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Fig. 1. Mining meets electric mobility. // Bild 1. Bergbau trifft Elektromobilität. Photo/Foto: Volker Presser, INM

Grubenwasser als Wertwasser – Bergbau trifft Elektromobilität

Was verbindet Steinkohlenbergbau und Elektromobilität? Das eine gehört in Deutschland seit Ende 2018 der Vergangenheit an, das andere ist eine Zukunftstechnologie. Was Vergangenheit und Zukunft verbindet ist Lithium (Bild 1). Das Grubenwasser aus den ehemaligen Bergwerksstollen enthält diesen wertvollen Rohstoff, der zur Fertigung von Lithium-Ionen-Batterien benötigt wird. Wie sich Lithium aus Grubenwasser extrahieren lässt, ist Gegenstand des Forschungsprojekts MERLIN (MERLIN: mining water lithium extraction) von Prof. Volker Presser am Leibniz-Institut für Neue Materialien (INM) in Saarbrücken. Die RAG-Stiftung, Essen, unterstützt das Forschungsprojekt, das im November 2020 gestartet und auf zwei Jahre angelegt ist, mit 300.000 €. Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Mitglied im Vorstand der RAG-Stiftung: „Grubenwassermanagement ist ein zentraler Bestandteil der dauerhaften Aufgaben des Nachbergbaus, deren Finanzierung Zweck der RAG-Stiftung ist. Die Chancen zu erforschen, die das Grubenwasser mit sich bringt, hat uns überzeugt. Deshalb fördern wir dieses Projekt sehr gerne.“

In den ehemaligen Steinkohlenrevieren an Ruhr und Saar durchdringt Regen- und Oberflächenwasser hunderte von Meter mächtige Gesteinsschichten, bevor es sich in den alten Stollen sammelt und schließlich als Grubenwasser zutage tritt. Beim Durchströmen der Gesteinsschichten reichert sich das Wasser mit weniger seltenen Mineralstoffen wie Natrium, Kalium oder Calcium an, aber auch mit für die Industrie hochattraktiven Elementen wie Strontium, Barium oder Lithium. „Unser Ansatz ist, Grubenwasser als Ewigkeitschance zu verstehen und durch innovative Technologie als Wertwasser nutzbar zu machen“, erläutert Prof. Presser die Zielsetzung seines Projekts. So gingen in Deutschland schätzungsweise 1.900 t/a wertvolles Lithium verloren, das mit dem Grubenwasser ungenutzt, z. B. über Flüsse wie Blies und Saar, abfließe.

Lithium spielt eine zentrale Rolle in der Energiewende und ist zu einem industriellen und strategischen Schlüsselelement für die Elektromobilität geworden – gerade für den Industriestandort Deutschland mit seiner bedeutenden Automobilbranche. So werden Milliardenbeträge in die Entwicklung neuer elektromobiler Fahrzeugkonzepte investiert. Da sich die Lithiumvorkommen in Europa auf lediglich 1 bis 2 % der weltweiten Produktion belaufen und die Nachfrage wesentlich höher ist, muss das teure Metall importiert werden, u. a. aus Chile und Argentinien, wo es unter umwelt- und gesundheitsgefährdenden Bedingungen gewonnen wird.

Der Erfolg der Elektromobilität ist daher eng mit der Erschließung neuer Ressourcen und der Entwicklung innovativer Technologien zur Lithiumgewinnung verknüpft. Grundlage des MERLIN-Projekts ist die ionenselektive Elektrochemie, die Prof. Presser schon seit mehreren Jahren erforscht und beispielsweise erfolgreich zur Wasserentsalzung einsetzt. Im MERLIN-Prozess fließt zunächst Grubenwasser durch einen speziellen Aufbau, die MERLIN-Zelle, die zwei Elektroden mit unterschiedlicher Polarität enthält. Dabei werden Lithium- und Chlor-Ionen von jeweils einer Elektrode angezogen, während alle anderen gelösten Stoffe die Zelle mit dem Grubenwasser verlassen. Anschließend fließt Frischwasser in die Zelle und sammelt Lithium und Chlor in Form von Lithiumchlorid ein. Dieser Vorgang wird mehrfach wiederholt, sodass sich die Konzentration des Lithiumchlorids im Wasser immer weiter erhöht. Nach Verdunstung des Restwassers liegt es schließlich als Festkörper vor. Da die eingebrachte elektrische Ladung beim Entladen fast vollständig wiedergewonnen wird, handelt es sich beim MERLIN-Prozess um ein energieeffizientes Verfahren.

Das Projekt umfasst über die Laufzeit von 24 Monaten verschiedene Arbeitspakete. Sie reichen von der Analyse von Grubenwasser, im Speziellen des Wassers aus den ehemaligen saarländischen Bergwerken in Reden und Camphausen, über die Optimierung des Elektrodenmaterials in der MERLIN-Zelle bis hin zur Entwicklung eines Demonstrators und einer abschließenden Wirtschaftlichkeitsanalyse. Bei der Umsetzung steht Prof. Presser das INM-eigene InnovationsZentrum zur Seite. Karsten Moh, Leiter des InnovationsZentrums INM, versichert: „Das Projekt ist ein ideales Bindeglied zwischen der Spitzenforschung am INM und dem Technologietransfer des InnovationsZentrums! Wir werden es aktiv mit Personal und Infrastruktur unterstützen. Dazu werden wir insbesondere die Hoch-skalierung der Technologie untersuchen und diese im Gesamtprozess betrachten.“

Unterstützt wird MERLIN auch von der saarländischen Staatskanzlei, welche die Einwerbung der Förderung durch die RAG-Stiftung von der Einreichung des Antrags bis zur Genehmigung aktiv begleitete. (RAG-Stiftung/Si.)

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