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Bild 1. Humboldtparade und Welterbetitelverleihung am 14. September 2019 in Freiberg. Foto: Albrecht Holländer Artworks

Das Erzgebirge war das Silicon Valley

„Das Erzgebirge war das Silicon Valley Sachsens“ – so war es im Zuge der Ernennung der Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří zum UNESCO-Welterbe vor einem Jahr zu lesen (Bild 1). Nicht nur die Arbeitsleistung der Bergmänner unter Tage war enorm, sondern auch, was an Wissenschaft, Technologie, Infrastruktur, Zulieferhandwerk und Folgeindustrie innerhalb kurzer Zeit entlang des Gebirgskamms entwickelt wurde. Es zeugt von einer außergewöhnlichen Ausdauer und einem Entwicklergeist, der in der Gebirgsregion herrschte und noch heute dominiert.

Die mittelständischen Unternehmen des Erzgebirges haben in der Tradition dieser Werte heute ein breites Fertigungs-Know-how in den Folgeindustrien des Bergbaus aufgebaut und finden individuelle Lösungen für Spezialanwendungen. Deren Einsatzbereiche sind meist wenig bekannt, denn die Sichtbarkeit der Produkte ist begrenzt. Das Wirken im Hintergrund, als Zulieferer und Nischenanbieter ist auch der Grund, weshalb das Erzgebirge weniger mit starken Marken nach außen glänzt. Doch ist es gerade die Vielfalt und Heterogenität der Wirtschaftsregion, die sich als krisenresistent erwiesen haben und einen besonderen Vorteil bieten. In kaum einer anderen Region kommen so viele produzierende Unternehmen aus so vielen Branchen auf so engem Raum zusammen. Das ist ein Grund, weshalb sich im Erzgebirge aktuell gleich drei Innovationsprojekte der Zielsetzung stellen, regionale Anstrengungen in Forschung und Entwicklung zu kanalisieren, um in der Kooperation sichtbare Erfolge zu erzielen. SmartERZ, recomine und Smart Rail Connectivity Campus sind als Projektvorhaben des WIR!-Programms nahezu ideal für die Region. Denn die kleingliedrige Wirtschaftsstruktur erhält dadurch Zugang zu Forschungseinrichtungen und kann längerfristig Partnerschaften aufbauen. Schließlich war das Miteinander der vielen Branchen auch schon ein Erfolgsgarant für die Bergbauregion Erzgebirge.

Das Geheimnis der Region sind damals wie heute die Menschen des Erzgebirges. Michael Urban, Wegbereiter des Welterbeprojekts auf tschechischer Seite, geht noch einen Schritt weiter und bezeichnet das Erzgebirge als das Silicon Valley der ganzen (damaligen) Welt. Erzgebirger mit Bergbauerfahrung und der besten akademischen Ausbildung wurden zu gefragten Experten – deshalb zog die Region Bergleute aus aller Welt an und entsandte sie ebenso international. Neben den Menschen brauchte die Region – das ist im Silicon Valley nicht anders – Rahmenbedingungen, um diese Leistungen zu ermöglichen. Kurfürsten sorgten mit ihren Entscheidungen u. a. zur Münzordnung und Verleihung von Münzrechten nach Annaberg und Joachimsthal im frühen 16. Jahrhundert, zur Gründung einer Bergbau-Universität 1765/66 oder dem Ausbau von Handelswegen für grundlegende Bedingungen, welche die stetige Weiterentwicklung des Montanwesens ermöglichten. Unter den Universalgelehrten und Wissenschaftlern, die maßgeblich mit die Basis für die heutige Wissenschaft legten, finden sich Namen aus dem Erzgebirge wie Alexander von Humboldt, Novalis, Adam-Ries, Georgius Agricola und Carl von Carlowitz.

Ähnlich verhält es sich mit der Wirtschaftsförderung heute. Standortvoraussetzungen sind nicht wegzudiskutieren, sie können aber durch cleveres Handeln im Zusammenwirken von Politik, Wissenschaft und Gesellschaft verbessert werden, um mutigen Visionären und Machern Chancen zu ermöglichen. Denn Innovationen erfüllten dabei keinen Selbstzweck, sondern dienten der Optimierung eines Status quo. So wurde die Verbesserung von Wasserhebetechniken mit Feldgestängen und dem Kehrrad in Joachimsthal und Ehrenfriedersdorf im 16. Jahrhundert entwickelt, um tiefer liegende Erze abbauen zu können. Die von Heinrich Eschenbach entwickelte Kunst des krummen Zapfens war über Jahrhunderte maßgeblich für die Konstruktion von Pumpanlagen. Ähnlich wegweisende Fragen existieren heute für die Mobilität des 21. Jahrhunderts. Weichenstellungen für den Smart Rail Connectivity Campus können Potentiale zur Weiterentwicklung der Region heben, wenn hier am Standort der Schienenverkehr der Zukunft wesentlich mitentwickelt wird.

Mit neuen Erzaufbereitungstechnologien nahm Sigismund von Maltitz aus Dippoldiswalde eine Vorreiterrolle ein, durch die erstmals die Erze in Wert- und Abfallkomponenten getrennt wurden. Eine geringere Staubbelastung war die Folge. Aktuelle Fragen zum schonenden Umgang mit Ressourcen, Nachhaltigkeit und dem Recycling von Altlasten zu Rohstoffquellen sind Themen, dem sich das Projekt recomine stellt. Hier von Beginn an involviert ist u. a. die Nickelhütte Aue. Mit fast 400 Jahren Firmengeschichte und über 400 Mitarbeitern ist die Nickelhütte ein industrielles Schwergewicht im Erzgebirge (Bild 2).

Bild 2. Die Nickelhütte Aue ist ein industrielles Schwergewicht im Erzgebirge. Foto: Erik Wagler

Als Blaufarbenwerk beginnt die Historie des Metallurgie- und Hüttenbetriebs. Heute gehört das Unternehmen zu den Spezialisten, wenn es um Metallrecycling geht. Im Kerngeschäft steht die Wiederverwertung von Lithium-Ionen-Akkus – ein wichtiger Aspekt zum ökologischen Umbau der Wirtschaft. Neue Arbeitsfelder ergeben sich immer wieder durch neuartige Technologien und Stoffentwicklungen, die irgendwann wieder ihren Weg in den Kreislauf finden müssen.

Neue Werkstoffe sind das Stichwort. Denn so wie in den letzten Jahrhunderten vom ersten Silberfund ausgehend immer neue Legierungen andere Werkstoffe hervorbrachten, beschäftigen sich die Erzgebirger auch heute mit der Revolution von Materialien, um Dinge mit Funktionen zu versehen. In dem breit angelegten Netzwerk SmartERZ entwickeln sich Ansätze zur interdisziplinären Zusammenarbeit, die eine Produktentwicklung von intelligenten Verbundwerkstoffen erst möglich machen. Denn dafür braucht es Expertise in der Elektrotechnik, für Kunststoff, Textilien und Metall, aber genauso Maschinenbauer und Anlagenentwickler, welche die Komponenten zusammenbringen. Und genau diese Vielseitigkeit hält das Erzgebirge bereit. (Wirtschaftsförderung Erzgebirge/Si.)

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