Home » Nachhaltige Rohstoffgewinnung

Nachhaltige Rohstoffgewinnung

Gewährleistet das bisherige Bundesbergrecht bereits eine nachhaltige Rohstoffgewinnung – oder muss es mit diesem Ziel reformiert werden? Der Koalitionsvertrag der Parteien der aktuellen Ampel-Koalition in Deutschland will dieses Recht auf die Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung sowie ökologisch ausrichten – bei gleichzeitiger Erleichterung des heimischen Rohstoffabbaus.

Author/Autor: Prof. Dr. Walter Frenz, Maître en Droit Public, RWTH Aachen University, Aachen/Germany

1  Bundesbergrecht als Rohstoffrecht

Die Rohstoffgewinnung ist im Bundesberggesetz (BBergG) geordnet. Bergrecht ist Rohstoffrecht. Kann es daher einen ökologischen Gehalt haben, der den Ansprüchen an eine nachhaltige Rohstoffgewinnung genügt? Diese Frage stellt sich vor dem Hintergrund der anstehenden Reform des Bundesbergrechts in aller Schärfe. Nach dem Koalitionsvertrag soll das Bundesbergrecht, das grundlegende Recht für die Gewinnung von Primärrohstoffen, modernisiert werden und damit die Wirtschaft bei der Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung unterstützen, den heimischen Rohstoffabbau erleichtern sowie ökologisch ausrichten (1). Ein Reformvorschlag wurde im Forschungsprojekt INSTRO – Instrumente zur umweltverträglichen Steuerung der Rohstoffgewinnung – erarbeitet, das von 2016 bis 2018 im Auftrag des Umweltbundesamts und des Bundesumweltministeriums im Rahmen des Umweltforschungsplans unter Federführung des Ökoinstituts durchgeführt wurde (2). Dieser INSTRO-Reformvorschlag will die Zweckbestimmung des § 1 BBergG ändern, weil immer noch der Rohstoffzweck dominiere (3).

Die Zweckvorschrift des § 1 BBergG spiegelt zunächst die bergbaulichen Sachgesetzlichkeiten wider. Dazu gehören die in Nr. 1 zum Ausdruck kommende Standortgebundenheit bergbaulicher Tätigkeit aufgrund der Lagerstättenbezogenheit, die Dynamik des Rohstoffabbaus in Anpassung an die nicht vorhersehbaren Gegebenheiten der Lagerstätte, ein nicht zuletzt daraus resultierender spezifischer Arbeits- und Gesundheitsschutz vor allem im untertägigen Bergbau (Nr. 2) sowie die insbesondere bei Letzterem auftretenden Oberflächenschäden (Nr. 3) (4). Die in § 1 Nr. 1 BBergG an erster Stelle genannte Sicherung der Rohstoffversorgung hat eine elementare ökonomische, aber auch soziale Komponente, wie die Folgen des Russland-Ukraine-Kriegs mit den daraus drohenden Versorgungsengpässen und Preissteigerungen in wichtigen Rohstoffsegmenten zeigen.

Aus diesen Sachgesetzlichkeiten sowie der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Bergbaus wird eine besondere Stellung des Bergrechts im System des Bundesrechts abgeleitet (5). Indes gilt schon lange nicht mehr der Satz: Bergrecht bricht Grundgesetz, wie die Garzweiler-Entscheidung des BVerfG (6) mit den darin abgeleiteten grundrechtlichen Anforderungen und den gleichgewichtig zu wahrenden Umweltbelangen anschaulich belegt.

2  Einbeziehung des Umweltschutzes und zukünftiger Entwicklungen

Ohnehin werden die Auswirkungen auf die Umwelt und damit die ökologische Komponente der Nachhaltigkeit als Dreiklang zwischen Wirtschaft, Umwelt und Sozialem durch § 1 Nr. 3 BBergG abgedeckt: Ihre besonderen und typischen Manifestationen werden in Oberflächenschäden verortet (7). Weitergehend bezieht sich § 1 Nr. 3 BBergG auf die Vorsorge gegen bergbaubedingte Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachgüter. Diese Komponente ist spätestens seit dem Jahrhunderthochwasser vom Juli 2021 (Bild 1) ökologisch auszurichten, schon um den grundrechtlichen Schutzpflichten zu genügen (8). Aber auch schon vorher erstreckte die Rechtsprechung den Schutz für Leben und Gesundheit auf die Vorsorge vor Hochwassergefahren (9).

Fig. 1. The Ahr valley after the record flash floods in July 2021. // Bild 1. Das Ahrtal nach dem Jahrhunderthochwasser im Juli 2021. Photo/Foto: © Christian, stock.adobe.com

Somit finden sich ökologische Belange gleichgewichtig wieder, wie es die Nachhaltigkeit verlangt. Ebenso dürfen, wie die notwendige Vorsorge vor Hochwasser belegt, nicht nur die Belange der gegenwärtigen Generationen einbezogen werden, sondern auch die der künftigen Generationen sind zu wahren – ebenfalls ein wichtiges Element der Nachhaltigkeit (10) und für den Klimaschutz vom BVerfG zwingend vorgegeben (11). Die Verantwortung für Letztere betont die Umweltstaatszielbestimmung des Grundgesetzes (GG) in Art. 20a ausdrücklich und verlangt damit einen langfristigen Umweltschutz. Dieser ist auch für den Rohstoffabbau und die Bewältigung seiner Folgen sicherzustellen.

Damit lässt sich § 1 BBergG insgesamt ökologisch ausrichten. Grundlage dafür bildet die Nachhaltigkeit, die aus den verschiedenen Elementen des § 1 BBergG abgeleitet werden kann (12). Sinnbild dafür ist die gleichgewichtige Stellung des Bodenschutzes neben dem Lagerstättenschutz in § 1 Nr. 1 BBergG. Schon deshalb wird eine Nachhaltigkeitsklausel angenommen (13). Diese ist nunmehr auch auf den Klimaschutz zu erstrecken.

3  Doppelte Relevanz des Klimaschutzes

Zwar haften Bergbaubetriebe nicht für die etwa aus der Stromerzeugung folgenden CO2-Emissionen, fehlt doch der notwendige Bergbaubezug nach § 114 BBergG (14). So weit reicht auch die Einwirkung des Klimaschutzes auf die Zweckvorschrift des § 1 Nr. 3 BBergG nicht, die sich auch auf die Bergschadenshaftung erstreckt. Indes sind Gefährdungen aus dem Bergbau und seinen Folgen für Leben und Gesundheit wie auch Sachgüter relevant, welche durch die steigende Erderwärmung immer stärker eintreten und für die daher in immer stärkerem Maße Anpassungsmaßnahmen zu treffen sind (15). Fallen diese defizitär aus, kommt eine Bergschadenshaftung in Betracht. Diese Frage stellt sich aktuell wegen der Hochwasserschäden im Bereich von Tagebauen bei Bergheim und Erftstadt (16). Umso eher ist dann bereits beim Rohstoffabbau und der Nachsorge darauf zu achten, dass auch klimabedingte Veränderungen berücksichtigt werden und die Hochwasservorsorge entsprechend verstärkt wird, sodass es zu solchen Schäden erst gar nicht kommt.

Es geht also nicht um eine allgemeine Klimavorsorge, sondern um den Schutz vor den Gefährdungen aus den konkreten Folgewirkungen des Klimawandels, soweit diese durch den Bergbau verstärkt werden. Umgekehrt kann der Bergbau dazu beitragen, die Folgen des Klimawandels zu mildern, nämlich durch die Lieferung von Rohstoffen, welche für die Verwirklichung des Klimaschutzes benötigt werden, z. B. von Lithium für Lithium-Ionen-Batterien für die Mobilitätswende. Zudem können so die Rohstoffe gewonnen werden, die als „Tauschwährung“ dafür dienen, solche Rohstoffe zu importieren, die für das Vorantreiben des Klimaschutzes etwa durch den beschleunigten Ökostromausbau notwendig sind, z. B. zum Bau von Windrädern, Solaranlagen und Leitungen (Bild 2).

Fig. 2. Wind turbines on the Brinkfortsheide spoil tip in Marl. // Bild 2. Windräder auf der Bergehalde Brinkfortsheide in Marl. Photo/Foto: RVR

Insoweit ist die Rohstoffgewinnung international zu betrachten (17) und als Grundlage für eine weltweite Offenheit zu sehen, andere Staaten mit Rohstoffen zu beliefern, um ihre Rolle für mehr Klimaschutz wahrzunehmen. Deutschland kann auch insofern ein Beispiel geben, um andere Staaten wie bei seinen Klimaschutzanstrengungen (18) zur Nachahmung zu bewegen und zur bereitwilligen Lieferung von Rohstoffen für den Klimaschutz zu animieren. Das gilt zumal vor dem Hintergrund des Russland-Ukraine-Kriegs, durch den wichtige Rohstoffquellen auch für den Klimaschutz zu entfallen drohen.

Dieser doppelte Hintergrund des Klimaschutzes, nämlich in Gestalt der Vorsorge vor weiterer Erderwärmung einschließlich des dafür notwendigen weltweiten Rohstoffaustauschs sowie in dem Auffangen der Folgen des Klimawandels, ist auch bei der Zulassung von Bergbauvorhaben zu berücksichtigen. Dies verlangt die interpretationsleitende Zweckbestimmung des § 1 BBergG.

4  Folgen für die Zweckvorschrift des § 1 BBergG

Damit kann diese Zweckbestimmung umwelt- und klimaschutzgerecht sowie nachhaltig ausgelegt und gehandhabt werden. Bei einer solchen Sicht herrscht entgegen dem INSTRO-Reformvorschlag der Rohstoffzweck nicht mehr vor. Der Umweltschutz als fachübergeordneter Belang ergibt sich wie vom INSTRO-Reformvorschlag gefordert (19) ohne eine Änderung schon angesichts der notwendigen Ausrichtung im Sinne der Nachhaltigkeit, die bereits in § 1 BBergG enthalten ist, jedenfalls aber durch die Umweltstaatszielbestimmung des Art. 20a GG gewährleistet wird. In der jetzigen Formulierung von § 1 BBergG sind zudem Ansätze für eine Auslegung und Ausrichtung i. S. d. aus Art. 20a GG abzuleitenden Klimaschutzgebots (20) enthalten. Daher bedarf es höchstens einer klarstellenden Formulierung, die diese – in jedem Fall zu bewahrenden – Gehalte deutlicher abbildet.

5  Nachhaltige Handhabung der Zulassungsvoraussetzungen

5.1  Rahmen

Vor allem ist die ökologische Komponente der Nachhaltigkeit in die Prüfung bergbaulicher Betriebsplanzulassungen eingegangen. Formal erfolgte dies durch die Erstreckung der Umweltverträglichkeitsprüfung auf bergbauliche Vorhaben und die daraus regelmäßig resultierende Rahmenbetriebsplanzulassung. Materiell ist seine umfassende Prüfung, die sich nicht zuletzt im Garzweiler-Urteil des BVerfG (21) zeigt, wie der INSTRO-Reformvorschlag betont (22), über den i. V. m. § 1 Nr. 3 BBergG stehenden § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBergG (23) sowie über § 48 Abs. 2 BBergG seit Langem sichergestellt (24), auch wenn umweltbezogene Anforderungen nur partiell ausdrücklich genannt sind, weshalb durch den INSTRO-Reformvorschlag eine grundlegende Änderung gefordert wird (25). Dabei ergibt sich schon jetzt eine gleichgewichtige Abwägung. Die Rohstoffsicherung besitzt keinen einseitigen Vorrang mehr, wie im Folgenden im Einzelnen darzulegen ist.

5.2  Ausweitung von § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBergG

Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBergG ist die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern, Beschäftigter und Dritter im Betrieb einzuhalten. Das BVerwG anerkannte ausdrücklich, dass sich bei der Absenkung eines Grundstücks infolge des Bergbaus auf ein Niveau, bei dem es künftig von einem Hochwasser erreicht werden kann, eine Gefahr für die Gesundheit verwirklicht, die auf den Bergbau zurückzuführen ist (26).

Damit zeigt sich der Umweltbezug bereits in den klassischen Voraussetzungen für die Zulassung eines Betriebsplans nach § 55 BBergG. Er gewährleistet eine weiträumige und langfristige Sicherung vor Hochwassergefährdungen. § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBergG differenziert jedenfalls insoweit nicht danach, ob eine Gefahr unmittelbar oder mittelbar durch den Bergbaubetrieb herbeigeführt wird (27). Das trifft aber nicht auf die Ursachen zu. Daher sieht das BVerwG durch diese Bestimmung Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter außerhalb des Betriebs umfassend umschlossen. Es müssen vorsorgliche Maßnahmen nicht nur gegen betriebliche Gefahren im engeren Sinne getroffen werden, sondern auch gegen Gefahren, die nur mittelbar durch den Betrieb herbeigeführt werden (28). Dabei zieht das BVerwG die gängigen Standards heran. Dazu gehört die Auslegung der Deiche auf ein 200-jähriges Hochwasserereignis nach den Empfehlungen der Ministerkonferenz für Raumordnung und Bauen. Im konkreten Fall wird Schutz vor einem etwa 500-jährigen Hochwasser sichergestellt (29).

Daran zeigt sich, wie stark vorsorgend die Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und letztlich jedenfalls im Ergebnis auch zum Schutz von Sachgütern ausgelegt ist. Die Behörde muss sicherstellen, dass „ein Hochwasserschutz nach dem Stand der Technik gewährleistet“ ist (30). Dieser Stand der Technik ist an die Bedrohungslagen aufgrund des Klimawandels anzupassen. Dies ist bereits ein Beispiel für den dynamischen Charakter des Bergrechts, den der INSTRO-Reformvorschlag fordert, und zwar durch Einführung von Grundpflichten des Bergbautreibenden (31).

Damit gibt es zwar kein allgemeines Klimaschutzgebot im Bergbau, jedoch sind klimabedingte Auswirkungen in den Blick zu nehmen, die durch den Bergbau verstärkt werden, so verstärkte Hochwasserereignisse, welche nicht durch bergbaubedingte Maßnahmen noch verschärft werden dürfen. Die Jahrhundertflut vom Juli 2021 ist hierzu mahnendes Beispiel, durch welches die grundrechtlichen Schutzpflichten verstärkt und aktualisiert werden (32), die letztlich auch in der Anwendung von § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBergG durchschlagen müssen (33).

5.3  § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BBergG als dynamische Spätfolgenklausel

Schließlich ist gem. § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BBergG die Betriebsplanzulassung davon abhängig, dass gemeinschädliche Einwirkungen der Aufsuchung und Gewinnung nicht zu erwarten sind. Im Meggen-Urteil dynamisierte das BVerwG die Gemeinschadensklausel und unterstellte ihr – auch ohne vorherige Festlegung im Betriebsplan – entsprechend dem Verursacherprinzip die Erhaltung elementarer umweltrechtlicher Anforderungen in der Nachsorge, so im Rahmen der Wasserhaltung (Bild 3) (34).

Fig. 3. Pumping operations at Zollverein colliery in Essen by RAG Aktiengesell­schaft. // Bild 3. Wasserhaltung der RAG Aktiengesell­schaft auf der Zeche Zollverein in Essen. Photo/Foto: RAG, Dietmar Klingenburg

Auch hieran zeigt sich der umfassende Umweltbezug, soweit er durch bergbaurelevante Vorgänge und Gegebenheiten hergestellt wird, ebenso die Konvergenz mit der Nachhaltigkeit, welche die Einbeziehung zukunftsbezogener Entwicklungen zur Wahrung der Belange künftiger Generationen verlangt.

Nicht mehr außen vor bleiben kann daher auch der Klimaschutz. Die bergbauliche Nachsorge ist zur Verhinderung von gemeinschädlichen Einwirkungen so zu gestalten, dass die sich inzwischen zeigenden und auch die absehbar eintretenden Veränderungen durch den Klimawandel berücksichtigt werden und darauf beruhende katastrophale Auswirkungen wie nunmehr im Gefolge des Jahrhunderthochwassers vom Juli 2021 bei Bergheim und Erftstadt nicht eintreten, wo ganze Häuser weggespült wurden, und zwar im Areal eines offenbar nicht hinreichend abgesicherten ehemaligen Tagebaus (35). Aber auch daraus ergibt sich keine allgemeine Klimaverantwortlichkeit von Bergbaubetrieben, sondern nur eine solche für zumindest auch spezifisch bergbaubedingte Vorgänge.

Daran zeigt sich, wie stark die Gemeinschadensklausel des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BBergG für aktuelle Ereignisse durch den Klimawandel fruchtbar gemacht werden kann. Insoweit zeigt sich zugleich die Flexibilität des aktuellen Zulassungs- und Nachsorgerechts nach dem BBergG. Dieses kann daher auch angesichts des Klimaschutzes und der angestrebten nachhaltigen Rohstoffgewinnung mit ökologischer Ausrichtung bleiben und muss nicht reformiert werden.

5.4  Umfassender Umweltbezug nach § 48 Abs. 2 BBergG

Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG kann die für die Zulassung von Betriebsplänen zuständige Behörde eine Aufsuchung oder eine Gewinnung beschränken oder versagen, soweit ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Das ist eine zusätzliche Zulassungsvoraussetzung – in Ergänzung von § 55 Abs. 1 BBergG (36). Es ist fest anerkannt, dass über § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG alle Belange, die nicht schon durch § 55 BBergG erfasst werden, in die bergrechtliche Betriebsplanzulassung einzubeziehen sind (37). Dementsprechend erfolgt auch eine umfassende Umweltprüfung, obgleich sie dem Wortlaut der Norm kaum zu entnehmen ist. Daher wird allerdings durch den INSTRO-Reformvorschlag ein dem deutschen Verwaltungsrecht fremdes „Case Law“ angenommen, das offene Rechtsfragen hinterlässt, welche normativ eindeutig geklärt werden müssten (38). Dabei geht es vor allem um die Reichweite des § 48 Abs. 2 BBergG, der aber von seinem Wortlaut offen und daher auf sämtliche Betriebspläne zu erstrecken ist (39), sowie um die Frage der Gewichtung von Rohstoffbelangen. Entscheidend ist die seit Jahrzehnten erfolgende umfassende Einbeziehung von Umweltbelangen.

5.5  Kein (relativer) Vorrang von Rohstoffbelangen

Ein früheres Problem war, ob diese Einbeziehung von Umweltbelangen gleichgewichtig erfolgt, wie es der Nachhaltigkeitsgrundsatz erfordert. Diese Belange sollten nämlich aufgrund der Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 BBergG gegenüber dem Bergbau nachrangig sein. Zwar sollte kein absoluter Vorrang bestehen (40), aber immer noch ein relativer (41). Insoweit bestehen indes schon Bedenken im Hinblick auf die Zweckvorschrift des § 1 BBergG (42) sowie die Verfassungsvorgaben, welche eine gleichgewichtige Abwägung von ökonomischen und ökologischen Belangen fordern (43).

Existierte § 48 BBergG nicht, würden die Umweltbelange trotzdem einbezogen werden müssen. Dies würde vielfach schon die unmittelbare Wirkung des Unionsrechts bedingen. Jedenfalls insoweit muss das Umweltrecht mit der Bedeutung zum Zuge kommen können, die ihm das Unionsrecht beimisst. Damit kann eine Rohstoffsicherungsklausel schon aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts nicht das Umweltrecht zum nachrangigen Belang werden lassen.

Überdies sind die Umweltgesetze regelmäßig nicht so gefasst, dass sie bergbauliche Vorgänge ausnehmen. Daher finden sie auf alle Projekte mit den jeweils erfassten Umweltauswirkungen Anwendung. Generell dürfen keine Pauschalausnahmen für eine bestimmte Kategorie von Projekten erfolgen. Es muss im Einzelfall zumindest anhand objektiver Umstände eine erhebliche Beeinträchtigung ausgeschlossen sein (44). So stufte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Weidehaltung von Vieh und die Ausbringung von Düngemitteln in der Nähe von Natura 2000-Gebieten als ein nicht ausnehmbares, prüfungspflichtiges Projekt nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL ein (45). Somit können auch Rohstoffvorhaben, selbst wenn sie wie der Abbau von Lithium für den Klimaschutz wichtig sind, nicht pauschal aus dem Habitatschutz ausgeklammert werden.

Eine generelle Erstreckung gilt also von vornherein für das Naturschutzrecht namentlich in Gestalt des Habitatschutzrechts, aber auch für das Immissionsschutzrecht und das Wasserrecht, das ohnehin einer eigenständigen Prüfung bedarf, aber auch sogleich in die Zulassungsentscheidung einzubeziehen ist. Schon in dieser ist die realisierbare Möglichkeit des Hochwasserschutzes zu prüfen, die nähere Ausgestaltung obliegt hingegen der Wasserbehörde (46).

Daraus ergibt sich ebenfalls, dass Umweltbelange nicht etwa nachrangig zu Rohstoffinteressen zu prüfen sind, sondern in dem ihnen eigenen Rechtsgehalt kraft anderweitiger normativer Festlegung. § 48 Abs. 2 BBergG bildet eine Rechtsgrundverweisung, die Umweltbelange werden nicht bergrechtlich novelliert. Sie sind schon nach heutiger Rechtslage umfassend einzubeziehen und gleichgeordnet zu prüfen.

Das BVerfG gab in der Garzweiler-Entscheidung eine umfassende Abwägung von Belangen, die für einen Rohstoffabbau sprechen, sowie der gegenläufigen Aspekte und dabei nicht nur des Eigentumsschutzes, sondern auch des Umwelt- und dabei vor allem des Gewässerschutzes vor (47). Eine bestimmte Reihung oder Gewichtung legte das Gericht nicht fest (48). Vielmehr verlangte es eine ergebnisoffene Abwägung und damit eine solche auf einer Ebene, in der ein Vorhaben auch noch abgelehnt werden kann, mithin nicht erst auf der Ebene von Hauptbetriebsplänen, sondern auf der von Rahmenbetriebsplänen. Das aber impliziert, dass dem Rohstoffabbau widersprechende Belange sich auch im Ergebnis durchsetzen können müssen. Auf ihrer Basis muss mithin ein Vorhaben auch abgelehnt werden können (49). Damit werden sie jedenfalls nicht a priori durch Rohstoffbelange verdrängt, sondern müssen auch ein negatives Ergebnis herbeiführen können.

Auch ein genereller relativer Vorrang der Rohstoffbelange lässt sich bei diesem Ansatz schwerlich unterbringen. Schließlich sind beide Eckpunkte grundgesetzlich gleichermaßen verankert: die Rohstoffbelange in den Wirtschaftsgrundrechten, der Umweltschutz in der Umweltstaatszielbestimmung des Art. 20a GG. Diese Eckpunkte beziehen sich nicht nur auf Braunkohle, sondern auch auf andere Rohstoffe. Werden für deren Abbau Grundstücke in Anspruch genommen oder beansprucht, greift auch insoweit der Eigentumsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG. Dieser ist nicht auf das Enteignungsverfahren für Braunkohlentagebaue beschränkt. Er ist aber durchgehend mit der Umweltstaatszielbestimmung des Art. 20a GG abzugleichen. Ökonomische und ökologische Belange sind mithin gleichermaßen auszutarieren und einzelfallbezogen abzuwägen (50). Dieses Ergebnis lässt sich schon auf der Basis der aktuellen bergrechtlichen Regelung erzielen, sodass es keiner Streichung oder auch nur Reform der Rohstoffsicherungsklausel bedarf, wie sie der INSTRO-Reformvorschlag fordert (51).

6  Fazit

Damit sind Umweltanforderungen bei den Zulassungsvoraussetzungen für bergbauliche Vorhaben umfassend zu berücksichtigen. Sie stehen den für einen Rohstoffabbau sprechenden Belangen gleichgewichtig gegenüber. Daher sind Umweltbelange durch die bestehende gesetzliche Regelung und ihre seit Jahrzehnten geübte Anwendung durch die Rechtsprechung hinreichend berücksichtigt, sodass es keiner Neuregelung bedarf. Das gilt auch für die Zweckvorschrift des § 1 BBergG, die wichtige Ansätze für die Nachhaltigkeit enthält und so eine nachhaltigkeitsgerechte Handhabung des Bundesbergrechts sichert. Dieses bedarf daher keiner Änderung. Das gilt auch vor dem Hintergrund des Russland-Ukraine-Kriegs. Dieser erfordert die Versorgung mit Rohstoffen, die nunmehr wegbrechen. So wird in der Ostukraine einer der größten Lithium-Vorräte Europas angenommen (52). Lithium-Ionen-Batterien sind die Grundlage für Elektroautos. Daher müssen die so entfallenden Rohstoffe im Inland gewonnen oder aus dem Ausland beschafft werden, unter Umständen im Gegenzug zu Rohstoffen, die hier gefördert werden.

Daher bedarf es zwingend eines Rechtssystems, das den Abbau der solchermaßen benötigten Rohstoffe gewährleistet. Auch dies ist Ausdruck einer nachhaltigen Rohstoffgewinnung. Anders lässt sich Klimaschutz zur Sicherung der Lebensbedingungen künftiger Generationen nicht erfolgreich realisieren.

References / Quellenverzeichnis

References / Quellenverzeichnis

(1) Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP vom 24.11.2021: Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Abrufbar unter https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf (letzter Abruf: 05.05.2022), S. 34.

(2) Keimeyer, F.; Gailhofer, P.; Schomerus, T.; Teßmer, D.: Anhang: Empfehlungen zur Reform des Bergrechts. In: Frenz, W. (Hrsg.): BBergG, 2019, S. 1801 ff. sowie ausführlich UBA, INSTRO Abschlussbericht Teil 1 u. Teil 2 vom Juli 2019, abrufbar unter https://www.umweltbundesamt.de/en/publikationen/recht-der-rohstoffgewinnung-reformbausteine-fuer und https://www.umweltbundesamt.de/en/publikationen/rohstoffbedarfsplanung-konzeptionelle-eckpunkte (letzter Abruf: 05.05.2022).

(3) Keimeyer, F.; Gailhofer, P.; Schomerus, T.; Teßmer, D.: Anhang: Empfehlungen zur Reform des Bergrechts. In: Frenz, W. (Hrsg.): BBergG, 2019, S. 1805 mit Fußn. 6, in der auf von Hammerstein, F., in: Boldt, G.; Weller, H.; Kühne, G.; von Mäßenhausen, H.-U. (Hrsg.), BBergG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 2 verwiesen wird.

(4) Graf Vitzthum, S.; Piens, R. In: Piens, R.; Schulte, H.-W.; Graf Vitzthum, S.: BBergG, 3. Aufl. 2020, § 1 Rn. 6.

(5) Von Hammerstein, F. In: Boldt, G.; Weller, H.; Kühne, G.; von Mäßenhausen, H.-U. (Hrsg.): BBergG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 6 ff.; Graf Vitzthum, S.; Piens, R. In: Piens, R.; Schulte, H.-W.; Graf Vitzthum, S.: BBergG, 3. Aufl. 2020, § 1 Rn. 6 a. E.; Frenz, W. In: Frenz, W. (Hrsg.), BBergG, 2019, § 1 Rn. 2 ff. auch für das Folgende.

(6) BVerfG, 1 BvR 3139/08 u. 1 BvR 3386/08 v. 17.12.2013.

(7) Graf Vitzthum, S.; Piens, R. In: Piens, R.;Schulte, H.-W.; Graf Vitzthum, S.: BBergG, 3. Aufl. 2020, § 1 Rn. 17.

(8) Frenz, W.: DÖV 2021, S. 715 ff.

(9) BVerwG, 7 C 18/09 vom 29.04.2010 sowie näher sogleich Kap. 3.

(10) Frenz, W.: Grundzüge des Klimaschutzrechts. 2. Aufl. 2022, Rn. 12 f.

(11) BVerfG, 1 BvR 2656/18 u. a. (Rn. 182 ff., 249) v. 24.03.2021.

(12) Mit weiteren Aspekten bereits Frenz, W.: Bergrecht und nachhaltige Entwicklung, 2001, S. 14 ff.

(13) Graf Vitzthum, S.; Piens, R. In: Piens, R.; Schulte, H.-W.; Graf Vitzthum, S.: BBergG. 3. Aufl. 2020, § 1 Rn. 17, 19.

(14) Frenz, W.: RdE 2022, S. 61 ff. unter Ablehnung auch einer allgemeinen Schadenshaftung, welche allerdings Frank, W., RdE 2022, S. 305 ff. befürwortet. Abl. auch Risse, J.; Haller, H.: NJW 2021, 3500 (3502 f.).

(15) Frenz, W., in: Frenz, W. (Hrsg.): Gesamtkommentar Klimaschutzrecht, 2. Aufl. 2022, Ausblick nach dem Koalitionsvertrag, Einf. O Rn. 44.

(16) Frenz, W.: ZNER 2022, S. 115 ff.

(17) Frenz, W.: DVBl. 2022, Heft 10.

(18) BVerfG: 1 BvR 2656/18 u. a. (Rn. 203) v. 24.03.2021.

(19) Keimeyer, F.; Gailhofer, P.; Schomerus, T.; Teßmer, D.: Anhang: Empfehlungen zur Reform des Bergrechts. In: Frenz, W. (Hrsg.): BBergG, 2019, S. 1806.

(20) BVerfG: 1 BvR 2656/18 u. a. (Rn. 197 ff.) v. 24.03.2021.

(21) BVerfG: 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 v. 17.12.2013.

(22) Keimeyer, F.; Gailhofer, P.; Schomerus, T.; Teßmer, D.: Anhang: Empfehlungen zur Reform des Bergrechts. In: Frenz, W. (Hrsg.): BBergG, 2019, S.1806.

(23) Zu ihm BVerwG: 7 C 18/09 (Rn. 21 ff.) v. 29.04.2010.

(24) Näher sogleich Kap. 2. 2.c) und d).

(25) Keimeyer, F.; Gailhofer, P.; Schomerus, T.; Teßmer, D.: Anhang: Empfehlungen zur Reform des Bergrechts. In: Frenz, W. (Hrsg.): BBergG, 2019, S. 1816.

(26) BVerwG: 7 C 18/09 (Rn. 21) v. 29.04.2010.

(27) S. dagegen für den Sachgüterschutz BVerwG, 7 C 26/03 v. 14.04.2005; weiter Beyer, S.: Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, 2005, S. 124 ff.; Frenz, W.: Die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für austretende Grubengase, 2002, S. 27 ff.

(28) BVerwG: 7 C 18/09 (Rn. 20) v. 29.04.2010.

(29) BVerwG: 7 C 18/09 (Rn. 27) v. 29.04.2010.

(30) BVerwG: 7 C 18/09 (Rn. 27) v. 29.04.2010.

(31) Keimeyer, F.; Gailhofer, P.; Schomerus, T.; Teßmer, D.: Anhang: Empfehlungen zur Reform des Bergrechts. In: Frenz, W. (Hrsg.): BBergG, 2019, S. 1821 f.

(32) Frenz, W.: DÖV 2021, 715 ff.

(33) S. bereits o. 2. für § 1 Nr. 3 BBergG.

(34) BVerwG: 7 C 22/12 (Rn. 43 ff.) v. 18.12.2014.

(35) Näher dazu Frenz, W., ZNER 2022, 115 ff.

(36) BVerwG: 4 C 31.84 v. 04.07.1986, stRspr.

(37) BVerwG: 4 C 31/84 v. 04.07.1986: Ergänzungsfunktion.

(38) Keimeyer, F.; Gailhofer, P.; Schomerus, T.; Teßmer, D.: Anhang: Empfehlungen zur Reform des Bergrechts. In: Frenz, W. (Hrsg.). BBergG, 2019, S. 1817.

(39) Keimeyer, F.; Gailhofer, P.; Schomerus, T.; Teßmer, D.: Anhang: Empfehlungen zur Reform des Bergrechts. In: Frenz, W. (Hrsg.): BBergG, 2019, S. 1818.

(40) Hoppe, W.: DVBl 1987, 757 (761 f.).

(41) Kühne, G: In: Boldt, G.; Weller, H.; Kühne, G.; von Mäßenhausen, H.-U. (Hrsg.): BBergG, 2. Aufl. 2016, § 48 Rn. 1 ff. m. w. N.

(42) S. o. Kap. 4.

(43) VG Leipzig, 5 K 23.94 v. 19.01.1995; VGH Mannheim, 6 S 2972/84 v. 09.06.1988; Erbguth, W.: VerwArch. 1996, 258 (275 f.) sowie Frenz, W.: Sustainable Development durch Raumplanung, 2000, S. 85 ff. und näher II.1.b), c).

(44) EuGH: C-293 u. 294/17 u. a. (Ls. 5, Rn. 112) v. 07.11.2018.

(45) EuGH: C-293 u. 294/17 u. a. (Rn. 73) v. 07.11.2018.

(46) BVerwG: 7 C 18/09 (Rn. 21 ff.) v. 29.04.2010.

(47) BVerfG: 1 BvR 3139/08 u. a. (Rn. 214, 216, 312 ff.) v. 17.12.2013.

(48) BVerfG: 1 BvR 3139/08 u. a. (Rn. 274 ff., 302) v. 17.12.2013.

(49) BVerfG: 1 BvR 3139/08 u. a. (Rn. 317) v. 17.12.2013.

(50) Frenz, W.: Sustainable Development durch Raumplanung, 2000, S. 56 ff., 66 ff., 73 ff.

(51) Keimeyer, F.; Gailhofer, P.; Schomerus, T.; Teßmer, D.: Anhang: Empfehlungen zur Reform des Bergrechts. In: Frenz, W. (Hrsg.): BBergG, 2019, S. 1826 f.

(52) EURACTIV vom 13.07.2021: EU und Ukraine wollen „strategische Partnerschaft“ im Bereich Rohstoffe unterzeichnen. Abrufbar unter https://www.euractiv.de/section/finanzen-und-wirtschaft/news/eu-und-ukraine-wollen-strategische-partnerschaft-im-bereich-rohstoffe-unterzeichnen/ (letzter Abruf: 05.05.2022).

Author/Autor: Prof. Dr. Walter Frenz, Maître en Droit Public, RWTH Aachen University, Aachen/Germany
Online_Abonnement