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Steinkohlenkraftwerke sind als Back-Up für die Energiewende klimafreundlicher als offene Gasturbinen

Um die sichere Stromversorgung in Deutschland im Zuge der Energiewende zu gewährleisten und die Erzeugungsschwankungen der erneuerbaren Energien ausgleichen zu können, wird die Flexibilität thermischer Kraftwerke insbesondere im Teillastbetrieb künftig enorm an Bedeutung gewinnen. Schon heute leisten Steinkohlenkraftwerke aufgrund ihrer hohen Flexibilität den Hauptanteil beim Lastausgleich für die fluktuierenden erneuerbaren Energien.

Eine vom Verein der Kohlenimporteure e. V. (VDKi), Hamburg, vorgestellte Studie des renommierten Beratungsunternehmens Pöyry Management Consulting hat daher die direkten und indirekten Treib-haus-gasemissionen der Stromgewinnung durch Steinkohlen- und Gaskraftwerke betrachtet. Hierbei wurde auch die für den Ausgleich der Einspeiseschwankungen der erneuerbaren Energien besonders wichtige Teillast betrachtet. Im Rahmen der Analyse wurden umfassende internationale Studien zu den Emissionen in Förderung und Transport von Steinkohle und Erdgas verglichen und ausgewertet. Werden diese indirekten Treibhausgasemissionen zu denen der Stromerzeugung in den Kraftwerken addiert, zeigt sich unter Berücksichtigung des Kohle- und Gasbezugsmixes für Deutschland im Jahr 2014, dass in einem Teillastbetriebsszenario die direkten Treibhausgasemissionen der Stromgewinnung bei den offenen Gasturbinen um bis zu 76 % höher liegen als bei modernen Steinkohlenkraftwerken. Auch die Treibhausgasemissionsdifferenz zwischen modernen Steinkohlenkraftwerken und Gas-und-Dampf- (GuD) Kraftwerken ohne Wärmeauskopplung reduziert sich von 36 % unter Volllast auf 30 % im Teillastbetrieb.

Bezieht man also die Treibhausgasemissionen mit ein, die bei der Förderung und dem Transport der beiden Energieträger entstehen, so ist die Teillast-Stromerzeugung durch moderne Steinkohlenkraftwerke zum Ausgleich der variierenden Einspeiseleistungen der erneuerbaren Energien sowie der schwankenden Stromnachfrage für den aktuellen deutschen Kraftwerkspark die deutlich klimafreundlichere Alternative zu offenen Gasturbinen. Diese stehen zwar ebenfalls kurzfristig für den Lastausgleich zur Verfügung, verursachen aber im Teillastbetrieb erhebliche Wirkungsgradeinbußen und Nachteile für die Klimabilanz. Auch bei den direkten Emissionen, ohne Berücksichtigung von Förderung und Transport des Brennstoffs, stößt eine offene Gasturbine im Teillastbetrieb bis zu 29 % mehr Treib-hausgase aus als ein Steinkohlenkraftwerk.

In der aktuellen Diskussion um die beste Brückentechnologie auf dem Weg zur Energiewende ist Erdgas aufgrund der vermeintlich besseren CO2-Bilanz derzeit der von Politik und Gesellschaft präferierte Energieträger. Die Ergebnisse der Pöyry-Studie zeigen jedoch, dass hier bisher falsche Annahmen zugrunde gelegt wurden. Insbesondere zur Erreichung der weltweiten Klimaziele müssen auch die indirekten Emissionen berücksichtigt werden, die bei der Förderung und dem Transport der unterschiedlichen Energieträger entstehen. In einer ganzheitlichen Betrachtung und vor allem unter Teillastbetrieb schneidet die Steinkohle zum Teil deutlich besser ab als das vermeintlich klimafreundlichere Erdgas.

Neben den CO2-Emissionen berücksichtigt die Pöyry-Analyse auch den Ausstoß des Treibhausgases Methan, der bei der Gewinnung, dem Transport und der Verarbeitung sowohl von Schiefergas als auch von konventionell gewonnenem Erdgas auftritt. Methan hat über einen Betrachtungszeitraum von 100 Jahren ein 28-mal höheres Treibhauspotential als CO2. Da der Handlungsbedarf nach der Weltklimakonferenz von Paris als sehr hoch und dringlich angesehen wird, legt Pöyry bei der Berechnung des CO2-Äquivalents einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahren zugrunde. Das Treibhauspotential von Methan ist dann sogar 84-mal höher als das von CO2.

Die wesentlichen Komponenten für die Emissionsbilanz der Stromerzeugung sind somit der direkte Verbrennungsprozess (CO2), der Energieaufwand für den Transport (CO2) und der Methanaustritt bei der Förderung und durch Leckagen. Die Konzentration des Treibhausgases Methan in der Atmosphäre ist seit dem Jahr 2006 stark angestiegen. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) konnte unlängst nachweisen, dass hierfür die Förderung von Öl und Erdgas insbesondere in den USA verantwortlich ist. Auch durch die Leckage eines großen Gasspeichers im Aliso Canyon, Kalifornien, bei dem 77.000 t Methan in die Atmosphäre entwichen, wurde die Öffentlichkeit Anfang dieses Jahres auf die Relevanz dieses viel stärker als CO2 wirksamen Treibhausgases aufmerksam.

„Durch den Einspeisevorrang der erneuerbaren Energieträger wird den fossil befeuerten Kraftwerken zunehmend die Aufgabe des Ausgleichs von Erzeugungsschwankungen und der Netzstabilisierung zugewiesen. Sie werden deshalb zunehmend in der Teillast eingesetzt“, so Roland Lorenz, Energieexperte und Geschäftsführer von Pöyry Management Consulting. „Nach den Studienergebnissen sind in diesem Lastbereich Steinkohlenkraftwerke die klimafreundlichere Alternative zu offenen Gasturbinen.“ Die effizienten GuD-Kraftwerke erzeugen Strom in direkter Verbindung mit der Erzeugung von Wärme beispielsweise für Fernwärmenetze und können daher nicht so flexibel, wie für die Energiewende notwendig, auf Einspeiseschwankungen reagieren. Daher werden sie im aktuellen Energiemarkt fast ausschließlich in Verbindung mit einem Wärmebedarf gebaut, nicht zum Ausgleich von Lastspitzen. Nur die offenen Gasturbinen ohne angeschlossenen Dampfprozess können für eine Übergangsphase bis zum Erreichen der Ausbauziele für Wind- und Photovoltaikanlagen und bis zur Lösung des Speicherproblems völlig flexibel zur Netzstabilisierung eingesetzt werden, sind aber hinsichtlich der Effizienz und damit auch im Hinblick auf die Treibhausgasemission schlechter als moderne Steinkohlenkraftwerke.

Die Studienergebnisse unterstreichen den politischen Handlungsdruck: Die Stromerzeugung aus Steinkohle eignet sich als besonders flexible Brückentechnologie bis zum Erreichen der Ausbauziele für Wind- und Photovoltaikanlagen und bis zur Lösung des Speicherproblems mindestens ebenso gut wie die Stromerzeugung aus Erdgas. Dennoch ist die öffentliche Wahrnehmung eine andere. Politische Akteure verweisen immer wieder auf die vermeintlich emissionsärmere Stromerzeugung aus Erdgas. Doch in den Debatten über Treibhausgase werden lediglich direkte Emissionen betrachtet und pauschal die Wirkungsgrade von hocheffizienten GuD-Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Auskoppelung zugrunde gelegt. Wichtig ist aber auch hier zu unterscheiden, welcher Lastbetrieb erforderlich ist und welche Technik dafür zum Einsatz kommen muss. Hierbei wird offensichtlich der Emissionsvorteil von Steinkohlenkraftwerken im Teillastbetrieb außer Acht gelassen. Um die mittelfristige Stromversorgung in Deutschland ohne steigende Emissionswerte und die notwendige Flexibilität in der Fahrweise des thermischen Kraftwerksparks sicherstellen zu können, sollten alle vorhandenen Energiequellen ökonomisch genutzt werden. Zudem muss ein fairer Wettbewerb zwischen den fossilen Energieträgern gewährleistet werden, damit die Verbraucher vor weiteren Preissteigerungen geschützt sind. (VDKi/Si.)

 

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