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Moderne Bergbauausbildung im Wandel zum digitalen Zeitalter

In den letzten Jahrzehnten ist ein Wandel in verschiedenen Bereichen zu beobachten, der die Lehre beeinflusst: Lerngewohnheiten ändern sich z. B. durch erhebliche Veränderungen der Medien, die zur Informationsbeschaffung genutzt werden. Ein großes Spektrum an Lehrmedien folgt den veränderten Gewohnheiten. Die Absolventenprofile müssen den notwendigen Fähigkeiten des 21. Jahrhunderts für die Arbeit des Absolventen nach der vierten industriellen Revolution folgen.

Der Wandel und dessen Auswirkungen müssen auch in einer modernen bergbautechnischen Ausbildung umgesetzt werden, welche die resultierenden Herausforderungen überwindet und die Chancen nutzt. Daher muss die Frage gestellt werden, wie funktionale Curricula und Kurse für zukunftssichere Bergbauingenieure zu gestalten und umzusetzen sind.

Der Artikel gibt anhand von vier Beispielen Antworten, die an der Technischen Universität (TU) Clausthal, Clausthal-Zellerfeld, entwickelt wurden: die Curriculum-Entwicklung, die das aktualisierte Masterprogramm Mining Engineering vorstellt, und grundlegende Gedanken zur effektiven Kursgestaltung in Bezug auf Zeit und Fähigkeiten. Schließlich werden zwei Lehr-Lern-Aktivitäten vorgestellt, die zeigen, wie Digitalisierung und Kommunikation in die Kurse eingebunden werden.

Autoren: Angela Binder, M. Sc., Dipl.-Ing. Alexander Hutwalker, Prof. Dr.-Ing. Oliver Langefeld, Institut für Bergbau, Technische Universität (TU) Clausthal, Clausthal-Zellerfeld/Germany

Mining Engineering, quo Vadis? Trends des digitalen Wandels

Die industriellen Revolutionen veränderten im Wesentlichen die Art und Weise, wie der Bergbau betrieben wird. Mechanisierung, Elektrifizierung, Elektronik- und IT-Systeme sowie cyberphysikalische Systeme sind die Schlüsselwörter zu den verschiedenen Revolutionen. Spitzenbergwerke arbeiten heute mit Mining 4.0. Dennoch werden selbst die Innovationen der ersten Revolution nicht in allen Bergwerken umgesetzt, was das Gefälle besonders zwischen Kleinstbergbau einerseits und dem Stand der Technik andererseits zeigt. Die von der vierten industriellen Revolution unterstützten Innovationen werden ausführlich beschrieben und finden ihren Weg in die Ausbildung zum Bergbauingenieur.

Neben der Technologie sind die beiden anderen Hauptfaktoren, die das Bildungssystem beeinflussen, die Gesellschaft und die Wirtschaft (1). Die Veränderung dieser im Zuge der Digitalisierung führt zu einem notwendigen Wandel in der Bildung. So wie Internationalisierung nicht gleichbedeutend mit Englisch als Unterrichtssprache ist, so ist die Digitalisierung nicht gleichbedeutend mit der Verwendung von Computern, sondern mit der Auseinandersetzung mit den Fähigkeiten zur Arbeit in einer digitalen Welt. Der folgende Abschnitt konzentriert sich auf drei Wirkungsbereiche der Lehre: die Lernenden und ihre Gewohnheiten, die Lehrenden und ihre Werkzeuge sowie die Absolventenprofile. Im Allgemeinen sind diese nicht spezifisch für Bergbauingenieure, müssen aber bei der Lehrplanung beachtet werden, da sie Chancen und Herausforderungen für die Bildung darstellen.

Lerngewohnheiten

Effiziente Bildung berücksichtigt die Art der Zielgruppe sowie deren Diversität. Die Mehrheit der Lernenden in der heutigen Hochschulbildung ändert sich von der Generation Y zur Generation Z, die mit einem großen Zugang zu digitalen Medien aufgewachsen ist. Für diese Digital Natives waren in ihrer gesamten Lernkarriere mehr Medien zugänglich als für jede Generation zuvor, was zu ihren bevorzugten Lernstilen führt. Ein Vergleich der Eigenschaften ist in Tabelle 1 aufgeführt.

Table 1. Comparison of homo sapiens and “homo zappiens” according to (1). // Tabelle 1. Vergleich von homo sapiens und „homo zappiens“ nach (1).

Der Charakter der Lernenden führt zu einer Nachfrage nach neuen Medien und Lehrmethoden. Aufgrund der Ungewohntheit der textbasierten Kommunikation mit nicht kooperativen Methoden haben traditionelle Formate eine geringere Effizienz. Jedoch muss der Grad der Anpassung beider Seiten diskutiert werden. Dennoch sollte der Lehrstil das gewünschte Absolventenprofil unterstützen, das im Folgenden erläutert wird.

Neue Lehrmedien und -formate

Die traditionelle universitäre Lehrstruktur des Frontalvortrags stammt aus einer Zeit, in der Bücher nicht weit verbreitet waren und der Hörerschaft vorgelesen wurden. Sie entwickelte sich weiter, indem sie die Unterstützung von Tafeln, Dias, Overhead-Folien, PowerPoint-Folien oder anderen frontal-basierten Medien, die ein Beispiel für die Digitalisierung sind, nutzte. Heutzutage sind digitale Medien weit über die PowerPoint-Folien hinaus verfügbar und nehmen ständig zu. Erfahrungen für die Studierenden können durch den Einsatz von Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) oder Mixed Reality (MR) geschaffen werden (2). Im Moment stehen vor allem die Technologien bereit. Herausforderungen sind die Erstellung von Inhalten und der Zugang zur Technologie für die Erstellung und Verbreitung. Neben erlebnisorientierten Werkzeugen bieten Lernplattformen eine Vielzahl von digitalen Interaktionen zwischen Lernenden und Lehrenden.

Die Studierenden sind meist offen für den Einsatz neuer Medien, während die Lehrenden zögern, da sie keine Erfahrung mit der didaktischen Intergration bzw. den Medien selbst haben. Wenn Sie sich doch in diese Situation begeben und nicht alles wie gewohnt funktioniert, führt dies zu einer Unzufriedenheit und teils zu einem Gefühl der Überlegenheit der Studierenden. Daher braucht es Investitionen in die Entwicklung von Konzepten, aber auch die Fähigkeit, effektive Formate zu entwickeln. Die Einbindung in die Themen und Ziele ist entscheidend. Daher sollte der Weg von den beabsichtigten Lernzielen über die Lern-Lehr-Aktivität zu den verwendeten Medien gehen, anstatt eine Vorlesung um ein neues Medium herum zu arrangieren. Die Verwendung eines Mediums, nur weil es vorhanden ist, stellt einen großen Fallstrick dar.

Absolventenprofile

Neben den beiden diskutierten Hauptakteuren wird das Ziel der Lehre durch die Absolventenprofile definiert. Diese müssen auf die zukünftigen Arbeitsplätze abgestimmt sein. Die Zukunft ist nicht einfach vorherzusagen. Die heutigen Absolventen werden voraussichtlich noch im Jahr 2060 jenseits der heutigen Trends arbeiten. Die OECD erklärt in Bezug auf ihr Learning Framework 2030, dass die Kompetenzen der Studierenden aus Wissen, Fähigkeiten und Werten aufgebaut werden sollen. Auf dieser Basis werden die drei Schlüsselkompetenzen benannt:

  • neue Werte schaffen,
  • überwinden von Spannungen und Schwierigkeiten bei der Lösung von Problemen und
  • Verantwortung übernehmen (3).

Losgelöst vom Ingenieurswesen können diese Punkte als universell angesehen werden. Das Weltwirtschaftsforum definiert die Fähigkeiten des 21. Jahrhunderts, wie in Bild 1 dargestellt, detaillierter und unterscheidet dabei die drei Kategorien der grundlegenden Fähigkeiten, Kompetenzen und Charaktereigenschaften. Diese können auf die bereits erwähnten Schlüsselkompetenzen abgestimmt werden.

Fig. 1. 21st century skills by (4). // Bild 1. Fähigkeiten für das 21. Jahrhundert nach (4).

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass der Anteil der Bergwerke mit Cyber-Physischen Systemen zunimmt. Die Absolventen werden daher mit diesen Technologien arbeiten und sie weiterentwickeln. Absolventen sollten Entrepreneure sein, die in ihrem Umfeld verantwortungsbewusst handeln können und auch mit einem breiten Branchenwissen und tiefen Kenntnissen in ihrem Bereich ausgestattet sind. Es bedeutet außerdem, dass neben reinem Wissen auch die Fähigkeiten zur Problemlösung entwickelt werden müssen.

Digitale Bergbauausbildung

Eine effektive Lehre im Bereich Bergbau muss darauf abzielen, die Studierenden bestmöglich auf ihr Berufsleben vorzubereiten. Im Mittelpunkt steht der Schwerpunkt auf dem Dreieck von Themen-, Kompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung in der Lehre. Ein ausgewogenes Curriculum aus gut gestalteten Kursen und Lehr-Lern-Aktivitäten ist die Grundlage. Bei der Gestaltung der Aktivitäten sollten die Gewohnheiten der Lernenden und Lehrenden für die kooperativen Lernprozesse berücksichtigt werden.

Der nächste Abschnitt zeigt das Vorgehen bei der Konzeption und Umsetzung an der Technischen Universität (TU) Clausthal, Clausthal-Zellerfeld, nach den erarbeiteten Prinzipien, Chancen und Herausforderungen.

Umsetzung in der Bergbaulehre

Um die Ausbildung im Bereich Bergbautechnik nachhaltig auf das digitale Zeitalter auszurichten, müssen Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen ergriffen werden. Ein zentraler Bestandteil ist das Curriculum der Studiengänge in diesem Fachbereich. Einerseits können sie in Kurse und weiter in Lehr-Lern-Aktivitäten und die Überprüfung der spezifischen Lernziele (die Prüfungsleistung) unterteilt werden. Andererseits sind sie in den universitären Rahmen und dessen rechtliche Grundlagen eingebunden. Auch andere Gruppen wie die Akkreditierungsagenturen oder auch Organisationen, wie z. B. die Society of Mining Professors (SOMP) oder die Society for Mining, Metallurgy, and Exploration (SME) geben über ihre Empfehlungen bzw. Vorgaben Impulse für die Gestaltung der jeweiligen Curricula. Die Rahmenbedingungen sollten die Entwicklung unterstützen und Innovationen in den Studiengängen fördern. Dabei sind für eine erfolgreiche Entwicklung und eine Anpassung an das digitale Zeitalter moderne Infrastruktur sowie Flexibilität erforderlich.

Die Implementierung hat drei Ebenen: Curriculumsgestaltung, Veranstaltungsplanung inklusive der Lehr-Lern-Aktivitäten (TLA) sowie die Prüfung. Die Digitalisierung ist ein verflochtener Prozess, der nicht als Bottom-up oder Top-down beschrieben werden kann. Schließlich müssen die verschiedenen Elemente zusammenwirken, um das Ziel, eine exzellente Ausbildung der zukünftigen Arbeitskräfte, zu erreichen. Basierend auf den drei Ebenen wird der Fortschritt der TU Clausthal in Richtung Digitalisierung im Folgenden dargestellt.

Curriculum Design: Auffrischung des Master Mining -Engineering

An der TU Clausthal wird Bergbau im Bachelor-Studiengang „Energie und Rohstoffe“ und im konsekutiven Master-Studiengang „Mining Engineering“ gelehrt, dem eine individuelle Promotion folgen kann. Die Unterrichtssprache im Bachelor-Studiengang ist Deutsch, während der Master-Studiengang seit 2014 vollständig auf Englisch durchgeführt wird. Dadurch wurde die Zielgruppe erweitert, was zu einem durchschnittlichen Anteil von 85 % internationalen Studierenden aus insgesamt 25 Ländern führte.

Neben der kontinuierlichen Verbesserung der einzelnen Lehrveranstaltungen wurde das Reakkreditierungsverfahren genutzt, um den Bereich Digitalisierung im Curriculum zu adressieren. Die Hauptgedanken können mit den Hauptaspekten der T-Shaped Mining Engineers in Einklang gebracht werden. Diese sind:

  1. Innovation,
  2. Entrepreneurship,
  3. Kultur der Nachhaltigkeit,
  4. Breite & Tiefe,
  5. digitale Kompetenzen,
  6. Praxis.

In diesem Rahmen können einige Punkte als Grundwerte der deutschen Ingenieurausbildung angesehen werden, die für Experten offensichtlich erscheinen mögen. Dennoch ist es wichtig, sie trotzdem zu behandeln, um das System transparent zu machen und den Zugang für diejenigen zu erleichtern, die mit dem System nicht vertraut sind. Darüber hinaus ist das Bewusstsein für die Grundwerte eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Gestaltung. Die folgenden Abschnitte zeigen, wie die genannten Schwerpunkte in die Lehrplangestaltung des überarbeiteten Mining Engineering Programms einfließen, welches sich derzeit in der Reakkreditierung befindet und mit dem Wintersemester 2020/21 eingeführt wird.

zu a) Innovation und b) Entrepreneurship

Innovation und Entrepreneurship sind eng miteinander verbunden. Im Studiengang Mining Engineering werden sie von zwei Hauptgedanken geprägt: der Darstellung des Stands der Technik und darüber hinausgehender Ansätze in Zusammenarbeit mit Industrie und Forschung sowie der Steigerung des Innovationspotentials der Studierenden durch die während des Studiums erworbenen Fähigkeiten und Einstellungen. Die Lehre folgt der Forschung und beinhaltet innovative Ansätze und Lösungen. Darüber hinaus sind sieben Lehrbeauftragte aus der Industrie in verschiedenen Lehrveranstaltungen und Tutorien vertreten. Der Dialog mit Industrievertretern und deren Feedback zur Ausbildung der Studierenden stellt kontinuierlich sicher, dass die Anforderungen erfüllt werden.

Innovationspotential und Entrepreneurship werden vor allem durch das Konzept der Lehrveranstaltungen angeregt. Der Prozess der Konzeptentwicklung zur finalen Lösung wird vorgestellt, um zu zeigen, wie sich die Produkte entwickelt haben. Das kritische Denken und die Unabhängigkeit der Studierenden schaffen die unternehmerische Basis, während Vertrauen und Feedback die persönlichen Fähigkeiten und Werte fördern.

zu c) Kultur der Nachhaltigkeit

Ingenieurstudiengänge müssen neben der Technik und den technischen Gegebenheiten mehr Aspekte berücksichtigen, um eine nachhaltige Kultur zu fördern. Daher greift das Programm der TU Clausthal alle Säulen der nachhaltigen Bergbaupraxis gleichermaßen auf. Ein verflochtener Ansatz wird gewählt, der die Themen innerhalb der verschiedenen Lehrveranstaltungen behandelt und nicht als separater Kurs „Nachhaltigkeit im Bergbau“. Dieses Konzept verbindet direkt die technologischen Auswirkungen auf Sicherheit, Ressourceneffizienz, Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft und bildet ein umfassenderes Verständnis. So ist es wahrscheinlicher, dass die Studierenden eine ganzheitliche Sicht auf ihre Tätigkeit haben und eine Kultur der Nachhaltigkeit an ihren Arbeitsplätzen umsetzen.

zu d) Breite & Tiefe

Das Masterstudium baut auf dem Bachelorstudiengang auf, in dem die Studierenden die ingenieurwissenschaftlichen Grundkenntnisse erwerben. Während des Masters wird diese Basis verbreitert und vertieft. Der Lehrplan des Master Mining Engineering umfasst 27 % der Kurse zur Breite, die entweder allgemeiner oder nicht im Kernbereich des Mining Engineering angesiedelt sind. Diese werden ergänzt durch 33 % der Kurse, die sich auf verschiedene Themen konzentrieren. Weitere 40 % der Leistungspunkte werden von den Studierenden gewählt, damit sie sich auf ein Interessengebiet spezialisieren können. Bild 2 zeigt die Verteilung über die Semester. Die Module, die hauptsächlich breite Themenbereiche abdecken, sind blau markiert, während Vertiefungsmodule rot markiert sind. Grüne Felder stehen für Module mit selbstgewählter Spezialisierung.

Fig. 2. Modules of the Mining Engineering program with legend on the right.// Bild 2. Module des Master Mining Engineering mit Legende an der rechten Seite.

zu e) digitale Kompetenzen

Die Berücksichtigung digitaler Kompetenzen wird durch eine Kombination zweier Ansätze realisiert. Die vorhandenen digitalen Kompetenzen, welche die Studierenden während ihres Bachelorstudiums erworben haben, werden durch ein Modul zum Thema Internet der Dinge (IoT) und Digitalisierung in der Kreislaufwirtschaft vertieft. Die Lehrveranstaltungen konzentrieren sich auf Systemdesign und Regelungstechnik im Bereich Bergbau, Aufbereitung und ressourcenbezogene Bereiche am Beispiel von IoT und offenen cyberphysikalischen Systemen. Darüber hinaus befassen sich acht weitere Kurse indirekt mit der Digitalisierung, wobei vor allem der Einsatz unterschiedlicher Software im Vordergrund steht. Damit haben 30 % der Kurse einen überdurchschnittlichen digitalen Fokus. Diese sind in Bild 2 mit Schattierungen dargestellt.

zu f) Praxis

„Ich höre und vergesse, ich sehe und behalte, ich handle und ver-stehe.“ Konfuzius

Nicht nur das Zitat von Konfuzius, sondern auch verschiedene Studien zeigen, dass die Wirkung des Lernens am größten ist, wenn die Lernenden direkt involviert sind und praktizieren, was sie lernen sollen. Insbesondere für die Entwicklung von Fähigkeiten und Kompetenzen ist der Praxisbezug im Curriculum wichtig. Aktive Lehrveranstaltungen mit Methoden, die über die traditionellen frontalbasierten Vorlesungen hinausgehen, befassen sich neben fachlichen und methodischen Fähigkeiten auch mit der Fähigkeit der Studierenden, Gruppen zu leiten und als Team zu arbeiten. Sie trainieren außerdem Konfliktmanagement und Kommunikation in einem sicheren Umfeld. Insbesondere das Geben und Empfangen von Feedback fördert die zukünftige Arbeit in interkulturellen Teams. Verschiedene praktische Kurse und acht Tutorials fördern diese Entwicklung. Neben diesen Aktivitäten lassen sich zwei weitere Säulen der Praxis identifizieren: Projektarbeit und Praktika. Fast 40 % der Module beinhalten Projektarbeit. In verschiedenen Konstellationen arbeiten die Studenten problembasiert und lernen sich selbst, das Projekt und andere zu managen und koordinieren. Im Industriepraktikum, das 5 % der Leistungspunkte umfasst, erweitern die industrielle Praxis und Sichtweise die Fähigkeiten der Studierenden. Studentische Forschungsprojekte und Abschlussarbeiten können in der Industrie durchgeführt werden. Daher entscheiden sich die Studierenden, ob sie sich im letzten Jahr stärker auf forschungsbasierte Fragen oder industriegetriebene Themen konzentrieren wollen.

Kursgestaltung: Balance finden

Während das Curriculum das Ziel des Studiengangs festlegt, definiert das Design der Lehrveranstaltungen die zu erreichenden Fähigkeiten in den verschiedenen Modulen. Im Allgemeinen ist der Übergang vom Lehren zum Lernen (Shift from Teaching to Learning) der Stand der Technik, wenn es um die Kursentwicklung geht. Die Lehre ist studierendenzentriert und nicht mehr auf die Aktivität des Lehrenden ausgerichtet. Der Kern des Designs sind die Lernziele. Die Lehr- und Lernaktivitäten führen zu den Lernzielen, deren Erreichung in der Prüfung bewertet wird. Die Ausrichtung der auf dem Konstruktivismus basierenden Elemente kann durch das Constructive Alignment zusammengefasst werden, wie es durch (5) eingeführt wurde. Die Lernziele können in verschiedene Taxonomiestufen untergliedert werden, sodass es wichtig ist, diese für die Lernziele festzulegen. Im Allgemeinen sollten die Hauptziele in Masterstudiengängen in den oberen Stufen nach der Klassifizierung von (6) liegen.

In Hinblick auf den digitalen Wandel ist zu klären, wie sich dies auf die Lernziele und deren Erreichung auswirkt. In den Lernzielen wird Software hauptsächlich als Werkzeug einer Problemlösung betrachtet, aber auch die sinnvolle Auswahl zwischen den verfügbaren Werkzeugen ist notwendig. Lernziele einer hohen Taxonomiestufe erfordern mehr als nur die Kenntnis von Klickroutinen, sondern eher die Anwendung auf unbekannte Probleme. Diese verschiedenen Bereiche und Ebenen müssen in den Lehrveranstaltungen abgedeckt werden.

Die zweite Frage betrifft die allgemeine Gestaltung der Aktivitäten. Der gesamte Arbeitsaufwand verteilt sich auf die Kontaktstunden, die bisher als Vorlesungen gesehen werden, und das Selbststudium. Beide Teile müssen effektiv ausbalanciert werden. Neue Medien verändern das, was während einer Vorlesung zu tun ist oder nicht. Lernvideos oder Tutorials, die zu den Gewohnheiten der Zielgruppe passen, ermöglichen es den Studierenden, sich just-in-time zu informieren. Somit kann die tatsächliche Kontaktzeit reduziert werden. Eine ausgewogene Wirkung kann erreicht werden, indem die Vorlesungen als eine Art Quality Time für Studierende und Lehrende gestaltet werden, in der sie interagieren können. Während des Selbststudiums kann sich der Studierende individuell mit den Inhalten vertraut machen und sich weiterentwickeln. Dies trägt auch dazu bei, dass die verschiedenen Lerntypen und die Eigenverantwortung der Studierenden gefördert werden. Die effektive Balance kann nicht durch definierte Anteile quantifiziert werden. Es muss für jede Lehrveranstaltung und deren Lernziele festgelegt werden. Daher ist ein gutes Design der TLA wichtig. Der folgende Abschnitt zeigt Beispiele für Best Practices in zwei verschiedenen Bereichen, die direkt vom digitalen Wandel betroffen sind.

Lehr-Lern-Aktivitäten

Die Gestaltung von Lehren und Lernen folgt einem ganzheitlichen Ansatz, bei dem die Lernenden im Mittelpunkt stehen. Das Wissen über die Gruppe ist der Schlüssel für eine wirkungsvolle Gestaltung. Daher sollte die Gruppe generell analysiert und die Vielfalt berücksichtigt werden. Insbesondere Vorkenntnisse, aber auch der Bildungshintergrund und die damit verbundenen Lerngewohnheiten können zu Stolperfallen führen. Ein hoher Aufwand ist erforderlich, wenn die Studierenden in verschiedenen Studiengängen studieren und zumindest die Vorkenntnisse und das übergeordnete Ziel in der Gruppe unterschiedlich sind. In dieser Situation können zielgruppenspezifische Aktivitäten helfen.

Die Aktivitäten selbst bestehen aus verschiedenen Elementen. Während des Selbststudiums arbeitet der Studierende mit bereitgestellten Materialien oder Aufgaben, während in den Kontaktzeiten Lehrende und Lernende miteinander interagieren. Eine solche aktive Gestaltung steht im Gegensatz zum traditionellen Lehransatz und hat einen großen Vorteil. Im traditionellen Stil sind die Ergebnisse des Lernens und die behaltenen Konzepte zufällig und der Erfolg des Lehrens wird erst in der Abschlussprüfung bewertet, da die Übermittlung der Lernbotschaft nicht überprüft wird. Dies fördert Fehlkonzepte, die bei der Gestaltung von Prüfungen manchmal nicht erkannt werden. Wenn Wissen zufällig erworben wird, sollten zwei Fragen gestellt werden: Wen haben wir auf dem Weg verloren? Wissen die Studierenden, was unsere Lehrabsicht war und wie bewertet wird?

Die moderne Lehre, wie sie im Mining Engineering-Studium an der TU Clausthal praktiziert wird, zielt darauf ab, die Kompetenzen und Fertigkeiten höher als das Wissen zu bewerten. Die formative Bewertung wird während des Prozesses verwendet, um den Lernprozess zusätzlich zur summativen Bewertung zu steuern. Dies wird vor allem durch die aktivierenden Methoden während der Kontaktzeiten realisiert, wenn der Studierende erlernte Konzepte mit neuen Kenntnissen und Fähigkeiten verbindet. Die Inhalte werden in Zusammenarbeit mit Lehrenden und Lernenden entwickelt. Wenn Studierende zu verschiedenen Themen referieren, können Missverständnisse von Kommilitonen und Lehrenden erkannt werden. Dabei werden auch Selbstkompetenzen und Soft Skills unterstützt.

Going digital: Softwarekurse

Das Vermitteln von Softwarekompetenz ist eine Schlüsselkomponente der modernen Ingenieurausbildung. Die Vielfalt der Software ist groß und für verschiedene Aufgaben und Bereiche steht eine Reihe von Software zur Verfügung. Daher muss zuerst eine Auswahl getroffen werden. In diesem Bereich ist die Unterstützung durch den Anbieter oder die Institution entscheidend, um die benötigten Lizenzen zu finanzieren. Außerdem müssen die wichtigsten Lernziele definiert werden. In diesem Fall liegen die Ergebnisse in den Bereichen des Software-Rahmens und der Lösung eines Problems mit der Software.

Softwareschulungen für Unternehmen sind auch Bestandteil vieler Weiterbildungsmodule. Es gibt jedoch wesentliche Unterschiede zwischen dieser Situation und der Hochschulbildung, die berücksichtigt werden müssen und dazu führen, dass Ansätze der Softwareschulungen nicht kopiert werden sollten, um Studierdende auszubilden: Fachkräfte kommen aus einer bestimmten Situation und kennen ihre spezifischen Probleme, die mit der Software gelöst werden sollten, sehr genau. Die Software selbst ist bereits erworben und eine Investition getätigt, indem sie in Schulungen geschickt werden. Sie konzentrieren sich auf die Schulung in ihrem Arbeitsbereich oder ihren berufsrelevanten Bereichen und nutzen die erworbenen Fähigkeiten direkt in ihrer täglichen Arbeit. Die Studierenden hingegen haben eine größere Vielfalt an Möglichkeiten und kennen Praxisbeispiele nur in einem begrenzten Umfang. Fallbeispiele an einer Universität werden oft vereinfacht, um die Konzepte zu zeigen und spezifische Zusammenhänge zu erklären. Später können sie in Situationen gelangen, in denen sie mit ihren universitären Kenntnissen zum Softwareexperten werden. Wenn beispielsweise in einem Unternehmen eine Software eingeführt werden soll, müssen sie in der Lage sein, den Entscheidungsprozess zu unterstützen. Ihr Studium ist viel breiter als ein normaler Beruf und sie haben keine täglichen Projekte, in denen sie die Spezialsoftware einsetzen werden.

Ein gängiges Konzept für das Unterrichten von Software ist das Durchklicken von Aufgaben. Ein Kursleiter zeigt die Schritte, und die Lernenden klicken selbstständig nach. Kleinere Aufgaben können in das Thema aufgenommen werden, um das erworbene Wissen anzuwenden. Dieser Ansatz führt zu einer Durchschnittsgeschwindigkeit, bei der sich einige langweilen, weil sie zu gering ist, und andere unzufrieden und gestresst sind, weil sie zurückbleiben. Wenn jemand einen Schritt wiederholen möchte, gibt es keine Möglichkeit für eine einfache Wiederholung. Der Kursleiter muss wiederholen, was er gesagt und/oder getan hat. Bei diesem Kurs auf jährlicher Basis müssen jedes Jahr die gleichen Klicks wiederholt werden. Da der Kursleiter zum Großteil mit dem Klicken beschäftigt ist, ist die Zeit für Fragen und Diskussionen (Quality Time) geringer.

Ein an der TU Clausthal entwickeltes Konzept ist eine Kombination von einer workshopbasierten Kontaktzeit, einem Projekt, Lernvideos und Beratung als Hauptelemente. In einer vorgeschalteten Vorlesung wird der Rahmen der Software und ihre Nutzung erarbeitet, um eine Grundlage für das Projekt zu schaffen und die Studierenden für Missverständnisse zu sensibilisieren. Dies schärft auch das Bewusstsein für die Anforderungen, die in traditionellen Kursen nicht berücksichtigt werden. Die Vorteile eines Workshop-Stils wurden bereits diskutiert. Während der Projektarbeit werden die Studierenden durch verschiedene Medien wie Lernvideos, Handbücher und Folien unterstützt. Sie lösen das Problem, indem sie wie in Tabelle 1 geschildert „suchen und spielen“, wie sie es gewohnt sind. Aus Neugierde entwickeln sie mehr Fähigkeiten und erfahren mehr über die Software. Durch das individuelle Lernen im Projekt kann jeder in seiner Geschwindigkeit arbeiten und Schritte so oft wiederholen, wie es mit den Medien, z. B. Videos, möglich ist. Während des Projekts sammeln sie auch Projekterfahrung und lernen ihre Ergebnisse in schriftlicher und mündlicher Form zu kommunizieren. Bei Problemen, die nicht mit den mitgelieferten Materialien gelöst werden können, stehen Tutoren zur Verfügung. Die Bewertung des Kurses erfolgt durch ein Projektportfolio mit unterschiedlichen Aufgaben sowie eine schriftliche Prüfung, in der konzeptionelle Fragen zur Softwareverwendung in einen Gesamtrahmen integriert werden. Im Allgemeinen sind die Studierenden mit dem Format zufrieden und eine gute Erreichung der Lernziele kann beobachtet werden. Das Konzept entwickelt gemeinsam fachliche und überfachliche Kompetenzen.

Entwicklung einer effizienten Kommunikation: Wie poliert man die Diamanten?

Während die Vermittlung von Softwarekompetenzen der naheliegende Teil der Digitalisierung ist, werden Kommunikationswege weniger direkt von der Digitalisatierung beeinflusst. Moderne Kommunikationskanäle, z. B. Social Media Plattformen wie YouTube, Instagram oder Facebook, bieten Zugang zu vielen Zielgruppen und können genutzt werden, um eine Social-License-to-Operate zu erzielen. Hierbei steigert eine Kommunikationsstrategie für einen professionellen und effektiven Einsatz die Erfolgsaussichten. Daher müssen Bergbauingenieure in der effektiven Kommunikation über das Fachgespräch hinaus geschult werden. Das Erlernen von Kommunikation ohne Praxis ist schwierig, daher ist Interaktion erforderlich. Jeder Studierende bringt bestimmte Kommunikationsfähigkeiten mit, die verfeinert werden müssen. Dies ist ein Ziel des Kurses „Responsible Mining“, der derzeit ein Wahlpflichtfach im Masterprogramm ist.

Das Lehrveranstaltungskonzept als interdisziplinärer Kurs adressiert fachliche, technische und soziale Kompetenzen sowie Systemkompetenz. In fünf halbtägigen Workshops werden sechs Themen entlang des Lebenszyklus eines Bergwerks behandelt. Fähigkeiten und Themen sind miteinander verwoben. Neben den Workshops arbeiten die Studierenden an einem Projekt, indem sie ein kritisches bergbaubezogenes Thema im Zusammenhang mit der Vorlesung auswählen und eine Kommunikationsstrategie für die Gesellschaft im Allgemeinen erarbeiten. Während des Kurses werden Kommunikationskonzepte vorgestellt und trainiert. Durch die Aufteilung der Bewertung in einen Bericht und eine mündliche Prüfung können verschiedene Fähigkeiten abgedeckt werden. In der mündlichen Prüfung präsentieren die Studierenden in den ersten sieben Minuten selbstständig die Relevanz ihres Themas, während der zweite Teil eine mit den Themen und ihrem Projekt verbundene Diskussion ist.

Die erste Implementierungsphase hat gute Ergebnisse in der Studierendenentwicklung gezeigt. Die eigene Wahl eines Themas in einem vorgegebenen Rahmen und die eigene Auswahl einer Zielgruppe und Strategie hat die intrinsische Motivation der Studierenden erhöht. Insbesondere wurde das Bewusstsein für ihre Verantwortung als Bergbauingenieur geschärft, was sehr gut zu den Zielen der OECD passt. In Zukunft wird die Kommunikation in die Pflichtmodule des Programms verlagert, während sich das Wahlpflichtfach mehr auf die Aspekte der nachhaltigen Bergbaupraxis konzentriert.

Zusammenfassung

Der Artikel zeigt den Ansatz der Bergbauingenieurausbildung an der TU Clausthal, um sie in das digitale Zeitalter zu führen. Die Digitalisierung ist ein Prozess und kein Ziel. Daher ist eine kontinuierliche Verbesserung erforderlich, um die Lehre auf dem neuesten Stand zu halten. Dies erfordert eine kontinuierliche interne Bewertung und Begleitung von Industrie und Forschung. Daher muss die Zusammenarbeit mit Studierenden und Absolventen sowie mit Industrie und Forschung auf einem hohen Niveau gehalten werden. Lehre bleibt eine forschende Aktivität, die eine Zusammenarbeit auf allen Ebenen erfordert.

Darüber hinaus sind Freiheit und Vertrauen für diese Innovationen zur Förderung der kontinuierlichen Verbesserung auf allen Ebenen erforderlich. An dieser Stelle wird von den Autoren die Unterstützung der TU Clausthal gewürdigt, die hervorragende Bedingungen für eine moderne und innovative Ausbildung bietet.

Quellenverzeichnis

Quellenverzeichnis

(1) Veen, W.: Homo Zappiens and the Need for New Education Systems. 2007.

(2) Liu, D.; Dede, C.; Huang, R.; Richards, J.: Virtual, Augmented, and Mixed Realities in Education. Singapore: Springer, 2017. Smart Computing and Intelligence Ser. 978-981-10-5489-1.

(3) OECD: The future of education and skills. Education 2030. Position Paper, 2018.

(4) World Economic Forum: New Vision for Education. Unlocking the Potential of Technology. 2015.

(5) Biggs, J.: Enhancing teaching through constructive alignment (online). Higher Education. 1996, 32(3), 347 – 364. Available from: 10.1007/BF00138871.

(6) Bloom, B. S.; Engelhart, M. D.; Furst, E. J.; Hill, W. H.; Krathwohl, D. R. A.: Taxonomy of educational objectives. The Classification of Educational Goals. Handbook 1. New York: David McKay Company, 1956.

Autoren: Angela Binder, M. Sc., Dipl.-Ing. Alexander Hutwalker, Prof. Dr.-Ing. Oliver Langefeld, Institut für Bergbau, Technische Universität (TU) Clausthal, Clausthal-Zellerfeld/Germany
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