Unter dem Titel „Geothermie und atomare Endlagersuche nach dem Standortauswahlgesetz“ fand am 10. Juli 2018 das 19. Aachener Altlasten- und Bergschadenkundliche Kolloquium (ABK) in der TEMA Pyramid in Aachen statt (Bild 1). Die Tagung wurde gemeinsam vom Institut für Markscheidewesen, Bergschadenkunde und Geophysik im Bergbau und dem Lehr- und Forschungsgebiet Berg-, Umwelt- und Europarecht der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen sowie der GDMB Gesellschaft der Metallurgen und Bergleute e. V., Clausthal-Zellerfeld, veranstaltet. Seitdem der Atomausstieg bis zum Jahr 2022 fest beschlossen wurde, geht es nun vor allem um die Folgeneinschätzung und somit um die Suche nach einem geeigneten Endlager. Die rechtliche Regelung des Standortauswahlgesetzes (StandAG) stellt die Behörden und die gesamte Bundesrepublik jedoch vor große Probleme. Das -StandAG wurde zunächst im Jahr 2013 – jetzt gilt die Fassung aus dem Jahr 2017 – eigens als Spezialgesetz geschaffen, um nach dem Willen der Bevölkerung transparent ein sicheres Endlager für die atomaren Abfälle zu suchen. Das Verfahren wurde nach dem Prinzip der „weißen Landkarte“ auf Null gestellt. Doch gestaltet sich diese Suche als ein schwieriger und vor allem ein langwieriger Prozess.
Es stellt sich die Frage, ob während dieser Zeit – auch in nur potentiell als Endlagerstandort in Betracht kommenden Gebieten – keine Geothermiebohrungen erfolgen dürfen. Nach § 21 StandAG wird eine Sicherung von geeigneten Standorten verlangt. Doch folgt daraus ein völliger Ausschluss der Tiefengeothermie? Was sagen die Gesetze? Welche Konsequenzen gibt es? Und was können die verantwortlichen Behörden beitragen? Diese Fragen und weitere Probleme rund um den Atomausstieg und die Endlagerung radioaktiver Abfälle wurden bei dem Kolloquium in acht Fachvorträgen interdisziplinär und aus der Sicht verschiedener Experten diskutiert. Somit wurde ein Gesamtbild zum Atomausstieg und dessen Folgen und Schwierigkeiten entworfen.
Nach einer kurzen Einführung und Begrüßung von Prof. Axel Preuße, RWTH Aachen, eröffnete Christian Gosberg von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) die Tagung. Als Referent der technischen Geschäftsführung der BGE referierte er über den „Stand der Endlagerprojekte Konrad, Asse und Morsleben“. Im Rückblick auf die Verzögerung der geplanten Zulassung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) im Fall Konrad um weitere fünf Jahre zeigte Gosberg in seinem Vortrag auf, dass einige Altverträge nicht mehr mit der aktuellen Vergabeordnung übereinstimmen und somit neu ausgeschrieben werden müssen. Weiterhin informierte er über das ausführliche Prüfverfahren eines jeden Standorts sowie über neu angewandte Erkundungstechnologien, wie modernste 3D-Seismik zur geowissenschaftlichen Untersuchung, um Kosten und wirtschaftliche Risiken zu verringern und Gebiete mit guten Erfolgschancen einzugrenzen.
Es folgte ein Vortrag von RA Ulrich Wollenteit aus Hamburg über „Das rechtliche System der Standortsuche“. Zunächst konzentrierte sich Wollenteit auf die Klärung grundsätzlicher Fragen: Was wird gesucht? Wie wird gesucht? Wer sucht? Nach § 1 StandAG soll ein Standort gefunden werden, der die bestmögliche Sicherheit zur Endlagerung hochradioaktiver Abfälle gewährleistet. Somit sollen für diese Suche auch alle verfügbaren Optimierungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden. Zur Beantwortung der Frage, wie gesucht wird, beschreibt das StandAG in § 1 Abs. 2 das Verfahren zur Findung eines Standorts für im Inland verursachte hochradioaktive Abfälle. Die verfahrensleitenden Prinzipien, nach denen die Endlagersuche betrieben werden soll, bestimmen das Verfahren als partizipativ, wissenschaftsbasiert, transparent, selbsthinterfragend und lernend. Wollenteit machte ebenfalls deutlich, dass er den in § 1 Abs. 5 StandAG vorgeschriebenen Zeitrahmen, bis zum Jahr 2031 einen Endlagerstandort gefunden zu haben, für unrealistisch hält. Des Weiteren widmete er sich den Phasen der Standortsuche sowie dessen Voraussetzungen, Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen und Abwägungskriterien. Im Hinblick auf die Frage, wer sucht, sprach Wollenteit die Akteure des Verfahrens und neue Beteiligungsformate an. Nach § 5 Abs. 1 S. 2 StandAG werden auch ausdrücklich die Bürger als Mitgestalter des Verfahrens genannt, um einem möglichen Widerstand gegen einen neuen Standort präventiv vorzubeugen.
Hans-Georg Thiem, Präsident des Landesamts für Bergbau, Geologie und Rohstoffe Brandenburg, referierte über „Endlager versus Geothermie“. Im An-schluss an die Frage, inwiefern die Bergbehörde zur Standortsuche beitragen kann, konstatierte er, seine Behörde könne dem BGE lediglich Daten zur Verfügung stellen, die vom BDE auf die Endlagersuche angewandt werden können. Doch seien diese Daten teilweise problematisch, da sie nur oberflächennah erhoben worden wären, die Datenerhebung nur in rentablen Regionen erfolgte, die Datenqualität schlecht sei und nur wenige Daten auch digital verfügbar wären.
Es folgte Prof. Walter Frenz mit einer kritischen Auseinandersetzung zum Thema „Aus für Geothermieprojekte? Freihaltung geeigneter Endlagerstandorte versus Genehmigungsanspruch“ (Bild 2). Frenz widmete sich der Vorhabensperre, die Bohrvorhaben hindern kann, und stellte die Frage, ob diese Sperre zulässig sei, obwohl bislang nur ein auf eine lange Suche angelegtes Gesetz in Kraft getreten ist und noch immer Behörden ausgebaut werden. Somit geht es um die Unzulässigkeit einer Sperre angesichts zahlreicher in Betracht kommender Gebiete. Da die in § 21 Abs. 2 S. 1 StandAG enthaltenen Zulassungsmöglichkeiten im StandAG nach Frenz sehr großzügig auszulegen sind, beschäftigte er sich mit den Ausnahmen und Mindestanforderungen sowie Härtefällen aufgrund einer notwendigen grundrechtlichen Weiterung.
Werner Grigo von der Bezirksregierung Arnsberg sprach über „Die Bedeutung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standorts für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle in Nordrhein-Westfalen unter besonderer Berücksichtigung der Belange der Geothermie-Branche und anderer Sektoren des Bergbaus“. Gemäß StandAG sollen in einem Zwischenbericht Gebiete aufgezeigt werden, die günstige geologische Voraussetzungen haben. Dazu benötigt die BGE zunächst Daten der Bergbehörde – im Hinblick auf die räumliche Lage und Erstreckung früherer Aktivitäten – um die Ausschlusskriterien des StandAG auf das gesamte Bundesgebiet anwenden zu können. Damit mögliche Endlagerstandorte von Anfang an geschützt werden können, verwies Grigo auf den Interessenausgleich von wirtschaftlichen Interessen mit denen des Gemeinwohls.
Danach referierten Frank Charlier und Prof. Axel Preuße von der RWTH zur „Suche eines geeigneten Standorts für die End- und Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle“. Dabei wurde zunächst der Weg zur Standortbestimmung beschrieben, dem folgend die Phasen im Verfahren sowie die Kriterien und der Zeitbedarf. Durch die Novellierung des StandAG soll der Auswahlprozess zukünftig in einem „wissenschaftsbasierten und transparenten“ Verfahren erfolgen.
Anschließend knüpfte RA Prof. Tobias Leidinger aus Düsseldorf mit seinem Vortrag zur „Übertragung des Beteiligungsmodus nach -StandAG auf die Zwischenlagerung – Ist eine grundlegende Reform der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Zwischenlagerverfahren erforderlich?“ an die Debatte der Transparenz und der Legitimation des Auswahlverfahrens an. Das Beteiligungsverfahren im StandAG ziele darauf ab, durch die Beteiligung der Bürger eine höhere Legitimation in der Gesellschaft sowie einen gemeinsamen Konsens hinsichtlich der Standortauswahl zu erreichen. Nach ausführlicher Begründung durch Leidinger fehle es aber an einer fachlichen Eignung des nationalen Begleitgremiums und somit auch an der Notwendigkeit, diesem Gremium institutionalisierter Öffentlichkeitsbeteiligung weitreichendere Kompetenzen zu übertragen.
Als letzter Referent berichtete Tobias Thienel aus Kiel über das Kernkraftwerk Tihange im Hinblick auf die „Grenzüberschreitende Kernkraftnutzung und ihre Limits“ und ein potentiell rechtliches Verbot. Nach Thienel ergeben sich mögliche Verletzungen des Völker- und Europarechts in dem Sinn, als dass nicht die Pflicht zur Verwendung der besten verfügbaren Technik erfüllt wurde. Da an der Normerzeugung aber auch immer Staaten beteiligt sind, die weiterhin für den Betrieb von Atomkraftwerken sind, gestaltet es sich schwierig, ein Abschalten mithilfe von Völker- und Europarecht zu begründen.
Mit einem Schlusswort von Prof. Frenz endete das 19. ABK in Aachen, welches verschiedenen Interessen und Standpunkten einen breiten Raum bot und zu anregenden Diskussionen führte. Prof. Frenz verwies abschließend auf das 20. KBU am 05.Februar 2019 mit dem Titel „Kohleausstieg: Zeitplan und Folgen“. (Schüttler, RWTH)