geschaffenen Fonds übergehen zu lassen. Entsprechend seinem Namen ließ das Gesetz die Entsorgungsfinanzierung und -verantwortung übergehen. Stichtag war der 1. Januar 2019.
Seit diesem Zeitpunkt müssen die Kernkraftwerksbetreiber sich nicht mehr um die Endlagerung radioaktiver Abfälle kümmern, sondern dies muss der Fonds bzw. müssen die von diesem Fonds eingeschalteten Dritten. Dies gilt nunmehr auch für die Entsorgung fachgerecht verpackter radioaktiver Abfälle nach Abgabe an den bundeseigenen Zwischenlagerbetreiber (§ 2 EntsorgÜbG). Dementsprechend sind auch die Zahlungspflichten verteilt. Müssen die Kernkraftwerksbetreiber noch Handlungen vornehmen, können sie die dafür aufgewendeten Kosten nach § 3 Abs. 5 EntsorgÜbG erstattet verlangen. Zugleich tritt der Fonds komplett in die Verantwortung ein. Grundvoraussetzung ist allerdings, dass diese die vorgesehenen Zahlungen geleistet haben, was sogleich erfolgte. Die Höhe dieser Zahlung wurde in Konformität mit dem EU-Beihilfenverbot auf 24 Mrd. € festgelegt und umfasst auch eine Reserve für künftige Kostensteigerungen, damit auf jeden Fall die öffentliche Hand von eigenen Zahlungsverpflichtungen frei bleibt.
Nicht erfasst sind allerdings die Kosten für den Rückbau und die Zwischenlagerung der Kernkraftwerke. Diese tragen die Kraftwerksbetreiber weiterhin selbst. Zu diesem Zweck existiert das vorstehend erläuterte Nachhaftungsgesetz, damit nicht die Kosten und Handlungslast der Betreiber in dafür nicht leistungsfähige Gesellschaften ausgelagert werden. Das EntsorgÜbG tangiert also erst die nächste Stufe, wenn sich nämlich die Kraftwerksbetreiber der beim Rückbau der Kernkraftwerke angefallenen radioaktiven Abfälle entledigen, damit diese dauerhaft abgelagert werden.
§ 1 EntsorgÜbG lässt die Finanzierungspflicht für Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle von dem Anlagenbetreiber auf den Fonds nach dem EntsorgFondsG übergehen, während § 2 EntsorgÜbG die Handlungspflicht und damit nicht nur die Zahlungspflicht für die Entsorgung radioaktiver Abfälle transferiert. Anknüpfungspunkt sind die Verpflichtungen des Betreibers zur Entrichtung von Kosten oder Entgelten nach § 21a Atomgesetz (AtG), zur Entrichtung von Beiträgen an Vorausleistungen nach § 21b AtG sowie die Entrichtung von Umlagen nach § 21 StandAG. Diese Finanzierungslasten korrespondieren mit den Aufgaben, die der Fonds nach dem EntsorgFondsG zu tragen hat.
§ 21a AtG betrifft durch seinen Bezug auf § 9a Abs. 3 AtG Sammelstellen für die Zwischenlagerung sowie Anlagen für die Endlagerung radioaktiver Abfälle, § 21b AtG bezieht sich auf die Schaffung der Voraussetzungen wie Planung, Grundstückserwerb etc. sowie die Errichtung, Erweiterung und Erneuerung solcher Anlagen. § 21 StandAG erfasst den Schutz als bestmöglich sicherer Standort für die Endlagerung in Betracht kommender Gebiete vor die Eignung beeinträchtigender Veränderung, verbunden mit einer Entschädigung bei einer Veränderungssperre von mehr als fünf Jahren (§ 21 Abs. 5 StandAG i.V.m. § 9g Abs. 5 AtG).
5 Übergang der Entsorgungspflicht für radioaktive Abfälle
§ 2 EntsorgÜbG lässt die Handlungspflicht für die Entsorgung radioaktiver Abfälle übergehen, und zwar vom Betreiber auf den Bund bzw. einen vom Bund beauftragten Dritten. Weil die Handlungsverantwortung für die Endlagerung bereits bisher beim Bund lag, geht es hier um die bisher bestehenden Handlungspflichten der Betreiber, ihre radioaktiven Abfälle zu entsorgen, und zwar ab der Abgabe der fachgerecht verpackten Abfälle an den bundeseigenen Zwischenlagerbetreiber (14). Dieser hat dann die Handlungspflicht. Die Anlagenbetreiber können ihre radioaktiven Abfälle aus dem Betrieb und der Stilllegung, dem sicheren Einschluss sowie dem Abbau einer Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität damit abgeben. Wie dies erfolgt, wird in § 2 Abs. 2 ff. EntsorgÜbG näher geregelt.
Somit kann der Betreiber fachgerecht verpackte Abfälle an die im März 2017 gegründete Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) als bundeseigenen Zwischenlagerbetreiber abgeben, der nach § 2 Abs. 1 S. 2 EntsorgÜbG in Form einer privatrechtlichen Gesellschaft zu errichten war, deren Anteile in vollem Umfang beim Bund liegen (14). Damit handelt es sich um eine bloße Organisationsprivatisierung. Es wird eine privatrechtliche gesonderte Einheit geschaffen, welche aber im Eigentum des Bundes steht. Daher haftet der Bund auch in vollem Umfang subsidiär.
§ 2 Abs. 2 EntsorgÜbG lässt die Verpflichtungen zur geordneten Beseitigung der abgegebenen radioaktiven Abfälle auf den bundeseigenen Zwischenlagerbetreiber nach § 2 Abs. 1 S. 1 EntsorgÜbG übergehen. Das betrifft insbesondere die Verpflichtung zur Ablieferung der radioaktiven Abfälle an eine Anlage zur Endlagerung nach § 9a Abs. 2 S. 1 AtG sowie zur Zwischenlagerung bis zur Ablieferung an eine solche Anlage.
Damit können die Betreiber der Kernkraftwerke ihre Abfälle loswerden, ohne für sie noch weitere Handlungspflichten zu haben. Insbesondere hört damit auch ihre Entsorgungsverantwortung für den Fall auf, dass sie durch das bundeseigene Zwischenlager unsachgemäß behandelt werden. Die Verantwortung endet damit definitiv.
§ 2 Abs. 3 EntsorgÜbG konkretisiert die durch § 2 Abs. 1 S. 1 EntsorgÜbG eröffnete Abgabemöglichkeit für bestrahlte Kernbrennstoffe und radioaktive Abfälle aus der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe. Diese Abgabe kann nämlich seit dem 1. Januar 2019 erfolgen. Zusätzliche Voraussetzungen für die Abgabe an den bundeseigenen Zwischenlagerbetreiber nennt § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 und 2 EntsorgÜbG. Die bestrahlten Kernbrennstoffe müssen in Transport- und Lagerbehältern angedient werden, die den Annahmebedingungen des jeweiligen Zwischenlagers entsprechen. Dies trifft auch für radioaktive Abfälle aus der Aufarbeitung bestrahlter Brennelemente zu. Es bedarf jeweils einer entsprechenden Feststellung der zuständigen Aufsichtsbehörde. Es muss also eine Verpackung in verkehrsrechtlich zugelassenen Transport- und Lagerbehältern erfolgen (14).
Zudem sollen radioaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung in das Zwischenlager gemäß dem Gesamtkonzept für die Rückführung radioaktiver Abfälle aus der Wiederaufarbeitung vom 19. Juni 2015 abgegeben werden (14). Nach § 2 Abs. 3 S. 4 EntsorgÜbG wird das zu benutzende Zwischenlager vom bundeseigenen Zwischenlagerbetreiber festgelegt. Bestrahlte Kernbrennstoffe sollen gemäß § 2 Abs. 3 S. 3 EntsorgÜbG an das jeweilige am Standort befindliche Standortzwischenlager abgegeben werden. Es erfolgt damit eine räumliche Radizierung.
Auch § 2 Abs. 4 EntsorgÜbG regelt den Übergang der Handlungspflichten, allerdings bezogen auf radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung. Erfasst werden die Kernkraftwerke nach Anhang 1 EnsorgFondsG.
Hinzukommen muss, dass die radioaktiven Abfälle den Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 EntsorgÜbG entsprechen, mithin eine fachgerechte Verpackung erfolgte (15). Sie müssen nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 EntsorgÜbG als Abfallgebinde angedient werden, für welche der Dritte nach § 9a Abs. 3 S. 2 HS. 2 AtG die Voraussetzungen für die Abgabe an den Dritten nach § 2 Abs. 1 S. 1 EntsorgÜbG und damit für den bundeseigenen Zwischenlagerbetreiber festgestellt hat.
§ 2 Abs. 4 S. 2 EntsorgÜbG regelt die Annahme. Die Pflicht dazu besteht bei Anlieferung an das von dem vom Bund eingeschalteten Zwischenbetreiber am Standort betriebene Lager. Ist kein solchermaßen betriebenes Lager verfügbar, gilt die Annahme zum Zeitpunkt der Feststellung der Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 EndsorgÜbG also mit ordnungsgemäßer Verpackung als erfolgt.
Bei einer Annahme behält der Betreiber des Zwischenlagers die uneingeschränkte atomrechtliche Verantwortung für die Lagerung der radioaktiven Abfälle. Diese währt nach § 2 Abs. 4 S. 4 EntsorgÜbG solange, bis der Transport an ein vom Bund eingeschaltetes Zwischenlagerunternehmen betriebenes Lager erfolgt. In diesem Zeitraum hat also der Betreiber des Zwischenlagers die atomrechtlichen Pflichten sicherzustellen. Die übergangsweise Lagerung bis zum Transport führt dabei nach § 2 Abs. 4 S. 5 EntsorgÜbG nicht zu einem gesonderten finanziellen Ausgleich des Bundes an den Betreiber der Anlage. Die übergangsweise Lagerung bis zum Transport wird also nicht vergütet (15).
§ 2 Abs. 5 EntsorgÜbG definiert näher die Anforderungen, welche an die fachgerechte Verpackung von radioaktiven Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung zu stellen sind, um durch den bundeseigenen Zwischenlagerbetreiber angenommen werden zu dürfen (15). Die Zulässigkeit setzt voraus, dass radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung als Abfallgebinde angedient werden, für welche der Dritte nach § 9 Abs. 3 S. 2 HS. 2 AtG die Voraussetzungen für die Abgabe an die bundeseigenen Zwischenlagerbetreiber festgestellt hat.
Zudem dürfen die radioaktiven Stoffe gem. § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EntsorgÜbG nicht nach den zum Zeitpunkt der Abgabe geltenden Rechtsvorschriften über die Freigabe zum Zweck der Entlassung aus der Überwachung nach dem Atomgesetz oder der Strahlenschutzverordnung und nunmehr dem Strahlenschutzgesetz oder einer aufgrund des Atomgesetzes erlassenen Rechtsverordnung freigebbar sein. Sind alle Bedingungen erfüllt, hat der Kernkraftwerksbetreiber einen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenbescheids durch den bundeseigenen Zwischenlagerbetreiber nach § 9a Abs. 3 S. 2 HS. 2 AtG.
§ 2 Abs. 6 EntsorgÜbG gewährleistet, dass der bundeseigene Zwischenlagerbetreiber sämtliche Daten erhält, die für die Endlagerung benötigt werden (15). Daher hat der Betreiber die Abfallerzeugerdaten, die für die spätere Ablieferung an ein Endlager benötigt werden, aber auch die Dokumentation der Abfälle sowie alle Daten aus dem elektronischen Buchführungssystem nach dem Strahlenschutzgesetz zu übergeben. Darin sind die Angaben so aufzuzeichnen, dass auf Anfrage der zuständigen Behörde die erfassten Angaben unverzüglich bereitgestellt werden.
6 Übergang der Zwischenlager
§ 3 Abs. 1 EntsorgÜbG regelt den Übergang der Zwischenlager nach Anhang Tabelle 1. Diese übertrugen die Betreiber zum 1. Januar 2019 unentgeltlich. Die Anlage des Gesetzes sieht allerdings für das Standortzwischenlager Brunsbüttel eine Sonderregelung vor (15). Soweit eine Genehmigung zum Stichtag der Übertragung nicht vorlag, trat der bundeseigene Zwischenlagerbetreiber dem Genehmigungsverfahren bei. Nach der Übertragung galten gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 EntsorgÜbG die atomrechtlichen Genehmigungen fort, ebenso solche Entscheidungen ergänzende Anordnungen nach § 19 Abs. 3 AtG und Zulassungen.
Allerdings wird fortlaufend kontrolliert. Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit hat in angemessener Zeit zu prüfen, wie der bundeseigene Zwischenlagerbetreiber die Fortführung des Betriebs gewährleistet. Diese Prüfung erstreckt sich auf die organisatorischen Maßnahmen und die Bereitstellung von sachlichen und personellen Mitteln. Auf diese Weise kann das Bundesamt sicherstellen, dass die in den Genehmigungen und Erlaubnissen enthaltenen Anforderungen und Vorkehrungen weiterhin erfüllt werden. Damit wird praktisch die Nachsorge zur Übertragung der Genehmigung sichergestellt.
Nach § 3 Abs. 2 EntsorgÜbG erfolgt eine Übertragung der in Anhang Tabelle 2 angeführten Zwischenlager. Dies erfolgt aber erst zum 1. Januar 2020. Auch insoweit erfolgt ein unentgeltlicher Übergang. Die Genehmigungen gehen auf den bundeseigenen Zwischenlagerbetreiber über (§ 3 Abs. 2 S. 2 HS. 1 EntsorgÜbG). Er tritt damit in alle Rechte und Pflichten der bisherigen Anlagenbetreiber ein. Damit gesichert ist, dass er dies kann, überprüft die Aufsichtsbehörde in angemessener Zeit die Gewährleistung der Fortführung des Betriebs, und zwar im Hinblick auf organisatorische Maßnahmen und die Bereitstellung von sachlichen und personellen Mitteln (§ 3 Abs. 2 S. 2 HS. 2 EntsorgÜbG).
§ 3 Abs. 3 EntsorgÜbG regelt die Zeit nach Übertragung der vorgenannten Zwischenlager. Unverzüglich tritt die bundeseigene Zwischenlagerbetreibergesellschaft in die Pflichten der bisherigen Genehmigungsinhaber ein. Diese nimmt sie unverzüglich grundsätzlich selbst wahr (§ 3 Abs. 3 Hs. 1 EntsorgÜbG). Dabei kann aber der bisherige Betreiber mit der Führung des Betriebs beauftragt werden, wenn auch zeitlich begrenzt.
Nach § 3 Abs. 3 S. 3 EntsorgÜbG kann die bundeseigene Zwischenlagerbetreibergesellschaft ein zentrales Bereitstellungslager für das Endlager Konrad errichten. Es handelt sich um ein Eingangslager und betrifft nur radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung. Für andere radioaktive Abfälle ist ein zentrales Zwischenlager nicht vorgesehen, sondern es bleibt bei den vorstehend aufgezeigten einzelnen Zwischenlagern.
§ 3 Abs. 4 EntsorgÜbG öffnet zugunsten des bundeseigenen Zwischenlagerbetreibers die Aufbewahrung von noch nicht fachgerecht verpackten Abfällen, um einen Zubau von Zwischenlagerkapazitäten an den Standorten der Kernkraftwerke zu vermeiden und einen zügigen Rückbau sicherzustellen (16). Eigentlich dürfen Abfälle erst bei fachgerechter Verpackung nach § 2 Abs. 5 EntsorgÜbG an das Zwischenlager abgegeben werden. Vorher sind die Betreiber selbst dafür verantwortlich. Diesen Zeitpunkt verlegt § 3 Abs. 4 EntsorgÜbG vor.
Allerdings verlangt auch diese Vorschrift Sicherheitsvorkehrungen. Es muss eine Querkontamination ausgeschlossen sein. Des Weiteren regelt § 3 Abs. 4 EntsorgÜbG Pflichten der Betreiber. Die Erfüllung dieser Pflicht kann die BGZ einfordern und dafür eine angemessene Frist setzen, damit Abhilfe erfolgt.
Die Aufwendungen für eine Entfernung bzw. vorgelagert eine Verpackung durch den bundeseigenen Zwischenlagerbetreiber hat der Anlagenbetreiber zu bezahlen. Er haftet nämlich nach § 3 Abs. 4 S. 7 EntsorgÜbG für alle Aufwendungen, hervorgerufen dadurch, dass die Abfälle nicht nach § 2 Abs. 5 EntsorgÜbG fachgerecht verpackt sind. Erfasst werden alle Schäden bei der Betätigung im Lager. Da die Ursachen nicht näher begrenzt sind, sind auch Folgeschäden eingeschlossen.
§ 3 Abs. 5 EntsorgÜbG behandelt die Kostenerstattung ab dem Zeitpunkt, zu dem der Anlagenbetreiber seinen Beitrag für den Entsorgungsfonds geleistet hat. Dann kann der Anlagenbetreiber vom bundeseigenen Zwischenlagerbetreiber seinen notwendigen Aufwand für den Betrieb des Lagers erstattet erhalten. Das gilt für die im Anhang Tabelle 1, 2 und 3 aufgeführten Lager. Dies betrifft also die Situation, dass das Lager weiterhin vom Anlagenbetreiber unterhalten wird, obgleich dieser eigentlich von jeder Handlungspflicht durch die Zahlung in den Entsorgungsfonds hätte freigestellt werden müssen. Korrespondierend dazu legt § 3 Abs. 5 S. 2 EntsorgÜbG das Ende des Erstattungsanspruchs fest. Dieser endet nämlich mit der Übertragung des Zwischenlagers auf den bundeseigenen Zwischenlagerbetreiber nach § 3 Abs. 1 bzw. § 3 Abs. 2 EntsorgÜbG.
§ 3 Abs. 6 S. 1 EntsorgÜbG legt eine Obergrenze der Erstattung fest. Der notwendige Aufwand für den Bau von Zwischenlagern und für Nachrüstungen, die bei Inkrafttreten des EntsorgÜbG erforderlich sind, wird nämlich nur bis zur Höhe der Zahlungen erstattet, die der Betreiber an den Entsorgungsfonds geleistet hat, und zwar bezogen auf den Bau von Zwischenlagern und Nachrüstungen („hierfür“). Ansonsten würde nämlich eine Beihilfe erfolgen.
§ 4 EntsorgÜbG ordnet schließlich, wie der Fonds nach dem EntsorgFondsG dem Bund die Aufwendungen für die Entsorgung radioaktiver Abfälle nach dem EntsorgÜbG erstattet. Grundlage ist eine Jahresrechnung über die Einnahmen und Ausgaben nach Ende des Haushaltsjahres durch den bundeseigenen Zwischen-lagerbetreiber. Dieser lässt dann die Jahresrechnung durch einen Wirtschaftsprüfer oder eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft veri-fizieren (§ 4 Abs. 2 S. 2 EntsorgÜbG).
7 Fazit
Zwar sorgt das Nachhaftungsgesetz dafür, dass die Atomkonzerne auch bei Ausgründungen und Aufspaltungen weiterhin haften. Indes hat das Gros der Lasten der Endlagerung und Entsorgung radioaktiver Abfälle ohnehin nicht mehr die Privatwirtschaft, die aber 24 Mrd. € in den Entsorgungsfonds eingezahlt hat. Sie muss aber weiterhin die Kernkraftwerke zurückbauen und entsorgen – ein aufwendiger und teurer Prozess. Kostenintensiv ist auch die Wiedernutzbarmachung und Nachsorge im Zuge des nunmehr eingeläuteten Kohleausstiegs. Nur die dadurch bedingten Mehrkosten wegen Umplanungen etc. können von der öffentlichen Hand getragen werden, die abbaubedingten Aufwendungen muss hingegen die Kohlewirtschaft tragen – entsprechend dem Beihilfenverbot i. V. m. dem Verursacherprinzip, das auch die Kostenverteilung im Zuge des Atomausstiegs und damit im Endlagerbergbau dominiert. Daher bieten sich Anleihen und Parallelblicke auch für den Kohleausstieg an – etwa in Form eines Nachsorgefonds, der zumindest die von der öffentlichen Hand verursachten Mehrkosten trägt und etwaige Insolvenzen sowie Zahlungsausfälle auffängt, wenn es nicht zu einer Gesamtlösung kommt, die aber verursachergerecht sein muss.
Fußnoten
Fußnoten
(1) Begründung zum Referentenentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Nachhaftung für Rückbau- und Entsorgungskosten im Kernenergiebereich (Rückbau- und Entsorgungskostennachhaftungsgesetz – Rückbau- und EntsorgungskostennachhaftungsG) vom 02.09.2015, S. 5.
(2) Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 18/6615 v. 09.11.2015, Begründung S. 7.
(3) BVerwG, Urt. v. 18.12.2014 – 7 C 22.12, BVerwGE 151, 156 – Meggen.
(4) Abschlussbericht der Kohlekommission v. 26.01.2019, S. 82.
(5) Abschlussbericht der Kohlekommission v. 26.01.2019, S. 83.
(6) Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 13/6701, S. 41; Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, BBodSchG, 1998, § 4 Rn. 43.
(7) Frenz, W: BBodSchG, 2000, § 4 III, Rn. 72 ff. mit weiteren Einzelheiten.
(8) Frenz, W.: ZNER 2015, 407 mit umfassendem Vergleich zu § 4 Abs. 3 S. 4 BBodSchG.
(9) BT-Drs. 18/10469, S. 43.
(10) BT-Drs. 18/10469, S. 42.
(11) BT-Drs. 18/10469, S. 42 f.
(12) Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 18/6615, Begründung S. 10.
(13) BT-Drs. 18/10469, S. 46.
(14) BT-Drs. 18/10469, S. 35.
(15) BT-Drs. 18/10469, S. 36.
(16) BT-Drs. 18/10469, S. 37.