Aufgrund der Besonderheit des Tunnels und der untertägigen Verhältnisse ergab sich eine herausfordernde Aufgabe, die dazu führte, dass klassische Vermessungsunternehmen nicht bereit waren, die Aufgabe gemäß durchgeführter Ausschreibung durchzuführen. Demgegenüber sah das FZN von Beginn an eine Problemstellung, die mehrere Forschungsfragen adressierten. Eine Tunnelvermessung unter sich ständig verändernden Bedingungen in einer aktiv durchflossenen Verrohrung, die über Jahrzehnte mit unterschiedlichsten Materialien erstellt wurde, diverse Einläufe von Erbstollen und unbekannten Einleitern aufweist und ohne Kommunikationsmöglichkeit zur Außenwelt ist, bot besonders für die vermessungstechnischen Aspekte ein weites Betätigungsfeld. Diese Aspekte mündeten in einer Forschungskooperation zwischen FZN und Stadt Hattingen, innerhalb derer die Arbeiten geplant und schließlich ausgeführt wurden.
Der vorliegende Artikel befasst sich mit dem Aspekt der Sicherheit vor und während der Arbeiten. In Spitzenzeiten befanden sich bis zu 14 Personen in der Verrohrung, die sich auf ca. 575 m durch völlige Dunkelheit, schwierige Kommunikationsmöglichkeiten, z. B. kein Mobilfunk, und fließendes Wasser bis zu Brusthöhe auszeichnete. Zudem ist der Untergrund vollständig uneben, Unterzüge zwingen zu gebückter Haltung und der Transport etwaig verletzter Personen kann im Zweifel zu einem erschwerten Hindernislauf werden. Von der ersten Begehung im Jahr 2021 bis zur eigentlichen Durchführung waren daher diverse Aspekte in Form einer Risikobewertung respektive einer Gefährdungsbeurteilung mit einem zugehörigen Rettungskonzept zu adressieren. Gemeinsam mit der Feuerwehr Hattingen und der Grubenwehr der RAG Aktiengesellschaft, Essen, wurden die Themen identifiziert und das Vorgehen für ein Sicherheitskonzept dargestellt, die eine Durchführung der Arbeiten ermöglichten.
1 Einleitung
Beim Paasbach handelt es sich um einen linken Nebenfluss zur Ruhr, einen Mittelgebirgsbach der aus der relieffierten Umgebung des Bergischen Lands die Stadt Hattingen erreicht. Sein Einzugsgebiet ist mit allen Zuflüssen rd. 33,6 km² groß. Seit dem Beginn des Baus der Hattinger Hütte im Jahre 1854 (1) war der Wasserbau immer eine Herausforderung in den beengten Flächen entlang der Ruhr. Der Bach musste im Zug der Erweiterung der Henrichshütte mehrfach verlegt und immer weiter verrohrt werden. Der bedeutendste Umbau erfolgte hierbei im Zeitraum 1882 bis 1894 (1). Auch im Rahmen der Ruhrverlegung 1959 ergaben sich große Änderungen, die vor allem die Mündung des Bachs betrafen. Es ist davon auszugehen, dass solche Verlegungen im Lauf diverser Hüttenerweiterungen immer wieder passierten, teils aber nur ungenau dokumentiert wurden. Auch die Rolle von im Bereich der Verrohrung verlaufenden Erbstollen ist teils ungeklärt.
Eine sichere Begehung der heutigen Verrohrung ist bei einer Schüttung von durchschnittlich < 0, 2 m³/s möglich. Aufgrund des Einzugsgebiets mit der Lage im Stau des Bergischen Lands steigt die Wasserführung auch bei Niederschlägen im Hinterland schnell an. Die Pegelauswertungen ergaben in zwei Beispielen beachtliche Anstiege. Im ersten Fall stieg der Pegel von 0,026 m³/s auf 13,6 m³/s in 1:45 h, im zweiten Fall von 0,124 m³/s auf 7,79 m³/s in nur 40 min (Messungen der Stadt Hattingen). Aufgrund eines nicht unerheblichen Zuflusses von Grubenwasser aus diversen Erbstollen, z. B. Stollen von Braut, Edeltraut Erbstollen, Vereinigte Wildenberg und Vogelbruch, von schätzungsweise 63,3 m³/s bis 155 m³/s, ist die Durchflussmenge auch in regenarmen Zeiten relativ hoch (eigene Messungen Forschungszentrum Nachbergbau (FZN) der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA), Bochum).
Der Anlass des Projekts war, dass die Stadt Hattingen eine gute Vorstellung über den Verlauf der Verrohrung hatte, nicht aber exakt die Lage unter Stadt, Straßen und Hüttengelände verorten konnte. Insbesondere der vermutet recht geringe, aber in weiten Teilen nicht genau bekannte Abstand der Tunneldecke zur Geländeoberfläche bot ein hohes Unfallrisikopotential und lag bei der Vermessung daher im Fokus. Erste gemeinsame Begehungen im Juni 2021 zeigten bauliche Schäden, die zudem zu der Unsicherheit führten, inwiefern das überdeckende Material insbesondere im Bereich von LKW-befahrbaren Straßen ausreichend tragfähig sei.
Das veranlasste die Stadt Hattingen zur Ausschreibung einer Interessenbekundung für die exakte Vermessung der Verrohrung, auf die sich auch mehrere Unternehmen meldeten. Spätestens aber bei der detaillierten Aufgabenbeschreibung oder nach einer initialen Begehung wurden die Herausforderungen klar, sodass keines der Interesse bekundenden Unternehmen ein Angebot auf die nachfolgende Ausschreibung platzierte.
Auf der Suche nach geeigneten Partnern stieß die Stadt auf die Aktivitäten des FZN. Das FZN setzt sich personell aus diversen Spezialistinnen und Spezialisten zusammen, denen die Aufgabe im Team zugetraut werden konnte. Neben markscheiderischen und Vermessungskapazitäten weist das Team Bergbauingenieure und Sicherheitsexperten auf. Feuerwehr- und Grubenwehrausbildung sind vorhanden, aber auch das benötigte handwerkliche Geschick ist an einer Hochschule der angewandten Wissenschaften verfügbar und wird insbesondere im Forschungsbereich Geomonitoring im Alt- und Nachbergbau besonders wegen der umfassenden Geländearbeiten immer wieder trainiert.
Auf Seiten des FZN wiederum ergaben sich mit der Anfrage diverse Synergien zu den Arbeiten, welche die Forschenden vorantreiben. Besonders der angesprochene Forschungsbereich Geomonitoring im Alt- und Nachbergbau erkannte wissenschaftlich herausfordernde Aspekte, die eine steile Lernkurve im Team, aber auch Möglichkeiten für Abschlussarbeiten im Studiengang Master Geoingenieurwesen und Nachbergbau (MGN) versprachen. Aspekte der Vermessung einer Verrohrung in unterschiedlichen Materialien und Deckenhöhen mit Unterzügen bei hoher Luftfeuchte, in denen man keinen sicheren Untergrund zur Einrichtung der Messgeräte findet, Fragen des Laserscannens für die 3D-Modellierung und der resultierenden Genauigkeit in Bezug auf die Reflektionseigenschaft der Materialien oder des Wassers bei gleichzeitig unsicherer Wegsamkeit, Anzahl notwendiger Anschlusspunkte für den Polygonzug und weitere Aspekte führten zur Formulierung einer Forschungskooperation zwischen der Stadt Hattingen und dem FZN.
Nachdem diese Kooperation geschlossen war, gab es letztlich zwei Arbeitszweige. Neben der Planung der Tunnelvermessung als eigentlicher Aufgabe musste sichergestellt werden, dass in der beschriebenen Umgebung der höchste denkbare Sicherheitsstandard für die eingesetzten Teams umgesetzt wird und es in der unsicheren Umgebung während der Arbeiten nicht zu Unfällen kommt. Sollte der Ereignisfall doch eintreffen, gab es Fragen, wie bei fehlender Kommunikation eine Alarmierung und Rettung der betroffenen Person erfolgen kann bzw. wie die Teams eine Zeit lang autark überbrücken können, bis unterstützende Hilfe der Feuerwehr Hattingen eintrifft. Unter Einbeziehung der Feuerwehr und der Grubenwehr wurden hierzu Lösungen erarbeitet, auf die in der Folge mit der Entwicklung des Sicherheitskonzepts eingegangen wurde.
2 Vorbereitungen
Im Wesentlichen mussten sich die Autoren zunächst ein genaues Bild von der Örtlichkeit und deren Verhältnissen verschaffen. Auch der Feuerwehr Hattingen war der Tunnel zwar bekannt, die Verhältnisse in der Verrohrung aber mehr oder weniger unbekannt. Hierzu gab es eine erste Begehung mit den Fachbereichen Stadtbetriebe und Tiefbau am 9. Juni 2021. Ein kleines Team unter der Leitung des Fachbereichs Stadtbetriebe untersuchte die Verrohrung bei optimalen Bedingungen mit extrem geringem Wasserstand. Das Team fand eine komplexe bauliche Situation vor (Bild 1).

Fig. 1. Impression of the conditions in the piping. The supposedly good lighting is achieved using a high-intensity camera and does not correspond to the working conditions. // Bild 1. Eindruck der Bedingungen in der Verrohrung. Die vermeintlich gute Beleuchtung kommt durch eine lichtstarke Kamera zustande und entspricht nicht den Arbeitsbedingungen. Photo/Foto: FZN/Volker Wiciok
Die Höhe der Verrohrung war im Allgemeinen angenehm für die Begehung, sieht man von einigen Unterzügen ab, die bei höherem Wasserstand ggf. zu einem Hindernis hätten werden können. Demgegenüber war der Boden problematisch, da neben einigen Auskolkungen mit höherem Wasserstand Schotter des Paasbachs mit Sandbänken und schlammigen Bereichen abwechseln. Auch unsachgemäß entsorgter Müll von Kleinigkeiten über Einkaufswagen bis zu einem Motorroller machten das Vorankommen nicht einfach. Der unsichere Gang wurde durch die absolute Dunkelheit verstärkt, da die mitgeführten Helm- und Handlampen den Weg nicht immer optimal ausleuchteten. Für die Rettung verletzter Personen bot ein Schleifkorbtrage nur suboptimale Bedingungen. Als wesentliche Konsequenz ergab sich, dass bei zukünftigen Begehungen und spätestens bei der Arbeit eines größeren Teams in der Verrohrung eine Möglichkeit zur Kommunikation mit der Außenwelt bestehen muss, um etwa Notrufe absetzen zu können. Denn nach wenigen Metern gibt es keinen Mobilfunkkontakt mehr, was alle verfügbaren Netze betrifft. Und mit 570 m Länge zwischen den Mundlöchern könnte bereits ein verstauchter Fuß schon zur Herausforderung werden.
2.1 Konsequenzen der Erstbegehung
Diese Erkenntnisse führten zu mehreren Folgerungen. Als wesentliche Konsequenz ergab sich, dass für jede weitere Begehung die Feuerwehr der Stadt Hattingen und Grubenwehrkompetenz einbezogen wurden. Jede weitere Begehung sollte mit Unterstützung der Spezialisten durchgeführt werden, um Erkundungen schon im Zusammenhang mit der Erstellung des Sicherheitskonzepts einerseits sicherer zu machen, andererseits aber Rettungsmöglichkeiten unmittelbar mit den potentiellen Rettern zu diskutieren.
Zum anderen wurden unmittelbar zusätzliche Rettungsmöglichkeiten in der langen Wegstrecke gesucht. Zugänge zum Gewässertunnel bestehen für Hilfeleistungen/Rettung und Materialzuführung entweder über die beiden Mundlöcher – nach grober Metrierung durch die Grubenwehr der RAG Aktiengesellschaft, Essen, ca. 570 m voneinander entfernt – oder über zwei bekannte Tagesöffnungen (Mannlöcher), die bei etwa ein Viertel und drei Vierteln der Gewässerstrecke begehbar sind (Bilder 2, 3, 4). Die Zugänge erscheinen dabei aber unsicher und sind teils von Resten verrosteter Tritte gekennzeichnet (insbesondere S002), die ein hohes Verletzungsrisiko bei der potentiellen Rettung darstellen.

Fig. 2. Site plan of the water tunnel and access to the piping. // Bild 2. Lageplan des Gewässertunnels und Zugänge zur Verrohrung. Source/Quelle: FZN/Benjamin Haske, Bodo Bernsdorf

Fig. 3. Manhole S008 – shaft near outlet mouth seen from the piping. // Bild 3. Mannloch S008 – Schacht nahe Auslassmundloch aus der Verrohrung gesehen. Photo/Foto: FZN/Bodo Bernsdorf 09.06.2021

Fig. 4. Manhole S002 – shaft near the mouth – inlet seen from the piping. // Bild 4. Mannloch S002 – Schacht nahe Mundloch – Einlass aus der Verrohrung gesehen. Photo/Foto: FZN/Bodo Bernsdorf 09.06.2021
Die Höhen aus der Verrohrung zum jeweiligen Mannloch sind sehr unterschiedlich. Am 2. Mai 2023 lagen die Wasseroberflächen im Schacht S002 ca. 6 m unter der Tagesöffnung, in Schacht S008 ca. 2,5 m.
Nachdem die Forschungskooperation Mitte Dezember 2022 von allen Seiten unterzeichnet war, konnten die Planungen begonnen werden. Bis zu einer zweiten Sicherheitsbegehung für die konkreten Planungen dauerte es aufgrund zu hoher Wasserstände letztlich bin in das Frühjahr 2023. Erst am 2. Mai 2023 konnte diese durchgeführt werden.
Als Konsequenz aus den ersten Eindrücken wurde die zweite Begehung mit Unterstützung der Grubenwehr der RAG, der Feuerwehr Hattingen und des Fachbereichs Tiefbau der Stadt Hattingen durchgeführt (Bilder 5, 6).

Fig. 5. Western mouth S001 – exit opening – the stream flows out of the mouth towards the observer. // Bild 5. Westliches Mundloch S001 – Austrittsöffnung – der Bach fließt aus dem Mundloch auf den Betrachter zu. Photo/Foto: FZN/Bodo Bernsdorf 09.12.2022

Fig. 6. Eastern mouth S004 – inlet opening – the stream flows from the viewer into the mouth. // Bild 6. Östliches Mundloch S004 – Eintrittsöffnung – der Bach fließt vom Betrachter in das Mundloch ein. Photo/Foto: FZN/Bodo Bernsdorf 09.12.2022
Feuerwehr und Grubenwehr brachten sich mit großer Kompetenz und großem Engagement ein. Hierdurch war sichergestellt, dass sich neben den Kollegen des Tiefbauamts ausschließlich ausgebildete Rettungskräfte in der Verrohrung befanden, was sich sehr positiv auf die Erstellung des Sicherheitskonzepts auswirkte.
An dieser Stelle sei auf das Engagement des Ausrüsters Dönges GmbH & Co. KG, Wermelskirchen, hingewiesen. Das Unternehmen stellte einen Kollegen, der ebenfalls Feuerwehrangehöriger ist, um das Team zu begleiten. Seine Aufgabe war es zu bewerten, welche Art der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) in der Arbeitsumgebung auch für die untertägig ungeübten Kräfte geeignet ist. Da die Beschaffung der PSA jedoch auszuschreiben war, bestand zu diesem Zeitpunkt keine Sicherheit, diesen Auftrag auch zu erhalten. Hier stand das Interesse an der Thematik im Vordergrund.
Als wesentliche Erkenntnis aus der zweiten Begehung ergab sich, dass an diversen Stellen die Wassertiefe durch Auskolkungen nach dem Starkregenereignis am 14./15. Juli 2021 deutlich verändert worden war. Auch bei niedrigem Wasserstand ergaben sich teils Wassertiefen von ca. 1,30 m. Insbesondere erschienen zudem mehr abrupte Wechsel der Wassertiefe.
Eine weitere Erkenntnis konnte für das Kommunikationskonzept gewonnen werden. Mit den analogen 2 m-Funkgeräten der Grubenwehr und der Positionierung von Gegenstellen an den Mundlöchern bzw. den bezeichneten Schächten S002 und S008 war eine durchgehende Kommunikation mit der Außenwelt gegeben. Das Absetzen eines Notrufs wäre dabei jederzeit möglich gewesen.
2.2 Erkannte Gefahren
Im Projekt sind intrinsische Gefahren erkennbar. Bestimmte Ursachen haben bestimmte Wirkungen. Setzt man Mitarbeitende Ursache und Wirkung aus, entstehen Gefahren. Alle Arbeiten im Gewässertunnel des Paasbach bergen daher Gefahren für das Personal, die vor der Durchführung der Arbeiten zu bewerten waren. Aus den beiden Begehungen ergaben sich folgende Aspekte zur Berücksichtigung in einer Gefährdungsbeurteilung:
- Kommunikation:
- Kommunikation ist mindestens im Notfall unabdingbar.
- Im Tunnel gibt es keinen gesicherten Mobilfunk-Empfang.
- Die Kommunikation mit der Außenwelt ist daher durch Nutzung des Mobilfunks nicht gesichert, Hilfeanforderungen ggf. unmöglich.
- Zu berücksichtigen ist die Kommunikation zudem untertägig zur Koordination der Arbeiten, die ggf. auch zu einem Störfaktor bei Hilferufen wird.
- Beleuchtung:
- Im Tunnel existiert keine Beleuchtung.
- Untergrund/Wegsamkeit:
- Im Tunnel kann von einem extrem inhomogenen Untergrund mit Schutt- und Mülleinspülungen/-ablagerungen ausgegangen werden.
- Durch die oben beschriebenen Auskolkungen sind unterschiedliche Wassertiefen auf kleinem Raum zu verzeichnen, die teils schwer erkennbar sind.
- Diese können sich durch Strömung in Lage und Ausdehnung zwischen zwei Begehungen verändern.
- Auch feste Oberflächen sind feucht und ggf. rutschig.
- Fließendes Wasser:
- Der Gewässertunnel wird vom Paasbach aktiv durchflossen (Strömung).
- Der Paasbach hat ein Einzugsgebiet, das deutlich über die Stadtgrenze von Hattingen hinausgeht. Auch ohne Niederschläge in Hattingen oder direkter Umgebung können Wasserspiegel und Strömung zügig ansteigen.
- Je nach Position im Tunnel kann die Zeit des Pegelanstiegs die benötigte Zeit zur Flucht unterschreiten.
- Im Einzugsgebiet münden zehn Erbstollen im Oberlauf. Mindestens einer mündet in der Verrohrung. Hohe Zuflussraten aus den Erbstollen sichern auch bei großer Trockenheit eine minimale Wasserführung.
- Fließendes Wasser mit entsprechender Strömung auch bei Niedrigwasser an Engstellen durch bauliche Maßnahmen, Gewässerschwellen oder Schutt.
- Kolke und bauliche Vertiefungen mit bekannten Wassertiefen von bis zu 1,30 m (bei höheren Wasserständen ggf. tiefer!).
- Fließendes Wasser baut insbesondere durch den Düseneffekt großen Druck auf.
- Durch das Wasser mitgeführte Gegenstände, z. B. Äste.
- Hygienische Verhältnisse (chemische und biologische Gefahren):
- Beim Paasbach handelt es sich um ein Gewässer mit „Reinwasser“, also Quellwasser und Oberflächenwasser aus Niederschlag.
- Einleitungen unbekannter Herkunft können nicht ausgeschlossen werden (Fäkalien, Straßenabrieb, Kohlenwasserstoffe, …).
- Im Paasbachtunnel wurden Fledermäuse, diverse Spinnenarten und Flusskrebse gesichtet – jeweils ungefährliche Arten (ggf. notwendiger Augenschutz wegen des Fledermauskots).
- Vegetationsbestand (schlingende Arten als Stolperfalle) ist innerhalb der Verrohrung nicht vorhanden.
- Atmosphäre/Wetter (Atemgifte):
- Der Paasbach ist ein fließender Bach. Bedingt durch die ständige Wasserbewegung und Schächte, die über den Kamineffekt als Wetterschächte wirken, scheint gute Bewetterung gegeben.
- Von Faulgasen etc. (typisch für stehende Gewässer) muss nicht ausgegangen werden (fehlendes Sapropel/Faulschlamm).
- Unbekannter Herkunft sind die Einleiter und bergen ein Risiko (O2-Mangel, Schadgase/Atemgifte), was bei mehreren Begehungen mit Messgeräten nicht festzustellen war.
- Im Gewässertunnel herrscht – vermutlich ganzjährig – eine hohe Luftfeuchtigkeit.
- Temperatur/Wassertemperatur:
- Der Bach wird auch im Sommer voraussichtlich 10 bis 12 °C nicht überschreiten, was Arbeit in kühlen Bedingungen mit sich bringt.
- Die Außentemperatur ist ausgeglichen und passt sich nur langsam an die übertägigen Verhältnisse an.
- Handwerkliche Arbeiten/Baumaterialien:
- Im Rahmen der Arbeiten werden Schlagmarken per Winkelschleifer angebracht und Wandkonsolen per Bohrhammer an den Stößen montiert.
- Neben der klassischen Verletzungsgefahr bei der Arbeit mit solchen Geräten bergen die diversen Baumaterialien unbekannten Erhaltungszustands ein Risiko (Abplatzungen, Zerspringen, Hinterfüllungen1, …).
- Zudem gehen vom eingesetzten (Mess-)Instrumentarium wie Laser etc. Gefahren aus.
- Die Werkzeuge sind Akku-elektrisch betrieben, und können bei Wasserkontakt ggf. Probleme verursachen (IP-Schutzklassen).
- Beim Einsatz insbesondere der Winkelschleifer/Schlagbohrmaschinen entsteht Lärm. Lässt sich dieser mit Gehörschutz minimieren, besteht die Gefahr, dass Warnsignale oder Kommunikation allgemein ebenfalls blockiert werden.
- Lange Wegstrecke:
- Materialtransport muss von den Mundlöchern aus erfolgen (ca. 288 m Strecke von Ein und Auslass bei optimalem Zustand, max. 575 m, wenn die Strömung es nicht anders zulässt).
- Ebenso Menschenrettung in liegender Weise (Schleifkorb).
- Ggf. sind die Kanalschächte (Mannlöcher mit ca. Ø 60 cm) nutzbar (Bilder 2, 3, 4).
- Zuwegung/Restfahrten in den Schächten:
- Die Zuwegung erfolgt ausschließlich über vergleichsweise steile Hänge an beiden Mundlöchern.
- Beide Bereiche sind dicht mit Vegetation bestanden und unwegsam.
- Die Schächte an den Mannlöchern werden von verrosteten Leiterresten verengt.
- Eingesetztes Personal:
- Untertägige Arbeit in ungewohnten Umgebungen wirken angsteinflößend auf die Mitarbeitenden (mögliche Panikreaktionen, Klaustrophobie, bekannt oder unbekannt).
- Je nach körperlicher Fitness und Erfahrung können Mitarbeitende mit den Anforderungen besser oder schlechter umgehen.
- Handwerkliche Arbeiten und Umgang mit den eingesetzten Maschinen bergen intrinsische Gefahren.
- Durch Geräteeinsatz und die damit verbundene Lautstärke, Hall und Geräuschweiterleitung/-verfälschung durch die vielfältig strukturierten Tunnelwände kommen ungewohnte Situationen auf die Mitarbeitenden auch an Stellen zu, an denen nicht direkt gearbeitet wird.
1 Hinterfüllungen steht hier als Synonym für den unbekannten Zustand, z. B. Boden ggf. fließfähig, Wasser/Wasserblasen ggf. gespannt etc., welche durch die Tätigkeiten in Bewegung geraten bzw. durch die Arbeitsstelle austreten könnten. Es sollte daher bei allen Arbeiten ein Durchbohren des Ausbaus vermieden werden.
3 Vorgehen und Konzepterstellung
3.1 Begriffsbestimmungen
3.1.1 Gefahr
Eine Gefahr ergibt sich aus dem Dreiklang aus Ursache, Wirkung und der Exposition dieser auf ein Subjekt oder Objekt. Als Beispiel: Das fließende Wasser des Paasbachs verfügt über eine kinetische Energie, die ein Bachbett auskolkt und Sedimente verlagert. Dies bewirkt, dass Objekte unter die Oberfläche gezogen werden können (Einsinken, Überspülen). Das ist intrinsisch und ein natürlicher Vorgang, der zunächst nicht gefährlich ist. Zu einer Gefahr wird dieser Vorgang, wenn Mitarbeitende dieser Situation ausgesetzt werden (Exposition) und beispielsweise in den Bach steigen.
Eine Gefahr ist daher ein Zustand, in dem bei objektiver Betrachtung der Eintritt eines Schadens naheliegt, sofern nicht abwehrende Maßnahmen ergriffen werden (2, 3, 4).
3.1.2 Risiko
Der Risikobegriff ist dagegen zusätzlich durch weitere Komponenten beschrieben.
Zunächst handelt es sich um die Eintrittswahrscheinlichkeit. Das Risiko eines Unfalls im Paasbach ist gering, wenn die Mitarbeitenden der intrinsischen Gefahr NICHT ausgesetzt werden. Die Eintrittswahrscheinlichkeit erhöht sich, wenn die Mitarbeitenden den Gewässertunnel begehen und wird zudem wahrscheinlicher, wenn sie zusätzlich in Dunkelheit und ungewohnter Umgebung den Bach an sich durchqueren.
Das bewusste Erhöhen der Eintrittswahrscheinlichkeit wird in der Fachliteratur als Wagnis beschrieben, also einer bewussten Entscheidung, sich einer Gefahr auszusetzen (5).
Als zweite Komponente ist die Schadenshöhe zu nennen. Im Ereignisfall gibt es eine Reihe von möglichen Szenarien. Die Begehung des Bachs kann zu geringen Schäden („nasse Socken“ durch defekte Wathose) oder aber – wenn beispielsweise die Wathose nach einem Sturz vollläuft – auch zu erheblichen Verletzungen bis zum Ertrinken führen.
Unter Risiko versteht man daher die bewusste, zufällige oder auch unbeabsichtigte Herbeiführung der Dreierkonstellation aus Ursache, Wirkung, Exposition eines Objekts oder Subjekts gegenüber einer intrinsischen Gefahr. Dies erhöht die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens und die potentielle Schadenshöhe (4, 5, 6).
3.2 Projektspezifische Risikomatrix
Es ist festzustellen, dass die Arbeit unter den beschriebenen Bedingungen eine Gefahr darstellt, da Mitarbeitende gegenüber Ursache und Wirkung exponiert werden. Allerdings besteht die Notwendigkeit, dieses Wagnis einzugehen, um die genaue Lage sowie den Zustand des Tunnels festzustellen und damit andere Risiken (Teileinsturz etc.) abzuwenden, deren Schadensausmaß ggf. höher sein kann. Das Risiko mit einem noch nicht absehbaren Schadensausmaß und wegen der Durchführung höherer Eintrittswahrscheinlichkeit ist somit gegeben.
Eine Bewertung läuft prinzipiell nach dem dargestellten Schema ab, indem für die zu bewertenden Aspekte eine Bewertungsmatrix aus Schadensausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit erstellt wird (Tabelle 1).

Table 1. Classic matrix for risk assessment. // Tabelle 1. Klassische Matrix zur Risikobewertung. Source/Quelle: FZN
Im Wesentlichen ergibt sich bereits so, ob die Arbeiten ausgeführt werden können oder nicht. Alle Aspekte mit dem Bewertungsmaßstab „1“ tragen ein lediglich geringes Risiko mit einer sehr geringen bis geringen Eintrittswahrscheinlichkeit und einem verträglichen Schadensausmaß. Solche Risiken können problemlos eingegangen werden. Demgegenüber stehen die Aspekte mit einer mindestens großen Eintrittswahrscheinlichkeit, die zudem einen hohen Schaden verursachen. Diese Risiken sollte man letztlich nicht eingehen.
Allerdings existieren immer Möglichkeiten, geeignete Gegenmaßnahmen zu treffen. Dies wird im Schema nicht abgebildet. Ist es im o. g. Beispiel der Nutzung von Wathosen beispielsweise denkbar, dass mit einer geeigneten Maßnahme ein potentielles Verletzungs- oder gar Sterberisiko zu einer Kategorie „nasse Socken“ wird, kann das Risiko eingegangen werden, wenn die Gegenmaßnahme nach menschlichem Ermessen einfach durchführbar ist und zum Einsatz kommt. Im vorliegenden Fall würde eine vollgelaufene Wathose ein extrem großes Gewicht erzeugen, aus dem eine Bewegungsunfähigkeit der Mitarbeitenden resultiert. Mit der Maßnahme, den nur truppweise agierenden Kolleginnen und Kollegen aber ein Rettungsmesser mitzugeben, mit dem beispielsweise die Träger der Wathose zerschnitten werden und ein Entkommen leicht möglich wird, ist die Nutzung der Wathose nur noch ein akzeptables Risiko.
Ziel muss es demnach sein, alle Risikoaspekte, denen die Mitarbeitenden ausgesetzt sind (vgl. Kapitel 3.1), seriös zu bewerten und über geeignete Gegenmaßnahmen entweder die Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder das Schadensausmaß zu reduzieren. Mitarbeitende erhalten dadurch eine möglichst sichere Arbeitsumgebung. Dadurch lässt sich erreichen, andere – vielleicht größere Risiken mit hohen Schadensausmaßen (Teileinsturz der Verrohrung) – zu reduzieren. Um den örtlichen Verhältnissen und den Aufgaben im Projekt gerecht zu werden, wurde eine detailliertere Beurteilungsmatrix mit fünf Kategorien eingeführt (Tabelle 2). Das projektspezifische Risiko ergibt sich aus der Multiplikation der Werte für die Eintrittswahrscheinlichkeit und dem Schadensausmaß.

Table 2. Project-specific value system.
Tabelle 2. Projektspezifisches Wertesystem. Source/Quelle: FZN
Schadensausmaße werden an der möglichen Verletzungsgefahr der eingesetzten Arbeitskräfte gemessen. Alle dargelegten Gegenmaßnahmen müssen das Verletzungsrisiko mindestens minimieren bis gänzlich ausschließen (Optimalszenario). Besteht dieses Verletzungsrisiko, wird ein Sachverhalt mindestens mit der Punktzahl „20 – hohes Risiko“ bewertet. Ein katastrophales Ereignis – dauerhafte Schädigung oder Tod einer Arbeitskraft – wurde aufgrund der Kenntnisse über die Situation nicht angenommen, da aus den Voruntersuchungen etwa keine Einsturzgefährdung erkennbar ist, die beispielsweise zur Verschüttung einer Arbeitskraft in der Verrohrung führen könnte.
Als Beispiel für die Anwendung der Bewertungsmatrix auf die dargestellten Gefahren ist in Tabelle 3 exemplarisch ein Abschnitt zum eingesetzten Personal dargestellt. Alle oben beschriebenen Aspekte wurden derart bewertet und auf Möglichkeiten der Risikominimierung hin untersucht. Das Ergebnis wurde iterativ von allen beteiligten Organisationen und somit aus unterschiedlichen Blickwinkeln überarbeitet, bis ein für alle Parteien tragbares Ergebnis resultierte.

Table 3. Example of an assessment and determination of the risk figure. // Tabelle 3. Beispiel einer Bewertung und Ermittlung der Risikozahl. Source/Quelle: FZN
3.3 Truppweises Vorgehen
Eine wichtige vorbeugende Maßnahme in einer Umgebung wie der Verrohrung ist insbesondere, Personal ohne umfassende untertägige Erfahrung oder Erfahrung mit Fortbewegung in unwegsamem Gelände nicht alleine einzusetzen. Ein truppweises Vorgehen wurde daher als eine wesentliche Sicherheitsmaßnahme vorgeschrieben. Hierdurch steht unmittelbare gegenseitige Hilfe, aber auch das gegenseitige Beobachten und die Früherkennung möglicher Probleme im Vordergrund. „Alleinsein“ wird immer vermieden. Unter dem Begriff „Trupp“ wird feuerwehr-spezifisch ein Team aus mindestens zwei Personen verstanden – abweichend vom Grubenwehr-Trupp mit fünf Personen. Im Projekt wurde das feuerwehrtechnische, truppweise Vorgehen in jeder Arbeitsphase vorgeschrieben.
3.4 Persönliche Schutzausrüstung

Fig. 7. In addition to the PPE (waders and jacket in signal colours), each team member was given a probe pole to probe the ground. // Bild 7. In Ergänzung zur PSA (Wathose und Jacke in Signalfarben) wurde jedem Teammitglied ein Fluchtstab zur Sondierung des Untergrunds mitgegeben. Photo/Foto: FZN/Volker Wiciok
Prinzipiell wurde nach den Begehungen und der Risikobewertung vorgegeben, die Arbeiten unter geeigneter PSA durchzuführen. Entsprechend den erkannten Gefahren gehören dazu (Bild 7):
- wasserdichte oder -abweisende Arbeitsjacke,
- Warnweste oder Arbeitsjacke in Signalfarben,
- Wathosen in geeigneten Größen (insbesondere bezogen auf die Stiefel):
- Durchtrittssicherheit Kat. 5, Stahlkappe,
- Wathose in Signalfarbe,
- wärmende Stiefelinlets,
- je nach Außentemperatur ergänzt durch wärmende Unterkleidung,
- Schutzhelme mit Kinnriemen,
- verstellbare Helmlampen,
- zusätzliche Handlampen/Stablampen,
- leichte Arbeitshandschuhe (durchgehend in der Verrohrung zu tragen),
- Trillerpfeifen an stabilen Umhängeketten/Lanyards,
- Rettungsmesser,
- 2 m-Analogfunkgerät für jeden Trupp.
Für spezielle Aufgaben wird folgende PSA (spezielle Schutzausrüstung) getragen:
- Arbeitshandschuhe für Spezialaufgaben (Werkzeugeinsatz),
- anliegende Schutzbrillen mit Dichtung (Brillenträger-geeignet, Staub-/Splitterentwicklung aber auch wegen potentiellem Fledermauskot),
- Gehörschutz für Arbeiten wie Bohren, Flexen,
- Tragegurte oder Umhängetaschen für Werkzeug/Material.
- Ein schwimmfähiger Schleifkorb wurde als Transportbehälter genutzt und während der Arbeiten zur Ablage eingesetzt.
3.5 Funkkonzept
In einem ersten Ansatz wurde das Funkkonzept auf Digitalfunkgeräten, sogenannten Hand Radio Terminals (HRT), der Feuerwehr ausgearbeitet. Aufgrund der Reichweitenprobleme und der Erfahrung eines recht abrupten Funkabrisses in der sogenannten Direct Mode Operation (DMO) wurde über den Einsatz von Repeatern nachgedacht. Problematisch dabei war von Beginn an, dass die Operation keine Arbeit der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr, Feuerwehr oder einer Hilfsorganisation war und somit speziell beantragt werden musste. Auch der Repeatereinsatz ist generell genehmigungspflichtig.
Bereits während der ersten Begehung der Verrohrung im Juni 2021 stellte sich heraus, dass eine durchgehende Mobilfunkabdeckung in keiner Weise gegeben ist. Bereits die teils nur geringe Überdeckung schirmte die Funkanbindung zuverlässig ab. Es war davon auszugehen, dass dies auch für den Digitalfunk im Netzbetrieb, also dem sogenannten Trunked Mode Operation (TMO) gilt. Für Arbeiten mit einer großen Gruppe an eingesetzten Kräften war damit keine Möglichkeit eines schnellen Hilferufs im Ereignisfall gegeben.
Durch die Grubenwehr der RAG konnten während einer Begehung vier Analogfunkgeräte, sogenannte 2 m-Geräte, also Handfunkgeräte für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) im 2 m-Band um die 150 MHz getestet werden. Das Kommunikationskonzept sah vor, dass mit den Fortschritten der Arbeiten im Tunnel auch die jeweils näheren Rettungswege (Mundlöcher, Schächte) als Kommunikationsstellen besetzt wurden. Bei den vorgesehenen Arbeiten gegen die Strömungsrichtung vom Mundloch Auslass in Richtung Mundloch Einlass, also dieses Mundloch sowie der westliche Schacht 008, danach der westliche (008) und östliche Schacht (002) und schließlich der östliche Schacht und der Mundloch Einlass. Intern erhielten diese Positionen entsprechend den übertägigen Vermessungen folgende Bezeichnungen:
- S001 – Mundloch Auslass (Westen),
- S008 – westlicher Schacht, Nähe Mundloch Auslass,
- S002 – östlicher Schacht, Nähe Mundloch Einlass,
- S004 – Mundloch Einlass (Osten).
Ein über Tage verbleibender Trupp (Trupp 5) hatte jeweils diese Positionen mit dem Arbeitsfortschritt zu besetzen, um die Kommunikation der untertägigen Trupps zur Außenwelt sicherzustellen und ggf. einen Notruf zur Feuerwehr Hattingen abzusetzen.
Mit den 2 m-Geräten der RAG-Grubenwehr konnte bei der Begehung am 2. Mai 2023 auf diese Weise eine durchgängige Kommunikation sichergestellt werden. Daher wurde für jeden Abschnitt eine leicht verständliche Grafik erstellt und in ein einfach beschriebenes Funkkonzept integriert.
Wesentlich ist, dass für die Durchführung einer sicheren Kommunikation Regeln aufgestellt werden müssen. Aufgrund der vielfach erprobten Vorgehensweise in den Feuerwehren wurden entsprechende Vorgaben zur Funkdisziplin definiert. Dazu wurden die Trupps eindeutig benannt und die Kommunikation an konkreten Beispielen dargelegt. Auszug aus dem Funkkonzept:
- Zur Sicherstellung einer disziplinierten Kommunikation werden nur notwendige Informationen ausgetauscht.
- In der Ansprache wird zunächst der „Gerufene“ angesprochen, dann der „Rufende“ genannt:
- Beispiel für Trupp-Kommunikation:
- „Trupp 2 von Trupp 5 – bitte kommen“.
- Meldung: „Hier Trupp 2 – kommen“.
- Beispiel für Trupp-Kommunikation:
Das Konzept umfasst zudem die Notfallkommunikation, ebenfalls eng an diejenige der Feuerwehren angelehnt. Auszug aus dem Funkkonzept:
- Im Notfall ist wie folgt vorzugehen:
- Der Notrufende meldet „Mayday, Mayday, Mayday – Trupp 5 bitte kommen“.
- Trupp 5 ist der Übertagetrupp zur Sicherstellung der Notrufe (Feuerwehr Hattingen). Derjenige von Trupp 5, der diesen Funkspruch empfängt, antwortet: „Hier Trupp 5 – kommen“.
- „Achtung!“ Bei dieser Meldung erlischt jeglicher andere Funkverkehr und lediglich Trupp 5 und der rufende Trupp kommunizieren danach.
- „Achtung!“ Da Trupp 5 geteilt und an zwei Positionen aufgestellt ist, kann es hier zu Problemen kommen. Derjenige, der den Funkspruch in guter Qualität aufnimmt, sollte antworten. Antworten beide, muss kurz abgestimmt werden, wer das Gespräch weiterführt.
Inhaltlich wurde die eigentliche Meldung an den allseits bekannten „fünf W“ orientiert:
- Wer (Person) ruft? (z. B..: „Hier Gabriele“).
- Wo ist es passiert? (Position dabei so genau wie möglich angeben, beispielsweise „Wir befinden uns im Bereich S008/S002, Nähe Schacht S008“).
- Was ist passiert? („Georg ist gestürzt und hat sich am Bein verletzt, er ist nicht gehfähig“).
- Ggf., wenn das Problem mehrere Personen betrifft: Wie viele sind betroffen? („Ein Unterzug ist eingestürzt und drei Personen sind eingeklemmt“).
- Warten auf Rückfragen von Trupp 5! (Wichtig: Trupp 5 wiederholt die Informationen und lässt sich diese bestätigen!)
- Gabriele: „Georg ist verletzt und nicht gehfähig. Ihr befindet euch im Bereich S008/S002, Nähe Schacht S008. Wir alarmieren die Feuerwehr und melden uns gleich wieder!“
- Antwort Gabriele: „So korrekt, Ende“.
Die Vorgehensweise ist ungeübten Menschen nicht geläufig. Gleiches gilt für die Bedienung der 2 m-Geräte über eine Push-to-Talk-Taste. Deshalb wurde das Vorgehen vor der Durchführung der Vermessung umfassend in kleinen Workshops geübt. Alle Beteiligten hatten mehrfach die Möglichkeit, sich mit den Abläufen vertraut zu machen.
4 Durchführung
Das ausgearbeitete Sicherheitskonzept wurde von der Feuerwehr Hattingen, der Grubenwehr der RAG und der Stadt Hattingen überprüft und jeweils verbessert. Nach finaler Kontrolle des Sicherheitskonzepts durch eine Fachkraft für Arbeitssicherheit der THGA konnte es seitens der Geschäftsführung der DMT-LB GmbH, Essen, freigegeben werden. Damit konnte die empfohlene PSA ausgeschrieben und beschafft werden. Gleiches galt für die notwendigen Gerätschaften, beispielsweise Ersatzakkus für die 2 m-Geräte. Letztere stellte die Feuerwehr Hattingen zur Verfügung (acht 2 m-Geräte). Nachfolgend wurden die geplanten Kräfte in Workshops mit der PSA vertraut gemacht und in entsprechenden Übungseinheiten in deren Nutzung sowie dem Kommunikationskonzept geschult. Die Durchführung erfolgte schließlich am 28. und 29. August 2023. Der Wasserstand in der Verrohrung war höher als erhofft, die Arbeiten wurden als durchführbar bewertet.
Problematisch war, dass die Kollegen der RAG-Grubenwehr zum Termin nicht verfügbar waren. Hier engagierte sich die Feuerwehr Hattingen mit der Stellung von Personal aus dem Bereich der ehrenamtlichen Kräfte. Ein Kollege der Hauptwache begleitete die Arbeiten teils über-, teils untertägig. Da im Team selbst ein ausgebildeter Grubenwehrmann sowie ein ausgebildeter Feuerwehrmann arbeiteten, wurde das Konzept auf die neue Personalsituation angepasst. Neben den Feuerwehrleuten oblagen den beiden Teammitgliedern zusätzlich die Rettungsaufgaben, sodass die ursprüngliche Planung von vier ausgebildeten Rettungskräften untertage jederzeit umgesetzt werden konnte, wenn zweien allerdings parallel auch andere Aufgaben zukamen.
Vor Ort erfolgten zunächst die Organisation und der Aufbau der Pausenmöglichkeiten sowie die Ordnung der Arbeitsmittel. Der Aufbauphase folgte an beiden Tagen eine umfassende Sicherheitseinweisung des gesamten Teams, sodass die wechselnden Hattinger Feuerwehrkameraden in die Planungen einbezogen werden konnten. Die Verteilung der Funkgeräte sowie die obligatorischen Funktionstests wurden jeweils positiv abgeschlossen.
Mit dem Einstieg in die Verrohrung am Mundlochauslass (S001) erfolgten die Arbeiten im Wesentlichen wie geplant. Als problematisch stellten sich zwei Aspekte des Konzepts heraus:
- Zum Einen war die Koordination der arbeitenden Trupps problematisch, da sie aufgrund des individuellen Arbeitsfortschritts nicht synchron arbeiteten. In Bezug auf die Besetzung von Mundlöchern und Schächten durch das Außenteam (Trupp 5) musste hier flexibler als geplant agiert werden.
- Im mittleren Bereich der Verrohrung ergaben sich unerwartet Probleme mit der Funkverbindung. Nicht allein der Kontakt zu den übertägigen Trupps, sondern auch denjenigen in der Verrohrung gestaltete sich streckenweise schwieriger als geplant. Ein Grund dafür wurde im deutlich höheren Wasserstand in der Verrohrung gesehen, als derjenige, der bei der Begehung am 2. Mai 2023 zu verzeichnen war. Dadurch ergaben sich vermutlich andere Reflektions- und Absorptionsbedingungen mit großer Auswirkung auf die 2 m-Kommunikation. Diese wurden zudem durch die nun deutlich engeren Durchlässe unter mehreren Unterzügen verstärkt. Da die Unterzüge metallisch ausgeführt sind, etwa aus Doppel-T-Trägern bestehen, ergab sich eine effektive Abschirmung der 2 m-Funkwellen (Bild 8).

Fig. 8. Reflecting metallic beams and high water levels were probably responsible for the interrupted communication. // Bild 8. Reflektierende metallische Unterzüge und hoher Wasserstand waren vermutlich für die unterbrochene Kommunikation verantwortlich. Photo/Foto: FZN/Volker Wiciok
Da die Kommunikation aus der Verrohrung insbesondere im Notfall als das wesentliche Kriterium eingeschätzt wurde, mussten flexibel Anpassungen des Konzepts vorgenommen werden. Hierbei war es wiederum von Vorteil, dass die Abläufe etwas ungeordneter waren als geplant. Damit verteilten sich die Teams auf längere Strecken in der Verrohrung und eine Meldekette konnte aufgebaut werden. Die Teams wurden explizit auf die Fallback-Lösung der Nutzung ihrer Signalpfeifen aufmerksam gemacht. Durch eine zusätzliche Übertageposition konnte zudem eine weitere Tagesöffnung durch die Feuerwehr Hattingen besetzt werden. Dadurch konnte die Kommunikation mit dem Übertage-Trupp 5, nun von der Feuerwehr Hattingen verstärkt und aus drei Personen bestehend, sichergestellt werden. Als positiver Aspekt ergab sich zudem, dass die Verrohrung im Bereich des Mundlochs Einlass (S004) aus einem DN 3600-Betonrohr besteht. Es ergab sich in diesem Rohr, das letztlich vom Schacht S002 bis zum Mundloch Einlass S004 eine akustische Verbindung besteht und ein einfacher Hilferuf oder die Nutzung der Signalpfeife auch ohne Funkgeräthilfe hätte angefordert werden können. Diese Tatsache war von der Feuerwehr Hattingen bereits bei der Begehung im Mai 2023 bemerkt worden, nicht aber ins Konzept eingeflossen.
Als weitere Änderung während der Arbeiten wurde der Schacht S002 als mögliche Tagesöffnung für eine Rettung ausgeschlossen. Es wurde klar, dass der Aufbau einer Drehleiter oder eines Dreibocks über dem Schacht mit der korrekten Einbindung einer verletzten Person in den Schleifkorb erheblich länger dauern würde, als die Rettung im Schleifkorb durch das vergleichsweise gut begehbare DN 3600-Rohr. Denn hier war der Untergrund fest und sicher und durch die dauernde Strömung des Paasbachs mit entsprechender Geschwindigkeit auch sauber und ohne Hindernisse.
Mit diesen Anpassungen bewährten sich das Konzept, die PSA und insbesondere die Schulungen der eingesetzten Kräfte. Unsicherheiten im Funkkonzept konnten durch die begleitenden Feuerwehrleute ausgeglichen werden. Alle Arbeiten konnten sicher und ohne Zwischenfälle verrichtet werden. Ein Ergebnis, das auch erreicht wurde, weil alle Mitarbeitenden das Konzept verinnerlicht und gelebt haben.
5 Fazit
Insgesamt war die Erstellung eines umfassenden Sicherheitskonzepts mit mehreren Begehungen, einer Planung, Ausformulierung und mehreren Iterationen mit den Sicherheitskräften und der Fachkraft für Arbeitssicherheit aufwendig. Trotzdem war sie aus Sicht der Autoren unumgänglich, um auf alle Eventualitäten reagieren zu können und jederzeit handlungsfähig zu bleiben. Das Ziel musste immer sein, die Sicherheit der eingesetzten Kräfte zu gewährleisten und im Ereignisfall mögliche Personenschädigungen auszuschließen oder so gering wie möglich zu halten. Ein wichtiger Aspekt bei der Planung war der notwendige Einsatz von Personal ohne umfassende Untertageerfahrung. Hier waren Reaktionen auf unvorhergesehene Ereignisse nicht unbedingt vorhersagbar. Die Truppbildung erhöhte das Sicherheitsempfinden ebenso wie die aktive Sicherheit und die Anwesenheit professioneller Rettungskräfte.
Der Prozess der umfassenden Gefahrenanalyse und der ausführlichen Risikobewertung hat sich bewährt. Besonders das konkrete Benennen ermöglichte es, die Gefahren zu erkennen und für jeden Aspekt geeignete Maßnahmen der Risikoreduzierung zu beschreiben. Allein die Benennung der erkannten Gefahren machte es allen eingesetzten Kräften möglich, sich mit der Situation im Vorfeld der Arbeiten auseinanderzusetzen und mit denkbaren Szenarien zu befassen.
Die Unterstützung der Arbeiten durch ausgebildete Sicherheitsexperten, insbesondere der Feuerwehr Hattingen während der Kartierung, aber auch der RAG-Grubenwehr in der Vorbereitung, ist ein kaum beschreibbarer Mehrwert. Einerseits wären viele Aspekte ggf. übersehen und nicht angesprochen worden. Andererseits konnten die begleitenden Sicherheitskräfte sich im Vorfeld mit denkbaren Rettungsszenarien befassen und diese durchdenken. Zudem stand die Feuerwehr Hattingen durch die Einbeziehung in die Planungen und die Durchführung jederzeit zur Intervention bereit. Aus koordinatorischen Gründen konnte eine konkrete Rettungsübung mit den Beteiligten nicht durchgeführt werden. Dieses Angebot der Feuerwehr Hattingen hätte aber beim Auftreten von tatsächlichen Problemen die Abläufe deutlich verbessern können und sei für vergleichbare Arbeiten empfohlen.
Auch die ausführliche Thematisierung und Diskussion im Team sowie die vorgelagerten Workshops und Übungen, beispielsweise zur Nutzung der PSA oder der Anwendung des Funkkonzepts, können als positiv für die Optimierung der Abläufe bewertet werden. Durch diese Sensibilisierung im Team konnte eine hohe Aufmerksamkeit erreicht werden. Die Summe der Maßnahmen erbrachte eine sichere und unfallfreie Durchführung der Vermessungsarbeiten.
6 Danksagung
Das Projekt wurde durch die Stadt Hattingen gefördert, insbesondere den Kollegen der Fachbereiche Stadtbetriebe und Tiefbau sei für ihre Unterstützung und die Möglichkeit, dieses Projekt umsetzen zu können, gedankt.
Dank sei auch den beteiligten Kolleginnen und Kollegen des FZN ausgesprochen. Jedes Sicherheitskonzept funktioniert nur dann, wenn es gelebt wird.
Die Firma Dönges GmbH & Co. KG, Wermelskirchen, brachte sich mit der Lieferung der persönlichen Schutzausrüstung für die untertägigen Arbeiten ein. Deutlich über ein einfaches Kunden-/Lieferantenverhältnis ging hinaus, dass das Unternehmen eine vorbereitende Begehung begleitete, um sich ein sehr konkretes Bild von den Anforderungen und Notwendigkeiten zu machen.
Die Grubenwehr der RAG unterstützte mehrere untertägige Begehungen und stellte ihre Kompetenz bei der Erstellung des Sicherheitskonzepts zur Verfügung. Die Kollegen waren in der Vorbereitung wichtige Gesprächspartner.
Der Feuerwehr Hattingen sei besonders gedankt. Neben der Zurverfügungstellung der Kommunikationstechnik waren die Kollegen/Kameraden jederzeit bereit, die Arbeiten zu begleiten. Insbesondere die Stellung der untertägigen Sicherheitskräfte, welche die eigentliche Vermessungsarbeit begleiteten, war mehr als selbstverständlich – ein gutes Gefühl! Jederzeit stand die Feuerwehr Hattingen als Ansprech- und Diskussionspartner zur Verfügung
7 Video
Einen etwas idealisierten Eindruck gibt das Video des THGA-Fotografen Volker Wiciok. Die eingesetzten, extrem lichtstarken Kameras zeichnen ein etwas „helleres“ Bild, als die Beteiligten vor Ort erlebt haben:
https://vimeo.com/vowiausbo/review/891426305/140133b07a
©Volker Wiciok/THGA.
References / Quellenverzeichnis
References / Quellenverzeichnis
(1) Rauterkus, H. (1954): Ein Jahrhundert Henrichshütte Hattingen 1854 bis 1954. Ruhrstahl AG, Darmstadt, 90 S.
(2) Knorr, K.-H. (2010): Die Roten Hefte, Heft 28 – Die Gefahren der Einsatzstelle. 8. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart, ISBN 3-17-013208-3.
(3) Pulm, M. (2012): Falsche Taktik – großer Schaden. Kohlhammer, 7. Auflage, Stuttgart, ISBN: 978-3-17-022061-4.
(4) Schneider, K. (2016): Kommentar zum BHKG NRW. 9. erweiterte und überarbeitete Auflage, Kohlhammer, Stuttgart, ISBN 978-3-555-01837-9.
(5) Weißbach,H.-J.; Florian, M.; Illigen, E.-M. u. a. (1994): Technikrisiken als Kulturdefizite. Berlin, ISBN 3-89404-375-X.
(6) Renn, O.; Schweizer, P.-J.; Dreyer, M. u. a. (2007): Risiko – Über den gesellschaftlichen Umgang mit Unsicherheit. oekom Verlag, München, ISBN 978-3-86581-067-0.