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Hohe Preise und schwache Konjunktur senken Energieverbrauch

Der Energieverbrauch in Deutschland lag in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres rd. 7 % unter dem Wert des Vorjahreszeitraums. Nach vorläufigen Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AG Energiebilanzen) erreichte der inländische Primärenergieverbrauch im ersten Halbjahr 2023 eine Höhe von 5.561 PJ bzw. 189,7 Mio. t SKE. Das waren 7,1 % weniger als im ersten Halbjahr des Vorjahres (Bild 1).

Bild 1. Entwicklung des Primärenergieverbrauchs 1. Halbjahr 2023, Veränderungen in Prozent. Gesamt 5.561 PJ oder 189,7 Mio. t SKE. Quelle: AG Energiebilanzen

Nach Einschätzung der AG Energiebilanzen sind für den beträchtlichen Verbrauchsrückgang die hohen Energiepreise sowie die schwache konjunkturelle Entwicklung verantwortlich. Von der Witterung gingen im ersten Halbjahr geringe verbrauchssteigernde Effekte aus. Lediglich der im Zuge der aktuellen Flüchtlingsbewegungen zu verzeichnende Bevölkerungsanstieg sorgte für eine Erhöhung des Energieverbrauchs, die aber deutlich geringer ausfiel als die verbrauchssenkenden Effekte.

Die AG Energiebilanzen geht davon aus, dass die Preise wesentlich den Verlauf des Energieverbrauchs bestimmen. Obwohl die Notierungen an den Energiemärkten gegenüber dem ersten Halbjahr 2022 spürbar zurückgegangen sind, liegt das Preisniveau immer noch deutlich höher als 2021. Die Energiepreise, so die AG Energiebilanzen, entfalten damit weiterhin Impulse zur Einsparung von Energie, wenn auch in leicht abgeschwächter Intensität. Die AG Energiebilanzen unterscheidet bei ihrer Betrachtung zwischen aktuellen, verhaltensbedingten Energieeinsparungen und Investitionen in die Energieeffizienz mit längerfristigen Wirkungen. Die verbrauchssenkenden Effekte der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung werden zudem derzeit stark von der deutlich zurückgegangenen Produktionsleistung der energieintensiven Industrien (Chemie, Metalle, Papier und Glas) geprägt. Während die Produktion des gesamten produzierenden Gewerbes in den ersten fünf Monaten des Jahres stagnierte, verzeichneten die energieintensiven Branchen ein Minus von 13 %.

Der Verbrauch von Heizenergien wurde in den ersten sechs Monaten nur in geringem Maß von den Witterungsbedingungen beeinflusst. Zwar lagen die Temperaturen im Berichtszeitraum etwas niedriger als im Vorjahreszeitraum. In den für den Wärmebedarf besonders wichtigen ersten drei Monaten war es jedoch wärmer als im Vorjahr. Bereinigt um den leicht verbrauchssteigernden Effekt der Witterung, wäre der Energieverbrauch im ersten Halbjahr um 7,6 % gesunken.

Bild 2. Struktur des Primärenergieverbrauchs in Deutschland 1. Halbjahr 2023, Anteile in Prozent (Vorjahreszeitraum in Klammern). Quelle: AG Energiebilanzen

Der Verbrauch von Mineralöl verringerte sich in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres um 2,0 % (Bild 2). Während der Verbrauch von Ottokraftstoff um knapp 6 % anstieg, gab es beim Dieselkraftstoff einen leichten Rückgang um gut 1 %. Der Absatz von Flugkraftstoff stieg um 7,5 %. Die Lieferung von Rohbenzin an die chemische Industrie verringerte sich um fast 20 %. Der Absatz von leichtem Heizöl stieg dagegen um 16 %, weil viele Verbraucher ihre Lagerbestände aufstockten.

Der Erdgasverbrauch verringerte sich im ersten Halbjahr 2023 um 10,1 %. Der Rückgang ist einerseits auf den gesunkenen Einsatz von Erdgas in der Industrie zurückzuführen, andererseits lag auch der Verbrauch der Haushaltskunden sowie Kleingewerbe rd. 10 % unter dem langjährigen Mittel. Die Stromerzeugung aus Erdgas ging nach vorläufigen Berechnungen um rd. 4 % zurück, die Erzeugung von Fernwärme verringerte sich um gut 2 %.

Der Verbrauch von Steinkohle nahm im ersten Halbjahr um 10,8 % ab. Der Einsatz in Kraftwerken verzeichnete einen Rückgang um fast 19 %. Preisänderungen bei den Brennstoffen und die gesunkene Stromnachfrage führten zu einer Verringerung des Kohleeinsatzes in den Kraftwerken. Der Absatz von Steinkohle an die Eisen- und Stahlindustrie verminderte sich im Berichtszeitraum um 2 %. Dabei zeigte sich, dass die kohlenstoffintensive Oxygenstahlproduktion nur um 1,7 % sank, während die Elektrostahlerzeugung um 13 % zurückging, da hohe inländische Industriestrompreise im internationalen Vergleich nicht wettbewerbsfähig sind.

Der Verbrauch von Braunkohle nahm um rd. 18 % ab. Dieser Rückgang entspricht weitgehend der Entwicklung der Lieferungen an die Kraftwerke der öffentlichen Versorgung und ist hauptsächlich auf den deutlich gesunkenen Stromverbrauch im Inland sowie günstige Erzeugungsbedingungen im benachbarten Ausland zurückzuführen. Trotz des hohen Rückgangs blieb die Braunkohle mit einem Anteil von knapp 18 % nach den Erneuerbaren die zweitwichtigste Verstromungsenergie in Deutschland.

Die Stromerzeugung aus Kernenergie ging im ersten Halbjahr 2023 verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um 57 % zurück. Der Produktionsrückgang ist auf den Streckbetrieb der letzten drei Kernkraftwerke in Deutschland (Neckarwestheim 2, Emsland und Isar 2) sowie deren endgültige Stilllegung zum 15. April 2023 zurückzuführen.

Die Stromlieferungen ins Ausland lagen im ersten Halbjahr 3,1 Mrd. kWh über den Strommengen, die aus dem Ausland nach Deutschland flossen. Im Vorjahresquartal betrug der Stromaustauschsaldo noch 17,3 Mrd. kWh. Im zweiten Quartal des laufenden Jahres hat sich Deutschland zum Netto-Importeur mit einem Importüberschuss von 6,4 Mrd. kWh entwickelt. Der höhere Importsaldo Deutschlands gilt als Zeichen für einen funktionierenden europäischen Strombinnenmarkt. Deutschland konnte teilweise von günstigeren Erzeugungsoptionen im benachbarten Ausland profitieren. Hinzu kamen Witterungsbedingungen, die zeitweise für eine höhere Stromerzeugung aus Wasserkraft in der Alpenregion und Skandinavien sorgten. Zudem schreitet der Ausbau der erneuerbaren Energien im europäischen Ausland voran und erhöhte das Angebot. Letztlich sind auch die Stilllegung der letzten drei Kernkraftwerke in Deutschland und die im Vergleich zum Vorjahr höhere Verfügbarkeit der Kernenergie in Frankreich Gründe für den Importüberschuss im zweiten Quartal 2023.

Der Beitrag der erneuerbaren Energien erhöhte sich im ersten Halbjahr 2023 geringfügig um 0,6 %. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen sank leicht um 1 %. Die Bereitstellung von Wärme erhöhte sich um 5 % und im Sektor Verkehr gab es einen Zuwachs um 3 %.

Die gegenüber dem Vorjahr etwas ungünstigere Witterung sorgte für leichte Rückgänge sowohl bei der Photovoltaik (-1 %) wie auch bei der Windstromerzeugung (-3 %). Die Stromerzeugung aus Biomasse nahm um 4 % ab. Bei der Wasserkraft kam es dagegen zu einem Zuwachs um 9 %. Die AG Energie­bilanzen geht davon aus, dass die durch Wärmepumpen nutzbar gemachte Umweltwärme um etwa 13 % zulegte und die Nutzung von Holz durch private Haushalte sowie im Gewerbe- und Dienstleistungsbereich im ersten Halbjahr 2023 um etwa 7 % wuchs.

Die energiebedingten CO₂-Emissionen gingen nach einer vorläufigen Abschätzung der AG Energiebilanzen im ersten Halbjahr 2023 um mehr als 8 % gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum zurück. Dies entspricht einer Reduktion in der Größenordnung von 28 Mio. t. (AG Energiebilanzen/Si.)

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