Der weltweit führende Kupferproduzent Chile sieht sich mit sinkender Produktivität, Umweltschutzbedenken und Arbeitsniederlegungen konfrontiert. Neue Technologien helfen dem Bergbausektor, wettbewerbsfähiger zu werden, indem sie Kosten senken und die Sicherheit erhöhen. Die Digitalisierung hält allerdings erst langsam Einzug. Einige deutsche Unternehmen beteiligen sich an der Entwicklung und Einführung von Innovationen.
Fahrerlose Trucks, GPS-Überwachung, benzinsparende Wegoptimierung – auf den ersten Blick entspricht der chilenische Bergbausektor internationalen Standards. „Teilweise ist die Technik da, aber die Kultur für Innovationen fehlt. Einige Kommunikationsaspekte sind gut ausgereift, die elektronischen Komponenten weniger“, berichtet Peter Klaus, früherer Geschäftsführer von Fourthane. Das chilenische Unternehmen entwickelt Reparaturmaterialien auf Polymerbasis für Gummifördergurte sowie Auskleidungsmaterialien für Mühlen, Trichter und Übergabestellen in der Schüttgutindustrie und hat den Innovationspreis Avonni gewonnen.
Betrieb und Planung stehen in Chiles Bergbau vor den Herausforderungen der Steigerung von Produktivität und Effizienz, der Einhaltung von Umweltschutzrichtlinien und sozialer Verantwortung sowie der Erhöhung von Sicherheit und Qualität im Arbeitsumfeld. Als sich ein Arbeitskonflikt in der weltweit größten Kupfermine Escondida im Frühjahr 2017 über sechs Wochen hinzog, wurde der Ruf nach automatisierten Lösungen lauter. Der lange Streik kostete das Unternehmen BHP knapp 1 Mrd. US-$.
Das Programm „Alta Ley“, eine öffentlich-private Initiative der staatlichen Wirtschaftsfördergesellschaft Corfo (Corporación de Fomento de la Producción) und des Bergbauministeriums, soll die Wettbewerbsfähigkeit der Branche verbessern. Dazu gehört die Entwicklung einer Zulieferindustrie, die innovative Technologien mit größeren technologischen Kapazitäten bereitstellt. Besonders Technologien zur Sprengung, Automatisierung und Prozesstechnik sind gefragt. Als ein wichtiger Baustein der nationalen Roadmap des Bergbaus für die Jahre 2015 bis 2035 gilt das Advanced Mining Technology Center AMTC (Technologiezentrum für fortschrittlichen Bergbau). Gegründet im Jahr 2009 an der ältesten öffentlichen Universität des Landes Universidad de Chile erhält AMTC staatliche Mittel unter der Bedingung, eng mit der Privatwirtschaft zu kooperieren. Das Labor entwickelt Technologien, die im Bergbau angewendet, aber auch auf andere Branchen übertragen werden können.
Eines der Elemente der Roadmap besteht in der Reduzierung des Risikos, dass Rückhaltevorrichtungen für Schlamm-becken brechen. AMTC entwickelt dafür ein System, welches Daten über die chemische Zusammensetzung und Stabilität der Schlammbecken erzeugt, um Warnungen an Arbeiter, Behörden und Gemeinden zu senden. Weitere Projekte zielen auf die Verminderung von Emissionen ab, beispielsweise die Entfernung von Arsen aus Wasser.
Ausfallzeiten verringern soll ein Roboter, der die Kartierung einer Mine beschleunigt. Um die Extraktion zu optimieren, müssen die Sensoren immer wieder kalibriert werden. Derzeit erfolgt dies manuell und die Produktion wird jedes Mal für mehrere Stunden unterbrochen. AMTC hat Prototypen für einen Roboter entwickelt, der diese Arbeit während der Produktion erledigt. Einige Bergbauunternehmen nutzen die erstellten Karten bereits.
Wartezeiten minimieren wird auch eine hyperspektrale Technologie zur Analyse von Bildern über ein elektromagnetisches Spektrum. Die Software erkennt verschiedene Ebenen des Gesteins, identifiziert Muster der verfügbaren Mineralien und erzeugt Wärmekarten. Techniker markieren bestimmte Arten von Mineral innerhalb des Bilds. Geologen werten die Proben vor Ort in Echtzeit aus, um sofort Entscheidungen zu treffen.
Das Forschungszentrum hat auch eine Technologie entwickelt, die es ermöglicht, ohne GPS zu navigieren. Die meisten autonomen Fahrzeuge verwenden GPS und benötigen dazu mehrere gleichzeitige Signale. Bislang konnten Lkw nicht mehr manövrieren, sobald eines der Signale ausfiel.
Ein weiteres Produkt kommt vom deutschen Bergbaumaschinenhersteller GHH, der ein selbstfahrendes LHD-Fahrzeug entwickelt hat, um Gestein aus untertägigen Bergwerken zu fördern. Das Modell verfügt über einen mobilen Lader, um in schmalen Wegen zu manövrieren. Damit kann er beim Vertikalbohren eingesetzt werden, was häufig in mittelgroßen Minen in Chile und auch in Kanada zum Einsatz kommt.
Das Softwareunternehmen HiKey Resource mit Hauptsitz in Australien und IT-Hub in Deutschland hat eine Verwaltungssoftware für Projekt- und Außendienstunternehmen der Bergbau-, Energie- und Bauindustrie entwickelt. Gründer Sven Petrich arbeitet zurzeit mit einem Teil seines Teams von Santiago aus. Ihm war bei einer früheren Tätigkeit in Sydney aufgefallen, dass Hightech allenfalls in der Rohstoffgewinnung verwendet wird, die Verwaltung jedoch hinterherhinkt. „Bei 100 Mitarbeitern wächst der Papierstapel bei traditioneller Zeiterfassung in einem Jahr auf 2,3 m und es vergehen Wochen, bis die Arbeitsstunden in der Zentrale ausgewertet sind“, erläutert Business Development Manager Florian Kohlhammer im Interview.
Das Produkt Time2L ist in Australien bereits auf dem Markt. Angestellte reichen ihre Stundennachweise digital ein, ihre Vorgesetzten genehmigen sie mit einem Klick. Die Daten aller Mitarbeiter stehen nach Freigabe sofort im zentralen System bereit. Das Start-up wirbt damit, dass die Lohnabrechnung zügiger und fehlerfreier erfolgt und Betrug erschwert wird, weil das Unternehmen in Echtzeit auf die Zeitdaten zugreifen kann. Da die Daten bereits dem jeweiligen Projekt zugeordnet sind, gewinnt es einen Überblick, welche Stunden auf welche Aufträge gebucht werden und kann so leichter erfassen, ob ein Projekt profitabel war.
Neben Soll/Ist-Vergleichen können Sicherheitsbestimmungen integriert werden. Bevor gegen Ruhezeiten zwischen Schichten oder maximale Arbeitsstunden pro Tag verstoßen wird, sendet das Zeitwerkzeug eine Warnung an den betroffenen Arbeiter und den jeweiligen Vorgesetzten. Bald soll das Ressourcenmanagement 2.0 außer dem Personal auch die Ausrüstung einbeziehen und darüber informieren, wann welches Fahrzeug gebraucht wird und welche speziellen Kenntnisse der Fahrer haben muss.
Kritiker warnen davor, dass durch eine zunehmende Automatisierung im Bergbau Arbeitsplätze verloren gehen. Schon heute steht der Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 8,1 % im Jahr 2016 einem Anteil von nur 2,1 % an der Gesamtbeschäftigung gegenüber. Dadurch erhöht sich der Druck auf den Sektor, mehr Arbeitsplätze zu schaffen und höhere Löhne zu bezahlen.
Branchenvertreter hingegen argumentieren, dass menschliche Arbeitskraft sowohl in unterirdischen Bergwerken als auch im Tagebau weiterhin unersetzlich sei. Der Einsatz von Robotern und autonomen Fahrzeugen verbessere vielmehr die Sicherheit und Lebensqualität der Arbeiter. Ein Beispiel sind Hochwasserrisiken, die in der Vergangenheit einige Minen zweitweise komplett lahmlegten. Autonome Fahrzeuge ermöglichen es, bei einer Flut die Maschine herauszunehmen, aufzuräumen und die Arbeit fortzusetzen. (GTAI/Si.)