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Underground Farming

Mit dem Abschied von den letzten beiden deutschen Steinkohlenbergwerken im Dezember 2018 ist das Thema der Bergwerksschließung aktuell in aller Munde. Neben den Feierlichkeiten und Erinnerungen der Kumpel steht auch immer die Frage im Raum, was mit der untertägigen Infrastruktur von Bergwerken geschehen soll. Die Verfüllung alter Hohlräume und Schächte sowie der weiterhin notwendige Betrieb und die Wartung von Pumpenanlagen sind Beispiele dafür, wie kostenaufwändig die Schließung eines Bergwerks sein kann. Daher wird weltweit nach Möglichkeiten für die Nachnutzung von Bergwerken geforscht. Einige besondere Ideen für eine solche Nachnutzung von unterirdischen Hohlräumen finden sich unter dem Schlagwort „Underground Farming“.

Autoren: Prof. Dr.-Ing. Oliver Langefeld, Mining Institute, Clausthal Technical University and Prof. Dr. Martin Tegtmeier, Schaper & Brümmer GmbH & Co. KG and Institute for Separation and Process Technology, Clausthal Technical University, Clausthal-Zellerfeld/Germany

Einführung

Mit dem Abschied von den letzten beiden deutschen Steinkohlenbergwerken im Dezember 2018 ist das Thema der Bergwerksschließung aktuell in aller Munde. Neben den Feierlichkeiten und Erinnerungen der Kumpel steht dabei auch immer die Frage im Raum, was mit der untertägigen Infrastruktur von Bergwerken geschehen soll. Die Verfüllung alter Hohlräume und Schächte sowie der weiterhin notwendige Betrieb und die Wartung von Pumpenanlagen sind Beispiele dafür, wie kostenaufwändig die Schließung eines Bergwerks sein kann. Daher wird weltweit nach Möglichkeiten für die Nachnutzung von Bergwerken geforscht.

Viele Ideen und Umsetzungen lassen sich bereits heute finden. Langefeld und Binder schreiben in (1) und (2) unter den Stichworten „Blue Mining“ und „Responsible Mining“ ausführlich, wie sich gerade untertägige Bergwerke außerhalb des Gewinnungsprozesses schon während der Produktionsphase nutzen lassen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Planung für diese ergänzenden Prozesse schon während der Planungsphase des Bergwerks durchgeführt wird, um unnötigen Aufwand zu sparen. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von elektrischer Energieerzeugung, z. B. durch Geothermie, über Energieumwandlung, z. B. durch Pumpspeicherwerke, bis hin zur Hohlraumnutzung. Große Hohlräume stehen bei einigen Abbauverfahren, wie z. B. dem Kammer- oder dem Örterbau häufig noch Jahre nach der Gewinnung zur Verfügung. Bild 1 zeigt ein Beispiel aus dem Schieferbau der Firma MAGOG in Schmallenberg (3).

Fig. 1. Cavity at slate mine, MAGOG (3). // Bild 1. Hohlraum im Schieferbergwerk der Firma MAGOG (3).

Underground Farming als neue Nutzungsmöglichkeit untertägiger Infrastruktur

So werden Bergwerke zur Lagerung und Deponierung von Reststoffen genutzt, die in großen Hohlräumen verwertet werden und zur Stabilität beitragen. In anderen Bergwerken werden Dokumente sicher verwahrt oder ganze Servereinrichtungen betrieben, während wieder andere Bergwerke als Museum genutzt werden, um so die Geschichte einer Region für die nächsten Generationen zu bewahren. Diese zusätzlichen Nutzungen finden nicht nur in geschlossenen Bergwerken Anwendung, sondern auch in noch produzierenden Bergwerken. Sie stellen dann eine weitere Einnahmequelle dar, die bei den schwankenden Rohstoffpreisen manchmal das Überleben sichern kann. Einige besondere Ideen für die Nachnutzung von unterirdischen Hohlräumen finden sich unter dem Schlagwort „Underground Farming“.

Bislang besaß der Anbau von Pflanzen unter Tage eher den Charakter eines Nischendaseins. Unter Spezialisten geschätzt, war diese Thematik nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern auch für die meisten Fachkreise wenig bekannt. Lediglich Champi-gnonkulturen als verwandte Produktionstechnik finden sich in größeren Abständen in der allgemeinen Berichterstattung. Mit der Legalisierung von Cannabis gewinnt nun diese Produktionstechnik eine wachsende Aktualität.

Um diese Entwicklung zu verstehen, ist eine Betrachtung des (Arznei-)Pflanzenanbaus in seinem Spektrum von technologischen Möglichkeiten über die landwirtschaftliche Praxis bis zu regulatorischen Rahmenbedingungen notwendig (4). Der Anbau von für Lebensmittel vorgesehenen Pflanzen, z. B. Gerste, Weizen, Zuckerrüben, wird wie die Bereitstellung von Pflanzen, z. B. Ölsaaten, für die industrielle Produktion u. a. von Bedarfsgegenständen, Chemikalien, Farben und Lacken durch die moderne, quasi den industriellen Maßstäben angepasste Landwirtschaft gewährleistet. Um die Wirtschaftlichkeit zu erfüllen, erfolgt die Produktion auf großen Flächenarealen mit der entsprechenden Maschinentechnik.

Während für die tägliche Ernährung (Lebensmittel-) Pflanzenäquivalente in nennenswerten Grammmengen für jeden Menschen erforderlich sind, benötigen lediglich wenige Menschen Medikamente. Ihre Wirkstoffmengen betragen oft nur wenige Milligramm, so wie bei den Herzglykosiden, deren pflanzlichen Ursprung der Fingerhut bildet. Dadurch erreichen die zu produzierenden Jahresmengen an Arzneipflanzen einen recht geringen Anteil an der gesamten Pflanzenproduktion, und der Anbau von Arzneipflanzen kann sich auf kleine Flächen beschränken.

Anstelle der üblichen Großmaschinen werden kleine Geräte benötigt oder sogar halbmanuelle Arbeitsweisen erforderlich. Mit der Direktsaat oder dem Einbringen von Jungpflanzen beginnt der Anbau, wobei die Jungpflanzen über ein Saatverfahren, eine Stecklingsvermehrung oder eine in-vitro-Kultur bereitgestellt werden können.

Die regulatorischen Vorgaben verbieten zudem einen Einsatz von Spritzmitteln für die Kulturpflege, sodass eine mechanische Beikrautvermeidung und -entfernung die Verwendung von Herbiziden ersetzt. Dieses dem Laien unter Unkrautvernichtung bekannte Vorgehen kann mit speziellen Kulturtechniken wie dem Folienanbau realisiert werden, gelegentlich muss aber auch ein Einsatz des manuellen Unkrauthackens erfolgen. Generell müssen die Pflanzen unter Beachtung der arzneimittelrechtlichen Regelungen für das Anbauland kultiviert werden. Sollten unterschiedliche Regelungen zwischen Anbau- und Vertriebsland bestehen, müssen beide, d. h. im Einzelfall die weitergehenden Vorgaben, berücksichtigt werden. In den vergangenen Jahrzehnten ist eine umfassende Harmonisierung gelungen, sodass die Richtlinien der Europäischen Union eine weltweit hohe Akzeptanz genießen (5). Die kleinflächige Kulturführung mit ihren vorgestellten Rahmenbedingungen empfiehlt sich für Adaptionen in bergbaulichen Hohlräumen.

Mit Underground Farming wird grundsätzlich ein unterirdischer Anbau von Pflanzen oder Pilzen beschrieben, wobei der Anbau in natürlichen Höhlen oder in anthropogenen Hohlräumen wie Tiefgaragen, Tunneln oder eben auch Bergwerken betrieben werden kann. Diese Idee bietet die Möglichkeit, die gewünschte Nachnutzung von Bergwerken mit der Vermeidung von negativen Einflüssen der Landwirtschaft, einer anderen aktuellen Pro-blematik, zu verbinden. Beim Underground Farming müssen keine übertägigen Flächen genutzt werden und im Fall der Nutzung von städtischen untertägigen Anlagen wird auch der Transportweg zum Konsumenten verkürzt (6).

Die Pflanzen wachsen unter Tage beispielsweise in hydroponischen Systemen, d. h. sie wachsen nicht in der Erde, sondern in einer wässrigen Lösung, die sie mit den benötigten Nährstoffen versorgt (7). Die Versorgung mit Licht wird mit der Nutzung modernster LED-Technologie gewährleistet. Sowohl die Nährstoff-lösung wie auch die Beleuchtung können exakt auf die Bedürfnisse der jeweiligen Pflanzen abgestimmt werden und somit optimale Wachstumsbedingungen bieten. In dieser kontrollierten Umgebung fallen negative Einflüsse durch Parasiten oder extreme Wetterbedingungen, welche die Landwirtschaft über Tage vermehrt erschweren, nicht an (8, 9).

Die Idee des unterirdischen Anbaus ist dabei nicht neu. Ein Beispiel für die Anpflanzung von pharmazeutischen Anbaukulturen lässt sich im Kupferbergwerk Trout Lake – betrieben von der Firma Hudbay Minerals Inc. – in der Nähe von Flin Flon/Kanada finden. Dort wurde von 2001 bis 2009 medizinisches Marihuana in einer Anbaukammer unter Tage angebaut. Hierbei konnte die Nutzung eines Bergwerks Vorteile in Bezug auf die Absicherung der Anlage und den kontrollierten Zugang bieten. Das pharmazeutische Unternehmen Prairie Plant Systems (PPS) hat seit längerem mit Hudbay Minerals zusammengearbeitet und verschiedene Pflanzenarten, wie Rosen, Tomaten und pharmazeutische Kulturen, untertägig angebaut. Im Jahr 2009 endete der Nutzungsvertrag zwischen dem Bergwerksbetreiber Hudbay und PPS. Das Bergwerk Trout Lake wurde im Jahr 2012 geschlossen (10, 11).

Ein aktuelleres Beispiel für die Forschung im Bereich Underground Farming ist das finnische Bergwerk Pyhäsalmi in Pyhä-järvi (Bild 2). Hier werden noch bis zum Jahr 2019 in 1.450 m Teufe Kupfer, Zink und Pyrit durch die Firma First Quantum Minerals Ltd. abgebaut. Im Zuge des Projekts „Callio – Mine for Buisness“ werden verschiedene Möglichkeiten für die Nachnutzung dieses Bergwerks nach Einstellung der Produktion erprobt. Ein Testprojekt für den untertägigen Anbau von Kartoffeln und Fasernesseln lief von Januar 2017 bis Dezember 2018 (9, 12).

Fig. 2. Underground Farming at the mine Pyhäjärvi; Pyhäjärven Kehitys Oy, Natural Resources Institute Finland (9). // Bild 2. Underground Farming im Bergwerk Pyhäjärvi; Pyhäjärven Kehitys Oy, Natural Resources Institute Finland (9).

Die Bewertung von Cannabis hat sich in den vergangenen Jahren deutlich geändert. So unterlag die Nutzung der Pflanze als potentieller Lieferant von illegalen Betäubungsmitteln einem Tabu und stand unter Strafandrohung. Lange Zeit galt das aus Cannabis gewonnene Marihuana als Einstiegsdroge zu einem nicht mehr kontrollierbaren Drogenkonsum. Lediglich der Anbau ausgewählter Hanfsorten, deren Gehalt an betäubungsmittelrechtlich relevanten Inhaltsstoffen durch Züchtungsmaßnahmen bedeutungslos geworden war, wurde zur Faserhanfgewinnung genehmigt.

Die wissenschaftliche Forschung führte zu einer neuen Bewertung, die Cannabis den Rang eines kontrollierbaren Genussmittels verleiht. So entstand der Trend zur Legalisierung des Konsums von Marihuana, welcher in einigen Ländern bis zum freien Handel reicht. Inzwischen wächst auch in der Medizin das Interesse an Cannabis als aussichtsreiche Option in der Behandlung von schweren Erkrankungen und Schmerzzuständen. Aus diesem Grund wurden in Deutschland die betäubungsmittelrechtlichen Vorgaben überarbeitet, um die Voraussetzungen für eine umfassende therapeutische Nutzung von Cannabis zu gewährleisten. Nun können im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens von der staatlichen Cannabisagentur Anbaukontingente vergeben werden, welche das Pflanzenmaterial für die medikamentöse Therapie liefern sollen.

Da Cannabis in Deutschland weiterhin dem Betäubungsmittelrecht unterliegt, kann der Anbau nur in geschlossenen und besonders geschützten Räumlichkeiten stattfinden. Die Kulturführung entspricht den bereits dargestellten Anbaubedingungen mit LED-Licht. Den Nährboden für die Jungpflanzen bilden hingegen klassische Substrate anstelle von hydroponischen Systemen.

Der Cannabisanbau unterliegt nicht nur dem GACP-Regelwerk (Good Agricultural and Collection Practice) (13, 14), sondern auch den Vorgaben der (Wirkstoff-)Herstellung von Arzneimitteln (GMP – Good Manufacturing Practice) (15), wenn Pflanzenteile nach der Ernte ohne weitere Verarbeitungsschritte direkt zur Therapie verwendet werden. Der etablierte Arzneipflanzenanbau führte bereits in den vergangenen Jahren zur Publikation von anerkannten Ausführungsbestimmungen für den Pflanzenproduzenten und die arzneimittelrechtlich Verantwortlichen. Diese Empfehlungen, welche auch Details zur Lieferantenqualifizierung (16) aus Sicht des Arzneimittelrechts beinhalten, lassen sich ohne Schwierigkeiten auf den Cannabisanbau in untertägigen Räumlichkeiten übertragen.

Ausblick

Underground Farming in Bergwerken, wie auch in urbanen unterirdischen Anlagen, ist ein aktuelles Forschungsgebiet und bietet eine Möglichkeit für die Nachnutzung von vorhandener Infrastruktur. Durch die kontrollierten Umwelteinflüsse werden optimale Wachstumsbedingungen für die Pflanzen gewährleistet und es können hohe Ernteerträge erzielt werden. Noch ist die Anzahl der vorhandenen Projekte überschaubar, es zeigt sich jedoch Potential für die Zukunft. Gerade in Deutschland gibt es verschiedene Bergwerke, die bereits geschlossen wurden und deren Hohlräume noch teilweise zugänglich sind oder auch produzierende Bergwerke, die eine Reihe von großen Hohlräumen bieten, in denen ein Anbau möglich wäre. Hier gilt es zu untersuchen, inwieweit die Umgebungsbedingungen jeweils auf die spezifischen Anforderungen der Pflanzen eingestellt werden können.

Quellenverzeichnis

Quellenverzeichnis

(1) Langefeld, O.; Binder, A.: Blue Mining – Planning future mines today. In: World of Mining – Surface & Underground, pp. 109 – 112, 2017.

(2) Langefeld, O.; Binder, A.: Responsible Mining. In: Mining Report Glückauf (154) Heft 1/2018, pp. 26 – 33.

(3) Homepage der Firma MAGOG, Schmallenberg. Online available: www.magog.de.

(4) Hagels, H.; Strube, J.; Tegtmeier, M.: Pflanzen als Rohstoffbasis. In: CITplus 17 (12), pp. 6 – 8, 2014.

(5) European Medicines Agency: Guideline on Good Agricultural and Collection Practice (GACP) for Starting Materials of Herbal Origin. 2006. Online available: www.ema.europa.eu/documents/scientific-guideline/guideline-good-agricultural-collection-practice-gacp-starting-materials-herbal-origin_en.pdf.

(6) Growing Underground: Growing Underground. 2018. Online available: www.growing-underground.com. Accessed 25 November 2018.

(7) Hydroponik. 2018. Online available: www.erdelos.de. Accessed 28 November 2018.

(8) Rodionova, Z.: Inside London’s first underground farm. 3 Februar 2017. Online available: www.independent.co.uk/Business/indyventure/growing-underground-london-farm-food-waste-first-food-miles-a7562151.html. Accessed 25 November 2018.

(9) Pyhäjärven Callio: Plant Production. 2018. Online available: www.callio.info/natural-resources-business/kasvintuotanto. Accessed 25 November 2018.

(10) Kornelsen, K.: Hudbay Minerals continues to make history in Manitoba. 2012. Online available: www.miningandenergy.ca/manitoba/article/hudbay_minerals_continues_to_make_history_in_manitoba/. Accessed 28 November 2018.

(11) Naylor, J.: Reflections: Flin Flon’s “Marijuana Capital” era. 12 November 2016. Online available: www.thereminder.ca/news/local-news/reflections-flin-flon-s-marijuana-capital-era-1.2622063. Accessed 25 November 2018.

(12) First Quantum Minerals Ltd.: Pyhäsalmi. 2017. Online available: www.first-quantum.com/Our-Business/operating-mines/Pyhasalmi/default.aspx. Accessed 28 November 2018.

(13) Hagels, H.; Tegtmeier, M.; Strube, J.; Both, S.: GACP Regulation for Herbal Raw Materials. In: Plant Medica 79 (13), pp. 1105 – 1106, 2013.

(14) Graf vom Hagen-Plettenberg, M.; Klier, B.; Tegtmeier, M.; Waimer, F.; Steinhoff, B.: Good Agricultural and Collection Practice (GACP) – A Pragmatic and Efficient State-of-the-art Standard. In: Pharmazeutische Industrie 74 (7), pp. 1078 – 1084, 2012.

(15) Wagner, B.; Waimer, F.; Klier, B.; Tegtmeier, M.; Steinhoff,B.: Implementation of GMP for the Manufacture of Herbal Perparations: An Efficient and Successful Approach for Initial Steps. In: Pharmazeutische Industrie 76 (2), pp. 222 – 230, 2014.

(16) Raiser, M.; Hofmann, W.; Steckly, G.; Tegtmeier, M.; Torres Londono, P.; Steinhoff, B.: Qualification of Suppliers of Cultivated and Wild Collected Medicinal Plants. Pharmazeutische Industrie 79 (1), pp. 66 – 70, 2017.

Autoren: Prof. Dr.-Ing. Oliver Langefeld, Mining Institute, Clausthal Technical University and Prof. Dr. Martin Tegtmeier, Schaper & Brümmer GmbH & Co. KG and Institute for Separation and Process Technology, Clausthal Technical University, Clausthal-Zellerfeld/Germany

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