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Scheitert der Tagebau Hambach am Naturschutz?

Der Naturschutz ist für den Braunkohlentagebau Hambach ins Blickfeld geraten. Umweltschützer haben dort ein Camp errichtet, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND), Berlin, hat als Umweltverband um Rechtsschutz ersucht. Können der Habitat- und der Artenschutz als unionsrechtliche Vorgaben den Braunkohlentagebau stoppen?

Autor: Prof. Dr. jur. Walter Frenz, Lehr- und Forschungsgebiet Berg-, Umwelt- und Europarecht, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen, Aachen  

1  Aktuelle Verfahrenslage

Glückauf Tagebau Hambach!? Der Hauptbetriebsplan 2018 bis 2020 zum Fortgang des Braunkohlenabbaus im Tagebau Hambach (Bild 1) ist von der dafür zuständigen Bezirksregierung Arnsberg zugelassen worden. Dieser Hauptbetriebsplan bildet die Grundlage für den Weiterbetrieb des Braunkohlentagebaus vom 1. April 2018 bis zum 31. Dezember 2020. Ihm kann der Naturschutz entgegenstehen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND), Berlin, hat bereits das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster angerufen. Der Rahmenbetriebsplan wie auch der dem jetzigen Hauptbetriebsplan vorgehende wurden vom Verwaltungsgericht (VG) Köln in einem Urteil vom 24. November 2017 (14 K 1282/15), dessen Gründe erst jetzt veröffentlicht wurden, gebilligt. Ist damit der Fortgang des Tagebaus Hambach gesichert?

Fig. 1. Hambach opencast mine. // Bild 1. Tagebau Hambach. Source/Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:TagebauHambach.jpg

2  Unklarheit über Habitatschutzgebiet?

Das OVG Münster (Beschl. v. 28.11.2017, 11 B 1362/17) hat bereits die Rodungsarbeiten im Hambacher Forst vorläufig gestoppt. Es verwies darauf, dass die Existenz eines potentiellen Habitatschutzgebiets geprüft werden müsse. Diese Figur wurde allerdings im Hinblick darauf entwickelt, dass Deutschland zunächst nicht genügend Habitatschutzgebiete gemeldet hat, welche die EU-Kommission für das europaweite Netz Natura 2000 ausweisen konnte. Um dann auf jeden Fall zu gewährleisten, dass ein ausreichendes Maß an Flächen zur Verfügung steht, wurden alle Gebiete als potentielle Habitatschutzgebiete betrachtet, welche die Kriterien nach der FFH-Richtlinie und ihrer Anhänge erfüllten und daher von den Mitgliedstaaten als Habitatschutzgebiete der Kommission gemeldet werden konnten. In diesen Kreis hätte auch der Hambacher Forst fallen können, beherbergt er doch nach aktuellem Kenntnisstand entsprechend der vom Tagebaubetreiber, der RWE Power AG, Essen, beim Kieler Institut für Landschaftsökologie eingeholten fachgutachterlichen Stellungnahme zwei Wochenstubenkolonien mittlerer Größe der Bechsteinfledermaus, einer in Anhang II der FFH-Richtlinie gelisteten Art, sowie zwei Lebensraumtypen des Anhangs I der FFH-Richtlinie, nämlich zwei spezifische Hainbuchenwälder. Der BUND beanstandet denn auch die unterbliebene Einbeziehung des Hambacher Forsts in das europäische Netz Natura 2000.

Indes hat Deutschland mittlerweile eine ausreichende Zahl an Gebieten gemeldet und die Kommission diese auch als Habitatschutzgebiete ausgewiesen. Das gilt gerade auch für Hainbuchenwälder und Lebensräume der Bechsteinfledermaus. Dabei musste Deutschland nicht alle potentiellen Habitatschutzgebiete als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung benennen, sondern konnte zulässigerweise eine Auswahl treffen. Diese wurde von der Kommission auch nicht beanstandet; vielmehr hat sie ein wegen defizitärer Meldungen auch der Bechsteinfledermaus und eines Hainbuchenwald-Lebensraumtyps eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren eingestellt. Damit ist die Grundlage für diese Figur der potentiellen Habitatschutzgebiete entfallen. Etwaige sich aufdrängende Ergänzungen wegen funktionaler Defizite werden jedenfalls nach dem Gutachten des Kieler Instituts für Landschaftsökologie nicht gesehen. Das VG Köln hat ebenfalls in seinem Urteil vom 24. November 2017 (14 K 1282/15) die nachträgliche Aufnahme des Hambacher Forsts in das Gebietsnetz Natura 2000 verneint. Der BUND wandte sich dagegen mit einem Antrag, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen. Dann müsste das OVG Münster entscheiden.

In der Sache geht es also höchstens noch darum, dass sich Gebietsgrenzen bereits ausgewiesener Habitatschutzgebiete verschieben. Dadurch können Bereiche, die ursprünglich nicht als Habitatschutzgebiet ausgewiesen wurden, noch zum Habitatschutzgebiet werden. Inwieweit eine solche dynamische Konzeption besteht, ist allerdings strittig. Immerhin wurden feste Gebietsgrenzen ausgewiesen. Daher kann nur eine Fehlerkorrektur in außergewöhnlichen Fällen eintreten, wenn nämlich die Vermutung der ursprünglich richtigen Gebietsabgrenzung nach Abschluss des Auswahlprozesses substantiiert erschüttert werden kann (BVerwG, Urt. v. 14.02.2010 – 9 A 5.08, BVerwGE 136, 291, Rn. 39; zum Ganzen näher Frenz, in: ders./Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 31 Rn. 30 ff.). Basis für eine etwaige Erweiterung der Gebietsgrenze ist jedenfalls, dass die nicht formal erfassten Bereiche zu einem ausgewiesenen Habitatschutzgebiet in Zusammenhang stehen und dessen Schutzkriterien erfüllen. Ein Ansatz dafür kann sein, dass die Bechsteinfledermaus im etwa 7 km vom Hambacher Forst entfernten Nörvenicher Wald geschützt ist und nunmehr etwa ihre Nahrungs- und Brutversorgungsflüge in den Hambacher Forst verlagert hat. Dafür müssten aber nähere Anhaltspunkte bestehen, die eine Gebietserweiterung zwingend aufdrängen (BVerwG, Urt. v. 28.04.2016 – 9 A 9.15, BVerwGE 155, 91, Rn. 99 – Elbquerung A 20).

3  Artenschutz

Unabhängig davon kann der Artenschutz zum Zug kommen. Für dessen Eingreifen genügt es, wenn eine der nach Anhang IV der FFH-Richtlinie von den Mitgliedstaaten gelisteten prioritären Arten vertreten ist. Solche wild lebenden Tiere dürfen weder gefangen oder getötet noch in ihren Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich gestört werden. Zudem dürfen die Fortpflanzungs- oder Ruhestätten nicht beschädigt oder zerstört werden, ebenso wenig die Standorte wild lebender Pflanzen. Daran sind schon manche Fernstraßen wie auch Windenergieanlagen gescheitert. Die Bezirksregierung Arnsberg hat eigens ein artspezifisches Monitoring „Bewahrung der Vorkommen von Fledermäusen im Bereich des Tagebaus Hambach und seinem Umfeld“ erarbeitet und führt dieses seit dem Jahr 2004 durch. Die Ergebnisse werden in regelmäßigen Monitoringberichten dokumentiert.

Von daher ist es noch nicht ausgemacht, wie der Tagebau Hambach weitergehen wird. Entscheidend dürfte sein, inwieweit der Artenschutz aufgrund von nunmehr vorhandenen geschützten Arten reicht. Der Bestandsschutz ist zwar auch auf europäischer Ebene anerkannt, konnte aber bislang gegen den Habitat- oder auch den Artenschutz nicht erfolgreich ins Feld geführt werden. Selbst jahrhundertelang praktizierte Bewirtschaftungsmethoden wie die Reusenfischerei im Steinhuder Meer fielen dem Habitatschutz zum Opfer. Das galt, obwohl sich die davon bedrohten Fischotter erst nach Ausweisung eines Schutzgebiets ansiedelten. Insoweit musste der Schutz dann erweitert werden (OVG Lüneburg, Urt. v. 03.03.2015 – 4 LC 39/13 u. 4 A 5418/12).

Immerhin besteht aber für den Tagebau Hambach ein gerichtlich bestätigter Rahmenbetriebsplan. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) betonte die Bedeutung rechtskräftiger Entscheidungen, die nicht mehr in Frage gestellt werden müssen (EuGH, Urt. v. 16.03.2006 – C-234/04, Rn. 20 f.; näher zu diesem Aspekt Frenz, DVBl. 2018, im Erscheinen, auch für das Vorherige). Indes verstößt die gänzliche Außerachtlassung von EU-Vorschriften und ihrer Durchsetzung gegen den Effektivitätsgrundsatz. Insoweit besteht eine angemessene Rechtfertigung auch nicht durch den Grundsatz der Rechtssicherheit, wie der EuGH für das Beihilfenverbot im Fall Klausner-Holz entschied (Urt. v. 11.11.2015 – C-515/14, Rn. 45 f.). Soweit aber der Artenschutz in der Rahmenbetriebsplanzulassung hinreichend geprüft wurde, wie es das VG Köln bejaht, und diese bestandskräftig ist, wurde er hinreichend beachtet. Das ist dann für den Hauptbetriebsplan verbindlich. Allerdings muss für einen effektiven Artenschutz eine fortlaufende Beobachtung erfolgen. Die Bezirksregierung Arnsberg hat eigens ein fortlaufendes Monitoring eingerichtet. Die dadurch sicherzustellenden Bedingungen dürfen sich nicht verschlechtern. Treten insoweit Defizite auf, wird man nicht umhinkommen, im Hauptbetriebsplan nachzujustieren.

4  Ausblick

Damit ist nach den ersichtlichen Umständen die Fortführung des Tagebaus Hambach gesichert. Es ist indes nicht auszuschließen, dass doch noch vor allem im Hinblick auf den Artenschutz eine Überraschung kommt. Aber auch der Habitatschutz hat seine Untiefen. Und das OVG Münster war das dem EuGH vorlegende Gericht, das so die Umweltverbandsklage anstieß – welche nunmehr erst die Klage gegen den Tagebau Hambach durch einen Umweltverband auf der Basis des keine subjektiven Rechte verleihenden Habitat- und Artenschutzes ermöglicht hat. Wie heißt es doch: Vor Gericht und auf hoher See befindet man sich in Gottes Hand. Es bleibt damit spannend im Hinblick auf den Tagebau Hambach.

Jedenfalls wurde grundsätzlich deutlich: Es schlägt nicht mehr das Bergrecht das Grundgesetz, wie früher gesagt wurde, sondern Habitat- und Artenschutz schlagen als EU-Vorgaben das – immer noch bis auf die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) national geprägte – Bergrecht. Dies könnte nur vermieden werden, wenn auch das Bergrecht unionsweit einheitlich geordnet würde. Aber ob das zu größeren Spielräumen für die Bergbaufirmen führt?

Autor: Prof. Dr. jur. Walter Frenz, Lehr- und Forschungsgebiet Berg-, Umwelt- und Europarecht, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen, Aachen  
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