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Gründung der Wasserwirtschaftsstelle der Westfälischen Berggewerkschaftskasse vor 100 Jahren

Im Jahr 2021 jährt sich die Gründung der Wasserwirtschaftsstelle der Westfälischen Berggewerkschaftskasse zum 100. Mal. Diese Institution existiert bis heute, wenn auch in veränderter Form und unter anderem Namen. Dieser Umstand unterstreicht die Bedeutung der Einrichtung für den Bergbau und Nachbergbau. Die Geschichte und die wechselvollen Aufgaben in 100 Jahren als unabhängige Institution für den Bergbau und die Behörden belegen die praktische Erfahrung und das erworbene Wissen.

Authors/Autoren: Dipl.-Geol. Melanie Schwermann, Forschungszentrum Nachbergbau (FZN), Technische Hochschule GeorgAgricola (THGA), Bochum, Dipl.-Math. Holger Kories und Dipl.-Geol. Peter Rüterkamp, Abteilung Hydrogeologie, DMT GmbH & Co. KG, Essen, Prof. Dr. Wilhelm G. Coldewey, Institut f. Geologie und Paläontologie, Westfälische Wilhelms-Universität (WWU), Münster

1  Einführung

Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts kämpften viele Steinkohlenbergwerke im Ruhrgebiet mit starken Grubenwasserzuflüssen. Plötzliche Wassereinbrüche störten regelmäßig den Betriebsablauf. Planung, Zusammenarbeit oder Erfahrungsaustausch zwischen den Bergwerksbetreibern in Bezug auf Wasserhaltungen, geologische und technische Erkenntnisse fanden in der Regel nicht statt. Die Zusammenhänge zwischen Tageswässern und Grubenwässern sowie die gegenseitigen Abhängigkeiten von Grubenwasserzuflüssen benachbarter Bergwerke waren kaum bekannt. Den Bergwerksbetreibern wurde bewusst, dass eine unabhängige Institution zur Klärung dieser Fragen und zur Koordinierung der Aktivitäten der unterschiedlichen Wasserhaltungen eingerichtet werden musste. Am 28. Februar 1920 fand im Beamtenhaus der Schachtanlage Victor I/II in Castrop-Rauxel eine Besprechung zur Bildung einer solchen Stelle statt. Im Beisein mehrerer Bergwerksbetreiber sowie Paul Kukuk von der Westfälischen Berggewerkschaftskasse (WBK) forderte Otto Krawehl – damals Vorsitzender des Grubenvorstands des Bergwerks Victor – dass „die hierdurch [gemeint sind die Wassereinbrüche in verschiedene Bergwerke] betroffenen oder gefährdeten Zechen Fühlung nähmen, um in Zukunft übergrosse Schädigungen zu vermeiden“ (1).

Eine Organisation, in der eine Forschungsstelle zur Beantwortung der wasserwirtschaftlichen Fragen des Bergbaus angesiedelt werden konnte, war die o. g. 1864 gegründete WBK in Bochum. Sie war durch die Vereinigung mehrerer Bergbauhilfskassen entstanden, die der Finanzierung der staatlichen Bergämter und bestimmter bergbaubezogener Gemeinschaftsaufgaben dienten, wie z. B. Straßenbau, geologische Messungen oder die Weiterbildung von Bergbeamten und Ausbildung von Steigern. Die Aufgaben der WBK lagen einerseits in der Verbesserung der bergmännischen Ausbildung und andererseits in der Forschung, insbesondere unter dem Aspekt der Erhöhung der Sicherheit im Bergbau. Die WBK gründete viele bergmännische Lehranstalten (Ingenieurschule für Bergwesen, Bergschulen, Bergberufsschulen mit Berufsaufbauschulen, Schießsachverständigenstelle, Abteilung Betriebsführung unter Tage – Seminar für Betriebsführung). Für die anwendungsorientierte Forschung wurden in der WBK verschiedene Abteilungen eingerichtet. Hierzu gehörten u. a. die Abteilungen Geologie, Geophysik, Markscheidewesen, Chemie, Grubenbewetterung, Maschinenwesen und Elektrotechnik und die Seilprüfstelle in Bochum sowie die Versuchsstrecke in Dortmund (2).

Zur „wissenschaftlichen und technischen Durchforschung und Bearbeitung aller mit der Wasserführung des Steinkohlengebirges und Deckgebirges zusammenhängenden Fragen“ wurde vor 100 Jahren am 1. Februar 1921 die sogenannte Wasserwirtschaftsstelle an die Geologische Abteilung der WBK angegliedert (3). Im Lauf der Jahrzehnte hat diese Stelle im Bereich der Wasserwirtschaft des Steinkohlenbergbaus unvergleichliche Dienste geleistet und auch zu anderen wasserwirtschaftlichen Themen unzählige Gutachten und wissenschaftliche Veröffentlichungen erstellt. Ein genaues Bild von den Leistungen der Wasserwirtschaftsstelle erhält man in den Jahresberichten der WBK. Nachfolgend soll ein kurzer Abriss über die 100-jährige Geschichte dieser Einrichtung gegeben werden.

2  Geschichte der Wasserwirtschaftsstelle

2.1 Werner Trümpelmann

Fig. 1. // Bild 1. Werner Trümpelmann (1892 – 1935). Source/Quelle: WBK

Als erste Leitung der Wasserwirtschaftsstelle wurde 1921 Karl Goetz eingesetzt, der zunächst einen Plan der zu bearbeitenden Aufgaben aufstellte (4). Bereits kurze Zeit später übernahm Werner Trümpelmann (Bild 1) die Leitung der Wasserwirtschaftsstelle. Als ersten Schritt veranlasste er regelmäßige Aufzeichnungen der Wasserhebungen der einzelnen Bergwerke. Es brauchte einige Überzeugungsarbeit, die Bergwerksbetreiber zur genauen Dokumentation der Wasserzuflüsse und Übergabe der Daten an die Wasserwirtschaftsstelle zu bewegen. Trümpelmann beschäftigte sich akribisch mit der für den Bergbau bedeutenden, jedoch zu dieser Zeit noch wenig betrachteten Wasserführung des Kreidedeckgebirges sowie mit der Ausbildung von Absenkungstrichtern durch die Förderung von Grubenwasser (5) (Bild 2) und verfasste hierzu einige Publikationen, z. B. (6).

„Infolge des Beamtenabbaus“ musste Trümpelmann die Wasserwirtschaftsstelle bereits im Jahr 1924 wieder verlassen (4). Die Veröffentlichungen von Trümpelmann dokumentieren seine Fähigkeiten, sich in die komplexe Materie einzuarbeiten. Somit stellte sein Ausscheiden einen herben Verlust für die Sache der Bergmännischen Wasserwirtschaft dar. Die Akten der Wasserwirtschaftsstelle wurden danach in der Geologischen Abteilung der WBK gelagert. Zwar wurde die Stelle durch einen Vorstandsbeschluss vom 9. März 1933 aufgrund der nach wie vor großen Probleme im Bereich der bergmännischen Wasserhaltung wieder aktiviert, jedoch nur von nebenamtlichen Leitern betreut. Daraus folgte, dass sie sich jahrelang in einem Dornröschenschlaf befand.

Fig. 2. Depression cones in the Ruhr area. // Bild 2. Absenkungstrichter im Ruhrgebiet. Source/Quelle: Trümpelmann (1923)

2.2  Die Ära Walter Semmler

Fig. 3. // Bild 3. Walter Semmler (1903 bis 1990). Source/Quelle: WBK

Erst mit Einstellung von Walter Semmler (Bild 3) am 1. Oktober 1951 (7) wurde die Wasserwirtschaftsstelle zu einer anerkannten Institution des Steinkohlenbergbaus im Hinblick auf die Hydrogeologie und die Bergmännische Wasserwirtschaft ausgebaut. In einem Rundschreiben der WBK vom 10. Oktober 1951 wurde den Bergwerksbetreibern die Wasserwirtschaftsstelle vorgestellt. Folgende Aufgaben wurden hier skizziert und in den Folgejahren verwirklicht:

  • Beratung der Zechen im Hinblick auf die Verbesserung des Wasserhaushalts und damit Verringerung der Kosten,
  • Ermittlung der möglichen Gefahren durch Wasserein- und -durchbrüche mit Vorschlägen zur Vermeidung,
  • Ermittlung der möglichen Bergschäden an der Tagesoberfläche, verursacht durch Veränderungen des Grundwassers und Vorflutstörungen infolge Bergbaueinwirkung,
  • Ermittlung der Möglichkeiten zur Ausschaltung der störenden Mineralabsätze an Leitungen, Pumpen und Installationen,
  • Ermittlung der Möglichkeiten der Wasserversorgung aus zecheneigenen Wässern sowie
  • Forschungsarbeiten über die Herkunft, die Wanderung, das Vorkommen, das Austreten und die Haltung der verschiedenen Wässer durch Kartierung, Färbeversuche u. a. sowie über die Qualität und Temperatur der Wässer (4, 7).

Das Aufgabenfeld wurde bald auf die Gebiete „qualitative und quantitative Dokumentation der Grubenwässer“ und „Umweltschutz“ erweitert. Ende der 1950er Jahre war die Wasserwirtschaftsstelle mit Aufträgen bereits so ausgelastet, dass in einem vermutlich von Semmler verfassten „Tätigkeitsbericht der Wasserwirtschaftsstelle seit dem 1. Januar 1958“ (8) moniert wird, dass die Stelle ohne Einstellung weiterer Mitarbeiter keine Aufträge mehr annehmen könne und dass Semmler als Dienststellenleiter in den vergangenen sechs Jahren keinen einzigen Tag Urlaub nehmen konnte. Weiterhin wird erläutert, dass die Arbeiten der Wasserwirtschaftsstelle den Bergwerksbetreibern innerhalb eines Jahres vor allem durch Verringerung von Wasserhebungskosten mehr als 1 Mio. DM Ersparnis eingebracht hätten. Semmler erreichte, dass neben seinem Mitarbeiter Rolf Schmidt (1956 bis 1987) weitere Mitarbeiter (Hansjürgen Classen 1960 bis 1987, Felix Birk 1963 bis 1993) eingestellt wurden und die Dienststelle in Bezug auf Personalbestand und Kompetenz ein hohes Niveau erreichte. Dies dokumentiert sich insbesondere durch eine wachsende Zahl an Aufträgen.

So wurde 1961 die Wasserwirtschaftsstelle vom Land Nordrhein-Westfalen mit der Anfertigung eines Hydrologischen Kartenwerks für den Bereich des Ruhrbergbaus beauftragt (9, 10). Das durch den Bergbau mitfinanzierte Kartenwerk „Hydrologische Karte des Rheinisch-Westfälischen Steinkohlenbezirks“ im Maßstab 1:10.000 wurde in der Zeit von 1962 bis 1992 erstellt. In dem Zeitraum wurden 57 Blätter herausgegeben, die insgesamt ein Areal von über 2.100 km2 abdecken. Das Kartenwerk wurde anfangs von Klaus Kötter und dann ab 1967 zwanzig Jahre lang von Felix Birk geleitet. Im Jahr 1988 wechselte die Leitung kurz auf Rolf Geiersbach und 1989 auf Wilhelm G. Coldewey bis zur Einstellung des Kartenwerks. Die letzte Karte wurde am 8. März 1993 im Beisein vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Vertreter des damaligen Landesamts für Wasser und Abfall NRW übergeben. Die „Hydrologische Karte des Rheinisch-Westfälischen Steinkohlenbezirks“ setzte weltweit Maßstäbe in Bezug auf Genauigkeit und Inhalt (11, 12). Im Jahr 1964 wurde mit einem Kartenwerk auch für den Ibbenbürener Steinkohlenbezirk begonnen (13). In diesem Jahr wurde die Wasserwirtschaftsstelle umbenannt in das Institut für Wasserwirtschaft und Hydrogeologie.

Mitte der 1960er Jahre erhielt das Institut erstmalig umweltbezogene Aufgaben. Im Auftrag des damaligen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen sollte eine Karte zur „Wassergewinnung und Lagerung von Abfallstoffen im Ruhrkohlenbezirk“ im Maßstab 1:50.000 erstellt werden. Diese Karte diente als Grundlage für die „geordnete Ablagerung von Hausmüll und industriellen Abfallstoffen“ (14, 15). Im Kontext hierzu wurde 1966 die Karte „Gewässerschutz und Lagerung von Abfallstoffen im Ruhrkohlenbezirk“ im Maßstab 1:50.000 („Konsequenzkarte“) bearbeitet, die eine richtungsweisende Entscheidungshilfe zur Klassifizierung von Ablagerungsräumen für Abfallstoffe darstellt (15). Anfang der 1970er Jahre wurden diese Arbeiten außerhalb des Ruhrreviers vom Geologischen Landesamt NRW und der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen weitergeführt.

Durch die Maßnahmen der 1964 gegründeten Pumpgemeinschaft Ruhr G. b. R. bzw. der 1968 gegründeten Ruhrkohle AG mit der Betriebsabteilung Zentrale Wasserhaltung (16) wurden die großen Wasserhaltungsprobleme in den Bergwerken deutlich verringert, sodass sich das Institut für Wasserwirtschaft und Hydro-geologie auch anderen hydrogeologischen Themen zuwenden konnte. In den Folgejahren wurden neben den traditionellen Fragestellungen immer mehr Aufgaben im Umweltbereich wie Schadensfälle mit grundwassergefährdenden Stoffen (Öl, Benzin, Cyanid etc.), Altlasten, Mülldeponien und Bergehalden in Angriff genommen. Weiterhin wurden auch Gutachten für den Bereich der (Trink)wassergewinnung sowie zu Bergschäden erstellt.

2.3  Die Ära Rolf Schmidt

Fig. 4. // Bild 4. Rolf Schmidt (1923 bis 2007). Source/Quelle: WBK

Nachdem Walter Semmler Ende März 1969 in den Ruhestand versetzt wurde, übernahm sein langjähriger Mitarbeiter Rolf Schmidt (Bild 4) die Leitung des Instituts bis 1987 (17). Der Bereich der Bergmännischen Wasserwirtschaft wurde von Hansjürgen Classen übernommen. Neben der Fortführung der Kartenwerke stärkte Schmidt die Kooperation und Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wie dem Geologischen Landesamt Nordrhein-Westfalen.

Im Zuge der Rationalisierung wurde in der WBK 1972 das Geologische Institut mit dem Institut für Wasserwirtschaft und Hydrogeologie zum Institut für Angewandte Geologie zusammengefasst, das von Rolf Schmidt geleitet und in die Abteilungen Geologie, Geotechnik sowie Wasserwirtschaft und Hydrogeo-logie unterteilt wurde.

Eine besonders herausfordernde Aufgabe für die Abteilung Wasserwirtschaft und Hydrogeologie stellte der Schwimmsandeinbruch auf der im Aachener Steinkohlenrevier gelegenen Schachtanlage Sophia-Jacoba am 12./13. September 1975 dar (17, 18, 19, 20). Die Bearbeitung nahm mehrere Jahre in Anspruch, auch, da es in den 1980er Jahren erneut zu Problemen mit Schwimmsand kam (21).

Die Landesanstalt für Wasser und Abfall Nordrhein-Westfalen beauftragte das Institut 1975 mit einer Kartierung von Gebieten, die aufgrund ihrer Untergrundbeschaffenheit sowie ihrer hydrogeologischen und wasserwirtschaftlichen Situation für die Errichtung von Sonderabfalldeponien geeignet waren (22, 23). Da immer mehr Bergwerke stillgelegt wurden, spielte außerdem die Problematik der Grubenwasserzuflüsse aus diesen Bergwerken – vornehmlich am südlichen Rand des Ruhrgebiets gelegen – in die aktiven nördlich gelegenen Bergbaubereiche eine zunehmend große Rolle im Aufgabenbereich.

Ab Ende der 1970er Jahre wurde die Abteilung für Wasserwirtschaft und Hydrogeologie in die Planung der Nordwanderung des Bergbaus einbezogen und begleitete diese eng in den 1980er Jahren. Besonders die zur damaligen Zeit größten Grundwasserströmungsmodelle im Bereich der Lippe dienten der Einschätzung des bergbaulichen Einflusses auf dieses Gewässer (s. u.).

Mit Beginn der 1980er Jahre wurde für das Forschungsvorhaben „Lagerung von Abgängen des Steinkohlenbergbaus – Entwicklung von Basisabdichtungen bei der Anlage von Bergehalden in Grundwasserreserveräumen“ in Marl eine Lysimeteranlage aufgebaut, mit der wichtige Erkenntnisse zu Lösungs- und Verwitterungsvorgängen bei langzeitigem Aufstau von Sickerwässern in Bergehalden gewonnen wurden (20, 21, 24, 25). Untersucht wurden Bergematerialien des gesamten deutschen Steinkohlenbergbaus sowie Kesselaschen.

Ab 1984 wurde das Forschungsvorhaben „Bestimmung der Wasserdurchlässigkeit geologischer Formationen unter besonderer Berücksichtigung der Gefahr von Wassereinbrüchen und hydraulischen Grundbrüchen“ bearbeitet. Hierbei wurde eine Testanlage entwickelt, um die Permeabilität von Festgesteinen unter simulierten natürlichen Bedingungen zu untersuchen. Weiterhin wurde das Forschungsprojekt „Simulation des Stoffaustrages aus Halden im Wasser durch EDV“ gestartet, in dem numerische Grundwasserströmungs- und Stofftransportmodelle entwickelt wurden. Ferner wurde 1984 mit der Erstellung eines Altlastenkatasters für das gesamte Stadtgebiet Leverkusen begonnen (25, 26).

Ab Mitte der 1980er Jahre traten Aufgaben zur Bewertung einer Deponierung von Reststoffen aus dem Montan- und Energiebereich, z. B. Kesselschlacke, Gipse aus der Rauchgasentschwefelung, Schlämme aus Pumpensümpfen, in Abbauen und Strecken des Steinkohlenbergbaus immer mehr in den Vordergrund, da die Deponiemöglichkeiten über Tage geringer wurden. Die Eignung der Grubenbaue als Untertagedeponien wurde unter dem Aspekt der Umweltgefährdung über den Wasserpfad untersucht (26, 27, 28). Hierzu zählt auch die umfangreiche Zuarbeit zur im Auftrag des Landesamts für Wasser und Abfall NRW durchgeführten „Studie zur Eignung von Steinkohlenbergwerken im rechtsrheinischen Ruhrkohlenbezirk  zur Untertageverbringung von Abfall- und Reststoffen“.

2.4  Die Ära Wilhelm G. Coldewey

Fig. 5. // Bild 5. Wilhelm G. Coldewey (*1943). Source/Quelle: WBK

Im Jahr 1986 wurde mit der Bearbeitung der Forschungsprojekte „Bestimmung der Wasserdurchlässigkeit an Bergehalden mittels Feldmethoden“ und „Begrünung von Bergehalden“ begonnen (26). Nach dem Ausscheiden von Hansjürgen Classen übernahm Wilhelm G. Coldewey (Bild 5) bis 1999 die Leitung der Bergmännischen Wasserwirtschaft und später auch der Fachstelle für Wasser- und Bodenschutz. Des Weiteren wurden von ihm im Rahmen von Forschungsvorhaben die Entwicklung neuer Labor- und Geländegeräte zur Bestimmung hydrogeologischer Parameter sowie numerischer Grundwassermodelle in Angriff genommen.

Anfang 1990 wurden die Westfälische Berggewerkschaftskasse in Bochum, die Bergbau-Forschung GmbH in Essen und die Versuchsgrubengesellschaft mbH in Dortmund unter dem Dach der Deutsche Montan Technologie für Rohstoff, Energie, Umwelt e. V. zusammengefasst und neben der DMT-Gesellschaft für Lehre und Bildung mbH (DMT-LB) die DMT-Gesellschaft für Forschung und Prüfung mbH (DMT-FP, heute DMT GmbH & Co. KG) als operative Einheiten gegründet. Die Gesamtleitung des Instituts, das später in Geschäftsfeld umbenannt wurde, oblag anschließend verschiedenen Personen.

Hervorzuheben für diesen Zeitraum sind Arbeiten in den neuen Bundesländern, wie z. B. die Altlastenuntersuchung der Liegenschaften der Mitteldeutschen Kali AG, das Stofftransportmodell für das Kalibergwerk Zielitz, die Untersuchung der Entwässerung von Absetzteichen der Wismut AG in Ronneburg sowie die Grundwasserströmungsmodelle für den Bereich des Potsdamer Platzes, des Regierungsviertels und der dortigen Verkehrsanlagen in Berlin (Holger Kories). In den 1990er Jahren begannen auch die umfangreichen und großräumigen Grundwasseruntersuchungen und -modellierungen für die Rahmenbetriebspläne mit Umweltverträglichkeitsprüfung für den Steinkohlenbergbau und für die Entflechtung und ökologische Umgestaltung des Gewässersystems im Emscher- und Lippeeinzugsgebiet (Holger Kories, Renke Ohlenbusch, Philip Mittelstädt). In den beiden Jahrzehnten nach der Jahrhundertwende wurden etliche numerische Stofftransportmodelle für große Grundwasserbelastungen zur Findung geeigneter Sicherungs- bzw. Sanierungsvarianten bearbeitet. Hierbei wurden Sorption und mikrobieller Abbau nicht nur modelltechnisch berücksichtigt, sondern für diese Teilprozesse wurden auch in Zusammenarbeit mit Kollegen aus benachbarten Abteilungen spezielle Untersuchungen entwickelt, um ihre Größenordnungen zu quantifizieren (Holger Kories, Michael Eckart).

2.5  Die Zeit nach der Jahrhundertwende

Nach der Jahrhundertwende wurde ebenfalls ein Simulationsprogramm (Markenname Boxmodell) zur Bearbeitung numerischer Grubenwassermodelle entwickelt (Michael Eckart). Mit dem Boxmodell wurden u. a. die Flutungskonzepte für die kürzlich stillgelegten Steinkohlenreviere im Ruhrgebiet (Bild 6), im Saarland und in Ibbenbüren untersucht und optimiert. Dieses Wissen wurde auch international vermarktet.

Fig. 6. Numerical mine water model Ruhr area, simulation programme Boxmodell, horizontal discretisation. // Bild 6. Numerisches Grubenwassermodell Ruhrgebiet, Simulationsprogramm Boxmodell, Horizontale Diskretisierung. Source/Quelle: WBK

In den 2010er Jahren wurden zusätzlich zu den Untersuchungen für eine ökologische Verbesserung des Gewässersystems im Ruhrgebiet eine Vielzahl von Aufgaben im Zusammenhang mit der Grundwasserbewirtschaftung etwa infolge der Abdichtung der öffentlichen Abwasserkanalisation ausgeführt (Manuel Koch, Holger Stubbe).

Daneben wurden numerische Modelle für Wärmetransport entweder für den Bereich der Geothermie oder für die Deponierung exotherm reagierender Abfallstoffe weiterentwickelt. Außerdem wurden die vielfältigen Erfahrungen aus dem Umgang mit Bergsenkungen aus dem Steinkohlenbergbau auch auf Kavernenspeicher übertragen (Holger Kories, Viktoria Kaul).

3  Wichtige Projekte der Wasserwirtschaftsstelle der letzten 30 Jahre

Eine Auswahl von (Forschungs-) Projekten, die ab den 1990er Jahren bearbeitet wurden, sind z. B.:

  • Hydrochemie und Genese der Tiefenwässer im Ruhr-Revier (1993: Marec Wedewardt).
  • Erfassung und Weiterverarbeitung von Daten im Hinblick auf die Altlastensanierung (1994: Wilhelm G. Coldewey, Christoph L. Wagner).
  • Mobilisationsverhalten von anorganischen Schadstoffen in der Umgebung von untertägigen Versatzbereichen am Beispiel von Reststoffen aus Müllverbrennungsanlagen im Steinkohlengebirge des Ruhrkarbons (1994: Christoph Klinger).
  • Untersuchungen zur Ermittlung der geochemischen Barriere von Gesteinen aus dem Umfeld untertägiger Versatzräume im Steinkohlenbergbau des Ruhrkarbons (1997: Norbert Paas).
  • Auswirkungen der Urbanisierung auf die Grundwasser-Neubildung im Ruhrgebiet (1997: Johannes Meßer).
  • Mittelfristige Entwicklung des Chemismus und der Dichte-Schichtungen von Grubenwässern in Bergwerken und ihre Auswirkungen auf nutzbares Grund- und Oberflächenwasser (1999: Wilhelm G. Coldewey, Ralf Hewig, Ralf Richter, Peter Rüterkamp, Marec Wedewardt).
  • Studie über die Gründe und Möglichkeiten der Beeinflussung von Fällungsprodukten bei der Grubenwasserhebung (1998 bis 2002: Wilhelm G. Coldewey, Hans-Christian Haarmann-Kühn, Christoph Klinger, Peter Rüterkamp, Michael Würfels).
  • Erstellung numerischer Modelle zur Berechnung von Dichte-Schichtungen bei einem Grubenwasseranstieg (2004: Holger Kories, Achim Rübel, Peter Rüterkamp, Michael Sippel).
  • Ermittlung relevanter Einflussfaktoren für die Funktion von Wasserübertrittsstellen im Ruhrrevier (2006: Ralf Hewig, Ralf Richter, Peter Rüterkamp).
  • Ermittlung des wasserwirtschaftlichen Konfliktpotenzials und Entwicklung eines Monitoring-Systems für den Wiederanstieg von Grubenwässern (2008: Ralf Hewig, Holger Kories, Timo Raabe, Peter Rüterkamp, Joachim ten Thoren).
  • Entwicklung geeigneter In-situ-Messtechnik zum Online-Monitoring chemisch/physikalischer Vorgänge bei der Flutung von Grubengebäuden des Steinkohlenbergbaus (2010: Christoph Klinger, Achim Rübel, Peter Rüterkamp, Klaus Siever, Joachim ten Thoren).
  • Anwendungsorientierte Prognoseverfahren zur Einstellung und Erhaltung von Dichteschichtungen in gefluteten Grubenräumen (2012: Michael Eckart, Holger Kories, Peter Rüterkamp).
  • Modellbasierte Sensitivitätsanalyse von Einflussfaktoren auf Flutungsprozesse und Grubenwasserqualitäten (2012: Michael Eckart, Christoph Klinger, Holger Kories, Peter Rüterkamp).
  • Entwicklung von Methoden zur direkten Kopplung von numerischen Grund- und Grubenwassermodellen (ab 2019: Michael Eckart, Holger Kories, Peter Rüterkamp).

Auch international wurde (und wird) an diversen Forschungsprojekten mitgearbeitet, z. B.:

  • Development of tools for managing the impacts on surface due to changing hydrological regimes surrounding closed underground coal mines (TOOLDEVELOPMENT).
  • Optimisation of mine water discharge by monitoring and modelling of geochemical processes and development of measures to protect aquifers and active mining areas from mine water contamination (WATERCHEM).
  • Underground coal gasification in operating mines and areas of high vulnerability (COGAR).
  • Flooding management for underground coal mines considering regional mining networks (FLOMINET).
  • Scale-up of Solution for Mining Water Sulfate Control with Side-product Recovery (SO4-CONTROL).
  • Management Tool for Continuous Mine Closure (CLOSUREMATIC).

Diese Beispiele zeigen die besonderen Eigenschaften der Wasserwirtschaftsstelle und ihrer Nachfolgeinstitutionen, nämlich die Mischung aus hydrogeologischer und hydrochemischer Grundlagenarbeit, geohydraulischen Tests, wissenschaftlicher Forschungsarbeit und anspruchsvoller numerischer Modellierung. Als unabhängige Beratungs- und Forschungsstelle war und ist die Wasserwirtschaftsstelle von unschätzbarem Wert für den Bergbau. Bis heute berät die Nachfolgeinstitution national und international auf den Gebieten Bergbau, Nachbergbau und Hydrogeologie, ist somit eine der ältesten noch bestehenden Einrichtungen des deutschen Steinkohlenbergbaus und wird auch zukünftig mit ihrem umfangreichen Wissen und Erfahrungsschatz unverzichtbar sein.

References/Quellenverzeichnis

References/Quellenverzeichnis

(1) Anonym (1920): Besprechung wegen Bildung einer wasserwirtschaftlichen Stelle am Sonnabend, 28. Februar 1920 im Beamtenhaus Zeche Victor I/II – Protokoll. – 18 S.

(2) Schunder, F. (1964): Lehre und Forschung im Dienste des Ruhrbergbaus – Westfälische Berggewerkschaftskasse 1864 – 1964. 272 S., 16 Abb.; Herne.

(3) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1921): Verwaltungsbericht – für die Zeit vom 1. April 1921 bis 31. März 1922. Bochum.

(4) Semmler, W. (1961): 40 Jahre Wasserwirtschaftsstelle der Westfälischen Berggewerkschaftskasse. Sonderdruck aus Glückauf 97 (1961), Heft 26, 4 S., Essen.

(5) Coldewey, W. G.; Schwermann, M.; Hollenbeck, I. (2018): In Memoriam Werner Trümpelmann. In: Mining Report Glückauf 154 (2018), Heft 3, S. 186, Herne.

(6) Trümpelmann, W. (1923): Die Wasserführung des Weißen Mergels im Ruhrbezirk. In: Glückauf 59 (1923) Heft 51, S. 1121 – 1126, Essen.

(7) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (1951): Rundschreiben vom 10.10.1951 – An die Bergwerksgesellschaften und Zechen zur Weitergabe an die Sachbearbeiter für Wasserfragen.

(8) Anonym (o. J.): Tätigkeitsbericht der Wasserwirtschaftsstelle seit dem 1. Januar 1958.

(9) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1961): Verwaltungsbericht – für die Zeit vom 1. Januar 1961 bis 31. Dezember 1961. Bochum.

(10) Semmler, W.; Kötter, K. (1964): Die Hydrologische Karte des Rheinisch-Westfälischen Steinkohlenbezirks 1:10000 – Herausgegeben von der Westfälischen Berggewerkschaftskasse zu Bochum. Sonderdruck aus Tech. Mitt. HdT, 57(9), S. 448 – 453, Essen.

(11) Birk, F.; Coldewey, W. G. (1997): Hydrogeologische Kartenwerke im Ruhrgebiet. In: Coldewey, W. G. & Löhnert, E. P. [Hrsg.]: Grundwasser im Ruhrgebiet – Probleme, Aufgaben, Lösungen. Vortrags-u. Posterzusammenfassungen der Tagung der Deutsche Montan Technologie Bochum in Kooperation mit International Association of Hydrogeologists (Sektion Deutschland), Deutscher Verein des Gas- und Wasserfachs, Fachsektion Hydrogeologie der Deutschen Geologischen Gesellschaft. Oktober 1997: S. 18 – 26, 3 Abb., 3 Anh. Köln (Sven von Loga). In: Geocongress, 3, ISBN 3-87361-261-5.

(12) Coldewey, W. G. (2003a): In memoriam Professor Dr. phil. Walter Semmler. In: Glückauf 139 (2003), Heft 7/8, S. 409, Essen.

(13) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1964): Jahresbericht 1964, Bochum.

(14) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1965): Jahresbericht 1965, Bochum.

(15) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1966): Jahresbericht 1966, Bochum.

(16) Coldewey, W. G.; Semrau, L. (1994): Mine Water in the Ruhr Area (Federal Republik of Germany). In: REDDISH, D. J. [Hrsg.]: 5th International Mine Water Association Congress, 18. – 23. September 1994 in Nottingham. Proceedings: Vol. II, S. 613 – 629, Nottingham, U.K. (University of Nottingham; IMWA).

(17) Coldewey, W. G. (2003b): Rolf Schmidt wird 80 Jahre. In: Grundwasser, 8(3), S. 186 – 187, Berlin.

(18) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1975): Jahresbericht 1975, Bochum.

(19) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1976): Jahresbericht 1976, Bochum.

(20) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1981): Jahresbericht der Westfälischen Berggewerkschaftskasse 1981, Bochum.

(21) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1983): Jahresbericht der Westfälischen Berggewerkschaftskasse 1983, Bochum.

(22) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1975): Jahresbericht 1975, Bochum.

(23) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1976): Jahresbericht 1976, Bochum.

(24) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1982): Jahresbericht der Westfälischen Berggewerkschaftskasse 1982, Bochum.

(25) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1984): 120 Jahre WBK 1864 – 1984 – Jahresbericht der Westfälischen Berggewerkschaftskasse 1984, Bochum.

(26) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1986): Jahresbericht 1986, Bochum.

(27) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1985): Jahresbericht der Westfälischen Berggewerkschaftskasse 1985, Bochum.

(28) WBK Bochum (Westfälische Berggewerkschaftskasse zu Bochum) (Hrsg.) (1987): Jahresbericht 1987, Bochum.

Authors/Autoren: Dipl.-Geol. Melanie Schwermann, Forschungszentrum Nachbergbau (FZN), Technische Hochschule GeorgAgricola (THGA), Bochum, Dipl.-Math. Holger Kories und Dipl.-Geol. Peter Rüterkamp, Abteilung Hydrogeologie, DMT GmbH & Co. KG, Essen, Prof. Dr. Wilhelm G. Coldewey, Institut f. Geologie und Paläontologie, Westfälische Wilhelms-Universität (WWU), Münster

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