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recomine – Bergbaualtlasten nachhaltig recyceln durch die Kombination von Umwelt-, Ressourcentechnologie und Digitalisierung

Bergbaualtlasten wie Halden oder Schlacken bringen meist große Umweltprobleme mit sich, die in Deutschland mit viel Steuergeld saniert werden bzw. wurden. Sie enthalten jedoch meistens auch noch signifikante Mengen an dringend benötigten strategischen Rohstoffen und bestehen überwiegend aus mineralischen Bestandteilen, die in der Keramik- oder Baustoffindustrie eingesetzt werden können. Im Rahmen der klassischen Sanierung durch Abdeckung werden diese nicht gewonnen. recomine ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes WIR! Bündnis aus über 70 Partner-institutionen, welches sich den globalen Herausforderungen zu Bergbaualtlasten stellt und an Innovationen und vor allem ganzheitlichen Konzepten im Umgang mit diesen arbeitet. Das Bündnis vereint dafür ein breites Know-how aus der Region Erzgebirge. Die Partnerinstitutionen aus der Umwelt- und Ressourcentechnologie, Digitalisierung, Baustoffbranche und Gesellschaft arbeiten zusammen mit dem Ziel, die entstehenden holistischen Konzepte global zu vermarkten. Einen ersten internationalen Erfolg hat das Bündnis bereits bei der BHP Tailings Challenge erreichen können. Das recomine-Team wurde vom Rohstoffkonzern BHP als eines von zehn Teams von insgesamt 153 weltweiten Bewerbern für die momentan laufende Proof-of-Concept-Phase ausgewählt.

Authors/Autoren: Dipl. Geoök. Philipp Büttner, Dr. Jonathan Engelhardt, Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF), Freiberg

1  Einleitung

In den letzten zehn Jahren befassten sich mehrere nationale und europäische Förderprogramme mit dem Ressourcenpotential von Bergbauabfällen (Grobbergematerial, Spülhalden und Hüttenschlacken), wobei der Schwerpunkt auf der Erschließung neuer Quellen für kritische Rohstoffe lag, die von der Europäischen Kommission als äußerst wichtig für die europäische Hightech-Industrie definiert wurden (1). Sie beruhen auf den europäischen und nationalen Ressourcenstrategien (2). Eines dieser Programme in Deutschland war das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Programm „r3 - Strategische Metalle und Mineralien – Innovative Technologien für Ressourceneffizienz“, das im Jahr 2012 startete. Ziel war es, die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit strategisch bedeutsamen Metallen und Mineralien zu sichern und Projekte in den Bereichen Recycling, Substitution und reduzierter Ressourcenverbrauch, Urban Mining und Methoden zur Bewertung der Ressourceneffizienz zu fördern.

Im Rahmen des Programms arbeiteten das Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) mit Partnern wie der Technischen Universität Bergakademie Freiberg (TUBAF) in verschiedenen Projekten zur Charakterisierung von Bergbauabfällen und zur Rohstoffgewinnung zusammen.

Das HIF verfolgt das Ziel, innovative Technologien für die Wirtschaft zu entwickeln, um mineralische und metallhaltige Rohstoffe effizienter verfügbar zu machen, zu nutzen und umweltgerecht zu verwerten. Das HIF wurde 2011 von der Bundesregierung im Rahmen der nationalen Rohstoffstrategie gegründet. Es ist ein Bestandteil des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) und ist eng mit der TUBAF verbunden. Das HIF ist ein Kernmitglied des europäischen Netzwerks EIT RawMaterials und war maßgeblich an dessen Gründung beteiligt.

Doch nicht nur das Potential an kritischen Metallen aus Bergbauabfällen ist heute von politischem und öffentlichem Interesse. Nach den katastrophalen Dammbrüchen bei brasilianischen Bergbauhalden, z. B. in der Corrego do Feijão Mine in Brumadinho (VALE) in Brasilien im Jahr 2019, ist der gesellschaftliche Druck auf die Bergbauindustrie und die Politik gestiegen, diese Risiken zu senken. Mit dem Global Industry Standard on Tailings Management wurde ein neues Regelwerk entwickelt, um solche Unfälle in Zukunft zu vermeiden. Das International Council on Mining and Metals (ICMM), das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und die Principles for Responsible Investment (PRI) setzen sich gemeinsam für die Einführung globaler Best Practices für Bergbauabfälle ein. Sie haben gemeinsam zur globalen Überprüfung von Abraumhalden aufgerufen, um einen internationalen Standard festzulegen. (3)

Ihre Umweltrisiken und gleichzeitig ihr hohes Potential als Quelle für kritische und wertvolle Metalle machen Projekte für Bergbauabfälle komplex. Es besteht ein weltweiter Bedarf an neuen Lösungsansätzen, die aus verschiedenen Perspektiven mit ganzheitlichen und nachhaltigen Ansätzen und unter Berücksichtigung ökologischer, technischer, sozialer und wirtschaftlicher Aspekte entwickelt werden. Aus diesem Grund hat das HIF zusammen mit der TUBAF die recomine-Allianz gegründet und koordiniert diese. Das überwiegend regionale Netzwerk (Erzgebirge) entwickelt aus dem bestehenden Know-how in der Region innovative und ganzheitliche Lösungen für Bergbauabfälle und wird vom WIR! Programm (Wandel durch Innovation in der Region) des BMBF gefördert.

2  Die wichtigsten Forschungsprojekte zu Bergbaualtlasten am HIF

Im Rahmen des r3-Programms hat das HIF mit dem Projekt „Strategische Metalle und Mineralien aus sächsischen Bergbaurestlöchern (SMSB)“ begonnen, die Problematik der Bergbauabfälle zu bearbeiten. Gemeinsam mit den Partnern G.E.O.S. Freiberg GmbH, TUBAF, AKW Apparate + Verfahren und der SAXONIA Standortentwicklungs- und -verwaltungsgesellschaft mbH untersuchten die Experten, wie die Mineralogie alter Abraumhalden genau charakterisiert werden kann und wie die kritischen Rohstoffe (nach Definition der europäischen Kommission zu Critical Raw Materials – CRM) wirtschaftlich und umweltfreundlich gewonnen werden können.

Im Rahmen des Projekts hat das HIF den neuen Begriff „Re-Mining“ eingeführt, um die nachhaltige Wiederaufbereitung von Bergbaureststoffen und den ganzheitlichen „Near Zero Waste“-Ansatz zu beschreiben. Der Begriff steht für die Idee, das Umweltrisiko von Abraumhalden, die große Mengen an Schwermetallen enthalten, zu minimieren und gleichzeitig wertvolle Metalle zu gewinnen. Im Rahmen des SMSB-Projekts wurden die Daten der 20 größten sächsischen Abraumhalden – einschließlich geografischer Lage, Eigentumsverhältnissen, Struktur, Rohstoffgehalt, Wertschöpfungspotential der Halden sowie die Herkunft der darin befindlichen Materialien – in einer Datenbank erfasst. Zwei der Abraumhalden wurden mit einer Bohrkampagne und Liner-Probenahmen in Kombination mit Verarbeitungstests des Abraummaterials unter Verwendung von Flotations- und Biolaugungstechnologien eingehend untersucht. Auf der Grundlage der detaillierten mineralogischen Daten aus den Liner-Proben, wie z. B. Partikelgröße, geochemische Informationen (Konzentration wertvoller Metalle/Mineralien) und der Liberierung der Minerale, die durch eine automatisierte mineralogische Analyse gemessen wurden, konnte ein 3D-Abraummodell erstellt werden (Bild 1), indem geostatistische Interpolationsmethoden und die Integration von Fernerkundungs- und historischen Daten verwendet wurden.

Bild 1. Ressourcenpotentialmodell (3D) der Spülhalde Davidschacht in Freiberg – Aufbereitbarkeit der Minerale per Biolaugung unter Berücksichtigung der Materialparameter und Prozes-limits (rot = sehr gut aufbereitbares Material, blau = sehr schlecht aufbereitbares Material). Quelle: HIF

Dank einer Gewichtungsfunktion der drei wichtigsten Materialeigenschaften berücksichtigt das Modell das Verhalten der Partikel in der Aufbereitungsstrecke und liefert eine realistische Schätzung der Ressourcenextraktion für die untersuchte Halde (4).

Im interdisziplinären SMSB-Projekt hat das HIF sein Know-how in mehreren Disziplinen weiterentwickelt, wie z. B. in der Fernerkundung, der mineralogischen Charakterisierung von Bergbauabfällen, der geostatistischen 3D-Modellierung der Biolaugung und der Feinpartikelaufbereitung durch Flotation. Die vielversprechenden Ergebnisse des Projekts haben ein hohes Potential für eine Anwendung in der Rohstoffindustrie, lassen aber noch Raum für Verbesserungen.  In mehreren Folgeprojekten konnte das Wissen über die Charakterisierung und Aufbereitung von Bergbauabfällen in den letzten Jahren stark erweitert werden.

In diesen teils abgeschlossenen, teils noch laufenden Projekten wurden sehr wertvolle Erfahrungen bei der realistischen Abschätzung des Ressourcenpotentials von Halden gemacht. Die wichtigste Lektion, die man aus den Bergbauabfallprojekten am HIF gelernt hat, ist, dass es keine allgemeingültige Methode zur Abschätzung des Potentials von Bergbauabfällen gibt. Jede Abraumhalde ist anders. Jeder Standort hat seine eigene Geschichte. In der Vergangenheit wurden unterschiedliche Technologien für verschiedene Primärressourcen in einem bestimmten regionalen Umfeld eingesetzt. Selbst wenn der Gehalt an wertvollen Metallen und Mineralien hoch ist, bedeutet dies keine Garantie für eine erfolgreiche Wiederaufbereitung einer Halde. Neben den technischen Herausforderungen, die hauptsächlich von den mineralogischen Parametern des Materials abhängen, entscheidet auch der Erfolg bei anderen Herausforderungen darüber, ob das mineralogische Potential in ein ökonomisch und ökologisch machbares Wiederaufbereitungsprojekt umgewandelt werden kann. Dabei sind drei Gruppen von Merkmalen zu unterscheiden: das mineralogische und standörtliche Potential, das technologische Potential sowie die sozialen und ökologischen Aspekte.

2.1  Das mineralogische und standörtliche Potential

Zu Beginn jeder Untersuchung von Bergwerksabfällen ist es notwendig, alle verfügbaren Veröffentlichungen, Datensätze, Karten und historischen Informationen über die früheren Bergbau- und Aufbereitungstätigkeiten sowie die Halde selbst zu sammeln. Es ist wichtig, das frühere Verarbeitungsschema zu kennen und zu verstehen, aus welchem Teil dieses Schemas die Abraumhalden genau stammen. Es ist ein großer Unterschied, ob das Material von einem Rütteltisch oder anderen Technologien wie Magnetabscheidern oder aus einer Flotationszelle stammt. Diese Informationen über die frühere Verarbeitung können bereits eine Vorstellung vom derzeitigen Zustand des Materials vermitteln.

Das mineralogische Potential der vorhandenen Bergbauabfälle muss dann durch eine detaillierte mineralogische und geochemische Untersuchung abgeschätzt werden. Es ist notwendig, die mineralogische Zusammensetzung des Materials, die Freisetzung und die Korngrößenverteilung zu verstehen, um zu entscheiden, welcher Aufbereitungsweg zu einer effizienten Gewinnung der wertvollen Phasen führen kann. Darüber hinaus werden weitere wichtige Fragen nach den Gehalten an toxischen Elementen und Mineralien im Material beantwortet. Gemäß den nationalen Gesetzen und Vorschriften müssen diese gefährlichen Bestandteile einer speziellen und kostspieligen Deponierung bzw. Behandlung unterzogen werden, wenn die Konzentrationen über bestimmten Grenzwerten liegen. Etwaige Entsorgungen gilt es in Machbarkeitsstudien zu berücksichtigen.

Auch andere standortbezogene Parameter, die zu dieser Gruppe gehören, müssen untersucht werden. Das Volumen und die Homogenität des untersuchten Standorts sind zwei dieser Parameter. Beide werden benötigt, um die tatsächliche Menge an wertvollen Metallen in einer Halde abzuschätzen. Das Volumen definiert einen bestimmten Körper, in dem wertvolle Metalle zu erwarten sind. Es kann durch historische Datensätze gegeben sein oder durch Fernerkundungstechnologien (Bild 2) in Kombination mit historischen Karten erstellt werden.

Bild 2. Digitales Höhenmodell der Spülhalde Davidschacht in Freiberg, welches mittels Drohnen aufgenommen wurde. In Kombination mit historischem Karten- und Rissmaterial kann dies zur detaillierten Bestimmung des Haldenvolumens mit spezieller Software, z. B. GOCAD, genutzt werden. Quelle: HIF

Informationen über die Homogenität sind wichtig, um zu wissen, ob sich die Materialparameter und die Konzentration von Edelmetallen innerhalb dieses Haldenkörpers wesentlich verändern. Daher ist eine geostatistische Probenahmestrategie erforderlich, um repräsentative Proben mit zuverlässigen Informationen über die Homogenität und die Mineralcharakterisierung zu erhalten. Abraumhalden haben auch einen Wert in Bezug auf ihre bedeckte Fläche. Befindet sich der Standort in der Nähe größerer Städte, kann der Wert des Grundstücks in der Durchführbarkeitsstudie berücksichtigt werden, wenn durch die Wiederaufbereitung die Materialmenge erheblich reduziert wird. Auch die Metallpreise haben einen Einfluss auf die wirtschaftliche Durchführbarkeit des Wiederaufbereitungsprojekts. Bei starken Schwankungen des Metallpreises ist es wichtig, verschiedene Fälle zu berechnen. Schließlich ist es wichtig, die am Standort vorhandene Infrastruktur näher zu betrachten. Es ist ein großer Unterschied, ob in dem Gebiet noch Bergbau- und Aufbereitungsaktivitäten mit aktiven Anlagen stattfinden oder ob der Standort aufgegeben wurde und eine kapitalintensive Investition in neue Anlagen erforderlich ist. Es ist notwendig, die Entfernung zum nächsten Hüttenunternehmen zu kennen, das ein potentieller Abnehmer für ein vor Ort erzeugtes Metallkonzentrat sein wird. Anhand dieser Entfernung lassen sich die Transportkosten abschätzen.

2.2  Das technologische Potential

Auf der Grundlage einer detaillierten Untersuchung des mineralogischen und standörtlichen Potentials muss das technologische Potential abgeschätzt werden. Ziel muss es sein, die Frage zu beantworten, ob eine Technologie in der Lage ist, die gewünschten Metalle und Mineralien wirtschaftlich aus dem Material zu gewinnen. Durch ein tiefes Verständnis der Parameter der Zielminerale und der Matrix des Materials kann eine Technologie ausgewählt werden. Anhand dieser muss dann ein Aufbereitungsschema entwickelt werden. Dabei handelt es sich um eine standortspezifische Kombination verschiedener Technologien, wie z. B. Mahlen, Zerkleinern, Magnetabscheidung, chemische oder biologische Auslaugung, Flotation, hydro- oder pyrometallurgische Schritte, sensorgestützte Sortierung, Dichteseparation oder andere. Bei Versuchen im Pilotmaßstab muss die Leistung jedes Schritts im Flowsheet gemessen und optimiert werden. Einige der wichtigsten technischen Parameter für das Flowsheet sind

  • der Gesamtenergieverbrauch der Anlage,
  • die Rückgewinnungsrate des Verarbeitungsprozesses,
  • der Gehalt des Endkonzentrats,
  • der Gehalt an gefährlichen Elementen im Konzentrat,
  • die Leistung der Anlage,
  • die Logistikkosten für den Betrieb der Konzentratproduktion.

Alle diese Parameter haben einen großen Einfluss auf CAPEX, OPEX und die Verkaufserlöse. Jeder einzelne Parameter kann dazu führen, dass eine Wiederaufbereitungsaktivität unwirtschaftlich wird und muss daher berücksichtigt werden. Allerdings muss in den resultierenden Konzepten auch der volkswirtschaftliche Nutzen Berücksichtigung finden, da eine ganzheitliche Verwertung der Halden im Vergleich zu einer mit Ewigkeitskosten verbundenen klassischen Sanierung (Abdeckung mit dauerhafter Kontrolle/Pflege) dem Staat – oder dem Bergbauunternehmen – langfristig viel Geld spart.

2.3  Die sozialen und ökologischen Aspekte

Neben den technischen, mineralogischen und standortspezifischen Aspekten hat eine Abbaustätte immer auch nicht-technische, soziale Aspekte, die ein potentielles Wiederaufbereitungsprojekt begünstigen oder behindern können. Diese Aspekte müssen untersucht werden. Sie können in zwei Gruppen unterteilt werden: Umweltaspekte und soziale Aspekte. Die Umweltaspekte können aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Eine Perspektive ist, dass die Bergbauabfälle eine Emissionsquelle darstellen und negative Wechselwirkungen mit der Umwelt haben. Schwermetallverunreinigungen, kontaminierte Staubemissionen oder saure Drainagen wirken sich negativ auf die umliegenden Ökosysteme aus. Dies führt in der Regel zu einem sozialen Druck auf die regionalen Behörden, Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Sanierungen kosten die Gesellschaft Geld.

Bild 3. a) Ausschnitt der Biotopkartierung der Spülhalde Davidschacht für die Zauneidechse. Die roten Bereiche weisen hohe Vorkommen der streng geschützten Art auf der Halde aus. b) Luftbild der Spülhalde Davidschacht in der Zeit Ihrer Schließung 1967. c) Luftbild der Spülhalde Davidschacht 2019. Die Oberfläche der Halde wurde zu großen Teilen nicht abgedeckt, mittlerweile befindet sich dort ein Birkenwald mit zahlreichen, teils seltenen und streng geschützten Tier- und Pflanzenarten. (5)

Wenn ein ganzheitliches Re-Mining-Konzept diese gefährlichen Emissionen beseitigt oder immobilisiert und gleichzeitig die wertvollen Metalle gewinnt, wird die Gesellschaft von diesem neuen nachhaltigen Sanierungskonzept profitieren. Einnahmen aus dem Metallverkauf können die Sanierung refinanzieren, sodass weniger Steuergelder für die Lösung des Emissionsproblems aufgewendet werden müssen. Auch fallen im Vergleich zur klassischen Sanierung, bei der die Abfälle in der Regel mit einer dichten Schicht abgedeckt werden, hier keine Ewigkeitskosten an, da die gefährlichen Stoffe bei der Materialaufbereitung extrahiert, konzentriert und in geringen Mengen in speziellen Deponien abgelagert werden. Andererseits wird eine neue Quelle für kritische Rohstoffe geschaffen, welche die Versorgung der von CRM abhängigen High-Tech-Industrienationen stärkt.

Aber auch Umweltaspekte können Re-Mining-Projekte behindern. Bergbauhalden wurden oft zurückgelassen, nachdem die Bergbautätigkeit eingestellt wurde. Sehr oft hat sich die Natur das Gebiet zurückerobert, seltene schwermetallresistente Pflanzen konnten ungestört wachsen und seltene Tiere konnten an diesen Standorten große Populationen entwickeln. Da wir solche Lebensräume in unserer Kulturlandschaft nur noch selten vorfinden, sind die stillgelegten Bergbauhalden oft Rückzugsgebiete für hoch geschützte seltene Arten. Das europäische und nationale Umweltschutzrecht ist sehr streng, z. B. für die Zaun-eidechse in Deutschland. Die Aufbereitung der Bergbauabfälle bedeutet eine Störung der geschützten Tiere, was gesetzlich nur möglich ist, wenn die Gesellschaft ein berechtigtes Interesse hat, z. B. wenn ein hohes Risiko durch toxische Emissionen besteht. Die Motivation einer wirtschaftlichen Metallgewinnung, auch wenn sie einer nationalen Industrie kritische Metalle liefert, ist rechtlich nicht ausreichend. Dieser Aspekt ist sehr wichtig und kann eine Re-Mining-Aktivität stoppen. Bild 3 zeigt, wie die Natur sich auf der vor über 40 Jahren geschlossene Spülhalde Davidschacht in Freiberg entwickelt hat.

Soziale Aspekte sind stark mit der regionalen Geschichte verbunden. Die Grundbesitzverhältnisse sind einer dieser Aspekte. Während der Bergbau in der ehemaligen DDR von staatlichen Unternehmen betrieben wurde, handelte es sich bei der genutzten Fläche oft um enteignetes Land, das von den Behörden in einer oder mehreren größeren Parzellen zusammengefasst wurde. Dementsprechend erstrecken sich heute in den neuen Bundesländern die Bergbauabfälle auf einige wenige Flurstücke oder auf jeweils ein Flurstück, das meist einem Eigentümer gehört.

In den alten Bundesländern erstrecken sich die Bergbauabfälle oft über mehr als zehn Parzellen, die verschiedenen Eigentümern gehören. Um einen Wiederaufbereitungsprozess zu starten, müssen alle Eigentümer ihre Parzellen verkaufen oder sich zumindest an einem solchen Projekt beteiligen, was die Realisierung eines Wiederaufbereitungsprojekts erheblich erschwert. Dies ist in erster Linie ein deutsches Problem, muss aber berücksichtigt werden, um das tatsächliche Wiederabbaupotential hierzulande abzuschätzen.

Der UNESCO-Welterbestatus wurde der Bergbauregion Erzgebirge im Jahr 2020 verliehen. Damit ist ein weiterer gesellschaftlicher Aspekt eingetreten, der berücksichtigt werden muss. Historische Bergbauflächen einschließlich Bergbauhalden mit hohem mineralogischem Potential sind Teil der Schutzgebiete. Um diese Gebiete umzuwandeln, muss das UNESCO-Büro in Paris zunächst zustimmen, dass die Region ihren Status als UNESCO-Welterbe nicht verliert. Wenn ein Wiederabbauprojekt diesen Status gefährdet, ist es sehr wahrscheinlich, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für das Projekt nicht gegeben ist, was zum Abbruch des Projekts führt.

Die tatsächliche Landnutzung bzw. Klassifizierung ist ein weiteres wichtiges Kriterium. So können Haldenkörper z. B. mit städtischer Infrastruktur, z. B. Solaranlagen, überbaut sein oder sie sind Teil eines ausgewiesenen Wald- oder Naturschutzgebiets. Die Zugänglichkeit der Abraumhalden muss geklärt werden, bevor ein Projekt gestartet werden kann. Liegt der Standort in einem Nationalpark oder Naturschutzgebiet, ist es unwahrscheinlich, dass eine Genehmigung für ein Wiederaufbereitungsprojekt erteilt wird.

Nicht zuletzt ist auch die soziale Akzeptanz wichtig. Wird sich das Projekt auf die umliegenden Gemeinden auswirken und wie? Gehört der Bergbau zur Identität der Region oder wird der Wiederabbau die Identität stören, z. B. wenn es sich um eine Fremdenverkehrsregion handelt und die Staub- und Lärm-emissionen der Lkw sich negativ auf das Geschäft auswirken.

3  recomine – Konzeptentwicklung für ressourcenorientierte Umwelttechnologien

Für die Zukunft ist es notwendig, neue ganzheitliche Konzepte für Bergbauabfälle zu entwickeln, die sowohl die sozialen als auch die technischen und mineralogischen Aspekte berücksichtigen und die Ressourcentechnologie, Umwelttechnologie und Digitalisierung miteinander verbinden, um soziale Werte und nachhaltige Lösungen für einen modernen Bergbau zu schaffen.

Dazu haben das HIF und die TUBAF im Jahr 2018 die recomine-Allianz gegründet, die vom BMBF in dessen WIR! Programm noch bis 2025 gefördert wird und danach eigenständig agiert. Das Bündnis hat die Vision, regional gewachsene Kompetenzen auf dem Gebiet der Umwelt- und Ressourcentechnologien zur Erschließung disperser Rohstoffquellen weiterzuentwickeln. Typische Altlasten wie die Versuchs- und Demonstrationsflächen im Erzgebirge sind Beispiele für Bergbaurückstände weltweit. Die Sanierung solcher Standorte kann durch die Rückgewinnung der verbleibenden Rohstoffe refinanziert werden. Anhand zahlreicher eigenfinanzierter Programme und Wettbewerbe der Industrie, z. B. der BHP Tailings Challenge, lässt sich weltweit ein steigender Bedarf an diesen ganzheitlichen Lösungen in der Bergbaubranche erkennen. Nachdem der neue Industriestandard zum Tailingsmanagement 2020 unter der Maßgabe „Zero Harm“ (keine Schäden mehr durch Bergbaualtlasten) in London veröffentlicht wurde, haben viele Bergbaukonzerne konkrete Maßnahmenpläne zur Reduzierung und Verwertung ihrer Halden aufgesetzt. Dies birgt für die im Umgang mit Bergbaualtlasten sehr erfahrene Erzgebirgsregion und das recomine-Bündnis ein hohes Potential zur Weiterentwicklung und weltweiten Vermarktung dieses Wissens. Die Vision des recomine-Bündnisses ist in Bild 4 dargestellt.

Bild 4. Die recomine-Vision: An regionalen Entwicklungsstandorten sollen innovative Lösungen für Altlastenfragestellungen von weltweiter Relevanz entwickelt und unter realen Bedingungen erprobt werden. Die Standorte sollen zukünftig auch Ausbildungs- und Begegnungsstätten sein, über welche die regional entwickelten Konzepte weltweit vermarktet werden können, bei-spielsweise durch Demonstrationsanlagen. Source: HIF

Typische recomine-Projekte adressieren Grobberge- und Spülhalden, Gruben- und Bergbauwässer sowie Schlacken und Aschen, da diese Stoffströme weltweit die wesentlichen Altlasten aus der Bergbaubranche darstellen. Zusätzlich werden die gesellschaftlichen Fragestellungen adressiert, die unmittelbar mit dem Thema verbunden sind.

Die regionalen Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen verfügen neben dem umfangreichen Know-how in der Ressourcen- und Umwelttechnologie auch über ein beachtliches Wissen in der Automatisierungs- und Sensortechnik. Durch Einbeziehung dieses Know-hows können zukunftssichere und effiziente Technologien mit höchstem Wirkungsgrad etabliert werden.

Die über Jahrhunderte gewachsene Bergbau- und Hüttengeschichte des Erzgebirges zeichnet die Region als idealen Modellstandort aus, um ressourcenorientierte Umwelttechnologien in Pilot- und Demonstrationsanlagen zu entwickeln und für den internationalen Markt weiterzuentwickeln. Zu diesem Zweck wurden in der -recomine-Allianz zunächst fünf Entwicklungsstandorte ein-gerichtet:

  1. die Spülhalde Davidschacht in Freiberg,
  2. der Rote Graben in Tuttendorf (unterhalb (1)),
  3. die Spülhalden I & II und der Grubenwasserstollen in Ehrenfriedersdorf,
  4. der historische Hüttenstandort Muldenhütten und
  5. die IAA Bielatal in Altenberg.

Zukünftig sollen auch noch weitere Standorte, z. B. in Bad Schlema (in Kooperation mit der Wismut GmbH) und Freiberg (neues Metallurgietechnikum des HIF) für Technologieentwicklung, Ausbildung und Forschung genutzt werden. Bild 5 zeigt, welche Themenfelder an welchen Entwicklungsstandorten von recomine eine Rolle spielen und durch Projekte adressiert werden.

Bild 5. Die recomine-Entwicklungsstandorte und die dort adressierten Themenfelder. Quelle: HIF

Durch das umfassende Know-how welches sich unter recomine versammelt, konnte es dem Bündnis gelingen, sich bei der BHP Tailings Challenge mit einer Idee zur Verwertung von Halden aus dem Kupferbergbau einzubringen. Mit seiner modularen Idee hat es recomine geschafft, unter die Top 10 der 153 Bewerberteams zu gelangen. In der aktuell laufenden Proof-of-concept-Phase wird nun der modulare Ansatz von recomine getestet. Anfang 2022 wird sich dann entscheiden, ob das Bündnis in der anschließenden Phase eine von drei Pilotanlagen aufbauen wird (6). Weitere Informationen zum Bündnis, den laufenden Projekten und der BHP Tailings Challenge befinden sich unter www.recomine.de.

References/Quellenverzeichnis

References/Quellenverzeichnis

(1) European Commission (2020): Critical Raw Materials Resilience: Charting a Path towards greater Security and Sustainability. Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020DC0474&from=EN

(2) Rohstoffstrategie der Bundesregierung. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2010.

(3) Website: https://globaltailingsreview.org/, 29.09.2020.

(4) Büttner, P.; Osbahr, I.; Zimmermann, R.; Leißner, T.; Satge, L.; Gutzmer, J. (2018): Recovery potential of flotation tailings assessed by spatial modelling of automated mineralogy data. In: Minerals Engineering, Vol. 116, pp. 143 – 151, ISSN 0892-6875.

(5) Eigene Darstellung nach einer durch das Helmholtz-Institut Freiberg beauftragten naturschutzfachlichen Biotopkartierung (2017) der Spülhalde Davidschacht durch das Naturschutzinstitut Freiberg und Abbildungen der SAXONIA Standortverwaltungs- und -entwicklungsgesellschaft mbH.

(6) https://expandemineria.cl/convocatoria-custom/bhp-tailings-challenge/?lang=en

Authors/Autoren: Dipl. Geoök. Philipp Büttner, Dr. Jonathan Engelhardt, Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF), Freiberg
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