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Fig. 1. Air-view on the Scheibesee with injection system. // Bild 1. Luftansicht Scheibesee mit Injektionssystem. Photo/Foto: LMBV

Der See hilft mit: Neues Verfahren zur Neutralisierung von Tagebauseen nutzt natürliche Wasserzirkulation zur Verteilung von Kalk und CO2

Beim Braunkohlenabbau wird erheblich in den Wasserhaushalt einer Region eingegriffen, da für den Tagebau der Grundwasserspiegel bis unter das Kohleflöz abgesenkt werden muss. In Abhängigkeit des Chemismus der Deckgebirgsschichten kann beim anschließenden Wiederanstieg das Grundwasser in den entstandenen Tagebauseen durch Pyritverwitterung versauern. Grundwassersanierungsprojekte bemühen sich deshalb, das Grundwasserdefizit auszugleichen und die sauren Tagebaurestseen zu neutralisieren, damit sich Tiere und Pflanzen ansiedeln können. Hierzu wird hauptsächlich Kalk z. B. über Kalkschiffe mithilfe von Beregnungsanlagen in das Gewässer eingeleitet. Da dies jedoch nur mit einer geringen Vermischung erfolgt, sind größere Kalkmengen erforderlich, um den gesamten Wasserkörper zu behandeln. Als Alternative dazu hat die GMB GmbH, Senftenberg, das GSD-Verfahren entwickelt: Über getauchte Schwimmleitungen mit Düsen wird mit Kalk versetztes Seewasser in das Gewässer geleitet, dort gut gelöst und die natürliche Wasserzirkulation zur gleichmäßigem Verteilung der Suspension im See genutzt. In einem Pilotprojekt wurde das Verfahren erfolgreich am Scheibesee in der Lausitz getestet.

Fig. 2. Injection of the lime suspension. // Bild 2. Injizieren der Kalksuspension. Photo/Foto: LMBV

Fig. 2. Injection of the lime suspension. // Bild 2. Injizieren der Kalksuspension. Photo/Foto: LMBV

Das Bundesberggesetz (BBergG) schreibt die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche vor. Dazu zählen auch die entstehenden Restseen. Allein im Braunkohlenabbaugebiet in der Lausitz gibt es 36 Folgeseen mit einer Gesamtfläche von 146,8 Mio. m2 und einem Volumen von 2,287 Mrd. m3 Wasser. Ihr pH-Wert reicht von normalen 7,5 bis zu sauren 3,0, was die Entstehung eines funktionierenden Ökosystems dort unmöglich macht. Zu diesem Zweck entwickelte die GMB GmbH im Jahr 2010 in einer Projektgruppe unter Beteiligung der Fels-Werke GmbH, dem Institut für Wasserwirtschaft, Ökologie und Siedlungsbau IWSÖ GmbH, der Firmengruppe Kemmer/Harbauer GmbH und der Linde Gas im Labor der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) das GSD-Verfahren, das auf getauchten Schwimmleitungen mit Düsen basiert.

„Die GMB GmbH hat für beide Projektteile – Initialneutralisation und Pufferung mit CO2 – einen Antrag auf ein Pilot- und Demonstrationsvorhaben bei uns gestellt“, erklärt Eckhard Scholz, Bereichsleiter Technik bei der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV), hierzu. Die Gesellschaft ist für die Rekultivierung der Braunkohlenreviere in der Region zuständig und nutzt u. a. die Pilot- und Demoprojekte, um innovative technische Lösungen zur Wasserbehandlung vom Technikums- in den realen Sanierungsmaßstab zu überführen. Die tatsächliche Umsetzung der Projekte erfolgte am Scheibesee in der Lausitz, der ein Seevolumen von ca. 110 Mio. m3 hat und vor der Primärneutralisation ein Säureinventar von 381 Mio. mol besaß (Bild 1).

Für die erste Stufe des Projekts, die Initialneutralisation, von Oktober 2011 bis Januar 2012 wurde eine feste Anlage am Ufer des Sees installiert, um Seewasser on-site mit Kalk zu versetzen. Gleichzeitig wurden sechs Düsenpaare im Abstand von jeweils 20 m an einer Schwimmleitung etwa 50 cm unter der Wasseroberfläche platziert. Anschließend wurde 16 Wochen lang an sechs Tagen die Woche aus 15.200 t Weißfeinkalk und 440.000 m3 Seewasser eine 4 %-ige Suspension mit einer Geschwindigkeit von etwa 7,6 m/s und einer Durchflussmenge von 260 m3/h in den See gepumpt (Bild 2).

Um eine optimale Durchmischung des Seewassers zu erreichen, nutzt das GSD-Verfahren die Phasen der Seezirkulation. Der Eintrag erfolgt dabei im Epilimnion. Während der Phasen der Vollzirkulation im Frühjahr oder Herbst durchmischt sich der komplette See aufgrund der Dichteunterschiede des Seewassers selbst. Dadurch verteilt sich die Kalksuspension auf natürliche Weise ohne zusätzlichen Energieaufwand im gesamten Gewässer. So konnte der pH-Wert von 2,9 auf sieben gesteigert werden. Der neutrale Bereich liegt etwa zwischen sechs und acht. Auch während einer Nachbehandlung von Mai bis August 2014, die nötig geworden war, um der eingesetzten Rückversauerung des Sees durch zuströmende Säurefracht zu begegnen, wurde wiederum die Seezirkulation genutzt. In diesem Zeitraum wurden 3.000 t Kalkprodukte in 400.000 m3 Suspension eingeleitet, sodass ein Puffer von 0,18 mol/m3 Alkalinität geschaffen werden konnte. In einer zweiten Stufe im Juni 2015 bauten die Experten die Anlage weiter aus, um auch CO2 zur Hydrogencarbonatisierung in den See leiten zu können. Während der Kalk weiterhin direkt unter der Oberfläche in das Gewässer gepumpt wurde, erfolgte der Eintrag von gelöstem CO2 über dem Seegrund in das Hypolimnion. Dabei wurde die Phase der Seeschichtung, die im Sommer und Winter auftritt, genutzt, um die beiden Suspensionen zunächst in getrennten Schichten in den See leiten zu können. In der anschließenden Phase der Vollzirkulation fand wiederum eine natürliche Durchmischung statt, sodass der Kalk mit dem CO2 chemisch reagieren konnte.

Durch die gleichzeitige Behandlung des Sees mit Kalk und CO2 wird ein Puffer geschaffen, und das Gewässer muss weitaus seltener nachbehandelt werden, was sich deutlich in niedrigeren Kosten niederschlägt. Sobald die Biologie im See wirkt und selbst für das natürliche Gleichgewicht sorgt, ist die Behandlung abgeschlossen.
Das Verfahren eignet sich vor allem für große Seen mit starkem Säurezustrom, da in kurzer Zeit große Mengen behandelt werden können.

Neben dem Bau einer weiteren GSD-Anlage am Bernsteinsee sucht die GMB GmbH derzeit bereits nach weiteren Anwendungsfeldern. Ließen sich etwa Standardgrößen für die Schwimmleitungen, die Pumpen und Mischer sowie die Düsen festlegen, könnten mit dem Verfahren etwa auch kleinere Teiche behandelt werden. (LMBV/Si.)

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