Re-Mining mit Grubenwässern – eine erste Abschätzung
Einleitung
Das Forschungszentrum Nachbergbau (FZN) der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) in Bochum befasst sich sowohl wissenschaftlich wie auch praktisch mit den vielfältigen Herausforderungen, die sich im bergbaulichen Lebenszyklus insbesondere im Hinblick auf die nachbergbauliche Phase stellen. Die Bereitstellung nachhaltig produzierter Rohstoffe hat in diesem Zusammenhang eine zentrale Bedeutung. Das FZN leistet einen Beitrag, den Bergbau auch zukünftig möglich zu machen. Nur eine Kombination aus nachhaltigen bergbaulichen Prozessen und der Kreislaufwirtschaft kann die Basis für die Deckung der zukünftigen Rohstoffbedarfe für die Energie-, Mobilitäts- und Wärmewende darstellen (1).
Es gibt hierfür eine wesentliche Voraussetzung: Sowohl auf Seiten der Industrie als auch bei den Konsumenten muss ein Bewusstsein für nachhaltige Rohstoffe geschaffen werden. Nachhaltige Rohstoffproduktion heißt auf der Seite der Industrie Orientierung der Prozesse an der UN-Agenda 2030 und den 17 Zielen der nachhaltigen Entwicklung (SDG), heißt Schaffung von Transparenz, Kommunikation und Partizipation. Auf der Seite der Konsumenten ist ein Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Rohstoffproduktion notwendig.
Der Bergbau steht unzweifelhaft vor enormen Herausforderungen, was seine „social license to operate“ betrifft. Der zielführende Weg ist geprägt durch ein transparentes Chancen-Risiken-Management, eine verlässliche Kommunikation mit allen Stakeholdern und deren Möglichkeit zur Partizipation. Eine Schlüsselfunktion kommt in diesem Zusammenhang dem Monitoring der bergbaulichen Prozesse und des Einflusses auf das Umfeld zu. So ist ein Aufgabenfeld des FZN die Optimierung der Ewigkeitsaufgabe „Grubenwasserhaltung“. Die Ergebnisse des langjährigen Monitorings von Grubenwässern des Steinkohlenbergbaus im Ruhrgebiet, im Saarland und in Ibbenbüren haben Potentiale zur Gewinnung kritischer Rohstoffe erkennen lassen.
Betrachtet man diesen Aspekt in einem breiteren Fokus, so ergeben sich Verzahnungen mit dem EU Green Deal, der EU-Konfliktmineralien-Verordnung und dem europäischen Gesetz zu kritischen Rohstoffen (2). Die Ziele dieser und weiterer rechtlicher Regelungen bestehen in der nachhaltigen Versorgung Europas mit Rohstoffen, in der Stärkung von Lieferketten, im Aufbau europäischer Kapazitäten und in der Förderung einer nachhaltigen und kreislauforientierten Rohstoffwirtschaft. Ebenso ist es ein erklärtes Ziel der Bundesregierung, den nationalen Bergbau mit den 17 SDG in Einklang zu bringen und auf die Kreislaufwirtschaft abzustimmen (3). Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz stellt ausdrücklich die Vorteile der heimischen Rohstoffgewinnung heraus: Sie ist ökologischer, sicherer im Hinblick auf den Arbeitsschutz und partizipativer bezüglich lokaler Arbeitsplätze und Arbeitsmarkteffekte (4).
Der vorliegende Beitrag befasst sich in diesem Kontext mit den Potentialen des Grubenwassers hinsichtlich der nationalen Gewinnung von kritischen Rohstoffen. Darüber hinaus ist angedacht, die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft im bergbaulichen Lebenszyklus zu verankern und u. a. nachhaltige Rohstoffe aus bergbaulichen Abfällen wie Bergematerial zu gewinnen. Diese Fragestellung wird aktuell auf der ISO-Ebene bezüglich der Erarbeitung eines Standards diskutiert.
In der jüngeren Vergangenheit haben vielfältige, teilweise zeitgleich verlaufende globale Krisen (Pandemie, Kriege, Wirtschaftskrisen) die damit einhergehenden Probleme bezüglich der Rohstoffabhängigkeit gegenüber Drittstaaten und steigenden Rohstoffpreisen offen zu Tage gelegt. Bereits im Jahr 2011 gab die Europäische Kommission vor dem Hintergrund der damals noch aktuellen Finanzkrise eine Liste mit 14 kritischen Rohstoffen heraus. Diese Liste wurde 2014 auf 20 kritische Rohstoffe, 2017 auf 27 und im September 2020 auf 30 erweitert. Seit 2023 weist sie 34 kritische Rohstoffe aus (Bild 1) (5). Als „kritisch“ werden viele dieser zumeist metallischen Rohstoffe eingestuft, da sie fundamentale Bestandteile zahlreicher Technologien sind und teilweise Import-Abhängigkeiten von 100 % aufweisen (Tabelle 1).

Tabelle 1 gibt eine Auswahl der metallischen Rohstoffe (nach Ordnungszahl geordnet), Beispiele ihrer Verwendung und den Anteil der Abhängigkeit gegenüber Drittstaaten außerhalb der EU an.

Ein wichtiges Ziel der europäischen Rohstoffstrategie ist es, diese bestehenden Abhängigkeiten von Drittstaaten zu reduzieren und neue Lagerstätten und andere Rohstoffquellen innerhalb der Grenzen der EU zu erschließen. Einen wichtigen Beitrag für die Verringerung dieser Abhängigkeiten kann das auch nach dem Ende des Steinkohlenbergbaus noch immer anfallende Grubenwasser darstellen. Untersuchungen u. a. in Portugal (7), den USA (8, 9, 10) und Südafrika (11) konnten zeigen, dass sich in den eisenhaltigen Schlämmen dortiger Grubenwässer bedeutende Mengen an Seltenen Erden anreichern konnten. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wird daher überprüft, ob die anfallenden Grubenwässer der ehemaligen deutschen Steinkohlenreviere bzw. deren Fällungsprodukte ähnliche Anreicherungen zeigen und einen Beitrag zur Verringerung der nationalen Rohstoffabhängigkeiten gegenüber Drittstaaten leisten können.
Internationale Erfahrungen und der „First Flush-Effekt“
Untersuchungen an einem ehemaligen Gold-Abbaubereich in Portugal zeigten (7), dass in den Schlämmen einer passiven Grubenwasseraufbereitungsanlage eine Anreicherung von Seltenen Erden stattgefunden hat. Es wird von Konzentrationen von bis 185 mg Neodym und knapp 300 mg Cer pro Kilogramm Schlammmasse berichtet. Insgesamt überstieg die Summe der Konzentrationen aller Seltenen Erden den Wert von 700 mg/kg Schlamm. Die ursprüngliche Konzentration in den Grubenwässern lag dabei im unteren Mikrogramm-Bereich. Ähnliche Werte wurden in abgelagerten Grubenwasserschlämmen in den Appalachen der USA gemessen (8, 9, 10). Insgesamt stellen die Autoren durch die wettbewerbsfähigen Konzentrationen der Seltenen Erden in den Schlämmen viele Vorteile der Gewinnung von Seltenen Erden aus solchen Absetzbecken mit Eisenschlämmen heraus. Zum einen fallen keine radioaktiven Nebenprodukte wie beispielsweise Uran und Thorium wie bei der klassischen Gewinnung an, die Gewinnungskosten sind vergleichsweise gering, da die Schlämme bereits anfallen bzw. angefallen sind und können zur Reduzierung der Kosten für die Aufbereitung der Grubenwässer beitragen, es muss kein neuer untertägiger Abbaubetrieb aufgenommen werden – was auch die gesellschaftliche Akzeptanz erhöhen kann – und es können neben der wichtigen Reduzierung der Abhängigkeit gegenüber Drittstaaten auch neue Arbeitsplätze in den vom Strukturwandel betroffenen Regionen entstehen.
Auch wenn oft als Vorteil der Rohstoffgewinnung aus Grubenwässern bzw. deren Fällungs- bzw. Aufbereitungsprodukten der stetige Nachschub an gelösten Metallen durch das fortwährend gepumpte Grubenwasser genannt wird, so ist dies mit Hinblick auf den First Flush-Effekt nicht immer zutreffend. Unter dem First Flush-Effekt (Begriff von P. Younger 1997 geprägt (12) und von C. Wolkersdorfer ins Deutsche mit „Erstspülungseffekt“ übersetzt (13)) wird der stetige Rückgang der Gesamtmineralisation der Grubenwässer mit der Zeit verstanden (Bild 2).

Dies geschieht, da die sich im Untergrund befindlichen und beim Abbau gebildeten Sekundärminerale – vor allem eisenreiche Sulfate (14, 15, 16) – vom Grubenwasser gelöst und allmählich ausgewaschen werden. Nicht geflutete und atmosphärischem Sauerstoff ausgesetzte Bereiche der Lagerstätte tragen auch weiterhin zur Bildung dieser Sekundärminerale und zur Aufrechterhaltung von gelösten Metallen im Grubenwasser bei. In der Regel nähern sich die Konzentrationen der Metalle bei einer vollständigen Flutung des Bergwerks bzw. der Lagerstätte dem für das jeweilige Gebiet natürlichen, geogen bedingten Hintergrundwerten an. Dieser Prozess, von den initial sehr hohen Mineralisationen bis hin zu den geogenen Hintergrundwerten, dauert entsprechend einer empirischen Auswertung in etwa der vierfachen Flutungsdauer.
Dementsprechend sind ähnliche Entwicklungen der Grubenwasser-Gesamtmineralisation in den Bergwerken in Ibbenbüren und im Saarland (17) zu erwarten. In Ibbenbüren soll das Grubenwasser zukünftig über einen neu aufgefahrenen Grubenwasserkanal oberhalb der ehemaligen Abbaubereiche abgeleitet werden, sodass der größte Teil der Lagerstätte geflutet ist und eine weitere Bildung von Sekundärmineralen nur im Gebirge oberhalb des wassererfüllten, ehemaligen Abbaubereichs stattfinden kann. Dort können eindringende Niederschläge sowie Luftsauerstoff auch nach der Flutung noch zu einer Bildung von Sekundärmineralen führen. Ähnliche Bedingungen werden zukünftig auch im Saarland zu erwarten sein. Im Ruhrrevier soll das Grubenwasser zukünftig langfristig an mehreren Wasserhaltungsstandorten abgepumpt werden (18), um dort, wo es notwendig ist, einen Sicherheitsabstand zu bedeutenden Trinkwasservorkommen aufrecht zu erhalten. Dadurch wird die Genese von Sekundärmineralen voraussichtlich auch langfristig andauern, was zu einer ebenso langanhaltenden Mineralisation der Grubenwässer beiträgt.
Das Forschungsprojekt IAW33
Laut Prognosen sollen allein im Ruhrrevier nach Umsetzung des Wasserhaltungskonzepts jährlich bis zu 95 Mio. m3 Grubenwasser anfallen (19). Viele dieser Wässer weisen hohe Mineralisationen inklusive vieler gelöster Metalle auf, von denen jedoch nur wenige bei den routinemäßigen Standarduntersuchungen analysiert werden. Oftmals ist die Konzentration von vielen Metallen zu gering, um mit Standardanalysen detektiert zu werden. Aus diesem Grund ist für die Bewertung der Grubenwässer als Quelle für kritische Rohstoffe ein anderer Ansatz zu wählen. Hierzu wurden im Forschungsprojekt IAW33 („Innovative Aufbereitungstechnologien und ihr Potential zur Wertstoffgewinnung aus Grubenwässern, Fällungsprodukten und Aufbereitungsrückständen an Ruhr, Saar und Ibbenbüren mit besonderer Berücksichtigung kritischer Metallressourcen.“), das von der RAG-Stiftung gefördert wird, an die jeweiligen Charakteristika der Grubenwässer angepasste Reaktoren entwickelt, die durch eine gezielte Sauerstoffanreicherung der Grubenwässer das gelöste Eisen ausfallen lassen. Dabei werden andere gelöste Metalle im Rahmen von Co-Präzipitationsprozessen im anfallenden Fällungsprodukt – ein meist rötlicher Schlamm aus diversen Eisenoxid-/Eisenhydroxid-Partikeln – angereichert. Dieses in den Fällungsreaktoren produzierte Fällungsprodukt wird dann in Kooperation mit dem DBM mittels Inductively Coupled Plasma – Mass Spectrometry (ICP-MS) nicht nur auf alle metallischen kritischen Rohstoffe gemäß der Europäischen Kommission (5) analysiert, sondern auch auf andere Metalle mit hohem ökonomischem Wert, um möglichst eine kostendeckende Rohstoffgewinnung sicherzustellen. Mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse können dann Abschätzungen der jährlichen Stofffrachten bzw. der zu gewinnenden Rohstoffmengen in den bestehenden Wasserhaltungsstandorten getroffen werden.
Konzeption, Bau und Betrieb der Fällungsreaktoren
Um aussagekräftige Analyseergebnisse zu gewährleisten und bestmögliche Aussagen über die erzielbaren Mengen an Fällungsprodukt pro Kubikmeter Grubenwasser treffen zu können, wurden zwei Typen von Fällungsreaktoren entwickelt. Der erste Typ wurde für schwach mineralisierte Grubenwässer (Eisenkonzentrationen < 5 mg/l) konstruiert und mithilfe von Solarenergie samt Akkuspeicher betrieben, um auch einen Einsatz an Orten ohne Netzanschluss zu gewährleisten. Hierzu wurden zwei handelsübliche 600 l IBC-Container in Reihe geschaltet, um ein möglichst hohes Volumen und folglich eine möglichst hohe Menge an Fällungsprodukten zu erzielen. Das Grubenwasser wurde mithilfe einer Pumpe von einer Kammer in die andere gepumpt, dort durch Zerstäubung mithilfe einer Düse mit atmosphärischem Sauerstoff angereichert und anschließend für einen Kreislauf mit einer hydraulischen Verbindung in den ersten zurückgeleitet. Hydraulische Barrieren bzw. Strömungshindernisse in den Kammern sollte die Sedimentation der ausgefallenen Partikel begünstigen (Bild 3). Dieser Typ wurde für die Grubenwässer an den Standorten Friedlicher Nachbar, Robert Müser und Heinrich eingesetzt.

Für hoch mineralisierte Grubenwässer (Eisenkonzentrationen > 5 mg/l, salzhaltig) wurde ein etwas anderes Konzept gewählt. Statt einer solarbetriebenen Pumpe wurde ein handelsüblicher Luftkompressor in einem einzelnen IBC-Container genutzt, von dem aus sechs Luftauslässe in das Grubenwasser gehängt wurden (Bild 4). Dieser Typ wurde für die Grubenwässer an den Standorten Walsum und Ibbenbüren eingesetzt. Nachteile dieses zweiten Typs gegenüber dem für schwach mineralisierte Wässer sind das geringere Volumen und die Notwendigkeit eines Netzanschlusses. Größter Vorteil ist jedoch, dass sich keine elektronischen oder mechanischen Bauteile innerhalb des Grubenwassers befinden und somit keine Gefahr von Verockerungen und Verkrustungen besteht, wie es beim ersten Typ trotz schwächer mineralisierter Wässer häufig aufgetreten ist.

Erste Analyseergebnisse und Abschätzungen
Die an den Standorten im Ruhrrevier (Friedlicher Nachbar (FN), Robert Müser (RM), Heinrich (HR), Walsum (WS)) und in Ibbenbüren (IB) gewonnenen Fällungsprodukte zeigen hinsichtlich ihrer Gesamtmetallkonzentrationen deutliche Ergebnisse. In Tabelle 2 sind die Analyseergebnisse nach Alkali- und Erdalkalimetallen, Übergangsmetallen (ohne Eisen), Metallen und Halbmetallen sowie Seltenen Erden und Eisen angegeben. Die Analyseergebnisse wurden dabei auf Gramm pro Tonne Fällungsprodukt hochgerechnet.

Es zeigt sich, dass vor allem die Absetzbecken an den Standorten Friedlicher Nachbar (Ruhrrevier) und Ibbenbüren für eine potentielle Rohstoffgewinnung vielversprechende Gesamtmetallkonzentrationen aufweisen, wenngleich erwartungsgemäß der Anteil an Eisenoxid (Fe2O3) jeweils am höchsten ist. Der Fällungsreaktor am Standort Friedlicher Nachbar zeigt jedoch genauso wie die an den Standorten Robert Müser, Heinrich und Walsum sehr geringe Metallkonzentrationen in den Fällungsprodukten. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass Alkali- und Erdalkalimetalle, die weder kritisch noch von ökonomischem Nutzen sind – u. a. Natrium, Kalium und Kalzium – nicht analysiert und berücksichtigt wurden. Röntgenspektroskopische Analysen (XRD) deuten jedoch bei diesen Standorten auf hohe Anteile an Kalzit und Aragonit im Fällungsprodukt hin, womit sich die Metallkonzentrationen entsprechend erhöhen würden. Nichtsdestotrotz zeigen diese Ergebnisse, dass eine Rohstoffgewinnung aus diesen Grubenwässern sehr schwierig ist und sich höchstens auf Elemente der Alkali- oder Erdalkalimetalle beziehen könnte. Vor allem die Erdalkalimetalle Magnesium, Barium und Strontium weisen an allen Ruhr-Standorten sowohl in den Grubenwässern selbst als auch in den Fällungsprodukten vergleichsweise hohe Konzentrationen auf. Ebenfalls außergewöhnlich hoch sind die Metallkonzentrationen in den Fällungsprodukten des Fällungsreaktors am Standort Ibbenbüren (Bild 5).

Mit über 63 % Metallanteil liegt er beinahe doppelt so hoch wie die Analyseergebnisse der Schlammprobe aus dem Absetzbecken zeigen. Dies ist jedoch nur der hohen Eisenkonzentration geschuldet und alle anderen Metallspezies zeigen deutlich geringere Konzentrationen. Ursache hierfür ist der während des Experiments überwachte pH-Wert des Grubenwassers im Fällungsreaktor, der von Werten knapp über 6 innerhalb weniger Tage/Wochen auf 3,2 abfiel. Bei diesem pH-Wert bleiben viele Metalle in Lösung, sodass aktuell eine gestaffelte Fällung am Standort Ibbenbüren durchgeführt wird. Bei einer gestaffelten Fällung werden mit demselben Wasser verschiedene pH-Werte eingestellt, um den unterschiedlichen Lösungsgleichgewichten der verschiedenen Metalle bei verschiedenen pH-Werten Rechnung zu tragen. Auf diese Weise sollen mithilfe mehrerer eingestellter pH-Werte in den Fällungsreaktoren einzelne Metalle gezielt im Fällungsprodukt angereichert werden.
Eine Ausweitung der Untersuchung auf den Standort Duhamel im Saarland ist derzeit in Vorbereitung.
Zusammenfassung und Ausblick
Die Nutzung von Fällungsprodukten aus den Grubenwässern für eine Gewinnung von Rohstoffen zum Zweck einer nachhaltigen Rohstoffversorgung und zur Verringerung der Abhängigkeit gegenüber Lieferanten aus Drittstaaten ist an einzelnen Standorten in ehemaligen Steinkohlenrevieren denkbar. Die Ergebnisse der Absetzbecken an den Standorten Friedlicher Nachbar und Ibbenbüren zeigen hohe Metallkonzentrationen mitsamt eines mittel- bis langfristigen gesicherten Nachschubs an gelösten Metallen. Auch eine direkte Gewinnung aus den Fällungsprodukten mit hohen Metallkonzentrationen des hoch mineralisierten Grubenwassers in Ibbenbüren ist denkbar, wenn die derzeit durchgeführte gestaffelte Fällung zu vergleichbaren Ergebnissen wie in den Absetzbecken führt oder diese sogar übertrifft. Ein vielversprechender Ansatz zur Gewinnung der einzelnen Metalle aus den Fällungsprodukten wurde kürzlich von Jovičević-Klug et al. (22) veröffentlicht. Darin werden die Produkte unter einer reduzierenden Wasserstoff-Atmosphäre mittels eines Lichtbogens sehr schnell aufgeheizt und partiell zum Schmelzen gebracht, wodurch pures elementares Eisen entsteht, das für eine direkte Weiterverarbeitung zu Stahlerzeugnissen genutzt werden kann. Im verbliebenen Rest sind durch den Wegfall des Hauptbestandteils Eisen die übrigen Metalle so angereichert, dass eine wirtschaftliche Weiterverarbeitung wahrscheinlich gegeben ist. Im weiteren Projektverlauf soll eine Übertragung der Ergebnisse auf die Fällungsprodukte der Grubenwässer erfolgen und evaluiert werden.
Eine Gewinnung aus den Fällungsprodukten mit niedrigen Metallkonzentrationen wie sie allesamt im Ruhrrevier (Friedlicher Nachbar, Robert Müser, Heinrich und Walsum) auftraten, kann hingegen nur bei Beschränkung auf die Erdalkali-Metalle Magnesium, Strontium und Barium erfolgreich sein. Nichtsdestotrotz stellen die hierfür erforderlichen Aufbereitungstechnologien und damit verbundenen nötigen Investitionen ein hohes Hindernis dar.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass einzelne Standorte ein gutes Potential zur Gewinnung von metallischen Rohstoffen aus den Grubenwässern darstellen und als neue Ressource im Sinne des „Re-Mining“ verstanden und genutzt werden können und auch sollten. Es gilt das, was jahrzehnte- bis jahrhundertelang als Abfallstoff betrachtet wurde, als neue Chance für eine nachhaltige und sichere Rohstoffversorgung zu verstehen und die Chance einer umweltschonenden und umweltgerechten Rohstoffgewinnung wahrzunehmen. Durch die Nutzung ohnehin vorhandener und/oder anfallender Ressourcen müssen weder neue Bergwerke gebaut noch neue Lagerstätten erschlossen werden. Gleichzeitig verringern sich die zu deponierenden Schlammmengen aus den Grubenwasseraufbereitungsanlagen drastisch, was neben dem möglichen Gewinn aus der Rohstoffvermarktung auch zu niedrigeren Kosten der Schlammentsorgung und einem deutlich geringeren Flächenverbrauch durch das Wegfallen großer Absetzbecken führt.
Danksagung
Wir danken der RAG-Stiftung für die Förderung des Forschungsvorhabens und der RAG Aktiengesellschaft für die Bereitstellung von Daten und die kooperative Zusammenarbeit. Ebenso gilt unser Dank Michael Bode vom DBM in Bochum für die Analysen am ICP-MS.
References / Quellenverzeichnis
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