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Optimierung und Weiterentwicklung des Grubenrettungswesens in Sachsen

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten kam es in allen deutschen Bergbaurevieren zu einem Strukturwandel. Generell konnte beobachtet werden, dass die alteingesessenen, großen Betriebe des Steinkohlen- und Erzbergbaus geschlossen wurden bzw. aus der aktiven Gewinnungsphase in den Sanierungsbergbau übergegangen sind, verbunden mit einer entsprechenden Reduzierung der Mitarbeiterzahl. Zur gleichen Zeit sehen wir bei der Vielzahl der mittelständischen Unternehmen des untertägigen Bergbaus eine zunehmende Mechanisierung, die sich auch auf die Qualifikation und Anzahl der Mitarbeiter auswirkt. Diese Entwicklung ist auch im mitteldeutschen bzw. sächsischen Raum sichtbar. Die Auswirkungen dieser Entwicklung auf das Grubenrettungswesen sowie die aktuellen Herausforderungen und Ansätze zur Restrukturierung des Grubenrettungswesens sind Inhalt dieses Beitrags.

Authors/Autoren: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Helmut Mischo, Dipl.-Ing. Frank Reuter und Dipl.-Ing. Stefan Pötzsch, TU Bergakademie Freiberg, Freiberg, Dipl.-Ing. Andy Tauber, Wismut GmbH, Chemnitz

Der Verbund in Sachsen

Bis zum Ende der DDR wurde das Grubenrettungswesen im Schwerpunkt durch die großen Bergbaubetriebe im Bereich des Erzgebirges und des Erzgebirgsvorlands, hauptsächlich die SDAG Wismut und das Bergbau- und Hüttenkombinat Albert Funk Freiberg, sichergestellt und diese Leistung auch den anderen lokalen Kleinbetrieben zur Verfügung gestellt. Bis zu den 2000er Jahren konnte diese grundsätzliche Struktur durch die Personalstärke der nunmehrigen Wismut GmbH, Chemnitz, beibehalten werden. Seit den 2010er Jahren wurde es aufgrund des Sanierungserfolgs der Wismut und der damit verbundenen Personalreduzierung notwendig, neue Strukturen zu schaffen, die das Rettungswesen im untertägigen Raum mit all seinen Spezifika flächendeckend in Sachsen sicherstellen können (1).

In Sachsen wurde dazu im Jahr 2013 die „Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Grubenrettungswesen“ unterzeichnet und damit ein Verbund geschaffen, dem neben der Wismut auch die Firmen GEOMIN Erzgebirgische Kalkwerke GmbH, Pockau-Lenge-feld, Erzgebirgische Fluss- und Schwerspatwerke GmbH, Kurort Oberwiesenthal, und BsS Bergsicherung Sachsen GmbH, Schneeberg, angehören.

Von Beginn an assoziiert ist seit dem Jahr 2017 mit Einrichtung der geforderten internen Strukturen auch die Grubenwehr Freiberg der TU Bergakademie Freiberg Mitglied im Verbund. Die geforderte Sollstärke am Standort Freiberg wird dabei – erstmalig in Sachsen – durch die Kooperation von TU Bergakademie Freiberg, Kreiskrankenhaus Freiberg gGmbH sowie der Feuerwehr der Stadt Freiberg sichergestellt. Die Grubenwehr Freiberg setzt sich dabei aus Mitarbeitern am Standort des Forschungs- und Lehrbergwerks und hauptamtlichen Kräften der Feuerwehr Freiberg zusammen.

Der Verbund wird federführend durch die Wismut koordiniert, die an den beiden Standorten Aue und Königstein auch die Mehrzahl der Wehrmänner stellt. In dieser neuen Struktur sind insgesamt 85 Wehrmänner in einer gemeinsamen Ausbildungs- und Alarmierungsstruktur zusammengefasst. Betreuende Hauptstelle nach § 131 BBergG ist die Hauptstelle für das Grubenrettungswesen Leipzig der Präventionsabteilung Notfallmanagement der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI).

Auch die technische Ausrüstung soll über das standardmäßig im Verbund genutzte Regenerationsgerät AirElite 4h hinaus flächendeckend weiter harmonisiert werden. Ziel des Verbunds ist es, an den Einzelstandorten der Mitgliedsunternehmen den Erstangriff im Ereignisfall inkl. Reservetrupp durch Vorortkräfte und -mittel durchzuführen und gleichzeitig eine Verstärkung durch die benachbarten Verbundgrubenwehren zuzuführen. Hierzu wird ein Großteil aller Anlagen regelmäßig auch mit den Kräften der benachbarten Verbundgrubenwehren beübt. Geplant ist, im Ereignisfall auch mit gemischten Trupps vorgehen zu können, um bei der gegebenen dünnen Personaldecke trotzdem ein Rettungswerk möglichst umfassend selbst durchführen zu können. Tabelle 1 gibt einen Überblick über Organisation und wesentliche Ausrüstung des Verbunds.

Table 1. Organization and essential equipment in the Saxon structure // Tabelle 1. Organisation und wesentliche Ausrüstung Struktur Sachsen. Source/Quelle: TUBAF

Aufgabenfelder und Anforderungen der untertägigen Rettung in Sachsen

Das Erzgebirge ist mit seiner fast 1.000-jährigen Bergbau-geschichte, die sich bis heute im sogenannten 4. Berggeschrey fortsetzt (2), durch eine Vielzahl bergbaulicher Aktivitäten und mehrere tausend historische Zeitzeugen und Hinterlassenschaften auch über den aktiven Bergbau hinaus, geprägt. In der Gesamtschau lassen sich all diese untertägigen Betriebe und Einrichtungen, welche in Anzahl und Größe weit über die Anlagen der Verbundpartner hinausgehen, aus (sicherheits-)rechtlicher Sicht wie in Bild 1 illustriert einteilen.

Fig. 1. Underground operations and facilities as seen by the association (3). // Bild 1. Untertägige Betriebe und Einrichtungen aus Sicht des Verbunds (3).

Sämtliche Maßnahmen im Rahmen einer Hilfeleistung können nur unter Berücksichtigung der Absicherung der jeweils eigenen Betriebe der Verbundpartner durchgeführt werden. Konkret bedeutet dies, dass entweder aufgrund der geringen Personalstärke der Grubenwehrgruppen der einzelnen Betriebsstandorte bei einer Anforderung zur Hilfeleistung der eigene untertägige Betrieb zunächst zu räumen ist, bevor die Einsatzkräfte den Standort verlassen können oder, wie bei der Wismut, Rettungskräfte für die Absicherung am eigenen Standort verbleiben.

Für die Rettung aus untertägigen Hohlräumen, welche nicht dem Bergrecht unterliegen, sind nach derzeitiger Rechtslage in Sachsen einerseits die Betreiber – sofern vorhanden – und andererseits öffentliche Institutionen zur Gefahrenabwehr, z. B. Feuerwehren nach SächsBRKG (4), zuständig (5). Aufgrund nicht angepasster Ausrüstung und Einsatzregeln gegenüber dahingehend spezialisierten Rettungskräften wie einer Grubenwehr können jedoch derartige Aufträge nicht oder nur stark eingeschränkt abgearbeitet werden (5).

Im Rahmen der in den vergangenen Jahren durchgeführten Übungen und absolvierten Einsätze – auch gemeinsam mit Feuerwehren oder im Rahmen von Forschungsarbeiten – haben sich die nachfolgend beschriebenen Unterschiede zwischen Gruben- und Feuerwehren in Bezug auf untertägige Rettungseinätze in Sachsen herauskristallisiert.

Alarmierung

Die Grubenwehren des Verbunds als betriebsinterne Rettungskräfte werden über ein betriebsinternes, kommerzielles und mobilfunkbasiertes Alarmierungssystem im Ereignisfall alarmiert. Dieses System wird durch den durchgängig besetzten Dispatcherdienst der Wismut bedient. Dieser zentrale Alarmierungsweg über den Dispatcher hat sich bis dato bei Einsätzen in den Mitgliedsunternehmen und für die angenommenen Einsatzszenarien im Bergbau ausreichend bewährt. Über Hilfeleistungsvereinbarungen angeschlossene Betriebe und Einrichtungen außerhalb des Verbunds alarmieren im Rahmen ihres eigenen Alarmierungsprotokolls ebenfalls die Grubenwehr über den Dispatcherdienst.

Bei Einsätzen außerhalb des eigenen Bergbaubetriebs, insbesondere an Einsatzorten außerhalb gewerblicher Tätigkeit, z. B. Befahrungen im Altbergbau, ist jedoch noch nicht flächendeckend sichergestellt, dass bei einem eingehenden Notruf über die Notrufnummer 112 an einer Rettungsleitstelle der Bergbaubezug erkannt wird und damit auch alle notwendigen weiteren Alarmierungsschritte für einen Grubenwehreinsatz eingeleitet werden. Die für einen großen Teil des Erzgebirgsraums zuständige Integrierte Regionalleitstelle (IRLS) Chemnitz ist jedoch für -etwaige Ereignisse im untertägigen Raum sensibilisiert und alarmiert bei einem derartigen Ereignisfall den Verbund über den Dispatcherdienst der Wismut. Derzeit werden mit der IRLS auch weitergehende, neue Alarmierungswege für die Grubenwehr erörtert und geprüft. Dazu gehört vor allem die Einbindung der Grubenwehr in das Funksystem für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Die rechtlichen Voraussetzungen zur Anbindung an den BOS-Funk wurden 2018 geschaffen, die technische Umsetzung im Verbund erfolgt seit 2019. BOS-Funk auf Grubenwehrfahrzeugen ermöglicht es alarmierten Grubenwehrkräften frühzeitig, vor und auf dem Anmarsch weitergehende Informationen zum Ereignis zu erhalten und damit z. B. die Auswahl der Einsatzmittel sowie die Anfahrt abzustimmen.

Während sich die Mannschaftsstruktur von Feuerwehren im Allgemeinen aus den zum Zeitpunkt der Alarmierung zur Verfügung stehenden Kräften und deren Fertigkeiten zusammensetzt und nicht vollumfänglich vorbestimmt werden kann, wird durch das Rufbereitschaftssystem der Grubenwehren sichergestellt, dass die wesentlichen Schlüsselfunktionen unmittelbar nach Alarmierung bereitstehen. Während der Regelarbeitszeit werden zudem am Standort täglich nach Ereignisart vorbestimmte Trupps aufgestellt, die im Einsatzfall den ersten Abmarsch bilden und weitgehend eigenständig agieren können.

Anmarsch

Fig. 2. Underground facilities as seen by the association (6). // Bild 2. Untertägige Einrichtungen aus Sicht des Verbunds (6).

Wie aus Bild 2 ersichtlich, verteilen sich die möglichen Einsatzorte für untertägige Rettungseinsätze – hier exemplarisch dargestellt durch die Lage der Besucherbergwerke, den Sitz der Bergsicherungsbetriebe und Verbundpartner – auf den gesamten Erzgebirgsraum. Analog verhält es sich mit den temporären Betriebsstätten der Bergsicherungsbetriebe sowie den Zeitzeugen des Altbergbaus. Setzt man dies in Bezug zu den Standorten der einsatzfähigen Grubenwehren, so sind Anmarschzeiten von über 1 h, im Winter deutlich mehr, keine Seltenheit. Alternativen, wie beispielsweise die Möglichkeit zur Luftverlegung der Einsatzkräfte per Hubschrauber, wie z. B. in Österreich praktiziert, wurden untersucht, bringen jedoch aufgrund der Entfernungen von den Startplätzen zu den Aufnahmeorten der Einsatzkräfte und dann zum weiteren Einsatzort keinen zeitlichen Vorteil gegenüber dem Kfz-Anmarsch. (7) Die genannten Anmarschzeiten einer Grubenwehr sind damit deutlich länger als die des öffentlichen Rettungsdienstes, welchem in Sachsen eine Hilfsfrist von 12 min vorgeschrieben ist. (8)

Damit der Kfz-Anmarsch im Ereignisfall zu den verbundenen Betrieben dennoch so schnell wie möglich erfolgen kann, wurde ergänzend zur Grubenwehr der Wismut der Grubenwehr Freiberg im Jahr 2020 für das Mannschaftstransportfahrzeug eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 StVO für das Führen von Sondersignal (blaues Blinklicht und Einsatzhorn) erteilt. Somit stehen im gesamten Verbund fünf Mannschaftstransportfahrzeuge und ein Kommandowagen zur Verfügung.

Einsatzleitung

Während bei Einsätzen in den Mitgliedsunternehmen die Verantwortung und Leitung des Rettungswerks über die einschlägigen Bestimmungen des Bergrechts klar definiert ist, nämlich die eindeutige Verantwortung dem Unternehmer zuweist, welcher die Durchführung von Rettungswerken i. d. R. an die technische Betriebsleitung delegiert, sind bei Alarmierung und Einsätzen außerhalb der Bergaufsicht, wie etwa bei Anlagen unter S-ächsHohlrVO (9), z. B. bei Einsätzen zur Gefahrenabwehr im Altbergbau, die rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen anders gelagert. Die Einsatzleitung obliegt hier den alarmierten öffentlichen Rettungskräften nach SächsBRKG. Wenn betriebliche Grubenwehren zu einem derartigen Ereignis mit- oder nachalarmiert werden, ordnen sich diese in die bestehende Einsatzstruktur ein und unterstützen im Sinn einer Amtshilfe (Bild 3). Die Bildung eines eigenen Einsatzabschnitts für das untertägige Rettungswerk unterhalb der Einsatzleitung hat sich dabei als praktikabel erwiesen.

Fig. 3. Exemplary operational structure of a mission in an old mine with 137 mine rescue brigade members in 2019 (10). // Bild 3. Beispielhafte Einsatzstruktur eines Einsatzes im Altbergbau im Jahr 2019 mit 137 Einsatzkräften (10).

Darüber hinaus gilt es für Betriebe, welche nicht dem Bergrecht unterliegen, jedoch ein besonderes Gefahrenpotential aufweisen, § 57 SächsBRKG zu beachten, welcher zusätzliche Anforderungen für die Unterstützung der jeweiligen Einsatzleitung, vor allem Pflicht zur Fachberatung, und Kommunikationsmittel aufführt.

Risswesen und Ortskunde

Während die Betriebsstätten der angeschlossenen Mitgliedsunternehmen regelmäßig beübt werden und damit die Ortslage der Einsatzleitung und häufig auch den eingesetzten Einsatzkräften der weiteren Firmen im Verbund bekannt ist bzw. zumindest ausgebildete ortskundige Führer der Grubenwehren (nach Abschnitt 3.9 in (11)) im Einsatzfall bereitstehen, so ist dies weder bei den Besucherbergwerken und -höhlen noch bei den temporären Betriebsstätten in der Sanierung und der Gefahrenabwehr des Altbergbaus der Fall. Insbesondere bei den nicht gewerblich geführten Objekten und im auflässigen Altbergbau kann im Ereignisfall das Vorliegen eines umfassenden aktuellen Risswerks nicht vorausgesetzt werden.

Atemschutzausrüstung

Neben dem klassischen Gefährdungsszenario eines Brands unter Tage und der daraus resultierenden Verteilung der Brandschwaden im Grubengebäude sind es insbesondere Gase geogenen Ursprungs oder aus Fäulnisprozessen, die entweder aufgrund schädlicher Wirkung auf den Organismus selbst oder auch über die Verdrängung des Sauerstoffanteils in den Wettern die Ausrüstung mit und den Einsatz von Atemschutz für die Einsatzkräfte notwendig macht. Aufgrund der räumlich großen Ausdehnung von Grubengebäuden und den daraus resultierenden langen Einsatzzeiten kommen nur Regenerationsgeräte mit einer Haltezeit von 4 h in Betracht. Derartige Ausrüstung wird im Feuerwehrwesen in Sachsen standardmäßig nicht eingesetzt.

Bei Feuerwehren kommen Regenerationsgeräte nur vereinzelt zum Einsatz, wenn sich im Zuständigkeitsbereich Einrichtungen befinden, welche den Einsatz derartiger Atemschutztechnik notwendig machen. Zu nennen sind hier die Berufsfeuerwehr Dresden, welche bis 2012 Kreislaufatemschutzgeräte vom Typ Dräger PSS BG 4 betrieben hat (12), und aktuell z. B. die Feuerwehr Bad Homburg in Hessen für lokale unterirdische Einrichtungen zur Wasserversorgung (13).

Im Betrachtungsraum in Sachsen sind insbesondere Radon und CO2 geogene Gase, von denen eine Gefährdung ausgeht, wobei lokal auch H2S und CH4 eine Rolle spielen können. Im Verbund wurde hierfür das AirElite 4h der MSA Safety Inc. als verbundweiter Standard als Kreislaufatemgerät eingeführt, wobei insbesondere die seitliche Schlauchführung und die kompakte Bauweise ausschlaggebend für dieses Gerät waren. Im Verbund gibt es 25 Regenerationsgeräte für den Erstangriff an den drei Standorten Aue, Königstein und Freiberg. Zusätzlich verfügt der Verbund über 19 Trainergeräte, wovon 13 im Ereignisfall schnell zu zusätzlichen Einsatzgeräten umgebaut werden können. Die verbundweite Festlegung auf einen Gerätetyp weist den Vorteil auf, dass zum einen die Trainergeräte für größere Übungen kurzfristig an einen Standort zusammengezogen werden können, ohne dabei auf die Einsatzgeräte zurückgreifen zu müssen, und zum anderen können in Übung und Einsatz gemischte Trupps aus den einzelnen Standorten gebildet werden, da jeder am gleichen Gerät ausgebildet ist.

Gasmesstechnik

Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt beschrieben sind Gase (geogen, Fäulnis- oder Brandgase) eine zentrale Gefährdung im untertägigen Raum. Jeder Bergwerksbetrieb verfügt daher über Gasmesstechnik für jedes potentiell im eigenen Grubenbetrieb vorkommende gefährliche Gas. Exemplarisch sind dies im Forschungs- und Lehrbergwerk Freiberg O2, H2S, H2, NO2, CO2, CO, Cat-Ex und Radon.

Insbesondere dem CO2 ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen, da es zum einen farb- und geruchlos ist, wodurch es für die menschlichen Sinne nicht wahrnehmbar ist, aber zum anderen auch unbemerkt z. B. aus bewegtem Grubenwasser emittiert werden kann, was als Gefährdungsszenario typisch für den sächsischen Bergbau ist (14). Bei Einsätzen im Altbergbau o. ä., wo keine regelmäßige Wetterführung gewährleistet ist, kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass plötzlich CO2-Konzentrationen auftreten, welche zu Erschöpfung, Kopfschmerzen, Entkräftung oder Kollaps führen. Allein schon aus Gründen des Eigenschutzes ist beim Befahren derartiger Grubenbaue immer CO2– und O2-Messtechnik durch Rettungskräfte mitzuführen. Eine wissenschaftliche Betrachtung der Struktur von Rettungskräften im Osterzgebirge von Dawin im Jahr 2020 hat jedoch ergeben, dass von acht betrachteten lokalen Feuerwehren nur drei über zusätzliche Gasmesstechnik für CO2 verfügen. (5)

Seiltechnik

Die Besonderheiten des historischen Bergbaus sowie des jüngeren regionaltypischen Bergbaus auf hydrothermale, steilstehende Erzlagerstätten bedingen ein vertikal sehr stark gegliedertes Grubengebäude, bei dem die unterschiedlichen Sohlen und Teilsohlen über Überhauen, Rolllöcher und Blindschächte erschlossen sind. Häufig sind die historischen Einbauten nicht mehr vorhanden oder nicht mehr nutzbar und nur im aktiven Gewerbe und in den Sanierungsbaustellen erneut installiert, sodass bei einem Grubenwehreinsatz über große vertikale Höhe hier unbedingt Seiltechnik zum Einsatz kommen muss, sowohl beim Vorgehen als auch bei der Rettung und Bergung. Dieser Umstand wurde in der Vergangenheit bereits in das Ausbildungs- und Einsatzkonzept der Grubenwehren übernommen und wird regelmäßig geübt. Die Grubenwehren an den Standorten Aue und Königstein verfügen daher über entsprechend ausgebildete Seilrettungstrupps, am Standort Freiberg wurde diese Kompetenz durch die Hinzuziehung der hauptamtlichen Kräfte der Feuerwehr Freiberg, welche in Bild 4 bei einer Übung an der Schachtanlage Alte Elisabeth zu sehen sind, integriert. Darüber hinaus gibt es eine enge Zusammenarbeit in Übung und Einsatz mit der entsprechend ausgebildeten Feuerwehreinheit in Annaberg-Buchholz (Bergbau- und Höhenrettungszug Buchholz).

Fig. 4. Abscending and descending practice in the mine Alte Elisabeth (15). // Bild 4. Auf- und Abseilübung auf der Schachtanlage Alte Elisabeth (15).

Kommunikation im Einsatz

Die häufig fehlende Kommunikationsinfrastruktur in nicht regulär genutzten untertägigen Grubengebäuden erlaubt in der Regel nicht den Einsatz von funkbasierter Standardtechnik aus dem Feuerwehrwesen. Seit jeher werden im Grubenrettungswesen daher kabelgebundene Kommunikationsmittel, wie etwa das klassische Heulruftelefon, verwendet.

Nach nicht erfolgreichen Versuchen unter Tage mit marktgängiger kabelloser Technik unterschiedlichster Übertragungssysteme und Hersteller durch die Grubenwehr wurde speziell für den Grubenwehreinsatz ein neues, kabelgebundenes System an der TU Bergakademie Freiberg entwickelt, das mit vertretbaren Investitions- und Betriebskosten auch sehr große Übertragungsreichweiten und die Anbindung mehrerer Sender/Empfänger zulässt. Das neue System wird unter dem Produktnamen CABLECOM LR der Firma Imtradex Hör- & Sprechsysteme GmbH inzwischen vertrieben (Bild 5). Darüber hinaus existieren auch in anderen Bereichen wie der Höhlenforschung geeignete Kommunikationsmittel, wie z. B. das System Cave-Link, welches zeitnah am Standort Freiberg erprobt werden soll.

Fig. 5. CABLECOM LR with cable cartridge, e. g., for brigade leader (16). // Bild 5. CABLECOM LR mit Kabelkartusche, z. B. für Truppführer (16).

Reduzierung der Rettungszeit bis zur medizinischen Versorgung

Ein ernstzunehmendes Problem ist die medizinische Erstversorgung unter Tage von verunfallten bzw. verunglückten Personen und die notwendige medizinische Betreuung während des Rücktransports nach über Tage bis zur Übergabe an den Rettungsdienst bzw. Notarzt. Der untertägige Raum befindet sich außerhalb des typischen Einsatzbereichs der medizinischen Rettungsdienste, sodass die Grubenwehr auch die medizinische Erstversorgung bis nach über Tage sicherstellen muss.

Während es in vergangenen Zeiten bei großen Grubenwehren der oben genannten nicht mehr existenten Großbetriebe teilweise möglich war, dass sich betriebseigenes, ärztliches Rettungspersonal beim Einsatz in die Grubenwehr eingliedert und nach unter Tage begibt, ist eine derartige Konstellation nicht mehr verfügbar.

Der öffentliche Rettungsdienst darf aufgrund der Regelungen der Berufsverbände sich nicht in Gefahrenbereiche begeben (17) und ist daher nicht verpflichtet, in ein Bergwerk einzufahren. In den vergangenen Jahren wurden hierzu an der TU Bergakademie Freiberg verschiedene Informationsveranstaltungen über den untertägigen Bergbau mit den leitenden Notärzten in Sachsen durchgeführt, um eine Sensibilisierung des medizinischen Personals für den untertägigen Raum zu erreichen.

Weiterhin wurde, um die hier erkannte Versorgungslücke zu schließen, seit dem Jahr 2019 ein spezielles Curriculum für „Taktische Medizin im Grubenrettungswesen“ entwickelt und versuchsweise implementiert, über welches gesondert in einer medizinischen Fachpublikation berichtet werden wird.

Bergmännische Fachkenntnisse und Fertigkeiten

Eine Besonderheit betrieblicher Grubenwehren sind neben der umfassenden Ortskunde im eigenen Betrieb, die in der Organisation zur Verfügung stehenden bergbaufachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten. Dies ist das im Vergleich zu Feuerwehren wahrscheinlich wichtigste Unterscheidungsmerkmal. Mitglieder der Grubenwehr sind dazu befähigt und ausgebildet, die Standsicherheit von Grubenbauen operativ einzuschätzen und ggf. erforderliche Sicherungsmaßnahmen durchzuführen. Auch die besonderen Bedingungen und Gefährdungen des Grubenbetriebs, seiner technischen Einrichtungen und geologischen Besonderheiten sind regelmäßiger Ausbildungsbestandteil. Dies alles dient einer Reduzierung einsatzbezogener Risiken, setzt jedoch eine umfangreiche, bergbaunahe Ausbildung der Wehrleute voraus.

Durch das Zurückgehen der Sanierungsumfänge bei der Wismut rekrutiert sich die Grubenwehr z. T. aus Mitgliedern, deren reguläre berufliche Tätigkeit nicht oder nur teilweise im Grubenbetrieb stattfindet. Dies wird einerseits durch die bergbauliche Arbeiten durchführenden Verbundpartner und andererseits durch eine verstärkte Ausbildung im Bereich bergmännischer Fertigkeiten kompensiert.

Synergieeffekte zwischen Gruben- und Feuerwehren

Wie aus den obigen Abschnitten hervorgeht, bestehen zwischen Gruben- und Feuerwehren einige Unterschiede und Anforderungen hinsichtlich der Ausrüstung, aber auch Potential für Synergieeffekte. Bei untertägigen Einsätzen mit einer Brand- oder Gasgefährdung haben Grubenwehren gegenüber Feuerwehren aufgrund ihrer Ausstattung mit Langzeitatemschutz, Gasmesstechnik und speziellem Brandbekämpfungsmaterial, z. B. Dammbaumaterial, ein Alleinstellungsmerkmal. Auch bei der technischen Hilfeleistung mit einem hydraulischen Rettungssatz ist darauf zu achten, dass den Besonderheiten des Bergbaus Rechnung getragen wird, indem z. B. der Antrieb der notwendigen Hydraulikaggregate (akku-)elektrisch und nicht kraftstoffbetrieben realisiert wird. Im Bereich der Seiltechnik bestehen wiederum nur geringe Gegensätze zwischen Grubenwehren (nach (18)) und Feuerwehr (nach (19)), wobei die Feuerwehrkräfte oftmals eine höhere Übungsfrequenz aufweisen, sodass hier in Übung und Einsatz Synergieeffekte ausgenutzt werden sollten. Im Bereich der Einsatzstellenlogistik bei Einsätzen außerhalb der Betriebe der Verbundpartner sind Feuerwehren allein schon aufgrund ihrer kurzen Anfahrtswege den Grubenwehren überlegen.

Bei der Integration von Feuerwehrkräften in die Durchführung untertägiger Rettungswerke sind besondere Ausbildungsinhalte zusätzlich zu den Curricula an Landesfeuerwehrschulen oder vergleichbaren Einrichtungen notwendig, beginnend bei der Erkennung von untertägig auftretenden Gefährdungen (First- und Stoßsicherheit, Gase, …) bis zur Einsatztaktik (Truppgröße, Kommunikationsmittel und Einsatzdauer, …). Die grundsätzlich höheren Ausbildungsintensitäten und -standards sowie die hohe Einsatzfrequenz der Feuerwehren wirken sich jedoch positiv auf den Ausbildungsstand einer gemeinsam geführten Grubenwehr aus.

Von einer generellen, flächendeckenden Übertragung von Aufgaben des Grubenrettungswesens auf lokale Ortsfeuerwehren und Feuerwehreinheiten ist aufgrund der erkannten Unterschiede in Ausbildung und Ausrüstung und der einsatztaktischen Möglichkeiten der Feuerwehren auch in Zukunft abzusehen. Eine aktuelle Untersuchung aus dem Jahr 2020 zur grubenwehrtechnischen Absicherung von Einsätzen in den untertägigen Anlagen der Revierwasserlaufanstalt Freiberg, die in ihrem Einzugsgebiet auf den aktuell betriebenen Wasserwegen von 70 km Gesamtlänge insgesamt 39 Röschen mit 23 km Gesamtlänge betreibt, hat beispielsweise aufgezeigt, dass ohne eine Einbindung der Grubenwehren aufgrund von nicht angepasster Ausrüstung und Ausbildung – u. a. Gasmesstechnik, Kommunikationsmittel sowie fehlender Langzeitatemschutz – ein Rettungswerk allein durch die ortsansässigen Feuerwehren nicht darzustellen ist. Hier sind in Zukunft neue Ansätze der Einsatzkoordination mit den notwendigerweise miteinzubindenden Grubenwehren zu implementieren. Die oben beschriebene Einbindung in den BOS-Funk ist ein wichtiger Schritt. (5)

Fazit und Ausblick

Die Struktur des Bergbaus und untertägigen Raums insgesamt in Sachsen macht eine Zusammenarbeit der einzelnen Grubenwehren untereinander und die Kooperation mit Feuerwehren notwendig. Die Zusammenarbeit der Grubenwehren findet in Form der „Vereinbarung über die Zusammenarbeit im Grubenrettungswesen“ seit 2013 planmäßig auf betrieblicher Ebene statt. Die Kooperation mit Feuerwehren erfolgt auf zwei Ebenen. Einerseits sind hauptamtliche Kräfte der Feuerwehr Freiberg in die Grubenwehr am Standort Freiberg integriert. Andererseits ist eine Kooperation bei Einsätzen in untertägigen Anlagen und Einrichtungen, welche nicht zu den Betriebsteilen der Verbundpartner gehören, aus rechtlichen Vorgaben und topographischen Gegebenheiten heraus unumgänglich und notwendig. Hierbei wurden in Sachsen in letzter Zeit Fortschritte gemacht, wie etwa die Ausrüstung der Grubenwehren mit BOS-Funk und Sondersignal, aber auch weiteres Optimierungspotential wurde erkannt. In diesem Beitrag wurden dazu verschiedene Aspekte der Zusammenarbeit, wie etwa die Anforderungen an die Ausrüstung und daraus resultierende Gemeinsamkeiten und Unterschiede, diskutiert.

Auch in anderen Bergbaurevieren arbeiten Grubenwehren verschiedener Unternehmen eng zusammen, wobei sich die Art und Weise der Zusammenarbeit immer an den regionalen Gegebenheiten und Strukturen des Bergbaus orientiert und nicht einfach auf andere Reviere übertragbar ist. Als Beispiel für einen weiteren Verbund sei die Zentrale Grubenwehr Südharz genannt. (20)

References/Quellenverzeichnis

References/Quellenverzeichnis

(1) Mischo, H.; Pötzsch, S.: Aktuelle Entwicklung des Grubenrettungswesens an der TU Bergakademie Freiberg und Einführung des europäischen Ausbildungsprojekts MINERS. In: Mining Report Glückauf 154 (2018) Heft 5, S. 406 – 412.

(2) Cramer, B.: Das 4. Sächsische Berggeschrey – Euphorie und Praxis. Öffentlicher Abendvortrag der Tagung Geologie und Bergbau in Sachsen, 08.04.2015, Freiberg.

(3) Bildquelle: Stefan Pötzsch, 2021, Freiberg.

(4) Sächsisches Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz vom 24. Juni 2004 (SächsGVBl. S. 245, 647), das zuletzt durch das Gesetz vom 25. Juni 2019 (SächsGVBl. S. 521) geändert worden ist.

(5) Dawin, J.-V.: Erarbeitung eines Havariekonzepts für den Betrieb der „Revierwasserlaufanstalt Freiberg“ unter Berücksichtigung der betriebsspezifischen Gefährdungspotentiale und regional verfügbaren Rettungskräfte. Diplomarbeit am Institut für Bergbau und Spezialtiefbau der TU Bergakademie Freiberg, 2020, Freiberg.

(6) Bildquelle: Wismut GmbH, 2021, Chemnitz.

(7) Andrich, D.: Möglichkeiten und Grenzen für den Einsatz von Hubschraubern bei Grubenwehreinsätzen unter besonderer Berücksichtigung neuer Aspekte in Auswertung des Rettungswerkes in der Riesendinghöhle in Österreich. Diplomarbeit am Institut für Bergbau und Spezialtiefbau der TU Bergakademie Freiberg, 2016, Freiberg.

(8) Online: https://rettungsdienstgesetz.de/sachsen/, abgerufen am 10.02.2021.

(9) Sächsische Hohlraumverordnung vom 20. Februar 2012
(SächsGVBl. S. 191).

(10) Bildquelle: Wismut GmbH, 2020, Chemnitz.

(11) Leitlinien des Deutschen Ausschusses für das Grubenrettungswesen für Organisation, Ausstattung und Einsatz von Grubenwehren, Stand Juni 2019.

(12) Brand- und Katastrophenschutzamt der Stadt Dresden: Jahresbericht 2012. 2012, Dresden.

(13) Online: https://www.fr.de/rhein-main/hochtaunus/glueck-homburg-11267218.html, abgerufen am 10.02.2021.

(14) Weyer, J.: Grubenbewetterung. Vorlesungsunterlagen am Institut für Bergbau und Spezialtiefbau der TU Bergakademie Freiberg, 2020, Freiberg.

(15) Bildquelle: Stefan Pötzsch, 2020, Freiberg.

(16) Bildquelle: Frank Reuter, 2021, Freiberg.

(17) Neitzel, C.; Ladehof, K.: Taktische Medizin: Notfallmedizin und Einsatzmedizin. Springer, 2015, Heidelberg.

(18) Leitlinien des Deutschen Ausschusses für das Grubenrettungswesen für die Auf- und Abseiltechnik, Stand Juni 2019.

(19) Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren: Spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen, Stand Juni 2019.

(20) Online: https://www.gses.de/grubenwehr.html, abgerufen am 10.02.2021.

Authors/Autoren: Dr.-Ing. Alexander Hutwalker, Angela Binder M. Sc., Prof. Dr.-Ing. Oliver Langefeld, Institut für Bergbau, TU Clausthal, Clausthal-Zellerfeld
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