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Digitalisierung im Bergbau – Industrie 4.0

Der Begriff Industrie 4.0 geht auf die Initiative der deutschen Regierung zurück, die Fertigung und moderne Informations- und Kommunikationstechnologie zu integrieren, und steht für die Digitalisierung von Industrieprozessen. Während einige Branchen bei der Digitalisierung ihrer Prozesse schon große Fortschritte gemacht haben, müssen andere, wie z. B. der Bergbausektor, noch viel nachholen. Schon heute stehen aber Technologien zur Verfügung, mit denen die Bergbauunternehmen ihre Digitalisierung intensivieren und gleichzeitig die Probleme in den Griff bekommen können, die der Branche momentan das Leben schwer machen.

Autor: Ormond O´Neill, Siemens AG, Erlangen/Germany 

Digitalisierung ist zurzeit ein „Buzzword“ in der Industrie. Je nach Nutzer hat das Wort aber unterschiedliche Bedeutung. Die Definitionen reichen von einer Integration digitaler Technologien in das tägliche Leben, die durch Umwandlung von Text, Bild und Ton in digitale Formate erfolgt, bis hin zur Möglichkeit, große Informationsmengen komprimiert in kleinen Speichern abzulegen, die leicht gesichert und transportiert werden können. Andere sehen eher die gesellschaftlichen Aspekte und legen den Schwerpunkt darauf, wie die verschiedenen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens um digitale Kommunikations- und Medieninfrastrukturen herum strukturiert werden. Unabhängig von der Definition besteht jedoch auf allen Seiten breite Übereinstimmung darüber, dass die Digitalisierung in einer oder mehreren ihrer Ausprägungen eine bestimmende Rolle nicht nur in unserer gemeinsamen wirtschaftlichen und industriellen Zukunft spielen wird, sondern auch in den zukünftigen Strukturen der Gesellschaft selbst.

Die Idee, den Einsatz von Technologie und IT auszubauen, um einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, ist nicht neu. Sie liegt der Tendenz zugrunde, immer mehr Objekte mit Elektronik, Sensoren und Software auszustatten, um diesen Objekten die Möglichkeit zur Kommunikation miteinander und zum Datenaustausch zu geben – ggf. über das Internet, aber nicht zwingend. Für diesen Trend wurde der Begriff „Internet der Dinge“ (Internet of Things – IoT) geprägt.

Die Bergbauindustrie

Die wichtigsten Voraussetzungen für Wettbewerbsfähigkeit sind Produktivität und operationelle Exzellenz. Diese Tatsache hat sich im Lauf der Jahrhunderte nicht geändert. Geändert haben sich aber die Möglichkeiten, welche die moderne Technologie bietet – insbesondere denjenigen, die bereit sind, den kompletten Bergbauprozess neu zu durchdenken. In diesem Kontext spielt die Digitalisierung eine entscheidende Rolle. In der Vergangenheit verstand man unter einer Optimierung der operationellen Exzellenz in der Bergbauindustrie oft nicht mehr als einfach eine Senkung der Kosten. Durch moderne Technik eröffnen sich nun jedoch neue Möglichkeiten für bahnbrechende Produktivitätserfolge. Führende Bergbauunternehmen investieren weltweit kontinuierlich in moderne Automations-, Energieversorgungs- und Bohrsysteme, um die Abbaumengen zu erhöhen und gleichzeitig die Personal- und Energiekosten zu senken (Bild 1).

Fig. 1. Discovering the potential of digitalization: The intelligent use of process data can help improve asset utilization, logistics and maintenance, contributing to overall operational excellence. // Bild 1. Das Potential der Digitalisierung entdecken: Die intelligente Nutzung von Prozessdaten kann helfen, die Asset-Nutzung, Logistik und Instandhaltung zu verbessern, und so insgesamt einen Beitrag zur operationellen Exzellenz leisten. Source/Quelle: Siemens

Niedrigere Qualitäten, Preisvolatilität, steigende Kosten, Aussetzung von Projekten, Umweltfragen, nachlassende globale Nachfrage und wachsende Sicherheitsrisiken sind nur einige der Herausforderungen, mit denen die Bergbauindustrie derzeit konfrontiert ist. Leider gibt es keine Anzeichen dafür, dass diese Problemstellungen in näherer Zukunft nachlassen werden. Ein Teil der Antwort ist in der Art und Weise zu finden, wie die Bergbauunternehmen sich und ihre Geschäftsprozesse organisieren. Die vom Beratungsunternehmen Deloitte durchgeführte Bergbauindustriestudie „Tracking the trends 2016“ („Den Trends 2016 auf der Spur“) listet die zehn wichtigsten Probleme auf, mit denen die Player der Branche in der nahen Zukunft zu rechnen haben, sowie entsprechende Strategien, um diesen Trends entgegenzusteuern. Die wichtigsten Problemstellungen betreffen die Verbesserung der operationellen Exzellenz: durch intelligente Datenerfassung und -nutzung, durch engagierte Durchführung von Innovationen – auch bei Technologien und Anwendungen, die derzeit in anderen Branchen eingesetzt werden – und Nutzung dieser Innovationen, um Probleme in der Bergbauindustrie zu lösen sowie durch Vorbereitung auf die exponentiellen Veränderungen, die in der Branche zu erwarten sind. Zu diesen Veränderungen gehören die Einführung neuer Technologien und die vermehrte Nutzung der Informationstechnik (IT) statt einer Fokussierung auf die technologische Optimierung alter Verfahren. Diese Innovationen können Führungskräften im Bergbau als wertvolles Hilfsmittel zur Optimierung ihrer Arbeit dienen.

Einige Branchen haben sich beeilt, einen höheren Digitalisierungsgrad in ihren Prozessen zu erreichen, und sind dieser Vision von Industrie 4.0 bereits nähergekommen. Eine Vorreiterrolle hat in dieser Hinsicht die Automobilindustrie übernommen. Die Bergbaubranche steht noch am Anfang. Wie in der Deloitte-Trendstudie empfohlen, wird es Zeit, dass sich die Bergbauunternehmen mit Innovationen befassen, die in anderen Sektoren bereits ihren Wert unter Beweis gestellt haben. Es stehen bewährte Lösungen aus anderen Branchen zur Verfügung, die ideal zu den spezifischen Herausforderungen der Bergbaubranche passen. Dabei handelt es sich u. a. um Themen wie eine durchgängige Prozessautomatisierung und -instrumentierung, den Einsatz von Projektierungs- und Anwendungssoftware für die komplette Lebenszyklusphase der Anlage sowie die Verwendung von Software-Plattformen, die Daten aus verschiedenen Quellen zusammenführen und anzeigen, um den Entscheidungsträgern und der Geschäftsleitung einen Echtzeit-Überblick sämtlicher Informationen als Grundlage für die bestmöglichen Entscheidungen zu liefern.

Automatisierung: die Basis

Die Bezeichnung Industrie 4.0 soll zum Ausdruck bringen, dass es sich um die vierte industrielle Revolution handelt. Die erste Revolution betrifft die Veränderungen, die sich durch den Einsatz von Wasser- und Dampfkraft ergaben, die zweite bezieht sich auf Massenfertigung, Förderbandproduktion und die verstärkte Nutzung von Elektrizität. Die dritte Revolution erfolgte durch den Einsatz von Automatisierung und Computertechnik. Die vierte Revolution, Industrie 4.0, basiert auf sogenannten cyber-physischen Systemen, d. h. auf Systemen mit integrierter („Embedded“-) Software und Elektronik, die über Sensoren und Aktoren mit der Außenwelt kommunizieren. Die Basis dieser Systeme ist die Automatisierung.

Wie überall sonst wird auch in der Bergbauindustrie die Grundlage für die Digitalisierung durch eine solide Automatisierung gelegt, die maximale Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Effizienz sicherstellt. Die Automatisierung kann als das Gehirn eines Systems gesehen werden: Das eng gewobene Netz der Sensoren und Messinstrumente fungiert als Augen und Ohren, das integrierte Antriebssystem als Körper. Minerals Automation Standard (-MinAS), das Prozesssteuerungssystem der Siemens AG, Erlangen, für die speziellen Anforderungen der Bergbauindustrie, ist ein gutes Beispiel dafür, wie durch den Einsatz einer bergbauspezifischen Software Zeit und Geld eingespart werden können. Diese Lösung verbindet die neuesten Fortschritte in den Bereichen Hardware-Technologie und Software mit einer in über 40 Jahren gereiften Funktionalität für die Automatisierung von Zementwerken und für typische Automationsanwendungen im Bergbau.

Der Standard gewährleistet, dass die Betreiber die bestmögliche Unterstützung für die Erfüllung ihrer Pflichten erhalten. Innovative und bewährte Funktionen für den Betrieb, einschließlich integrierter Instandhaltungsfunktionen, bieten Unterstützung bei der schnellen Diagnose potentieller Störungen – noch bevor ein Problem auftritt. Dadurch verkürzen sich die Stillstandszeiten. Die bergbauspezifische Bibliothek bietet den besten Weg zur Steigerung der operationellen Effizienz. Vordefinierte, bewährte Funktionsmodule und Bildbausteine für zahlreiche Anwendungen und Prozesse ermöglichen eine einfache, schnelle und zuverlässige Projektierung. MinAS nutzt das moderne Prozessleitsystem Simatic PCS 7 als Systemplattform. Moderne verteilte Leitsysteme (Distributed Control System – DCS) wie Simatic PCS 7 sind hier von entscheidender Bedeutung. Ihre offene, flexible und skalierbare Architektur gewährleistet maximale Produktivität und Zuverlässigkeit. Viele dieser Produkte integrieren Schutz-, Industriesicherheits- und Energiemanagementsysteme, um den Schutz von Mitarbeitern, Ausrüstung und Umwelt sicherzustellen – und schaffen damit die Basis für das digitale Unternehmen.

Fig. 2. The three pillars of Digitalisation: Use a digital model of the entire process as a basis for more efficient installation, commissioning and operation of the plant with perfect connectivity from the field level to the higher level automation and management systems. // Bild 2. Die drei Säulen der Digitalisierung: Nutzung eines digitalen Modells des Gesamtprozesses als Basis für eine effizientere Installation, Inbetriebnahme und Nutzung der Anlage mit perfekter Konnektivität von der Feldebene bis hin zu den höheren Automatisierungs- und Managementsystemen. Source/Quelle: Siemens

Nur wenn ein Leitstand Zugriff auf alle Daten des Bergwerks hat, kann begonnen werden, diese Daten zur Optimierung des täglichen Betriebs insgesamt zu nutzen. Automatisierung allein reicht nicht aus. Alles muss miteinander verknüpft sein (Bild 2). Bergwerke befinden sich oftmals in abgelegenen Regionen mit rauen Umgebungsbedingungen und häufig sind die verschiedenen Prozessschritte durch große Entfernungen voneinander getrennt, wenn z. B. die Förderung oben auf dem Berg erfolgt, die Aufbereitung dagegen unten im Tal. Daher sind immer wieder Spezialprodukte erforderlich, um die Prozessautomation mit den einzelnen Abschnitten der Anlage und der mobilen Ausrüstung, wie z. B. Lastwagen, zu verbinden. In den rauen Umgebungen müssen standardkonforme, aber robuste Kommunikationsnetzwerke und Produkte eingesetzt werden, um mit den Geräten im Feld zu kommunizieren und die Daten im Netzwerk zu transportieren. Die Netzwerkgeräte müssen in der Lage sein, starken elektromagnetischen Störungen, Vibrationen und extremen Temperaturen zu widerstehen. Zusätzlich kann die Nutzung von Funktechnik und drahtlos verbundenen Komponenten das Mobilitäts- und Flexibilitätsniveau verbessern. Standard-Kommunikationsprotokolle wie Profinet ermöglichen eine Echtzeit-Kommunikation zwischen Ausrüstungskomponenten – auch mobilen Komponenten – die sich häufig in mehreren Kilometern Abstand voneinander befinden. Wichtig ist auch die Einhaltung internationaler Normen wie IEC 61850 und IEEE 1613, um eine offene, zuverlässige Kommunikation und eine sichere Übertragung zu gewährleisten.

Engineering: gesammelte Informationen nutzen

Die Deloitte-Studie fordert die Bergwerksbetreiber auf, ihre Kosten zu senken, und zwar insbesondere die Energiekosten. In diesem Bereich stehen umfangreiche Erfahrungen zur Verfügung, z. B. durch hochgradig effiziente Antriebsstränge, bei denen sämtliche Komponenten ideal aufeinander abgestimmt sind. Es können Energie-Audits durchgeführt werden, um ein transparentes Bild aller Verbraucher in einem Bergwerk zu erzeugen und das Potential zur Senkung des Energieverbrauchs zu ermitteln. Zu diesen Audits gehört im Allgemeinen auch eine Berechnung der Kapitalrendite. Wenn eine durchgängige Automatisierung vorhanden ist, wird dadurch die Durchführung eines solchen Audits erheblich vereinfacht.

Es gibt noch viele weitere Möglichkeiten zur Kostensenkung, und das nicht nur während der Betriebsphase. Siemens bietet mit COMOS z. B. eine Software-Plattform für die Anlagenprojektierung an. Diese Softwarelösung enthält Anwendungen für alle Lebenszyklusphasen – von der Engineering- und Betriebsphase bis hin zur Modernisierung und Demontage. Das Herz einer mit COMOS betriebenen Anlage bildet eine gemeinsame Datenbank. Da alle Daten kontinuierlich verfügbar und ständig aktuell sind, bildet die Software jederzeit den aktuellen Istzustand einer Anlage ab. Dies ist insbesondere bei der Planung von Modernisierungen hilfreich, da der aktuelle Status einer Anlage nicht durch mühsames Aktualisieren alter Pläne katalogisiert werden muss. Bereiche, die bisher voneinander abgegrenzt waren – z. B. Prozesstechnik, Maschinenbau, Elektro- und Regelungstechnik – werden in der standardisierten Datenstruktur von COMOS zusammengefasst. Darüber hinaus vereinfacht COMOS den Datenaustausch zwischen den beteiligten Partnern und hilft auf diese Weise, Missverständnissen vorzubeugen. Führende Bergwerksunternehmen wie Anglo American haben COMOS bereits bei einigen Projekten im Einsatz.

Während der Engineering-Phase stehen wichtige Applikationen zur Verfügung:

  • COMOS Platform bildet die Grundlage für ein umfassendes, integriertes Asset-Management. Hier wird die komplette Ausrüstung, wie z. B. Rohrleitungen, Messstellen und sonstige Objekte verwaltet, mithilfe von Attributen definiert und beurteilt.
  • COMOS Process deckt die Erstellung von Prozessdaten sowie sämtliche Aspekte der Prozesstechnik ab.
  • COMOS Automation betreut die Elektrotechnik der Anlage bis hin zur Vollautomation und berücksichtigt dabei sämtliche Prozesse, die für die Elektro-, Mess- und Regelungstechnik von Bedeutung sind. Zusätzlich gibt es auch eine dynamische Schnittstelle für den Datenaustausch mit der Simatic PCS 7; dies bedeutet, dass alle während der Engineering-Phase erzeugten Daten in der Betriebsphase weiterverwendet werden können.
  • Für die Betriebsphase bietet COMOS Operations Unterstützung bei der Umsetzung einer effizienten Anlagenbetreuungsstrategie. Zu den verfügbaren Anwendungen gehören Lösungen für die Instandhaltung während des laufenden Betriebs sowie für die Überholungsarbeiten im Zuge von Revisionsmaßnahmen.
  • COMOS Lifecycle unterstützt ein umfassendes Informationsmanagement in sämtlichen Lebenszyklusphasen einer Anlage. Der Nutzen dieses Konzepts ist eine maximale Zuverlässigkeit bei der Entscheidungsfindung. Die Anlagenbetreiber haben weltweit Zugriff auf Daten und Dokumente und können so auf sich verändernde Marktanforderungen schnell reagieren.

Auf allen Ebenen eines produzierenden Unternehmens muss sich das Bedienpersonal in der Regel große Mühe geben, um sich zeitnah ein vollständiges Bild von einer Situation machen zu können. Wie die fehlenden Teile eines Puzzles sind kritische Informationen oft über eine Vielzahl von Datenbanken, Unternehmens-anwendungen und betrieblichen Anlagen verstreut, wobei sie unterschiedliche Formate haben und aus einem verwirrenden Mix voneinander unabhängiger Kontexte stammen. Der volle Nutzen der Digitalisierung lässt sich nur erzielen, wenn diese Informationen auf eine sinnvolle Weise zusammengeführt werden.

Zahlreiche Branchen profitieren bereits von COMOS. Im pharmazeutischen Bereich hat z. B. die Schweizer Novartis Pharma AG ein Programm zur Standardisierung ihrer weltweiten Engineering-Tätigkeiten gestartet. Das Unternehmen setzt die Software seit dem Jahr 2004 erfolgreich für die Anlagenplanung, das Management der Lebenszyklusdaten und die Anlagendokumentation ein. Das komplette Engineering an den Hauptfertigungsstandorten – für die Prozesstechnik ebenso wie für die Elektro-, Mess- und Regelungstechnik – wird ausschließlich mit COMOS abgewickelt. Novartis Pharma berichtet von deutlichen Verbesserungen bei Effizienz und Qualität.

Betrieb: das große Ganze

Engineering-Tools bieten zwar weltweiten Zugriff auf Daten und Dokumente, dies ist jedoch im Allgemeinen nicht ausreichend, um wirklich fundierte Entscheidungen zu treffen. Für diesen Zweck sind spezielle Tools erforderlich und verfügbar. Ein solches Tool ist XHQ Enterprise Operations Intelligence von Siemens. XHQ wurde ursprünglich für die Öl- und Gasindustrie entwickelt, wird aber schon lange auch in anderen Sektoren genutzt, um durch die Erfassung und intelligente Nutzung von Daten zur Verbesserung der operationellen Exzellenz beizutragen. XHQ extrahiert, sammelt, vergleicht und präsentiert Betriebs- und Geschäftsdaten aus einer Vielzahl von Informationsquellen, wie ERP-Systemen (Enterprise Resource Planning), Data Warehouse, Produktionsdatenbanken, Dokumentenmanagement-Systemen, Prozessdatenarchiven (Process Historians) sowie aus der Fertigung (Bild 3).

Fig. 3. XHQ Dashboards play an important role in managing business performance. Information can be organized and summarized in familiar context and presented in live, continually updating views. // Bild 3. Die „Dashboards“ spielen in XHQ eine wichtige Rolle für das Management der wirtschaftlichen Leistung. Die Informationen können in dem jeweils vertrauten Kontext organisiert und zusammengefasst und in kontinuierlich aktualisierten Live-Ansichten dargestellt werden. Source/Quelle: Siemens

Das System bietet den Anwendern eine beispiellose, breit gestreute Palette von kohärenten, minutenaktuellen Informationen. Diese Daten können dann genutzt werden, um die Anlagenleistung zu überwachen und bessere, stärker auf Informationen gestützte, sinnvolle Entscheidungen zu treffen, die mehr Effizienz und niedrigere Kosten bewirken. XHQ lässt sich auf einfache Weise für jeden Benutzer individuell anpassen. Der eigentliche Vorteil des Systems ergibt sich dadurch, dass die Entscheidungsträger direkten Zugriff auf relevante, individuell zugeschnittene und einfach verständliche Informationen haben.

Fertigungsanlagen lassen sich in Echtzeit überwachen, und die Daten können z. B. mit Preisindizes, Kennzahlen (KPIs) und anderen Fertigungsstandorten des Unternehmens verglichen werden – unabhängig davon, wo sich diese befinden. Mithilfe dieser Informationen können die betrieblichen Leistungen auf ein neues Niveau angehoben werden. XHQ liefert Antworten auf Fragen wie z. B. nach dem aktuellen Stand der Zielerfüllung, nach dem kollektiven Leistungsstand und nach den Maßnahmen, die in der aktuell gegebenen Situation durchzuführen sind.

In der Bergbauindustrie gibt XHQ den Betreibern Zugriff auf Echtzeitinformationen, mit deren Hilfe die Leistungsfähigkeit der für den Bergbaubetrieb eingesetzten Ausrüstung besser aufrechterhalten werden kann. Das Bedienpersonal kann die Leistungsfähigkeit der Ausrüstung innerhalb definierter Betriebsparameter anhand einer vordefinierten Strategie überwachen. Die Wahrscheinlichkeit einer Überschreitung der Betriebsgrenzen kann mithilfe von Alarmen, Warnungen und Benachrichtigungen, die eine äußerst effektive Fehlersuche ermöglichen, wirksam gesenkt werden. Der Zugriff auf die Daten dieser Ausrüstungsüberwachung kann Betriebsleitern, Maschinenbedienern, Sensorherstellern und Servicemitarbeitern gewährt werden, um für die wichtige Transparenz hinsichtlich des Zustands der Ausrüstung zu sorgen und so mithilfe einer sogenannten vorausschauenden Instandhaltung die Betriebsabläufe im Bergbau zu optimieren und aufrechtzuerhalten.

In Brasilien wird mit XHQ und einem MES die komplette Eisen-erz-Produktionskette des Bergwerks Casa de Pedra bis zum Hafen Itaguai gesteuert. XHQ ist vollständig in das MES integriert, sodass die Betreiber die Produktion und Logistik der kompletten Versorgungskette vom Bergwerk bis zum Hafen verwalten können. Kundenspezifische KPIs und eine Detailfunktion zum Zoomen auf einzelne Segmente werden gemäß den Anforderungen jedes Anwenders eingerichtet. XHQ konsolidiert die vom MES erzeugten Daten auf eine standardisierte, vereinfachte Weise, liefert dabei Hilfestellungen für die Analyse durch die Manager und unterstützt die Tätigkeit der Prozesskoordinatoren.

Innovation: die Herausforderungen

Die Digitalisierung im Bergbau ist selbstverständlich nicht auf Auto-matisierung, Engineering und Betriebsdatenanalyse beschränkt. Als allererster Schritt muss sichergestellt werden, dass die Daten, die für das Engineering, die Speicherung, Visualisierung und Analyse genutzt werden sollen, für den Benutzer verfügbar sind. Es müssen also die folgenden sehr einfachen Fragen gestellt werden:

  • Sind die nötigen Sensoren vorhanden und können sie ihre Messwerte zum Netzwerk übertragen?
  • Wo sollen die Daten gespeichert werden: auf den eigenen Servern, auf von Service-Anbietern bereitgestellten Servern oder in der „Cloud“? Clouds wiederum können entweder öffentlich oder privat sein. Komplette Cloudlösungen wie MindSphere stehen bereits zur Verfügung. Sie können Verbindungen zu der mit dem Netzwerk verbundenen Anlagenausrüstung aufbauen, deren Daten sammeln und ihre Analyse durch verschiedene Softwarepakete oder spezifisch angepasste Apps ermöglichen.
  • Soll der Datenzugriff auf bestimmte Nutzer beschränkt werden, soll er auf lokalen Zugriff beschränkt werden oder sollte Fernzugriff über das Internet zulässig sein?
  • Soll die Nutzung von tragbaren Geräten wie Mobiltelefonen und Tablets zugelassen werden?

Die Möglichkeiten sind nahezu grenzenlos

Diese Fragen werfen wiederum weitere Fragen bezüglich der Herausforderungen auf, welche die Digitalisierung für die Industrie entstehen lässt. Allgemein besteht Übereinstimmung darüber, dass die Sicherheitsproblematik die größte Herausforderung darstellt. Die horizontale und vertikale Integration aller Netzwerkschichten, die Kopplung zwischen den Automatisierungs- und IT-Netzwerken und die Nutzung des Internets zur Fernwartung und -diagnose lassen diverse Bedrohungen entstehen: Zugriffsverletzungen durch unbefugte Personen, Spionage sowie Datenmanipulation und -verlust aufgrund von Malware. Jede dieser Bedrohungen könnte sehr schwerwiegende Folgen haben, wie tödliche oder schwere Verletzungen, Umweltschäden, Schäden für die Marke, finanzielle Verluste etc. Zur Vorbeugung werden Lösungen für die Anlagensicherheit (physischer Zugang, Prozesse), Netzwerksicherheit (Firewalls, VPS) und Systemintegrität (Authentifizierung und Benutzerverwaltung, Patch-Verwaltung, Angriffserkennung) benötigt, um die Produktion und Ausrüstung, das Personal und das geistige Eigentum schützen zu können.

Dies führt zu einer Auflistung der nächsten Herausforderungen:

  • fehlendes Budget für Ausrüstung, Mitarbeiter und Schulungen,
  • mangelndes Expertenwissen,
  • Notwendigkeit einer Offenheit für Innovation,
  • mangelndes Bewusstsein für den Wert einer technischen Strategie,
  • Notwendigkeit effizienter Organisation,
  • Vorhandensein etwaiger rechtlicher Probleme hinsichtlich des Fernzugriffs sowohl innerhalb von Konzernen als auch über internationale Grenzen hinweg.

Potential: der Nutzen

Die Vorteile einer klar umrissenen Digitalisierungsstrategie überwiegen deutlich die Anstrengungen, die nötig sind, um die oben aufgeführten Herausforderungen zu meistern, die sich alle mit dem richtigen Maß an Planung und Engagement bewältigen lassen.

Die ordnungsgemäße Erfassung, Speicherung und Analyse der in einem Bergwerk erzeugten Daten ermöglicht eine bessere Beobachtung und Verfolgung der mobilen Maschinenflotte, des vorhandenen Bestands, des Inventars und der Endprodukte und somit eine bessere Nutzung der vorhandenen Ressourcen.

Die Zustandsüberwachung und die umfassenden Echtzeit-diagnosen – sowohl lokal als auch remote – führen zu besser geplanten und kürzeren Stillstandszeiten und dadurch zu niedrigeren Instandhaltungskosten.

Der Einsatz von intelligenten Software- und Hardware-modulen für das Energiemanagement koppelt das Energiemanagement wirksam an die Automation und bringt so Energietransparenz ins Bergwerk. Das Ergebnis sind effiziente Energienutzung und bessere Kostenkontrolle.

Eine gemeinsame Datenbank für anlagenweite Engineering- und Dokumentationsaufgaben führt zu einem konsistenten Datenmanagement, aktuellen Datenwerten, einer Reduzierung von Entwurfskosten und -zeit und somit zu einer verbesserten Produktivzeit der Ausrüstung.

Die Verwendung einer Produktlebenszyklus-Software (PLM) kann zur Optimierung der Produktentwicklung beitragen, indem Prototypen in einer virtuellen Welt entworfen, entwickelt und simuliert werden. Dadurch ergeben sich erheblich verkürzte Entwicklungszeiten. Dies kann auch zur Erstellung eines sogenannten digitalen Zwillings führen – einer digitalen Kopie, die gleichzeitig mit der tatsächlichen Maschine hergestellt und entwickelt wird.

Die Entwicklung und Realisierung von Digitalisierungsdiensten wie Cloud-Services, Ferndiagnose oder Datenanalyse kann zur Einführung neuer Geschäftsmodelle und -möglichkeiten innerhalb bestehender Unternehmen ebenso führen wie zur Erschaffung völlig neuer Unternehmen und Konzepte.

Es sieht nicht so aus, als ob sich die derzeitigen Probleme der Bergbaubranche zeitnah auflösen würden. Die von der Digitalisierung gebotenen Möglichkeiten können aber für Erleichterung sorgen. Bergbauunternehmen benötigen Lösungen, die nicht nur ihre Betriebsdaten erfassen, sammeln, visualisieren und analysieren, sondern auch das Management dieser Daten zwischen den verschiedenen Standorten übernehmen. Die gute Nachricht ist, dass die vorhandenen Systeme bereits den größten Teil der benötigten Funktionen bieten. Sie ermöglichen es, wichtige Erfahrungen und Erkenntnisse mit anderen Standorten über einen nahtlosen Datentransfer auszutauschen – und dabei nicht nur dazu beizutragen, Probleme zu lösen, die Produktivität zu verbessern und die Stillstandszeiten zu verkürzen, sondern auch einen Vergleich und eine Optimierung der Prozess- und Anlagenleistung im gesamten Unternehmen durchzuführen.

Für die Entwicklung und Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie kommt es auf die Zusammenarbeit mit einem vertrauenswürdigen Partner an, der über die erforderlichen Hardware- und Software-Tools, das nötige Know-how im Bergbausektor und die entsprechende Erfahrung verfügt, um eine integrierte Komplettlösung zu liefern. Jetzt ist der optimale Zeitpunkt für die Entwicklung und Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie, um die Produktivität und die operationelle Exzellenz zu erhöhen, die Kostenbasis zu reduzieren und vor allem die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.

Autor: Ormond O´Neill, Siemens AG, Erlangen/Germany 
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