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Rohstoff-, Umwelt-, und Klimaschutzfragen zum Kohleausstieg

Am 28. Juni 2022 versammelten sich Vertreter aus verschiedenen Wirkungsbereichen wie Ministerien, Unternehmen, Hochschulen und Anwaltskanzleien zu einer virtuellen, interdisziplinären Tagung zum Thema Kohleausstieg. Sie diente dazu, die aktuelle Lage zu beleuchten und kritisch zu diskutieren. Nach der Begrüßung von Prof. Walter Frenz (Lehr- und Forschungsgebiet Berg-, Umwelt-, und Europarecht, RWTH Aachen University) und Prof. Axel Preuße (Institut für Markscheidewesen, Bergschadenkunde und Geophysik im Bergbau, RWTH Aachen University) wurden die einzelnen Referate eingeleitet. Die Zielsetzung dieser Tagung wurde maßgeblich durch die einzelnen Redner vorausgenommen, nämlich die kritische und umfassende Auseinandersetzung mit dem bevorstehenden Kohleausstieg vor dem Hintergrund eventueller Energierohstoffknappheiten. Dazu wurden Fragen formuliert wie „Wird der Kohleausstieg vorgezogen?“, „Dürfen noch Enteignungen und Umsiedlungen vorgenommen werden?“ oder „Welche Ersatzenergie darf staatlich gefördert werden?“.

Author/Autor: Maximilian Lübeck B. Sc., Lehr- und Forschungsgebiet Berg-, Umwelt- und Europarecht der RWTH Aachen University, Aachen

Die eröffnende Präsentation des 2. Kolloquiums zum Thema Rohstoff-, Umwelt-, und Klimaschutzfragen zum Kohleausstieg am 28. Juni 2022 der RWTH Aachen University (RWTH), Aachen, mit dem Thema „Regionale Konsequenzen des Kohleausstiegs in Nordrhein-Westfalen“ wurde von Alexandra Renz, Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, vorgetragen. Darin analysierte die Referentin klare regionale Herausforderungen, die mit dem Kohleausstieg nach 2030 einhergehen. Der durch die neue schwarz-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen vorgezogene Kohleausstieg datiert auf 2030, nicht wie zuvor auf 2035 und stellt die Region insoweit vor Probleme, als bis dato für eine kurzfristige Schließung der Braunkohlentagebaue im Rheinischen Revier in den nächsten acht Jahren keine konkrete Planung vorliegt (Bild 1). Hinzu kommt, dass sich der Zeitraum der Nachsorge über viele Jahrzehnte und Generationen erstrecken wird und dies durch viele sich ändernde Faktoren beeinflusst werden kann. Des Weiteren hob Renz hervor, dass die Rückstellungen der Unternehmen nur der Rekultivierung und der Renaturierung der Flächen zugutekommen würden und nicht dem Klimaschutz per se. Deswegen müsse ein gemeinsames Umdenken durch Politik und Wirtschaft erfolgen, um den Sprung vom Kohleausstieg zur nachhaltigen Energieversorgung zu schaffen, ohne dabei die Umwelt und das Klima zu vernachlässigen.

Prof. Walter Frenz, Lehr- und Forschungsgebiet Berg-, Umwelt-, und Europarecht an der RWTH fuhr mit dem Vortrag über das „EU-Klimagesetz und Kohleausstieg angesichts des Russland-Ukraine-Kriegs“ fort. Er betonte, dass eine solidarische Kraftanstrengung aller EU-Mitgliedstaaten zur CO2-Reduktion benötigt wird, um spätestens 2050 eine europäische Klimaneutralität zu erreichen. Dazu soll Deutschland eine Vorreiterrolle übernehmen und den Schulterschluss mit der Europäischen Union bestärken. Um die CO2-Reduktion auf europäischer Ebene zu beschleunigen, werden immer mehr Empfehlungen der Europäischen Kommission ausgesprochen, die vielerorts in das nationale Recht umgesetzt werden. Dabei machte Frenz auf die aktuelle Lage in Bezug auf den Russland-Ukraine-Krieg aufmerksam, da aufgrund der Erdgasknappheit die Diskussion entsteht, die Braunkohlenförderung zu verlängern (Bild 2) und somit die nationalen CO2-Reduktionsziele für 2030 schwierig zu erreichen sind, zumal die Dauer des Kriegs ungewiss ist. Durch die eventuelle Verlängerung der Braunkohlenverstromung können die Klimaziele verfehlt werden, wenn nicht an anderer Stelle stärkere Anstrengungen unternommen werden. Darüber hinaus droht die Chemieindustrie aufgrund der Erdgasknappheit auch insoweit auszufallen, als sie Lacke für Windräder produziert und damit indirekter Teil der nachhaltigen Energiegewinnung ist. Des Weiteren können Blöcke in Kraftwerken aufgrund der politisch-wirtschaftlichen Lage nicht planmäßig vom Stromnetz gehen, da in diesen Zeiten keine Planungssicherheit herrscht. Zugleich steigen die Preise für Strom und Erdgas in einem rasanten Tempo und belasten die Bürgerinnen und Bürger des Landes. Diese Preisfolgen treffen sozial schwächere Bürgerinnen und Bürger extrem und führen Deutschland in eine soziale Schieflage. Deshalb müssen alle Maßnahmen ins Feld geführt werden, um Energieengpässe zu vermeiden und somit Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Diese Maßnahmen sollten ab sofort umgesetzt werden, so Frenz. Deshalb muss über die Ausweitung der Kohleverstromung aufgrund des Russland-Ukraine-Kriegs nachgedacht werden, da erstens ökologische Belange nicht immer über wirtschaftlichen Belangen stehen und zweitens, weil auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) der nationalen Energieversorgung eine mögliche Priorität zuweist. Am 7. und 8. Juli 2022 haben Bundestag und Bundesrat der Wiederinbetriebnahme von bereits in die Reserve überführten Kohlekraftwerken zugestimmt. Zudem sollte darüber nachgedacht werden, ob effiziente Kohlekraftwerke am Stromnetz bleiben und ineffiziente vom Stromnetz genommen werden. Dies müsse gesamteuropäisch betrachtet werden, so Frenz.

Anschließend referierte RA Dirk Teßmer, Frankfurt/M., über die weitere Zulässigkeit von Enteignungen und Umsiedlungen für die Gewinnung von Braunkohle in Hinblick auf den Kohleausstieg. Zunächst ist Eigentum elementares Grundrecht und kann nicht durch eine Betriebsplanzulassung gekippt werden. Diese Betriebsplanzulassung impliziert kein Recht auf Enteignung und ist anfechtbar, so Teßmer. Dazu gibt die Landesregierung mit ihren landesplanerischen Leitentscheidungen zur Braunkohlenpolitik die grundlegenden Vorgaben für die Braunkohlenplanung für das Land Nordrhein-Westfalen vor. Hinzu kommt, dass mit diesen Leitentscheidungen die Landesregierung das Konzept des Braunkohlenabbaus im Rheinischen Revier langfristig plant. Insbesondere legt die Landesregierung in ihren Leitentscheidungen fest, in welchem Umfang ein Abbau der Braunkohle für die zukünftige Energieversorgung in Nordrhein-Westfalen erforderlich ist. In einem Urteil vom 17. Dezember 2013 vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wurde diese Vorgehensweise der Landesregierung bestätigt. Konkret werden die Umsiedlungen Holzweiler und des Hauerhofs genannt. Darüber hinaus stellte Teßmer fest, dass die Vereinbarkeit staatlicher Eingriffe in Grundrechte abhängig von der Vereinbarkeit mit Art. 20a des Grundgesetzes (GG) sind. Dieser besagt, dass der Staat die Verantwortung für die künftigen Generationen hat und deren Lebensgrundlagen durch die Gesetzgebung schützt. Hier bezieht sich Teßmer auf die wachsende Bedeutung des Klimaschutzes aus dem Beschluss des BVerfG am 24. März 2021, wonach der Art. 20a GG den Staat zum Klimaschutz und damit einhergehend zur Klimaneutralität verpflichtet. Dabei genießt dieser Artikel jedoch keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen, sondern ist im Konfliktfall in einen Ausgleich mit anderen Verfassungsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen. Der Klimawandel schreitet aber nach dem Bericht des International Panel on Climate Change (IPCC) immer weiter voran. Auf diesen Ernstfall stützt sich Teßmer. Aufgrund der vorher genannten Argumente kommt Teßmer zu dem Schluss, dass der § 48 KVBG verfassungswidrig ist. Auch vor dem Hintergrund, dass die zugesagte Fördermenge für das Rheinische Revier infolge des 1,5 °C-Ziels des Pariser Abkommens verfassungswidrig sei, sagt Teßmer, dass die energiepolitische Notwendigkeit auf einer falschen Annahme beruhe.

Im Gegensatz dazu führte RA Tobias Masing, Berlin, die Zulässigkeit von Enteignungen und Umsiedlungen für den Tagebau Garzweiler II aus Sicht des Unternehmens RWE aus. Zunächst legte Masing die aktuelle Situation im zeitlichen Verlauf dar. Im Jahr 1995 wurde unter der SPD-Alleinregierung der Braunkohlenplan genehmigt. Kurz darauf, im Jahr 1997, wurde die bergrechtliche Genehmigung für den Rahmenbetriebsplan erteilt, die schließlich Ende 2013 vom BVerfG bestätigt wurde. Des Weiteren wurde 2019 von der Bezirksregierung Arnsberg der Hauptbetriebsplan für den Tagebau Garzweiler vom 01. Januar 2020 bis 31. Dezember 2022 zugelassen. Dieser bildet ein Planwerk nach Bundesberggesetz (BBergG) und konkretisiert die Festlegung des Braunkohlenplans Garzweiler II 1995 und des Rahmenbetriebsplans Garzweiler von 1997. Für 2023 ist schon ein neuer Hauptbetriebsplan angesetzt. Die Enteignungen sind insoweit rechtens, als diese mit § 77 und § 79 BBergG begründet werden können. In § 77 BBergG (Zweck der Grundabtretung) heißt es: „(1) Nach den Vorschriften dieses Kapitels kann auf Antrag des Unternehmers eine Grundabtretung durchgeführt werden, soweit für die Errichtung oder Führung eines Gewinnungsbetriebes oder Aufbereitungsbetriebes einschließlich der dazugehörigen, in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Tätigkeiten und Einrichtungen die Benutzung eines Grundstücks notwendig ist. (2) Die Benutzung ist insbesondere dann notwendig, wenn das Vorhaben einer technisch und wirtschaftlich sachgemäßen Betriebsplanung oder Betriebsführung entspricht und die Bereitstellung von Grundstücken des Unternehmers für diesen Zweck nicht möglich oder deshalb nicht zumutbar ist, weil die Benutzung solcher Grundstücke für andere Zwecke der in Absatz 1 bezeichneten Art unerläßlich ist.“ Hinzu kommt § 79 BBergG mit seinen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Grundabtretung, in dem es heißt: „(1) Die Grundabtretung ist im einzelnen Falle zulässig, wenn sie dem Wohle der Allgemeinheit dient, insbesondere die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, die Erhaltung der Arbeitsplätze im Bergbau, der Bestand oder die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur oder der sinnvolle und planmäßige Abbau der Lagerstätte gesichert werden sollen, und der Grundabtretungszweck unter Beachtung der Standortgebundenheit des Gewinnungsbetriebes auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann. (2) Die Grundabtretung setzt voraus, dass der Grundabtretungsbegünstigte: 1. sich ernsthaft a) um den freihändigen Erwerb des Grundstücks zu angemessenen Bedingungen, insbesondere, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist, unter Angebot geeigneter anderer Grundstücke aus dem eigenen Vermögen, oder b) um die Vereinbarung eines für die Durchführung des Vorhabens ausreichenden Nutzungsverhältnisses zu angemessenen Bedingungen vergeblich bemüht hat und 2. glaubhaft macht, dass das Grundstück innerhalb angemessener Frist zu dem vorgesehenen Zweck verwendet werden wird.“ Diese klaren rechtlichen Formulierungen seien die Grundlage für die Grundabtretungen im Fall Garzweiler, so Masing. Darüber hinaus sind Grundabtretungen auch ohne weitere Kohleförderung möglich und das Verhalten der Unternehmen allumfassend im Sinne der bergbaulichen und bergrechtlichen Tätigkeit. Gerade in Bezug auf § 77 BBergG sieht Masing keinen Grund für eine Verweigerung der Enteignung, zumal die Enteignung sich auf die Gegenwart bezieht und die Zukunft in 10 Jahren ungewiss ist. Dabei geht es um die Rohstoffgewinnung im Sinne des Gemeinwohls.

Als letzter Referent des Kolloquiums präsentierte Christoph Becker-Berke, Leiter für Berg- und Planungsrecht der RWE Power AG, Essen, die Sicht und die Handlungen des Unternehmens. So stellte er fest, dass Tagebaue im Allgemeinen als dynamisches System betrachtet werden müssen auch im Hinblick auf Enteignungen und politische Kompromisse. Im Lauf des Kolloquiums kamen immer wieder Fragen bezüglich der Grundwasserversorgung und dessen Monitoring auf. Dazu legte Becker-Berke dar, dass Grundwassermodelle für die Tagebaue der RWE essentiell sind, auch im Hinblick auf die Stilllegung und die Wiedernutzbarmachung dieser. Weiter führte er aus, dass die Wiedernutzbarmachung darin bestünde, ein Naherholungsgebiet in Form eines Sees zu schaffen. Um dieses Projekt jedoch durchführen zu können, müsse eine Massengewinnung von standfestem Material durchgeführt werden. Dieses wird für die Böschungsabsicherung benötigt. Darüber hinaus wurde ein Planverfahren in die Wege geleitet, welches die Errichtung der Rurleitung in den Tagebau vorsieht, um die Füllung des Tagebaus zu beschleunigen. Außerdem ging Becker-Berke auf die aktuelle energiepolitische Situation ein. Dabei merkte er an, dass die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien seit zwei Jahren unverändert ist. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung drei Kraftwerksblöcke wieder reaktiviert und in Sicherheitsbereitschaft versetzt, um im Ernstfall keine Energieausfälle befürchten zu müssen, da in absehbarer Zeit kein russisches Gas mehr zu Verfügung steht. Dazu muss die RWE Power AG Revisionen in Höhe von 100 Mio. € durchführen und Arbeitsplätze im drei- bis vierstelligen Bereich schaffen. Hierbei spielt natürlich der Russland-Ukraine-Krieg eine große Rolle, wie Frenz eingangs erwähnte. Jedoch sieht Becker-Berke die Stromerzeugung nicht nur vor dem Hintergrund des Kriegs, sondern auch im Hinblick auf den Klimawandel als eine globale Herausforderung an. Auch bei RWE sieht man dies als Herausforderung und stellt die Weichen für den Strukturwandel im Rheinischen Revier. Mit Investitionen in Photovoltaik (PV)-Anlagen, Windparks und Gaskraftwerke mit H2-Ready wird der Strukturwandel vorangetrieben (Bild 3). In den letzten zwei Jahren wurden 200 MW an Windkraftanlagen installiert und in Betrieb genommen. Hinzu kommt, dass die PV-Anlagen bereits 2021 genehmigt worden sind. Alles in allem ergreift die RWE Power AG vielfältige Maßnahmen, um den Strukturwandel, sowohl national als auch regional voranzutreiben.

Das Kolloquium machte die aktuellen Probleme und die verschiedenen vertretenen Positionen zum Kohleausstieg anschaulich deutlich. Am 17. Januar 2023 wird ein wiederum virtuelles Folgekolloquium zum Thema Energieversorgungssicherheit und heimische Rohstoffgewinnung stattfinden.

References / Quellenverzeichnis

References / Quellenverzeichnis

(1) https://www.buzer.de/gesetz/5212/a72028.htm, abgerufen am 08.07.2022.

(2) https://www.gesetze-im-internet.de/bbergg/__79.html, abgerufen am 08.07.2022.

Author/Autor: Maximilian Lübeck B. Sc., Lehr- und Forschungsgebiet Berg-, Umwelt- und Europarecht der RWTH Aachen University, Aachen
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